Militärgeschichte
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stoffen, um den erhöhten Bedarf der<br />
Invasionstruppen decken zu können.<br />
Nicht wenige Truppenführer klagten<br />
über die hektischen Vorbereitungen,<br />
die ihren Verbänden nur wenig Zeit<br />
ließen, ihre Marschbereitschaft herzustellen.<br />
Auch blieben zahlreiche<br />
Kampf fahrzeuge bereits während ihrer<br />
Verlegung an die Küste infolge technischer<br />
Ausfälle liegen. Zudem erschwerte<br />
die infrastrukturelle Rückständigkeit<br />
Ostanatoliens mit seinem<br />
unzureichend ausgebauten Straßenund<br />
Wegenetz und den veralteten<br />
Eisen bahntrassen aus der Zeit des Osmanischen<br />
Reiches die Bewegungsfähigkeit<br />
der Truppen.<br />
Der türkische Angriff<br />
Trotz dieser Widrigkeiten gelang es<br />
der Türkei am 19. Juli, das Unternehmen<br />
Atilla zu starten. Um die Mittagszeit<br />
stachen erste Teile des Invasionsverbandes<br />
mit rund 1200 Soldaten und<br />
60 M-47-Kampfpanzern in See. In den<br />
frühen Morgenstunden des Folgetages<br />
entluden die Landungsboote ihre Einheiten<br />
am Strand von Kyrenia, ohne<br />
auf Gegenwehr zu stoßen. Zeitgleich<br />
setzten türkische Transportmaschinen<br />
drei Luftlandeverbände über der türkisch-zypriotischen<br />
Enklave nordöstlich<br />
von Nikosia ab mit dem Ziel, die<br />
Hauptverkehrsroute in Richtung Küste<br />
einzunehmen. Türkische Jagdbomber<br />
griffen währenddessen den Flugplatz<br />
der Hauptstadt sowie die südlich davon<br />
gelegene Kaserne der griechisch-zypriotischen<br />
Nationalgarde<br />
an. Türkische Zerstörer versenkten vor<br />
der Küste zwei Kanonenboote der Zyperngriechen.<br />
US-Amerikanischen Angaben<br />
zufolge beabsichtigte der türkische<br />
Generalstab, einen Brückenkopf<br />
zu errichten, um die türkisch-zypriotische<br />
Enklave nördlich von Nikosia<br />
schnellstmöglich dem Zugriff der griechischen<br />
Zyprioten zu entziehen.<br />
Die griechisch-zypriotischen Truppenführer<br />
wurden von der Invasion<br />
sichtlich überrascht. Obwohl der griechische<br />
Generalstab in Athen von den<br />
türkischen Planungen im Vorfeld<br />
Kenntnis erhalten hatte, hatte die griechische<br />
Militärjunta eine diplomatische<br />
Intervention Washingtons erwartet und<br />
ihre zyprischen Verbündeten daher in<br />
Sicherheit gewogen. Ungeachtet der<br />
Verwirrung begannen sich die Nationalgarde<br />
und die<br />
EOKA aber nach<br />
und nach zu sammeln,<br />
um sich dem<br />
türkischen Vormarsch<br />
entgegenzuwerfen.<br />
Nikos<br />
Sampson rief die<br />
Bevölkerung über<br />
den Rundfunk der<br />
Hauptstadt auf,<br />
sich umgehend zu<br />
bewaffnen und im<br />
Rahmen einer<br />
Volkswehr mit allen erdenklichen Mitteln<br />
Widerstand gegen die Eindringlinge<br />
zu leisten. Im Raum von Nikosia<br />
entbrannten erste Kämpfe mit türkischen<br />
Fallschirmjägern. Dem Befehl<br />
Sampsons folgten auch bewaffnete<br />
Übergriffe griechischer Zyprioten auf<br />
türkischstämmige Zivilisten. Alsbald<br />
bot die Hauptstadt ein Bild blutiger<br />
Straßenkämpfe.<br />
In den folgenden Tagen tobten die<br />
Kämpfe auf Zypern, ohne dass der türkische<br />
Invasionsverband nennenswerte<br />
Erfolge erzielte. Im türkischen Seehafen<br />
von Mersin bestiegen zwar frische<br />
Kampfverbände ihre Landungsboote.<br />
