Militärgeschichte
1_zmg2016heft2internet
1_zmg2016heft2internet
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Dienstposten des Leiters der MAD-<br />
Gruppe S in Bonn versetzt worden war.<br />
Spätestens in dieser Führungsposition<br />
wurde Krase zur Spitzenquelle der<br />
HA II in Ostberlin. Doch das Karriereziel<br />
des damals knapp 50-jährigen<br />
Stabs offiziers sollte noch nicht erreicht<br />
sein. Im Herbst 1977 ging Krase als Abteilungsleiter<br />
für Spionageabwehr ins<br />
ASBw, um zweieinhalb Jahre später<br />
Chef des Stabes und stellvertretender<br />
Amtschef des ASBw zu werden.<br />
Damit hatte er eine für einen normalen<br />
Truppenoffizier beachtliche Karrie -<br />
re gemacht, zumal seine neue Stelle ein<br />
gut dotierter Generalstabsdienstposten<br />
war. Anfang September 1979 wurde<br />
Oberst i.G. Krase auch noch eine hohe<br />
Auszeichnung zuteil. Er erhielt das Verdienstkreuz<br />
am Bande des Verdienstordens<br />
der Bundesrepublik Deutschland.<br />
Vier Jahre später folgte das Verdienstkreuz<br />
1. Klasse. Vermutlich wurden<br />
ihm auch in der DDR Orden und Ehrenzeichen<br />
verliehen. Das Ende seiner<br />
Karriere im MAD war allerdings weniger<br />
ruhmreich. Im Zuge der Kießling-Affäre<br />
tauschte der neu ernannte<br />
Amtschef, Generalmajor Hubertus<br />
Senff, zahlreiche Führungspersonen in<br />
der MAD-Zentrale und in der betroffenen<br />
MAD-Gruppe aus. Er nahm dabei<br />
keine Rücksicht auf schuldhaftes Verhalten<br />
der Betroffenen. So musste auch<br />
Krase im Herbst 1984 ziemlich unvermittelt<br />
das ASBw verlassen, um dann<br />
Ende März 1985 in den Ruhestand zu<br />
gehen. Aufgrund seiner schweren<br />
Krebserkrankung blieben Joachim<br />
Krase nur noch etwas mehr als drei<br />
Jahre. Immerhin druckte das Magazin<br />
»Der Spiegel 1988« einen knappen<br />
Nachruf. Der Grundtenor war sehr positiv,<br />
der »unauffällig-freundliche Berufssoldat«<br />
wurde als Opfer der Kießling-Affäre<br />
dargestellt.<br />
Nachdem Krase Ende Juli 1988 verstorben<br />
war, übersandte die Staatssicherheit<br />
dessen Sohn 5000 DM und<br />
wollte ihn ebenfalls anwerben. Dazu<br />
wurden Tonbandaufnahmen von<br />
Krase senior passend geschnitten, um<br />
der Familie seinen vermeintlich letzten<br />
Willen zu übermitteln. Der damalige<br />
Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz,<br />
Gerhard Boeden, ein<br />
Freund der Familie, hörte sich die Aufzeichnung<br />
an und leitete erste Ermittlungsschritte<br />
ein. Der Verdacht erhärtete<br />
sich dann 1990 durch Aussagen<br />
von Überläufern und ehemaligen Führungsoffizieren.<br />
Um ersten Zeitungsredaktionen<br />
zuvorzukommen, sah sich<br />
das BMVg am 19. Oktober 1990 zu einer<br />
Pressemeldung veranlasst. Wie<br />
üblich hielt sich der IP-Stab mit Informationen<br />
zurück und berichtete nur,<br />
der MAD gehe davon aus, dass ein<br />
ehemaliger hochrangiger Mitarbeiter<br />
seit 1970 Agent des MfS gewesen sei.<br />
Der Schaden für die Bundeswehr sei<br />
schwerwiegend, mindestens zehn Jah -<br />
re lang habe der MAD seinen Spionageabwehrauftrag<br />
