De:Bug 170
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MY BLOODY VALENTINE<br />
MBV<br />
[NOT ON LABEL]<br />
ATOM TM<br />
HD<br />
[RASTER-NOTON]<br />
01 Atom TM<br />
HD<br />
Raster-Noton<br />
02 My Bloody Valentine<br />
mbv<br />
Not on label<br />
03 Function<br />
Incubation<br />
Ostgut Ton<br />
04 Ruby<br />
Foreword EP<br />
Tevo Howard Recordings<br />
05 Bandshell<br />
Caustic View<br />
Liberation Technologies<br />
06 Rainer Veil<br />
Struck EP<br />
Modern Love<br />
07 V.A.<br />
KLSUnderground 2<br />
Klasse Recordings<br />
08 Rising Sun<br />
Awake From A Dream<br />
Wake Up!<br />
09 Benjamin Damage<br />
Heliosphere<br />
50 Weapons<br />
10 Pev & Kowton<br />
Raw Code<br />
Hessle Audio<br />
11 Metaboman<br />
Ja/Noe<br />
Musik Krause<br />
12 Unknown<br />
50005<br />
Wax<br />
13 Audio Werner<br />
High<br />
Hartchef<br />
14 Elektro Guzzi<br />
Cashmere EP<br />
Macro Recordings<br />
15 Seba<br />
Identity<br />
Secret Operations!<br />
16 Blamstrain<br />
Sunday Dub<br />
Erotus Records<br />
17 Dauwd<br />
Heat Division<br />
Ghostly<br />
18 Achterbahn D’Amour<br />
Cardbox / Harmonia<br />
Acid Test<br />
19 John Foxx and The Maths<br />
Evidence<br />
Metamatic<br />
20 Maxmillion Dunbar<br />
House Of Woo<br />
RVNG Intl.<br />
21 Lake People<br />
Step Over, Trace Into Pt. 1<br />
Connaisseur Recordings<br />
22 Leon Vynehall<br />
Rosalind EP<br />
Well Rounded Housing Project<br />
23 Autechre<br />
Exai<br />
Warp<br />
24 Vincent I. Watson<br />
Serene<br />
Pyramids Of Mars<br />
25 Ametsub<br />
All Is Silence<br />
Nothings66<br />
www.mybloodyvalentine.org<br />
ALBUM<br />
DES<br />
MONATS<br />
Überraschung. Was für ein Wochenende. Man wollte es erst nicht glauben, die<br />
Server waren obendrein überlastet, aber es sollte da sein, nach 22 Jahren, das<br />
neue Album von My Bloody Valentine. Kevin Shields mal nicht nennenswert zu<br />
spät. Man hatte gehört, zur neuen Tour, vielleicht schon Anfang Februar, und<br />
selbst die Bandmitglieder hatten immer noch keine Ahnung wie es klingen<br />
könnte. Sie hatten alles eingespielt, aber darüber hinaus? Kevin wird schon<br />
was draus machen. Und dann, runtergeladen, das Vinyl dauert noch, angemacht<br />
und lauter gemacht, immer lauter, noch lauter. Und sofort immer mehr<br />
aufgesogen werden in diesen neuen Tracks, die plötzlich alle Hoffnung erfüllen,<br />
die man hatte, obwohl man eigentlich längst keine mehr hätte haben sollen. Es<br />
ist schwer zu erklären, vor allem für alle, die damals nicht in My Bloody Valentine<br />
verloren waren, was so ein Release bedeuten kann. My Bloody Valentine<br />
war immer schon eine sehr körperliche Erfahrung. Etwas, das einen öffnet, einen<br />
wortlos lässt, zu viel ist von dieser Blissed-Out-Generation geredet worden.<br />
Einen in dieses Gefühl taucht, das man zu seinem eigenen macht, das einen<br />
prägt, einem sagt wie die Welt ist, sein könnte, sein sollte, ohne dass man es<br />
genauer definieren könnte. My Bloody Valentine soll genug sein als Referenz,<br />
denn es war nie eine Generation, es ging immer nur um die vier Musiker. Für<br />
mich markierte MBV das Ende von Gitarren. Es hätte kein schöneres geben<br />
können. Ich hatte aber auch den Irrglauben, an solche Musik den Anspruch<br />
zu stellen immer weiter zu wollen. <strong>De</strong>r sollte sich dann auf elektronische Musik<br />
verlagern und lebt da in Resten immer noch. Jetzt wieder zurück? Geht das?<br />
Die Perspektive ist eine andere. Aber My Bloody Valentine sind immer noch<br />
sie selbst. Diese Melodien, die kein Ende zu finden scheinen, dieses Beharren<br />
auf eine merkwürdige Harmonie, die um ein blindes Zentrum mäandert. Diese<br />
Gewalt, die hängengeblieben sein darf, ohne Stillstand zu suggerieren. Wir<br />
werden nicht dazu kommen, das Album und seine Tracks zu beschreiben. Diese<br />
krabbelnde Elegie, dieses alles durchflutende, dieses ständige Auflaufen der<br />
