De:Bug 170
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präsentiert. Obwohl es alles andere als ein Clubalbum geworden<br />
ist. Aber der Versuch ging auf: "Es ist toll, die<br />
Stücke zu spielen und zu merken, dass sie perfekt ins<br />
Set passen, obwohl sie keine Dancefloor-Banger sind. Ich<br />
wollte definitiv kein Clubalbum machen. Einfach nur Tracks<br />
produzieren und dann aneinanderzureihen, die dann auch<br />
noch alle ähnlich klingen, interessiert mich nicht", sagt der<br />
29-jährige Ire. "Ich bin wirklich glücklich mit dem Album,<br />
aber auch verdammt froh, dass es jetzt endlich fertig ist."<br />
In Manos Stimme klingt Stolz, aber auch Erschöpfung<br />
an: "Ich höre fast jeden Tag noch mal rein, spiele alles für<br />
höchstens zwei Sekunden an und springe dann weiter. Als<br />
wollte ich mich vergewissern, dass es das Album wirklich<br />
gibt. Ich glaube, ich bin ein bisschen neurotisch", lacht er.<br />
Anderthalb Jahre hat Niall Mannion, wie der DJ,<br />
Musiker und Produzent bürgerlich heißt, an den elf Songs<br />
gefeilt. Noch viel länger hat er darüber geredet, ein Album<br />
machen zu wollen. Buzzin’ Fly, das Londoner House-Label<br />
von Ben Watt, hatte Mano Le Tough schon 211 angeboten,<br />
einen Longplayer von ihm herauszubringen. Doch<br />
dann kam der Brand im Sony-Lagerhaus in der britischen<br />
Hauptstadt dazwischen, der fast die gesamten Bestände<br />
des Label-Katalogs vernichtete. Auf einmal schien die<br />
Zukunft des Labels ungewiss, und damit die Zukunft des<br />
Albums. Doch Mano Le Tough hat bei Permanent Vacation<br />
eine neue Heimat gefunden. Ein Fremder war er dort eh<br />
nicht: Auf dem Münchner Label hatte er schon Remixes<br />
für Aloe Blacc, Midnight Magic und Roisin Murphy veröffentlicht,<br />
letztes Jahr erschien dort seine "Mountains EP".<br />
Die Entscheidung für Permanent Vacation erscheint logisch,<br />
steht das Label doch für den sonnigen, melodischen,<br />
Vocal-bestimmten Sound, dem sich auch Mano Le Tough<br />
verschrieben hat.<br />
Je abstrakter, desto besser<br />
Viele seiner Songs entwickeln sich erst vorsichtig, fast<br />
schleichend, um sich dann in der Mitte plötzlich zu voller<br />
Größe aufzutürmen. Wie die Ahnung eines Berges am<br />
Horizont, der gewaltiger und schöner wird, je näher man<br />
ihm kommt. Steht man dann vor ihm, ist man auf merkwürdige<br />
Art ergriffen, ohne es in Worte fassen zu können. So<br />
passiert es mir immer wieder beim Hören von "Changing<br />
Days". Jeder der elf Songs entwickelt eine emotionale<br />
Kraft, die nichts mit Gefühlsduselei zu tun hat, sondern<br />
mit einer schwer greifbaren Durchdringung allgemeiner<br />
Stimmungen und Gefühle. "Transzendenz ist mir sehr<br />
wichtig, wenn ich Musik mache. Du überwindest dich quasi<br />
selbst, um nur noch in der Musik und in dem Moment zu<br />
existieren. Das ist die Magie im Studio, wenn ich plötzlich<br />
nicht mehr nachdenke, sondern nur noch kreativ bin. Ich<br />
rufe keine konkreten Bilder oder Landschaften, Gefühle<br />
oder Erlebnisse in meinem Kopf ab, wenn ich im Studio<br />
sitze. Ich glaube sogar, je abstrakter ich an eine Sache herangehe,<br />
desto besser wird es."<br />
Transzendenz durch Musik, darauf kommt Mano Le<br />
Tough im Laufe des Interviews immer wieder zurück. Die<br />
eigene sinnliche und körperliche Erfahrungswelt überwinden,<br />
sie hinter sich zu lassen, um in der Musik aufzugehen,<br />
ist sein Ideal. Das hat durchaus schon spirituelle<br />
Züge - und "Changing Days" transportiert das. Mano<br />
Le Tough erzählt auf seinem <strong>De</strong>bütalbum gleichzeitig von<br />
