Anytech Magazin Nr.1
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Jean-Pierre Schwaar ist<br />
keine unbekannte Grösse<br />
unter den Architekten in<br />
Bern und Umgebung. Mit<br />
seinen exakt 80 Jahren sieht er<br />
höchstens aus wie knapp 59, redet<br />
jedoch mit der Souveränität und<br />
Erfahrung eines Mannes der mindestens<br />
schon drei Mal gelebt hat.<br />
Auf die Frage, ob er eine gute Story<br />
zu dem verglasten Bauwerk auf<br />
dem Berner Messegelände auf<br />
Lager hätte, antwortete er mit<br />
einem kurzen Aufflackern im Blick<br />
und spitzbübischem Charme:<br />
«Diese Geschichten eignen sich<br />
nicht, um gedruckt zu werden ...»<br />
Ich war zu überrascht, um darüber<br />
enttäuscht zu sein, denn nach dem<br />
ersten Telefongespräch konnte ich<br />
ihn immerhin dazu überreden, mit<br />
mir zusammen zu einem Fotoshooting<br />
aufs Areal zu fahren.<br />
Es war kein simples Treffen, sondern<br />
eine Verabredung der Art, wie es<br />
Frauen meiner Generation absolut<br />
noch zu schätzen wissen. Mit dem Auto holte er mich direkt von<br />
meinem Büro ab und fuhr uns gelassen durch den nachmittäglichen<br />
Berufsverkehr, als wäre es seine frisch gebügelte Westentasche.<br />
Das trübe Wetter klarte augenblicklich für diesen speziellen Moment<br />
auf. Die restlichen Wolken am Himmel spiegelten sich in der grünlich<br />
glänzenden Glasfassade, um eine spektakuläre Atmosphäre zu<br />
schaffen, während Herr Schwaar mir bereitwillig doch ein paar seiner<br />
Geschichten erzählte; zum Beispiel, wie er auf gravierende Sicherheitsmängel<br />
bei der Auswahl des richtigen Materials beim Bau hinweisen<br />
konnte. Er ließ einen Teil als Muster der geplanten Glas fassade<br />
vorgängig aufbauen und an Ort und Stelle demolieren. Das Glas<br />
zersprang dabei in tausend Stücke, weil es sich nicht um das von ihm<br />
vorgeschlagene Sicherheitsglas handelte.<br />
Das Gebäude ist die Differenz dessen, was auf dem Zeichentisch geplant<br />
wurde und am Ende auf dem Platz steht. Je weniger Abstriche<br />
man machen muss, desto akkurater ist das Ergebnis. Man macht sich<br />
einen Ruf, erklärte mir Herr Schwaar. Nach einem Kaffee im Restaurant<br />
an der hinteren Ecke des Gebäudes bin ich alles andere als enttäuscht.<br />
Das Gebäude hat Stil und Charakter, der sich genau so unaufdringlich<br />
und adäquat präsentiert, wie ich Herrn Schwaar soeben erlebt habe.<br />
Er fährt mich auf einem kurzen verborgenen Schleichweg zurück<br />
ins Büro und ich staune, als wäre ich gerade durch ein kosmisches<br />
Wurmloch gefallen. Er kennt das Bern der guten alten Zeit und hat<br />
sich weitsichtig ein paar Hintertürchen mit Sondergenehmigungen<br />
offen gehalten.<br />
21