De:Bug 170
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EVERYTIME<br />
I TRY TO FLY, I FALL<br />
HARMONY KORINES<br />
"SPRING BREAKERS"<br />
MARCH 29 TH –<br />
APRIL 1 ST 2013<br />
TEXT CHRISTIAN BLUMBERG<br />
Mit Selena Gomez und ihren Freundinnen zum Spring Break?<br />
Klingt nach einer gut überlegten Win-Win-Situation: Die Ex-<br />
Disney-Girlies werden flügge - und das heißt im Mainstream<br />
nicht erst seit Britney und Christina: dirty. Im Gegenzug<br />
bekommt Harmony Korine ("Gummo") endlich auch als<br />
Regisseur Aufmerksamkeit bei einem größeren Publikum.<br />
Doch wer Korine kennt, ahnt: Ganz so einfach ist das alles<br />
nicht.<br />
Korines letzter Langfilm "Trash Humpers" zeigte eine Horde grotesk<br />
maskierter Greise, die völlig dekontextualisiert in der Suburbia<br />
von Nashville randalierten und kopulierten. Ganz so, als hätte Paul<br />
McCarthy eine Folge "Jackass" auf VHS gedreht. Und jetzt das:<br />
Hochglanz, James Franco und die drei It-Girls Selena Gomez,<br />
Vanessa Hudgens und Ashley Benson. Die Vierte im Bunde spielt<br />
Korines Ehefrau Rachel, und es beschleicht einen das Gefühl, dass<br />
sie die Szenen übernehmen musste, die die Managements der<br />
Teenie-Stars abgelehnt hatten. <strong>De</strong>nn natürlich ist "Spring Breakers"<br />
nicht einfach der Party-Film für Adoleszierende, als der er angepriesen<br />
wird. Auch wenn seine erste Sequenz als unzensierte Version<br />
einer Langnese-Kinowerbung durchginge - feiernde Teenager am<br />
Strand, viel Nacktheit, viel Zeitlupe, dazu bollert EDM von Skrillex -:<br />
Die Strandparty ist eine falsche Fährte.<br />
Aber der Reihe nach: Vier Mädchen träumen davon, ihrem<br />
Alltag (Schule, Bibelstunde, Eltern) zu entrinnen. Zum Stillen solcher<br />
Sehnsüchte schlägt Amerika den Spring Break vor: eine Woche<br />
feiern, Drogen, Sex mit Rückfahrkarte. Doch die Mädchen – es sind<br />
wirklich noch Mädchen, sie tragen Plüschtier-Rucksäcke und malen<br />
sich ihr kommendes Dasein als "Spring Break Bitches" unterm<br />
Justin-Bieber-Poster (!) aus – können den Bus nach Florida nicht bezahlen.<br />
Also überfallen sie - reichlich unbeholfen - ein Diner. Mit der<br />
Unschuld ist es demnach schon vorbei, bevor die Party überhaupt<br />
losgeht. Und selbst wenn sie das endlich tut, währt sie nicht lange.<br />
So wie das Effekt-Maximierungskalkül des Skrillex-Soundtracks stets<br />
von Cliff Martinez musikgewordenen Wattepads ausgebremst wird<br />
(die schon "Drive" in einen seltsamen Zustand der Dauerhemmung<br />
versetzt hatten), landen die Protagonistinnen nach wenigen Gramm<br />
Kokain vor dem Gericht von St. Petersburg, Florida.<br />
Jetzt endlich darf James Franco auftreten, dessen Figur sich<br />
nicht nur Alien nennt, sondern auch genau jenes Andere verkörpert,<br />
das Hudgens, Gomes & Co beim Springbreak zu finden hofften.<br />
Alien stellt die Kaution und präsentiert sich den Freigekauften<br />
als Universalkrimineller & Freigeist. Als die endgültige Verkörperung<br />
also des, hier freilich gut verdrehten, amerikanischen Traums: Baby,<br />
I'm a Hustla. Von hier an geht es in "Spring Breakers" glücklicherweise<br />
weniger um das Ringen der good girls mit der eigenen Moral und<br />
ihrer anschließenden Rückkehr als Geläuterte. Stattdessen erkennen<br />
Teile der Reisegruppe in Alien einen Seelenverwandten. Folgerichtig<br />
wird das zuvor gejubelte Partymantra "more magic, more colours,<br />
