Hallesche-Immobilienzeitung-Ausgabe57-2016-10

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Experten-Ratgeber Recht
Kann die unpünktliche Mietzahlung des Jobcenters eine fristlose Kündigung rechtfertigen?
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RA Silvia Dietrich (mitte) von der Kanzlei Maier, Kiesel, Dietrich
Es ist eine der Segnungen unseres
Sozialstaats, dass Menschen, die in Arbeitslosigkeit
geraten, Wohngeld erhalten
und auf diese Weise in die Lage
versetzt werden, weiterhin eine Mietwohnung
bezahlen zu können. Die
Überlastung der Behörden führt aber
oft genug dazu, dass die entsprechenden
Zahlungen zwar vollständig, aber
nicht rechtzeitig an den Vermieter geleistet
werden. Das ist für Vermieter,
die ebenfalls oft termingebundene
Zahlungsverpflichtungen haben, die
aus der hereinkommenden Miete zu
bedienen sind, nicht hinnehmbar,
denn es drohen Verzugszinsen, negative
Schufaeinträge und – im Extremfall
– Kreditkündigungen.
Gemäß § 556 b Abs. 1 BGB ist die Miete
zu Beginn, spätestens bis zum dritten
Werktag des Monats an den Vermieter
zu zahlen. Zu diesem Zeitpunkt muss
die Miete beim Vermieter eingehen.
Nicht selten wird diese Vorschrift im
Mietvertrag wiederholt. In der Rechtsprechung
ist seit langem anerkannt,
dass der Vermieter bei verspäteter
Mietzahlung durch den Mieter das
Mietverhältnis – nach vorheriger Abmahnung
- fristlos kündigen kann.
Dies gilt auch bei einem Verzug, der
nur einen Tag andauert. Dies ist unproblematisch,
wenn der Mieter ein
Selbstzahler ist. In diesem Fall hat er
die verspätete Zahlung immer selbst
zu verantworten.
Anders ist es, wenn das Jobcenter die
Zahlung für den Mieter übernimmt.
Der Bundesgerichtshof hat bereits in
einer Entscheidung vom 21.10.2009
VIII ZR 64/09 geurteilt, dass das Jobcenter
kein Erfüllungsgehilfe des Mieters
bei der Zahlung der Miete ist und
sich der Mieter daher das Verschulden
der Behörde bei der verspäteten
Mietzahlung nicht zurechnen lassen
muss. Schlicht gesagt: Der Mieter
kommt mit der Zahlung der Miete
nicht in Verzug.
Die Entscheidung aus dem Jahre
2009 hat der Bundesgerichtshof nun
in einem Urteil vom 29.06.2016 VIII
ZR 173/15 konkretisiert und teilweise
auch erweitert. Auch hier hat ein Mieter
die fristlose Kündigung erhalten,
nachdem das Jobcenter über mehrere
Monate hinweg zwar immer die
vollständige Miete an den Vermieter,
jedoch grundsätzlich verspätet, überwiesen
hatte. Der BGH führt aus, dass
zwar ein Verschulden des Mieters an
der verspäteten Mietzahlung nicht
anzunehmen ist. Allerdings ist nach
Auffassung des BGH die Entscheidung
über die Kündigung aufgrund
einer Interessenabwägung zu treffen.
Dabei ist das Verschulden zwar ein
wichtiges, aber keineswegs ein notwendiges
Kriterium. Eine Kündigung
nach § 543 Abs. 1 BGB ist auch dann
möglich, wenn den Mieter selbst zwar
kein Verschulden an der Vertragsverletzung
trifft, aber die Abwägung der
beiderseitigen Interessen ergibt, dass
dem Vermieter die weitere Fortsetzung
des Mietverhältnisses nicht zugemutet
werden kann.
Wenn also der Vermieter darstellt,
dass er auf die pünktliche Mietzahlung
angewiesen ist, weil er beispielsweise
zu bestimmten Terminen
Kredite zu bedienen hat oder auf die
Zahlung zur Deckung seines Lebensunterhalts
angewiesen ist, kann er
dem Mieter fristlos das Mietverhältnis
kündigen, obwohl dieser keine Mitverantwortung
an der verspäteten
Mietzahlung hat.
Mieter, die auf Leistungen des Jobcenters
angewiesen sind, sollten sich
lieber nicht darauf verlassen, dass die
Miete automatisch von der Behörde
rechtzeitig an den Vermieter überwiesen
wird. Sobald eine Meldung
seitens des Vermieters vorliegt, dass
die Miete nicht rechtzeitig gezahlt
wird, sollte sich der Mieter darum
kümmern, dass die Zahlung vom Amt
mietvertragsgemäß erbracht wird.
Allerspätestens nach Vorlage der der
Kündigung notwendigerweise vorausgehenden
Abmahnung muss der
Mieter handeln, um die drohende
Kündigung abzuwenden.
Rechtsanwälte
MAIER | KIESEL | DIETRICH
Axel Christian MAIER
Rechtsanwalt und
Diplom-Verwaltungswirt (FH)
Hartmut KIESEL
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Wohnungseigentums-
& Mietrecht
Silvia DIETRICH
Rechtsanwältin und
Fachanwältin für Familienrecht
Friedenstraße 29 I 06114 Halle/Saale
Tel. 0345-52 14 00 I Fax 0345-52 14 027
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