James Tiptree Jr.-Reader
Leseproben der 7 Bändigen Werkausgabe des Septime Verlag, sowie der Biografie von Julie Phillips.
Leseproben der 7 Bändigen Werkausgabe des Septime Verlag,
sowie der Biografie von Julie Phillips.
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teilte Russ ihm mit, er hätte Gedanken, »die keine Frau auch nur denken oder verstehen,<br />
geschweige denn gutheißen könnte«.<br />
Zu diesem Zeitpunkt hatte <strong>Tiptree</strong> bereits seinen Schützling Raccoona Sheldon<br />
eingeführt, die stark von <strong>Tiptree</strong>s Stil beeinflusst schien. Niemand, auch nicht Raccoona<br />
selbst, hatte eine Meinung zu ihrem Geschlecht: Sie war eine ehemalige Lehrerin,<br />
die wenig veröffentlicht hatte und die schrieb: »Was mich betrifft, je weniger über mich<br />
geredet wird, desto besser.«<br />
<strong>Tiptree</strong> hatte einige wenige Informationen über sich preisgegeben. Er war in Chicago<br />
geboren worden, seine Eltern waren Afrikaforscher und seine Mutter zudem Schriftstellerin.<br />
Einen Teil seiner Kindheit hatte er im kolonialen Afrika verbracht, und den<br />
Zweiten Weltkrieg »in einem Kellergeschoss des Pentagons«. Es widerstrebte ihm, seine<br />
wahre Identität zu enthüllen; er wollte nicht, dass die Menschen um ihn herum erfuhren,<br />
dass er Science Fiction schrieb, und er genoss sein geheimes Leben.<br />
Später, gegen Ende 1976, berichtete <strong>Tiptree</strong> einigen Freunden vom Tod seiner bejahrten<br />
Mutter. Mehrere seiner Brieffreunde durchforsteten daraufhin die Chicagoer<br />
Zeitungen. Sie fanden eine Traueranzeige für Mary Hastings Bradley, Roman- und<br />
Reiseschriftstellerin und Afrikaforscherin. Unter den Hinterbliebenen war ihr einziges<br />
Kind genannt: Alice Bradley (Mrs. Huntington) Sheldon.<br />
Zehn Jahre später, kurz vor ihrem Selbstmord, schrieb Alli Sheldon: »In meine<br />
geheime Welt war eingedrungen worden und die attraktive Persönlichkeit <strong>Tiptree</strong>s –<br />
etliche Leute hatten ihn wirklich als attraktiv empfunden – entpuppte sich als nichts<br />
weiter als eine ältliche Dame aus Virginia.«<br />
50<br />
ALICE HASTINGS BRADLEY DAVEY SHELDON,<br />
1915–1987<br />
Wie sich herausstellte, war Alice Sheldon, bekannt als Alli, eine ebenso attraktive Persönlichkeit<br />
wie <strong>Tiptree</strong>: eigensinnig und theatralisch, mit einer Vergangenheit, die sie<br />
nach und nach in unwiderstehlichen Anekdoten enthüllte. Die wenigen Freunde, die<br />
sie in ihrem Zuhause in McLean empfing, wo sie mit ihrem Mann Huntington »Ting«<br />
Sheldon lebte, waren von dieser eloquenten Geschichtenerzählerin fasziniert. Der<br />
Schriftsteller Gardner Dozois nannte sie »einen der faszinierendsten Gesprächspartner,<br />
die ich je getroffen habe: brillant, theatralisch, von großer Reichweite, auffallend<br />
scharfsinnig«. David Hartwell, ihr Herausgeber, sagte: »Alli war elektrisierend, […]<br />
bezaubernd, sowohl als Mensch als auch in ihren Werken.«<br />
Als sie anfing, Science Fiction zu schreiben, hatte sie bereits eine Karriere als Malerin<br />
und als Air-Force-Nachrichtenoffizierin hinter sich. Sie war mit einem »gutaus-