Über das Leben des Wasserbauingenieurs und Gelehrten Johann Gottfried Tull
Beiträge zur Stadtgeschichte
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T U L L A<br />
schen Gesandten, bevor er in den Dienst <strong>des</strong> Herzogs<br />
Ernst II. von Sachsen-Gotha eintrat. Dieser<br />
beauftragte ihn mit der Errichtung eines Observatoriums,<br />
<strong>das</strong> er mit den neuesten Geräten aus England<br />
einrichtete. Er unterrichtete Carl Friedrich<br />
Gauß in praktischer Astronomie <strong>und</strong> unterwies<br />
Alexander von Humboldt vor <strong>des</strong>sen Südamerikareise<br />
im Umgang mit den Vermessungsgeräten.<br />
Zudem publizierte er drei Fachzeitschriften zur<br />
Sammlung <strong>und</strong> Verbreitung astronomischer Daten.<br />
Nach dem Tod von Herzog Ernst II. zog Zach zunächst<br />
nach Marseille <strong>und</strong> später nach Genua, wo<br />
er an Blasensteinen erkrankte.<br />
Ebenso wie <strong>Tull</strong>a begab er sich zu Civiale nach Paris.<br />
In einem ausführlichen Briefwechsel mit seinem<br />
Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Arzt Rudolf Abraham von Schiferli<br />
schilderte Zach Leiden <strong>und</strong> Erfolge seiner Krankengeschichte.<br />
In einem Brief vom 29. November<br />
1827 berichtete er über seinen neuen Zimmernachbar<br />
<strong>Tull</strong>a: „Ein neuer Beweis, wenn es noch einen<br />
bedarf, <strong>das</strong>s Civiale’s Methode unfehlbar, <strong>und</strong><br />
unübertreffbar ist, bewährt sich nun abermal, an<br />
den Baadischen Ingieur-Obrist <strong>Tull</strong>a aus Carlsruhe,<br />
welcher auf mein Anrathen <strong>und</strong> Zureden hierher gekommen<br />
ist, um sich von Civiale operiren zu lassen.<br />
Er ist mein Nachbar, <strong>und</strong> logirt in einer Stube neben<br />
mir. Der arme Mann hatte zwey, wie Tauben-<br />
Eyer grosse Steine. Er hat schon zwey Operationen<br />
überstanden. Bey der ersten hat Civiale ein grosses<br />
tiefes Loch gebohrt. Bey der zweyten hatte er den<br />
Stein gewendet, <strong>und</strong> eine anderes Loch gebohrt,<br />
worüber der Stein, welcher äusserst hart ist, in<br />
viele Stücken gegangen ist, seitdem urinirt er Fragmente<br />
wie Erbsen gros, noch vier oder fünf solche<br />
Operationen, so ist dieser alte 68-jährige Mann<br />
ganz hergestellt“. (99)<br />
Dass Zach den 16 Jahre jüngeren <strong>Tull</strong>a zehn Jahre<br />
älter geschätzt hatte, könnte als Hinweis auf <strong>Tull</strong>as<br />
schlechte körperliche Verfassung <strong>und</strong> Verbrauchtheit<br />
gewertet werden.<br />
Obwohl sich <strong>Tull</strong>a zur Kurierung seiner Leiden in die<br />
Behandlung Civiales begeben hatte, nutzte er diesen<br />
Aufenthalt auch dazu, den Fortschritt in der<br />
Medizin zu fördern. Er legte ein Tagebuch an <strong>und</strong><br />
hielt darin alle vorgenommenen Eingriffe sowie<br />
Fort- <strong>und</strong> Rückschritte fest. Zudem setzte er sich<br />
dafür ein, „<strong>das</strong>s mehrere Bestecke der Instrumente<br />
ins Badische kommen.“ (100) Seine Hoffnung auf die<br />
Verbreitung der Operationsmethode nach Civiale<br />
brachte er in einem Brief zum Ausdruck: „Gestern<br />
habe ich einen vollständigen civialischen Apparat<br />
an Herrn Geheimenhofrath Chelius in Heidelberg<br />
abgesandt, <strong>und</strong> in kurzem werde ich einen zweyten<br />
nach Karlsruhe senden. Ich hoffe <strong>das</strong>s mit diesen<br />
bald Versuche werden gemacht werden, <strong>und</strong> <strong>das</strong>s<br />
seiner Zeit die civialische Methode so allgemein<br />
werden dürfte, <strong>das</strong>s man nicht mehr genöthigt<br />
werden wird nach Paris zu gehen um sich von den<br />
Steinen befreyen zu lassen.“ (101) Im Dezember berichtete<br />
<strong>Tull</strong>a an einen ehemaligen Kollegen: „Herr<br />
Dr. Himly ist hier angekomen <strong>und</strong> wohnt meinen<br />
Operationen bey, welches ich umsomehr gestattete,<br />
als derselbe von Herrn GeheimenRath von<br />
Sömmering an Herrn Dr. Civiale empfohlen war,<br />
<strong>und</strong> ich auch gerne etwas zur Belehrung anderer<br />
beytrage.“ (102) Voller Zuversicht schrieb <strong>Tull</strong>a Anfang<br />
Februar: „Ich sehe nun dem Ende meiner Kur<br />
getrost entgegen <strong>und</strong> hoffe, <strong>das</strong>s solches in künftiger<br />
Woche erfolgen dürfte. Nach Beendigung<br />
meiner Kur werde ich noch 4 Wochen hier verbleiben<br />
<strong>und</strong> dann meine Rückreise antreten.“ Nichts<br />
deutete zu diesem Zeitpunkt darauf hin, <strong>das</strong>s <strong>Tull</strong>a<br />
sieben Wochen später nicht mehr leben würde.<br />
Die letzten geplanten Bohroperationen konnten<br />
aufgr<strong>und</strong> <strong>Tull</strong>as sich verschlechterndem Ges<strong>und</strong>heitszustand<br />
nicht mehr vorgenommen werden.<br />
<strong>Tull</strong>a starb am 27. März 1828 <strong>und</strong> wurde auf dem<br />
Friedhof Montmartre beigesetzt. Das Grab, welches<br />
von Baden gekauft wurde, ist noch heute erhalten.<br />
Um den Verdacht der Tod wäre als Folge der<br />
Blasenoperationen aufgetreten, auszuräumen, obduzierte<br />
Civiale den Leichnam <strong>Tull</strong>as <strong>und</strong> stellte<br />
krampfhafte Erstickungsanfälle als To<strong>des</strong>ursache<br />
fest. (103)<br />
Zach schrieb seinem Schweizer Fre<strong>und</strong> von <strong>Tull</strong>as<br />
plötzlichem Tod: „Jezt eine fatale Geschichte. Ich<br />
weis nicht, ob ich Ihnen nicht von einem Badnischen<br />
Obristen <strong>Tull</strong>a aus Carlsruhe geschrieben<br />
habe, [...]. Seine Stube war über der meinigen, wir<br />
sahen uns täglich, <strong>und</strong> waren viel beysammen, es<br />
(99) Zitiert nach: Gosteli / Boschung / Brosche 1998, S. 263.<br />
(100) GLA N Klüber 268, Brief <strong>Tull</strong>as an Klüber vom 07.11.1827.<br />
(101) GLA N Klüber 268, Brief <strong>Tull</strong>as an Klüber vom 09.02.1828.<br />
(102) GLA N Klüber 268, Brief <strong>Tull</strong>as an Klüber vom 16.12.1827.<br />
(103) Vgl. Gosteli / Boschung / Brosche 1998, S. 276.<br />
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