Die anfänglichen, enthusiastischen Erfolge<br />
des türkischen Expeditionskorps<br />
wichen jedoch bald einer ersten Resignation.<br />
Bei Paphos im Südwesten<br />
Zyperns vernichteten türkische Marinekräfte<br />
versehentlich eigene Versorgungsschiffe,<br />
die sie fälschlicherweise<br />
für einen Nachschubkonvoi der griechischen<br />
Marine hielten. Obgleich türkische<br />
Hubschrauber und Transportmaschinen<br />
weitere Truppen auf der<br />
Insel absetzten und sich nun bereits<br />
mehr als 6000 türkische Soldaten auf<br />
Zypern befanden, gelang es der Armeeführung<br />
nicht, im vorgesehenen Zeitplan<br />
ihre Schlüsselziele zu erkämpfen.<br />
Die Luftwaffe flog zwar pausenlos Angriffe<br />
auf Stellungen der feindlichen<br />
Nationalgarde. Nach der Überwindung<br />
des ersten Schocks war der Widerstand<br />
der griechisch-zypriotischen Ver teidiger<br />
jedoch zunehmend verbissener<br />
geworden. Mit Ausnahme des Brückenkopfes,<br />
der sich von der Küste Kyrenias<br />
bis zu den Nordausläufern der<br />
Hauptstadt Nikosia zog, kontrollierte<br />
die türkische Armee trotz ihrer unumschränkten<br />
Luftherrschaft lediglich<br />
einige verstreute Enklaven, in denen<br />
sich Fallschirmjäger eingenistet hatten.<br />
SZ Photo/ap/dpa/picture alliance<br />
Eine griechisch-zypriotische Familie auf der Flucht aus der Stadt<br />
Famagusta.<br />
Logistische Engpässe machten sich bemerkbar.<br />
Es fehlte den Landungstruppen<br />
an schweren Waffensystemen,<br />
Munition und Versorgungsgütern, die<br />
den Hauptkampflinien mangels geeigneter<br />
Anmarschwege und fehlender<br />
Transportkapazitäten nur unzureichend<br />
zugeführt werden konnten.<br />
Kraftfahrzeuge und Kampfpanzer blieben<br />
mangels Betriebsstoffs oder wegen<br />
technischer Ausfälle an den Straßenrändern<br />
liegen, noch bevor sie auf Feind<br />
trafen.<br />
Meldungen des britischen Nachrichtendienstes<br />
zufolge erwiesen sich die<br />
Verluste der türkischen Invasionsstreitmacht<br />
bereits in diesem Stadium als<br />
weit höher, als der türkische Generalstab<br />
einzuräumen bereit war. Insbesondere<br />
die Fallschirmtruppen hatten<br />
zahlreiche Ausfälle durch Feindfeuer<br />
und wetterbedingte Widrigkeiten zu<br />
beklagen. Darüber hinaus wies die türkische<br />
Armee erhebliche Defizite im<br />
koordinierten, effektiven Zusammenwirken<br />
ihrer drei Teilstreitkräfte auf.<br />
Hier offenbarten sich die schweren<br />
Ausbildungsmängel und die fehlenden<br />
Gefechtserfahrungen des türkischen<br />
Offizierkorps. Die großangelegten Manöver<br />
vergangener Jahre hatten sich<br />
nicht selten auf eingespielte Vorführeffekte<br />
beschränkt, die in scharfen Operationen<br />
von geringem Nutzen waren.<br />
Auch erschwerte das Fehlen eines leistungsfähigen<br />
Funk- und Fernmeldenetzes<br />
den türkischen Bataillonskommandeuren<br />
vor Ort eine koordinierte, ziel -<br />
gerichtete Führung ihrer Verbände.<br />
Nicht zuletzt wirkten die Rücktransporte<br />
der Sanitätseinheiten, die mit<br />
Hunderten von Verwundeten und Gefallenen<br />
an den Hauptverbandplätzen<br />
in der Türkei eintrafen, ernüchternd<br />
auf den Enthusiasmus in der türkischen<br />
Öffentlichkeit.<br />
<strong>Militärgeschichte</strong> · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2016<br />
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