Veränderung, Einflüssen und Sehnsüchten. Einer der magischsten<br />
Momente entfaltet sich dabei in "Dreaming<br />
Youth".<br />
Eine Melodie galoppiert los, hält inne, ein zarter Beat<br />
folgt, warme Holz-Percussions greifen die Melodie wieder<br />
auf. Dann erst setzt Gesang ein, da hat das Stück<br />
schon mehr als vier Minuten hinter sich. Wobei: was heißt<br />
Gesang, es ist nur eine einzige Zeile – "spent my youth dreaming"<br />
- , die Mano Le Tough sehnsüchtig hervorpresst.<br />
"Es geht um die Sorglosigkeit, mit der man durch die<br />
Welt geht, wenn man jung ist", erklärt er. "Du machst dir<br />
um nichts Gedanken, alles steht dir offen, die Möglichkeiten<br />
scheinen unbegrenzt. Irgendwann merkst du, dass das<br />
nicht mehr so ist." Schwingt hier die Erkenntnis und<br />
Wehmut eines 29-Jährigen, kurz vor seinem nächsten<br />
runden Geburtstag mit? "Ich war 24, als ich nach Berlin<br />
kam, noch total ein Kind. Seitdem ist viel passiert: ich habe<br />
mich verändert, bin jetzt erwachsener und viel verantwortungsbewusster.<br />
Irgendwas ist passiert mit mir - innerlich,<br />
einfach so."<br />
Du bist ein Produkt deiner Zeit<br />
Seine Jugend hat Niall Mannion in der 1.-Einwohner<br />
Stadt Greystones an der irischen Küste nicht weit von<br />
Dublin verbracht. Hier hat er Gitarrespielen gelernt und in<br />
Coverbands gesungen, die er mit "The Drifter" gründete,<br />
seinem Kumpel aus Kindertagen, mit dem er seit Jahren<br />
auch die Partyreihe "Passion Beat" in Berlin veranstaltet.<br />
Schon früh fing Mano Le Tough an, Platten zu kaufen. Erst<br />
viel Indierock, bis er mit dem <strong>De</strong>bütalbum von The Prodigy<br />
elektronische Musik für sich entdeckte. "A Thing From<br />
"Einflüsse in der Musik<br />
zu verarbeiten, ist zwar<br />
schön und gut. Aber<br />
wirklich toll wird es<br />
doch erst, wenn man<br />
etwas Eigenes hat."<br />
Above" erzählt mit primitiven Synthi-Klängen und verzerrter<br />
Computerstimme ein bisschen von diesen Einflüssen.<br />
Im Eröffnungssong "Cannibalize" thematisiert Mano den<br />
Umgang mit musikalischen Einflüssen und Erfahrungen<br />
direkt. "You’re a product of your time, a product of your<br />
mind", singt er. "Du bist immer ein Produkt deiner Herkunft<br />
und deiner Zeit, ein Produkt dessen, was dich umgibt.<br />
Ich bin Produkt der Musik, die ich mir anhöre oder der<br />
Erfahrungen, die ich während meiner DJ-Gigs mache.<br />
Wichtig für mich ist, aus all diesen Einflüssen etwas Neues<br />
zu schöpfen. Die Emotionen daraus zu ziehen und in meine<br />
eigene Musik zu packen, ohne sie bloß zu reproduzieren.<br />
Wenn man sich House aus den 9ern anhört, weiß man<br />
sofort, dass es House aus den 9ern ist. Wenn ich heute<br />
House produziere, dann ist es toll, wenn die Einflüsse von<br />
damals hörbar sind. Aber wirklich gut ist es nur dann, wenn<br />
es etwas Eigenes, Neues hat."<br />
Darüber braucht sich Mano Le Tough keine Sorgen<br />
zu machen. Sein <strong>De</strong>bütalbum besitzt, wie auch schon<br />
seine zahlreichen EPs für Labels wie Mirau, Dirt Crew,<br />
Buzzin’ Fly oder Permanent Vacation, eine ganz eigene<br />
Handschrift. Wie auch seine DJ-Sets, in denen sein eklektischer<br />
Musikgeschmack aufblitzt. "Es gibt so viel unglaublich<br />
gute Musik da draußen. Ich höre alles, von Folk,<br />
über klassische Musik, Jazz bis Pop. Ich finde das auch<br />
wichtig. Wenn du immer nur House hörst, dann ist es viel<br />
schwieriger, etwas zu machen, das interessant oder anders<br />
klingt, weil du nur im eigenen Saft schwimmst."<br />
Mano Le Tough, Changing Days,<br />
ist auf Permanent Vacation/Groove Attack erschienen.