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Militärgeschichte

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<strong>Militärgeschichte</strong> im Bild<br />

»Wenn ich es nicht fotografiere,<br />

wird es nicht bekannt.«<br />

Bilder von Kriegen unter dem Einsatz des Lebens<br />

Das Bild von der Patrouille nahe<br />

Feyzabad vom 1. Oktober 2008,<br />

aufgenommen von der deutschen Fotografin<br />

Anja Niedringhaus, spiegelt<br />

eine Alltagsszene des Krieges wider.<br />

Es ist mehr als eine bloße Dokumentation,<br />

denn es kündet von einer Sehnsucht<br />

nach Rettung. Das Innehalten<br />

und die Stille des Momentes lassen erahnen,<br />

wie sich der Bundeswehrsoldat<br />

in diesem Augenblick in der Fremde<br />

gefühlt haben mag. Die Todesgefahr<br />

fuhr stets mit. Niedringhaus richtete<br />

den Blick gleichermaßen auf ein Land<br />

und dessen Menschen im Krieg wie<br />

auch auf einen jungen Soldaten in einem<br />

gepanzerten Fahrzeug mit Waffen<br />

ausgerüstet, der entschlusskräftig<br />

bremst und ein starkes Signal setzt.<br />

Durch diesen besonderen Blickwinkel<br />

sehen alle anderen Probleme klein aus.<br />

Im Blickfeld des Soldaten stehen Kinder<br />

bei ihren Vätern. Frauen sind auf<br />

dem Bild nicht zu sehen. Sie leben unter<br />

besonders schwierigen Bedingungen,<br />

denn die Unvereinbarkeit von Familie<br />

und Krieg ist überall auf der Welt<br />

unüberwindbar. Das Foto wirkt auf<br />

den Betrachter unabhängig von seiner<br />

Sprache wie ein moralischer Impuls:<br />

Nehmt den Krieg wahr, zeigt Verantwortung<br />

für die Verteidigung der<br />

Menschenrechte und für den Frieden!<br />

Die 1965 in Höxter geborene professionelle<br />

deutsche Kriegsfotografin<br />

Anja Niedringhaus reiste zu den<br />

Brennpunkten dieser Erde: nach<br />

Kosovo, Libyen und Israel. Seit 2001<br />

arbeitete sie auch im von Jahrzehnten<br />

der Kriege erschütterten und zerstörten<br />

Afghanistan. Mit unermüdlichem<br />

Engagement hielt sie die Geschichten<br />

der Menschen in den Kriegsgebieten<br />

fest. Insbesondere auf das Leben der<br />

Frauen unter der Burka und das der<br />

Kinder konzentrierte sich verpflichtend<br />

ihr Blick. Den ISAF-Soldaten, die<br />

zum Kampf gegen den Terror und zur<br />

Stabilität des Landes kamen, war Niedringhaus<br />

stets eng verbunden, weil<br />

sie um die große Bedeutung der Soldaten<br />

für dieses Land wusste.<br />

Die Fotografin richtete die Kamera<br />

nah auf Zerstörung und Grausamkeiten,<br />

aber auch auf den hoffnungsvollen<br />

Alltag. Die Fotos klagen nicht nur an,<br />

vielmehr schimmert in den Bildern<br />

mitunter die Kulturgeschichte Afghanistans<br />

durch. Niedringhaus zeigte<br />

Perspektiven und Räume sowie Aspekte<br />

der Natur des Landes, nahezu<br />

keinen Endpunkt akzeptierend.<br />

Anja Niedringhaus prägte zunehmend<br />

die Fotografie im Krieg der Gegenwart,<br />

obgleich man den Eindruck<br />

hatte, dass es ihr nicht behagte, als Teil<br />

der Tradition der Kriegsreporterinnen<br />

des Zweiten Weltkriegs wahrgenommen<br />

zu werden wie z.B. die US-amerikanischen<br />

Fotojournalistinnen Lee Miller,<br />

Margaret Bourke-White und<br />

Martha Gellhorn. Deren Bilder zählen<br />

F.A.Z.-Foto/Daniel Pilar<br />

zu den eindringlichsten Kriegsdokumenten.<br />

Die Fotografinnen haben<br />

ebenso wie Niedringhaus zu veränderten,<br />

neuen Sichtweisen auf die Kriege<br />

und zur Wahrheit beigetragen. Niedringhaus<br />

gehörte zu den wenigen<br />

Frauen auf diesem Gebiet: 2003/04 war<br />

sie als freie Kriegsfotografin »embedded«<br />

mit der US-Armee bei der<br />

Schlacht um Falludschah im Irak. Als<br />

erste deutsche Fotografin erhielt sie für<br />

ihre Berichterstattung aus diesem Krieg<br />

den Pulitzer-Preis. Es war für sie nicht<br />

die einzige Auszeichnung. Weitere<br />

Jahre fotografierte sie in Afghanistan,<br />

bis sie am 4. April 2014 einem Attentat<br />

in Ost-Afghanistan zum Opfer fiel. Ein<br />

mutmaßlicher afghanischer Polizist erschoss<br />

sie mit den Worten »Allahu Akbar«<br />

(Gott ist größer). Der Täter instrumentalisierte<br />

skrupellos die Religion<br />

für seine politischen Zwecke. Anja Niedringhaus<br />

war 48 Jahre alt.<br />

Auch nach der Ermordung der Fotografin<br />

gefährden religiöse Fanatiker<br />

weltweit Demokratie und Pluralismus.<br />

Anschläge in Europa und der Terror<br />

haben sich seit ihrem Tod sogar noch<br />

ausgedehnt – wie z.B. der »Islamische<br />

Staat« im Irak und in Syrien, die Boko<br />

Haram in Nigeria und die al-Schabad<br />

in Somalia. In Afghanistan wurden<br />

Frauen und Kinder zunehmend Opfer<br />

der Taliban. Fotos von Anja Niedringhaus<br />

zeigen den Wandel in Politik, Lebenswelt<br />

und Gesellschaft und erschüttern<br />

den Betrachter zuweilen.<br />

Aber ihre Bilder von sinnlosen Kriegen<br />

tragen ihre Friedensbotschaft auch<br />

nach dem Tod von Niedringhaus weiter<br />

in die Weltöffentlichkeit.<br />

Marina Sandig<br />

Anja Niedringhaus<br />

in Kunduz im September<br />

2013.<br />

Literaturtipp<br />

Rudolf J. Schlaffer und Marina Sandig, Die Bundeswehr<br />

1955 bis 2015: Sicherheitspolitik und Streitkräfte in der<br />

Demokratie. Hrsg. vom Zentrum für <strong>Militärgeschichte</strong><br />

und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Freiburg<br />

i. Br., Berlin, Wien 2015.<br />

<strong>Militärgeschichte</strong> · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2016<br />

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