more booties!" ergänzt mit harten Drogen, echtem Sex und Waffen.<br />
<strong>De</strong>ren Gebrauch ist hier vor allem auch: Selbstermächtigung. Dann<br />
erst kann das erträumte neue Leben so richtig losgehen. Und auch<br />
der Film, der an dieser Stelle inzwischen mindestens genauso exploitativer<br />
Juvenile <strong>De</strong>linquency wie Teen Film ist<br />
Pop-Strategie der Überaffirmation<br />
"Spring Breakers" verzichtet weitgehend darauf, sich selbst eindeutig<br />
als Satire oder finsteres Sittenbild einer Generation auszuweisen<br />
- obwohl beides zutrifft. Die Party muss schließlich<br />
weitergehen ... und so wählt Korine lieber die Pop-Strategie der<br />
Überaffirmation. Sein Film suhlt sich nicht nur in ästhetischen<br />
Codes und Verhaltensmustern der von ihm portraitierten Milieus,<br />
er überzeichnet sie. Die Sprache: ein Dauerfeuer improvisierter<br />
Belanglosigkeiten, an der die deutsche Synchronfassung wohl scheitern<br />
wird. Das Verhalten: Woo-Girls hier, überpotente Proll-Gangster<br />
dort. Und hinsichtlich der Klamotten ist "Spring Breakers" ein wahrer<br />
Color-Blocking-Porno. Diese Oberfläche macht Spaß, der Film hat<br />
gute Tempowechsel, er ist lustig, aber nicht zu sehr. James Francos<br />
Slang und Schauspiel bescheren "Spring Breakers" mitunter denkwürdige<br />
Sequenzen. Etwa die Performance der immer noch schönsten<br />
Britney-Spears-Ballade: Alien sitzt an einem weißen Flügel, hinter<br />
ihm die in Abenddämmerungs-Magenta getauchte Tampa Bay,<br />
von unten strahlt die neonblaue Pool-Beleuchtung. Er singt (krächzt)<br />
Spears "Everytime", jene Klage über die eigene Hilflosigkeit, während<br />
seine neuen Seelenverwandten einen schwer bewaffneten und mit<br />
pinken Strumpfmasken vermummten Chor bilden: "Everytime I try<br />
to fly, I fall." Nur: Wer fliegt hier eigentlich? Und wer fällt?<br />
Solche Szenen stechen auch deshalb hervor, weil hier der vor<br />
Männlichkeit fast explodierende Alien die eigene Machtlosigkeit<br />
besingt. In einer anderen Szene wird er sogar quasi-vergewaltigt:<br />
Vanessa Hudgens und Rachel Benson penetrieren ihn<br />
oral mit ihren Revolverläufen. In diesen Sequenzen werden die<br />
Begehrensstrukturen verkehrt, die "Spring Breakers" sonst ziemlich<br />
konsequent durchhält. Und das nicht nur im narrativen Gefüge:<br />
Korine inszeniert die Körper der Ex-Disney-Starlets hemmungslos<br />
als Schaustücke. Das dezidiert voyeuristische und also männliche<br />
Blickregime des Films wird vor allem von der Kameraarbeit von<br />
Benoît <strong>De</strong>bie geschaffen, der seit "Enter The Void" (Gaspar Noé,<br />
29) als ein Star seines Fachs gehandelt wird. <strong>De</strong>bies Kamera umkreist<br />
die weiblichen Körper, versucht immer wieder einen kurzen<br />
Blick auf Brüste oder Schritt zu erhaschen; sie folgt diesen Körpern<br />
sogar noch unter Wasser. Sollte "Spring Breakers" überhaupt<br />
Kontroversen auslösen (das Potential ist da, auch wenn der Film<br />
ein bisschen schmutziger sein will als er ist), ginge das vor allem<br />
auf <strong>De</strong>bies Kappe. Erst in den letzten Filmsekunden, am Ende einer<br />
sagenhaften Schlusssequenz, in der trotz tiefster Nacht alles zu<br />
fluoreszieren scheint, verknüpft sich der Blick der Kamera mit dem<br />
Blick Aliens. Und kollabiert.<br />
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