Militärgeschichte
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elle Unregelmäßigkeiten im unterstellten<br />
Bereich, eine versuchte Erpressung<br />
durch einen niederländischen Agenten<br />
und nicht zuletzt eine kurzzeitige Verhaftung<br />
wegen angeblicher Kontakte<br />
zum sowjetischen Geheimdienst<br />
brachten Heinz 1953 schließlich zu<br />
Fall. Damit war der Weg für Gehlen<br />
frei, seine »Organisation« als einzigen<br />
aufklärenden Nachrichtendienst Westdeutschlands<br />
zu etablieren: den Bundesnachrichtendienst.<br />
Auch auf den Aufbau des MAD<br />
nahm Gehlen Einfluss. Nicht umsonst<br />
wechselte 1955 seine langjährige rechte<br />
Hand in der Abteilung Fremde Heere<br />
Ost, Oberstleutnant i.G. a.D. Gerhard<br />
Wessel, von Pullach nach Bonn, wo er<br />
mit der Aufstellung eines »Militärischen<br />
Abwehrdienstes« zur Gewährleistung<br />
der Sicherheit der Bundeswehr<br />
beauftragt wurde. Der erste<br />
Schritt dazu war die Bildung der »Unterabteilung<br />
IV J – Sicherheit« im<br />
BMVg mit acht Referaten Ende Januar<br />
1956.<br />
Die Bezeichnung Militärischer Abschirmdienst<br />
geht wohl auf Wessel<br />
selbst zurück, der den zu Wehrmachtzeiten<br />
genutzten Begriff Abwehr nicht<br />
wiederverwenden wollte. In einer frühen<br />
Truppenführungsvorschrift wurden<br />
die Aufgabenfelder der militärischen<br />
Sicherheit mit dem Begriff<br />
Abschirmung umrissen, was den Ausschlag<br />
gab, die Bezeichnung Militärischer<br />
Abschirmdienst zu verwenden.<br />
Das BMVg wurde im ersten<br />
Halbjahr 1957 umgegliedert, sodass<br />
auch der MAD als Zentrale Militärische<br />
Dienststelle der Bundeswehr aus<br />
dem Ministerium ausgegliedert und<br />
diesem nachgeordnet wurde. Mit der<br />
»Zentralstelle Sicherheit« war damit<br />
die erste, weitgehend selbstständige<br />
Führungszentrale des MAD geschaffen.<br />
Zeitzeugen sahen darin den Beginn<br />
der Arbeit als eigenständiger<br />
Nachrichtendienst. Noch im Oktober<br />
1957 erfolgte die Umbenennung in<br />
Amt für Sicherheit der Bundeswehr<br />
(ASBw), dann 1984 im Zuge der Aufarbeitung<br />
des Kießling-Skandals in Amt<br />
für den Militärischen Abschirmdienst<br />
(kurz: MAD-Amt).<br />
Die MAD-Gruppen und die<br />
MAD-Stellen waren hingegen für die<br />
Fläche gedacht. Unter dem Stichwort<br />
»Kenntnis im Revier« sollten regionale<br />
Dienststellen die Stützen der Abschirmarbeit<br />
sein. Die regionalen<br />
Dienststellen arbeiteten auch mit Behörden<br />
außerhalb der Streitkräfte, vor<br />
allem mit den Landesämtern für Verfassungsschutz,<br />
eng zusammen. Das<br />
MAD-Netz breitete sich ab 1957 langsam,<br />
aber stetig über das gesamte Gebiet<br />
der Bundesrepublik aus. Ende der<br />
1960er Jahre gab es sieben MAD-Gruppen<br />
(eine für jedes Wehrbereichskommando<br />
sowie die MAD-Gruppe S in<br />
Bonn, zuständig für die Absicherung<br />
des Ministeriums und ab 1968 für die<br />
bei der NATO in Brüssel und in Mons<br />
tätigen Angehörigen der Bundeswehr),<br />
13 MAD-Stellen und 43 MAD-Trupps,<br />
die wiederum für Observierungen, Sicherheitsüberprüfungen<br />