nicht erfolgreich<br />
durchführen können. Die Negativmeldung<br />
wurde am Ende mit einem optimistischen<br />
Ausblick in die Zukunft des<br />
Dienstes abgerundet. Aufgrund der<br />
Reform des MAD seit 1984 seien keine<br />
weiteren negativen Auswirkungen der<br />
Spionagetätigkeit zu erwarten. Die<br />
Agenturen Reuters im Westen und<br />
ADN im Osten griffen die Meldung<br />
aus Bonn auf, die Presse berichtete am<br />
Tag darauf, wobei die Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung »mit« Rücksicht auf<br />
Krases Familie noch keinen »Namen«<br />
nannte. Die Kölner Zeitung »Express«<br />
setzte unter dem Titel »Top-Agent bei<br />
Bundeswehr. Abwehr-Chef war Stasi-<br />
Spion« nach, nannte den Namen Joachim<br />
Krase und druckte sogar ein Bild<br />
von ihm in Uniform ab.<br />
Bewertung des Verratsfalles<br />
Krase<br />
5»Der Spiegel« berichtete in seiner Ausgabe<br />
vom 8. August 1988 kurz über<br />
den Tod von Joachim Krase – noch<br />
nichts von dessen Agententätigkeit<br />
ahnend.<br />
Kein Nachrichtendienst bleibt von<br />
»Maul würfen« verschont, so auch nicht<br />
das BfV oder der Bundesnachrichtendienst<br />
(BND). Vor allem die Verratsfälle<br />
Klaus Kuron und Hans joachim<br />
Tiedge waren für das BfV schwere Niederlagen.<br />
Seit 1981 hatte Klaus Kuron,<br />
der im Bereich Spionageabwehr tätig<br />
war, Informationen an die HV A weitergegeben.<br />
Vier Jahre später lief dessen<br />
Vorgesetzter Tiedge in die DDR<br />
über, der damit allerdings kein klas sischer<br />
»Maulwurf« war. Nun konn ten<br />
Informanten des Verfassungsschutzes<br />
in der DDR, die zuvor zum Schutze der<br />
Quelle Kuron zwar vom MfS überwacht,<br />
aber unbehelligt geblieben waren,<br />
festgenommen werden, indem<br />
man die entsprechenden Hinweise<br />
dem öffentlich bekanntgewordenen<br />
Überläufer Hansjoachim Tiedge zuschrieb.<br />
Ähnlich wie im Fall Krase und<br />
dem MAD war auch die Spionageabwehrarbeit<br />
des Verfassungsschutzes in<br />
den 1980er Jahren mehr als behindert.<br />
Auch der BND musste in seiner Geschichte<br />
einige Niederlagen einstecken.<br />
Einer der größten Verratsfälle<br />
war sicherlich Gabriele Gast, die während<br />
ihrer Zeit als Mitarbeiterin des<br />
BND 17 Jahre für das MfS tätig war.<br />
Die bedeutende Quelle Krase im<br />
MAD blieb bis zum Fall der Mauer unentdeckt<br />
und gilt als einer der größten<br />
operativen Erfolge der ostdeutschen<br />
Nachrichtendienste. Das MfS und mit<br />
ihm die HV A überlebten Krase gleichwohl<br />
nur um anderthalb Jahre.<br />
Helmut R. Hammerich<br />
Dieser Artikel ist eine stark gekürzte<br />
Fassung des Beitrages: Joachim Krase<br />
(1925‐ 1988). Ein »unscheinbarer<br />
grauer Oberst«: Der MAD-Vize als<br />
IM der Stasi. In: Spione und Nachrichtenhändler.<br />
Geheimdienst-Karrieren<br />
in Deutschland 1939‐1989. Hrsg.<br />
von Helmut Müller-Enbergs und<br />
Armin Wagner, Berlin 2016, S. 272‐301.<br />
Mit freundlicher Genehmigung des<br />
Ch. Links Verlages.<br />
Der Spiegel<br />
<strong>Militärgeschichte</strong> · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2016<br />
13