Bulletin - Deutscher Museumsbund
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Der Arbeitskreis Migration steht weiterhin allen interessierten<br />
Mitgliedern des Deutschen <strong>Museumsbund</strong>s offen.<br />
Lebenswelten und Milieus der Menschen mit Migrations<br />
hintergrund in Deutschland und NRW. Ergebnisse<br />
der Repräsen tativuntersuchung 2009.<br />
Die Studie verfolgt den sozialwissenschaftlichen Ansatz der<br />
Sinus-Milieus und untersucht zum ersten Mal Lebenswelten<br />
und Lebensstile von Menschen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund.<br />
Ausgangspunkt der repräsentativen Studie ist<br />
das Land NRW. Ziel war das „unverfälschte Kennenlernen und<br />
Verstehen der Alltagswelt von Migrantinnen und Migranten,<br />
ihrer Wertorientierungen, Lebensziele, Wünsche und Zukunftserwartungen“.<br />
Als wesentliches Ergebnis der Studie ist festzuhalten, dass<br />
sich die Lebenswelten und Milieus von Menschen mit Migrationshintergrund<br />
weniger nach ethnischer Herkunft als vielmehr<br />
nach ihren Wertvorstellungen, Lebensstilen und ästhetischen<br />
Vorlieben unterscheiden.<br />
Insgesamt identifizierte die Studie acht wesentliche Milieus,<br />
denen Menschen mit Migrationshintergrund zuzuordnen sind.<br />
Diese Lebenswelten sind modellhaft, und in der Praxis gibt<br />
es keine ausschließlichen und starren Grenzen zwischen diesen<br />
Lebenswelten. Dabei sind die Unterschiede zwischen den<br />
Milieus größer und damit die gesamte Gruppe deutlich vielgestaltiger,<br />
als bei Menschen ohne Zuwanderungsgeschichte.<br />
Als Milieus gelten: das religiös-verwurzelte Milieu, das traditionelle<br />
Gastarbeitermilieu, das entwurzelte Milieu, das statusorientierte<br />
Milieu, das adaptive Integrationsmilieu, das hedonistisch-subkulturelle<br />
Milieu, das multikulturelle Performer-Milieu<br />
und das intellektuelle-kosmopolitische Milieu.<br />
Insgesamt stellt die Studie fest, dass der Einfluss religiöser<br />
Traditionen bei Migranten offenbar weithin überschätzt wird.<br />
Nur im religiös-verwurzelten Milieu, in dem Muslime deutlich<br />
überrepräsentiert sind, spielt die religiöse Lebenswelt<br />
und Praxis eine dominante Rolle. Ähnliches findet sich aber<br />
auch bei anderen Religionen, zum Beispiel bei fundamentalistischen<br />
Christen aller Prägungen. Anders herum formuliert: In<br />
allen anderen Milieus findet sich ein breites ethnisches und<br />
konfessionelles Spektrum. Die meisten Migranten verstehen<br />
sich zudem als Angehörige der multiethnischen deutschen<br />
Gesellschaft.<br />
Integrationsdefizite werden dabei wahrgenommen, allerdings<br />
erweisen sie sich meist als ein soziales Phänomen:<br />
Benachteiligung und Ausgrenzung empfinden Menschen mit<br />
und ohne Migrationsgeschichte. Die meisten Migranten kennen<br />
und schätzen den Wert der Bildung. Sie sind oft deutlich<br />
12 <strong>Bulletin</strong> 4 / 2010<br />
leistungsbereiter und bildungszuversichtlicher als Menschen<br />
mit ausschließlich deutschen Wurzeln.<br />
Als Fazit hält die Studie fest: „Insgesamt zeigen die Ergebnisse<br />
dieser Untersuchung, dass die in Deutschland lebenden<br />
Menschen mit Migrationshintergrund nicht völlig anders und<br />
nicht alle gleich sind. Es gibt tatsächlich Gruppen, die den<br />
weit verbreiteten Negativ-Klischees entsprechen. Aber es sind<br />
kleine, schrumpfende Gruppen, die meistens nicht über größere<br />
Einflussmöglichkeiten verfügen. Die Unterschiede zwischen<br />
den am weitesten voneinander entfernten Lebenswelten<br />
sind bei den Migrantenmilieus wesentlich größer als bei<br />
der Gesamtbevölkerung. Das heißt, wir haben es bei den<br />
Einwanderern mit Milieus zu tun, die auf der einen Seite von<br />
vormodernen bäuerlichen Traditionen, auf der anderen von<br />
den soziokulturell modernsten Einstellungen geprägt sind.<br />
Beide Extreme spielen in der Gesamtbevölkerung kaum eine<br />
Rolle. Legt man die Milieus der Gesamtbevölkerung und der<br />
Migranten schematisch übereinander, zeigen sich aber auch<br />
viele Ähnlichkeiten oder Gemeinsamkeiten, die sich in den<br />
Milieubezeichnungen wiederfinden.“<br />
Entsprechend dieses Befundes sind auch die Formen, Vorlieben<br />
und Wünsche von Migranten in Bezug auf Nutzung und<br />
Teilhabe an Kultur differenziert zu betrachten.<br />
Während das religiös-verwurzelte Milieu eher Wert legt auf<br />
die Bewahrung der kulturellen Identität und das traditionelle<br />
Milieu sich stark an der Kultur des Herkunftslands orientiert<br />
zeigt, schätzt das entwurzelte Milieu vor allem die allge meine<br />
Popularkultur. Angehöriger des hedonistisch-sub kulturellen<br />
Milieus bevorzugen die Jugend- und Popkultur, während das statusorientierte<br />
Milieu Kulturangebote vor allem zur Entspannung<br />
und Unterhaltung, weniger zur Identitäts bestimmung nutzt. Das<br />
adaptive Milieu zeigt insgesamt eine aufgeschlossene Haltung<br />
zu Kulturangebote mit einer Präferenz für „harmonische“<br />
Angebote. Das multikulturelle Performer- Milieu folgt in der<br />
Kulturnutzung souverän dem Lustprinzip und nutzt die gesamt<br />
Breite des Kulturangebots. Für Angehörige des intellektuell-kosmopolitischen<br />
Milieus hat Kultur eine wichtige, oft identitätsprägende<br />
Rolle. Sie haben vielfältige kulturelle Interessen und sind<br />
oft selbst als Kulturagenten oder Künstler tätig.<br />
Insgesamt stellt die Studie fest: „Einwanderer möchten sich<br />
in Kunst und Kultur stärker repräsentiert sehen. Menschen mit<br />
Migrationshintergrund signalisieren hohes Interesse an Kunst<br />
und Kultur, sofern ihnen überzeugende Identifikationsangebote<br />
gemacht werden. Ihre Lebenserfahrungen sollten sich in den<br />
Inhalten, sie selbst wollen sich in den Akteuren spiegeln.“<br />
Die komplette Studie ist abrufbar im Internet unter http://<br />
interkulturpro.de/ik_pdf/Sinus-Studie_2009.pdf