oder andere<br />
Spezialaufgaben eingesetzt wurden.<br />
In der Aufbaugeneration des MAD<br />
fanden sich Experten mit Vorzeit in der<br />
»Abwehr« der Wehrmacht, kriegsgediente<br />
Soldaten ohne nachrichtendienstliche<br />
Erfahrung, ehemalige Polizisten<br />
und Zollbeamte und nicht<br />
zuletzt Berufsanfänger. Rund die<br />
Hälfte der frühen Führungsriege kam<br />
aus der Organisation Gehlen und hatte<br />
dementsprechende Berufserfahrung.<br />
Im Gegensatz zu den anderen Diensten<br />
auf Bundesebene waren die braunen<br />
Wurzeln dünn. Der Personalgutachterausschuss<br />
zur Überprüfung der<br />
hohen Stabsoffiziere und Generale und<br />
weitere Personalfilter, die in anderen<br />
Ressorts nicht vorgesehen waren, hatten<br />
eine nachhaltige Wirkung bei der<br />
Auswahl der künftigen Mitarbeiter gezeigt<br />
und ersparten der Bundeswehr in<br />
späteren Jahren schmerzhafte Diskussionen<br />
über NS-belastetes Personal.<br />
1,5 Millionen Karteikarten,<br />
5 Millionen Überprüfte<br />
Welche Dimensionen der Abschirmauftrag<br />
während des Kalten Krieges<br />
hatte, zeigt die Statistik: Rund 500 000<br />
Soldaten im In- und Ausland, dazu<br />
rund 180 000 Zivilbedienstete und<br />
nicht zuletzt die Reservisten galt es im<br />
MAD<br />
Josef Selmayr (1905‐2005)<br />
Der in Straubing Geborene trat 1924 als Offizieranwärter des Infanterieregiments 19<br />
(Landshut) in die Reichswehr ein. In der Wehrmacht wurde der Generalstabsoffizier<br />
im Transportwesen verwendet, den Zweiten Weltkrieg beendete er als Oberst i.G.<br />
und Erster Generalstabsoffizier des Oberbefehlshabers Südost. 1946 lieferten ihn die<br />
Briten an Jugoslawien aus, wo ihn ein Militärgericht nach zweijähriger Untersuchungshaft<br />
»als prominentes Mitglied eines verbrecherischen Stabes« zu 15 Jahren<br />
Zwangsarbeit verurteilte. Hintergrund war der Partisanenkampf der Wehrmacht auf<br />
dem Balkan, der mit äußerster Brutalität geführt worden war. Selmayr konnte nach<br />
seiner Amnestie im Oktober 1950 nach Deutschland zurückkehren. Dort fand er im<br />
Folgejahr eine Anstellung bei der Organisation Gehlen, ehe er 1956 zur Bundeswehr<br />
wechselte und erster Kommandeur der MAD-Gruppe VI in München wurde. Im<br />
Herbst 1957 übernahm er dann die Führung des neugeschaffenen Amtes für Sicherheit<br />
der Bundeswehr. Dort setzte er die Arbeit Gerhard Wessels fort und baute den<br />
MAD zu einem professionellen abwehrenden Nachrichtendienst aus.<br />
1963 versicherte Selmayr in einem Rundfunkinterview, dass der MAD keine ehemaligen<br />
SS- oder SD-Angehörigen beschäftige. Solche wären Erpressungsversuchen des<br />
nachrichtendienstlichen Gegners ausgeliefert. Aus demselben Grund würden auch<br />
»ostzonal versippte« (sic!) Personen keine Anstellung finden. 1964 wurde der Brigadegeneral<br />
dann gegen seinen Willen in den einstweiligen Ruhestand versetzt, um einer<br />
jüngeren Generation Platz zu machen.<br />
<strong>Militärgeschichte</strong> · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2016<br />
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