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WIR-Ausgabe3-2016-WEB

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Arbeitsalltag in<br />

Kinderbetreuungseinrichtungen<br />

Thema 5<br />

Bauch voll? Popo sauber? Ein bisserl basteln? Manchmal sind die Vorstellungen<br />

zum Arbeitsalltag in Kindergärten allzu einfach. In der<br />

frühen Kindheit wird ein wichtiger Grundstein für die Persönlichkeitsentwicklung<br />

gelegt. Deshalb ist Beziehungs- und Bildungsarbeit<br />

mit Kleinkindern weit mehr als die Sicherstellung pflegerischer Mindeststandards.<br />

In einer Kooperation mit dem Institut für Familienforschung<br />

hat das Institut für Kinderrechte eine Studie durchgeführt,<br />

in deren Mittelpunkt die Herausforderungen im beruflichen Alltag<br />

von ElementarpädagogInnen und KindergartenassistentInnen stehen<br />

und wie diese bewältigt werden.<br />

ElementarpädagogInnen und KindergartenassistentInnen arbeiten<br />

in einem Spannungsfeld zwischen institutionellen Rahmenbedingungen,<br />

gesellschaftlichen Ansprüchen und sozialen Gegebenheiten.<br />

Eines der zentralen Ergebnisse der Studie – für die insgesamt 58 Beschäftigte<br />

in Kindergärten in Wien, St. Pölten, Innsbruck und Klagenfurt<br />

befragt wurden - ist, dass dieses Spannungsfeld so starken<br />

Stress verursacht, dass den individuellen Bedürfnissen der einzelnen<br />

Kinder kaum entsprochen werden kann.<br />

„Weil alles gleichzeitig ist und man entscheiden muss, wo bewegt man sich<br />

hin oder was hat jetzt Vorrang? (...) diese Reizüberflutung, ja. Man redet gerade<br />

mit Eltern, dann streiten zwei, die kommen, der weint, der andere hat<br />

in die Hose gemacht (...) Da läutet das Telefon.<br />

Manchmal habe ich das Gefühl, ich müsste Gott sein, um allen gerecht zu<br />

Seit dem desaströsen Abschneiden Deutschlands und Österreichs<br />

beim PISA-Test rückte der Kindergarten in den Fokus der<br />

Bildungspolitik. Kinder aus Familien mit anderen Muttersprachen<br />

wurden als Quelle des schlechten Abschneidens identifiziert,<br />

der Kindergarten sollte fortan dafür sorgen, dass diese Kinder<br />

gut deutschsprechend in die Schule kommen. Die Schuleinschreibung<br />

wurde nach vorne verlegt und Tests zur Überprüfung<br />

von sprachlichen Fähigkeiten eingeführt. Seit 2010 müssen alle<br />

Kinder ab dem 5. Lebensjahr mindestens 16 Stunden pro Woche<br />

einen Kindergarten besuchen und jene Kompetenzen erwerben,<br />

die in einem bundesweit gültigen Bildungsplan festgelegt sind.<br />

In den jüngsten Bildungs-Reformvorschlägen der Regierung wird<br />

ein eigenes „Elementarpädagogik-Paket“ vorgelegt. Besonders<br />

hervorgehoben wird auch hier, wie wichtig es ist, dass allen<br />

Kindern ein guter Start in die Schule ermöglicht werden soll.<br />

Daher sollen Eltern zur Schuleinschreibung Unterlagen aus dem<br />

Kindergarten mitbringen und eine „gemeinsame<br />

Schuleingangsphase“, in der das letzte Kindergartenjahr und die<br />

ersten beiden Schuljahre als Einheit aufgefasst werden, soll<br />

errichtet werden.<br />

Alle diese Reformen sind grundsätzlich positiv zu bewerten. Von<br />

KindergartenpädagogInnen und LehrerInnen gemeinsam<br />

entwickelte Bildungs- und Unterstützungsangebote würden dazu<br />

werden. Und gerade wie du sagst, das Hinsetzen und bei den Kindern sein,<br />

ist (...) so selten, dass das schon so was Wertvolles ist, dass man einfach Zeit<br />

hat und sagt, ich habe Zeit, setz dich hin, nimm dir ein Buch, ich bin einfach<br />

da oder so und ich lese dir einmal vor. (...) Da ist das ganz, ganz selten, dass<br />

so was im Alltag zwischendurch mal möglich ist.“<br />

Die StudienteilnehmerInnen betonen, dass vor allem mit verbessertem<br />

Betreuungsschlüsseln und kleineren Gruppen gegengesteuert<br />

werden sollte.<br />

Marion Hackl, Institut für Kinderrechte und Elternbildung<br />

Der Bericht zur Studie:<br />

http://www.kinderfreunde.at/V/Institut-fuer-Kinderrechte/<br />

Projekte/2015/Arbeitsalltag-in-Kinderbetreuungs-einrichtungen<br />

Besonderheiten und<br />

Herausforderungen<br />

des Arbeitsalltags<br />

in Kindergarten und<br />

Bildung beginnt im Kindergarten – oder?<br />

Kinderkrippe<br />

beitragen, dass es nicht mehr alleine vom Elternhaus abhängt, ob<br />

Kinder in der Schule Erfolg haben oder als Versager abgestempelt<br />

werden.<br />

Bezweifelt darf jedoch die Umsetzung werden, wenn nicht<br />

weitere Maßnahmen ergriffen werden. Nämlich:<br />

• der Kindergarten muss unter das Dach des Bildungsministeriums<br />

INSTITUT kommen,<br />

FÜR KINDERRECHTE & ELTERNBILDUNG<br />

Hackl, Marion; Geserick, Christine; Hannes, Caterina; Kapella, Olaf<br />

ÖSTERREICHISCHES INSTITUT FÜR FAMILIENFORSCHUNG AN DER UNIVERSITÄT WIEN<br />

• Verbesserungen FEBRUAR 2015 der Rahmenbedingungen (Gruppengröße und<br />

Personalschlüssel) und<br />

• gleichwertige und teilweise gleichzeitige Ausbildung von Elementar-<br />

und Primarpädagoginnen.<br />

Dann kann ich mir vorstellen, dass der Kindergarten tatsächlich<br />

zur Bildungseinrichtung wird und eine gemeinsame<br />

Schuleingangsphase zum Wohle unserer Kinder gelingt.<br />

Andernfalls befürchte ich, dass die in die Schule mitzubringenden<br />

Unterlagen zu einer Art „Abschlusszeugnis“, das von der<br />

Schulleiterin ausgewertet wird, verkommt. Ob wir damit<br />

bildungsbenachteiligten Kindern zu Bildungsgerechtigkeit<br />

verhelfen, bleibt zu bezweifeln.<br />

Heide Lex-Nalis<br />

Sprecherin der Plattform EduCare

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