Über das Leben des Wasserbauingenieurs und Gelehrten Johann Gottfried Tull
Beiträge zur Stadtgeschichte
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T U L L A<br />
<strong>und</strong> wollte nicht mehr als „kleiner Lehrling“ behandelt<br />
werden. Die gesammelten Erfahrungen<br />
hatten den jungen <strong>Tull</strong>a selbstbewusster gemacht.<br />
Langsdorf wünschte sich jedoch, <strong>Tull</strong>a als Begleiter<br />
zu gewinnen, weil er seinen jungen Fre<strong>und</strong> fachlich<br />
<strong>und</strong> menschlich sehr schätzte. (25) <strong>Tull</strong>a begleitete<br />
Langsdorf schließlich im April 1795 von Hannover<br />
aus nach Kopenhagen. Von dort ging die<br />
Reise nach Norwegen, um die Saline Walloe zu besichtigen,<br />
die ihr Salz nicht aus Stein, sondern aus<br />
dem Meer gewann. Während Langsdorf Siedeproben<br />
machte, erfasste <strong>Tull</strong>a die technische Einrichtung<br />
in Zeichnungen. Die Heimreise nutzten beide<br />
zur Besichtigung eines Silberbergwerks <strong>und</strong> eines<br />
Marmorsteinbruches. Anfang Juli in Göttingen angekommen,<br />
besuchte <strong>Tull</strong>a Langsdorfs hochgeschätzten<br />
Lehrer, den Mathematiker Kästner <strong>und</strong><br />
besichtigte <strong>das</strong> dortige Observatorium sowie die<br />
physikalischen Sammlungen. Sein Studium an der<br />
Bergwerksakademie in Freiberg nahm <strong>Tull</strong>a im August<br />
<strong>des</strong>selben Jahres wieder auf <strong>und</strong> wählte nun<br />
die Schwerpunkte Mineralienk<strong>und</strong>e, Maschinen<strong>und</strong><br />
Bergwerkswesen.<br />
Seite aus <strong>Tull</strong>as<br />
Tagebuch über<br />
seine 1794 unternommene<br />
Studienreise<br />
an den<br />
Niederrhein,<br />
nach Holland <strong>und</strong><br />
Hamburg<br />
Minden, Uithoven, Leiden, Delft, Rotterdam, Gouda<br />
<strong>und</strong> Harlem. Anschließend begab sich <strong>Tull</strong>a nach<br />
Hamburg <strong>und</strong> lernte im nahegelegenen Ritzenbüttel<br />
den Ingenieur Rainhard Woltmann kennen, <strong>des</strong>sen<br />
nach ihm benannter Woltmann-Flügel noch<br />
heute zur Messung der Wassergeschwindigkeit<br />
verwendet wird. Woltmann war der Großvater von<br />
Rainhard Baumeister, <strong>des</strong>sen Pläne zur Entfestigung<br />
von Rastatt <strong>das</strong> Stadtbild bis in die Gegenwart<br />
prägen. (24)<br />
Im Dezember 1794 traf <strong>Tull</strong>a verspätet zum Studium<br />
an der Bergakademie in Freiberg ein. Zu seinen<br />
Fächern gehörte Bergbaukunst, Eisenhüttenk<strong>und</strong>e,<br />
Geologie <strong>und</strong> Chemie. Im Frühjahr 1795<br />
sollte <strong>Tull</strong>a Langsdorf auf eine Reise nach Dänemark<br />
<strong>und</strong> Norwegen begleiten. Obwohl dies schon<br />
im Vorfeld vor <strong>Tull</strong>as Aufenthalt in Gerabronn mit<br />
der Markgrafschaft ausgehandelt worden war,<br />
folgte <strong>Tull</strong>a diesem Ansinnen nur zögerlich. Er<br />
fürchtete, den Anschluss in Freiberg zu verlieren<br />
Nach Beendigung seines Studiums 1796 hielt sich<br />
<strong>Tull</strong>a erneut bei Langsdorf in Gerabronn auf <strong>und</strong><br />
blieb dort auch als er erkrankte. Die auf beiden<br />
Seiten bestehende Wertschätzung belegt ein Brief,<br />
den Langsdorf nach <strong>Tull</strong>as erstem Aufenthalt nach<br />
Karlsruhe schrieb: „Er blieb sich immer gleich <strong>und</strong><br />
zuletzt noch alles <strong>des</strong> Lobes wert, <strong>das</strong> in allen meinen<br />
Rapporten enthalten ist. Er hatte sich daher<br />
meine ganze Liebe zugezogen, die mir auch seinen<br />
Abschied sehr erschwerte.“ (26 ) Trotz seiner „Unpäßlichkeit“<br />
(27) erstellte <strong>Tull</strong>a eine Arbeit für die<br />
badische Wasser- <strong>und</strong> Straßenbaudirektion <strong>und</strong><br />
unterzog sich einer erneuten Prüfung. Dieses<br />
Pflichtbewusstsein, trotz Krankheit so gut als eben<br />
möglich weiter zu arbeiten, zeichnete <strong>Tull</strong>a bis an<br />
sein <strong>Leben</strong>sende aus. Nach diesem zweiten Aufenthalt<br />
in Gerabronn waren die Lehrjahre bei<br />
Langsdorf beendet. Langsdorf meldete <strong>das</strong> Ergebnis<br />
als „devotest[e] Anzeige an <strong>das</strong> hochpreisliche<br />
Kammerkollegium dahin, <strong>das</strong>s Ingenieur <strong>Tull</strong>a<br />
für alle angewendeten Kosten hinlänglich geärndet<br />
hat, um in seinem Vaterland nunmehr Saamen auszustreuen<br />
der h<strong>und</strong>ertfältige Früchte bringt“. (28)<br />
10<br />
(24) Die Tochter von Rainhard Woltmann war die Mutter von Rainhard Baumeister. Baumeister erhielt den Vornamen seines Großvaters. Baumeister (1833-1917) war von<br />
1862-1912 Professor am Karlsruher Polytechnikum. Vgl. Scholl, Lars Ulrich: Ingenieure in der Frühindustrialisierung: staatliche <strong>und</strong> private Techniker im Königreich Hannover<br />
<strong>und</strong> an der Ruhr (1815-1873), Göttingen 1978, S. 245.<br />
(25) Vgl. Cassinone / Spieß 1929, S, 14; Valdenaire 1929, S. 351f.<br />
(26) Zitiert nach: Zier 1970, S. 396.<br />
(27) In den Briefen an Kröncke bezeichnet <strong>Tull</strong>a seine diversen Krankheiten als „Unpäßlichkeit“.<br />
(28) Zitiert nach: Cassinone / Spieß 1929, S. 15.