eigenen Gefühle gegen diese Grenze des Sounds, die Shields so perfekt zu<br />
inszenieren weiß, dass man jedem zerrenden Gitarrensound zutraut, dahinter<br />
wäre mehr, ein Geheimnis, das man nur entdeckt, wenn man ihm seine Ohren<br />
opfert. Notfalls bis zum Gehörschaden. MBV, das hört man oft, sind Perfektionisten.<br />
Sie sind aber auch Kids. Geblieben. Sich selbst treu bis hin zu dem<br />
Punkt, an dem man nur mit ihnen glauben kann, dass sich nichts jemals verändern<br />
wird, und dass genau das gut ist, dass man diesen innersten Punkt finden<br />
kann, an dem alles wie in einer Krypta aufgehoben ist, unerreicht, unerreichbar,<br />
aber doch mit einem selbst im Einklang. Kann ich 100.000 Zeichen mehr bekommen,<br />
um nichts zu sagen?<br />
BLEED<br />
www.raster-noton.net<br />
12" DES<br />
MONATS<br />
Mit "Liedgut" und "Winterreise", seinen beiden Vorgängeralben auf Raster-<br />
Noton, hatte sich Uwe Schmidt die Latte hoch gehängt, wenn auch an einen<br />
etwas abgelegenen Ort. Das eine ein Spiel um Klangphysik und deutsche<br />
Romantik in einem Grad der Durchdringung, der eine ganz neue Liga aufmachte.<br />
Das andere, ebenso unter dem Abziehbild Schuberts, quasi den Gegenschuss<br />
auf die dunkle, sprachlose Seite nachliefernd, beide geboren aus<br />
der Exilerfahrung. "HD" nun ist ein Album, das alle angeht, mit dem sein finales<br />
Projekt zuhause ankommt, das alle Themen zusammenzuführen scheint,<br />
die Atom TM ausmachen. Lupenreiner Pop, der sich in seiner Slogan-Verdichtung<br />
auch für Kalauer nicht zu schade ist, aber an der richtigen Stelle auch<br />
kein Blatt vor den Mund nimmt. In dem die Sehnsucht nach einer Neuerfindung<br />
von Dancefloor diesem eine längst verlorengegangene Frische wiedergibt,<br />
Statement und Spiel, Abgesang und Phönix zugleich. "HD", in seiner<br />
Urfassung noch "Hard Disk Rock", hat sich in seiner siebenjährigen Reifungsgeschichte<br />
so hoch verdichtet, dass die Suche nach dem blinden Fleck seines<br />
Schöpfers jenseits der Selbstzuschreibung, das Werk sei ein spirituelles,<br />
ein musikalisches, ein wissenschaftliches, in einer hyperdeterminierten Offenheit<br />
aufgeht, die immer neue innere und äußere Querbezüge offenbart. So ist<br />
"Pop HD" im französischen Idiom Jean-Charles Vandermynsbrugges (dem ersten<br />
einer ganzen Reihe von Gästen) eben auch noch gekaufter Pop, so lässt<br />
"Strom" Kraftwerks gleichnamiges Stück hinter Atom TM s Anverwandlung und<br />
brillanten Fortführung ihres Sounds komplett verschwinden, so besingt uns<br />
Jamie Lidell dann plötzlich eine Drummachine, die natürlich längst keine mehr<br />
ist. Im "Sound of <strong>De</strong>cay" erscheint die E-Gitarre als bis an die Wimpern zugeartefaktete<br />
Hydra, und wir geraten allmählich in die gute alte baudrillardsche<br />
Beschleunigung (Lassigue Bendthaus ließen grüßen), crashen zapp!<br />
zapp! ins Musikfernsehen, das wir inzwischen im Internet gucken, also könnten,<br />
wenn wir gucken wollten, bezahlen Geld für nichts, und dürfen uns dann<br />
fallen lassen ins weiche Beatbett aus Kompressions- und Schwebungsleerstellen,<br />
in den warmen Strom elektrischer Stimmen, die majestätische Ruhe<br />
des Anorganischen, der wir uns schließlich kybernetisch anverwandeln, "Ich<br />
will eine Maschine sein", in der Wortwahl des Meisters: die ganze Scheiße aus<br />
uns raustanzend. Sehnsucht, wie gesagt, die unter der hauchfeinen, knistrigen<br />
digitalen Auskomponiertheit, den nachtweiß glimmenden Flächen immer wieder<br />
vergessen lässt, dass wir uns alle längst in einem englischen Garten befinden,<br />
in dem kein Millimeter unkultiviert ist. Auch ein politisches Werk, das ist<br />
es, was der Daniel Düsentrieb der doppelt-dreifachen Böden uns hier mitgibt,<br />
solange wir noch an das glauben, was Pop mal sein konnte.<br />
MULTIPARA<br />
68 —<strong>170</strong>