SOZIAL DIE HERAUSFORDERUNGEN UNSERER ZEIT 60
SOZIAL Die Angst vor dem Anderen zu überwinden, Vorurteile abzubauen und sie durch Respekt und Verständnis zu ersetzen, sollten die wichtigsten Ziele unserer Gesellschaft sein. Die Herausforderungen unserer Zeit ist es jene Barrieren zu überwinden, die auf geistiger Ebene in den Köpfen vieler Menschen existieren und unser Zusammenleben beeinflussen. Angesichts der großen Weltprobleme, wie die Zerstörung von Mutter-Erde, ungleiche Verteilung des Reichtums, Ausbeutung der armen Länder, Hunger und Intoleranz, wird viel davon abhängen, wie die Religionen miteinander umgehen werden, welche Antworten sie gemeinsam finden und wie sie die Probleme unserer Welt lösen können. Der Ruf nach der geistigen Erhebung und nach der Vermenschlichung des Lebens geht mit der religiösen Erziehung Hand in Hand. Hieraus ergibt sich, dass diese Erziehung ohne Humanismus nicht denkbar ist. Dieser ist geradezu die Achse der religiösen Morallehre. Der besondere Wert des religiösen Humanismus liegt in seiner Verbindlichkeit, weil er in der Bindung des Menschen an das Unbedingte begründet ist. Aber dem Islam hat man in Europa bedauerlicherweise lange Zeit eine humanistische Gesinnung nicht zugemutet. Den aufgeklärten Muslimen fällt es nicht schwer, aus dem Qur’an ein humanistisches Bildungsideal abzuleiten. Eine ganze Reihe qur’anische Lehrsätze zeugen davon und bei Heranziehung der Überlieferung verdichten sich diese Lehrsätze zu einem beeindruckenden humanistischen Menschenbild, wie es im Qur’an geschrieben steht. „O die ihr glaubt, tretet alle ein in den Frieden und folget nicht den Fußstapfen Satans; wahrlich, er ist euch ein offenkundiger Feind.“ (2/208) Der Islam fordert die Völker auf, aufeinander zuzugehen, sich gegenseitig kennenzulernen und sich gemeinsam für das Gute einzusetzen. Der Prophet Muhammad(s) sagt: „Der beste Mensch ist derjenige, der den Menschen am nützlichsten ist.“ Aber wichtig ist, dass die muslimischen Jugendlichen den Islam aus den Quellen und in den Schulen lernen. Besonders der Islamische Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen in Europa ist sehr wichtig und wird eine Schlüsselrolle spielen. Es muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Probleme vieler europäischer Staaten das Produkt einer völlig verfehlten Integrationspolitik sind, die sich allmählich dem Humanismus und der Menschheit gegenüber feindlich verhält und der zerstörerischen Phantasterei einer „populistischen Gesellschaft“ verpflichtet fühlt. Die Integration der Muslime in Europa kann natürlich nicht nur Aufgabe von politischen Institutionen sein. Wichtig ist auch, dass Muslime innerhalb des europäischen Einigungsprozesses ihren Beitrag leisten: Integration wird nicht in Sitzungszimmern gelebt, sondern in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in den Schulen oder auf den Marktplätzen. Die Muslime in Europa, wie auf der ganzen Welt, müssen für Bildung mehr investieren. An dieser Stelle kann ich wieder mit Freude sagen, dass Österreich und österreichische Muslime in diesem Bereich, nicht nur mit Religionsunterricht, sondern auch mit ihren Privatschulen, eine Vorreiterrolle in ganz Europa spielen. Dr. Fuat Sanac 61