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Über das Leben des Wasserbauingenieurs und Gelehrten Johann Gottfried Tull

Beiträge zur Stadtgeschichte

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T U L L A<br />

Abb. gegenüber:<br />

Karte <strong>des</strong> Großherzogtums<br />

Baden,<br />

von <strong>Tull</strong>a 1812<br />

revidiert<br />

der. Insgesamt sind 123 Briefe erhalten, von denen<br />

114 aus Krönckes Feder stammen, die restlichen 9<br />

sind Abschriften der Briefe <strong>Tull</strong>as an Kröncke.<br />

Wiebeking als Briefthema<br />

<strong>Tull</strong>a hatte 1798 eine Abhandlung über den Gebrauch<br />

<strong>des</strong> Woltmannflügels geschrieben <strong>und</strong><br />

diese Wiebeking zur Veröffentlichung zugeschickt,<br />

was dieser jedoch ablehnte. Kröncke, der als Mitarbeiter<br />

Wiebekings offiziell die Meinung seines<br />

Vorgesetzten vertreten musste, die Abhandlung<br />

<strong>des</strong> jungen Kollegen aber für gut befand, geriet in<br />

einen Loyalitätskonflikt <strong>und</strong> brachte diesen <strong>Tull</strong>a<br />

gegenüber zum Ausdruck. Offensichtlich ermutigt<br />

von <strong>Tull</strong>as Antwort gab Kröncke sein spannungsreiches<br />

Verhältnis zu Wiebeking preis: „[...] denn<br />

er setzt je<strong>des</strong>mahl voraus, daß ich allen Menschen<br />

zum Vortheile, nur ihm zum Schaden spreche [...]“.<br />

Abschließend beschwor Kröncke seinen Kollegen<br />

<strong>Tull</strong>a: „Nun noch um eins muß ich Sie bitten, liebster<br />

Fre<strong>und</strong>. Bleiben Sie Fre<strong>und</strong> mit Hr. W., oder<br />

bleiben Sie es nicht, <strong>das</strong> kann mich begreiflich wenig<br />

kümmern, nur versprechen Sie mir jetzt <strong>und</strong><br />

nie, von dem ihm etwas zu sagen <strong>und</strong> zu schreiben,<br />

was wir im Vertrauen zu einander von ihm geurtheilt<br />

haben.“ (35)<br />

Auch nach dem Weggang Wiebekings aus Darmstadt<br />

1802 blieb der ältere Kollege Inhalt <strong>des</strong> brieflichen<br />

Austausches zwischen <strong>Tull</strong>a <strong>und</strong> Kröncke.<br />

Nicht ganz frei von Neid war die Mitteilung, die<br />

Kröncke 1809 an <strong>Tull</strong>a weitergab: „Die große Pension,<br />

welche [Wiebeking] kürzlich von Rußland erhalten<br />

hat, <strong>und</strong> <strong>das</strong> Geschenk, ein kostbarer brillantener<br />

Ring, wird Dir bekannt sein. Ei, was sind<br />

wir doch für arme Schlucker gegen einen großen<br />

Mann.“ Süffisant bemerkte Kröncke in einem Brief<br />

von 1814: „Daß Du <strong>das</strong> Glück gehabt hast, den Hr.<br />

Von Wibeking mit seinem Orden zu sehen, dazu<br />

gratuliere ich Dir. Ich möchte gern mehr über ihn<br />

hören.“ (36)<br />

Als 1814 nach dem Wiener Kongress Teile der Pfalz<br />

an Bayern gefallen waren <strong>und</strong> damit Hessen mit<br />

Bayern eine gemeinsame Grenze erhalten hatte,<br />

äußerte sich Kröncke über seinen möglichen Verhandlungspartner<br />

Wiebeking: „Wer <strong>das</strong> linke<br />

Rheinufer erhalten wird? – Wer weiß es. Gegen uns<br />

über heißt es allgemein, Bayern. Ob wir uns darüber<br />

freuen können, wegen <strong>des</strong> Rheinbaus als<br />

dann mit Wibeking zu thun zu bekommen? Ich<br />

weiß es nicht recht, sollte aber doch glauben, daß<br />

er nach seinen frühern hier in dießen gethanen<br />

Äußerungen nicht unbillig seyn könne. Man muß<br />

es erwarten, was geschehen <strong>und</strong> erfolgen wird.“ (37)<br />

Der Sohn Wiebekings konnte sich hingegen die<br />

Sympathien Krönckes erwerben. <strong>Tull</strong>a schätzte den<br />

jüngeren Wiebeking in den 1820er Jahren ebenfalls<br />

als Verhandler der bayerischen Seite, waren<br />

sie doch beide gleichermaßen von der Unumgänglichkeit<br />

der Flussregulierung überzeugt. (38)<br />

Weiterbildung in Frankreich<br />

Karl Christian Vierordt, <strong>Tull</strong>as Vorgesetzter, hielt<br />

Anfang 1801 einen weiteren Bildungsaufenthalt<br />

seines Mitarbeiters für wünschenswert. Er empfahl<br />

eine Reise nach Frankreich, damit <strong>Tull</strong>a seine<br />

Sprachkenntnisse vervollkommnen <strong>und</strong> die inländischen<br />

Ingenieurleistungen kennenlernen könne.<br />

Als <strong>Tull</strong>a im Juli 1801 in Paris eintraf, musste er<br />

sich zunächst kleinlicher Unterhaltszahlungen<br />

wegen mit Karlsruhe auseinandersetzen. Sigism<strong>und</strong><br />

von Reitzenstein, der sich als Diplomat in badischen<br />

Diensten ebenfalls in Paris aufhielt, um die<br />

Auslegung <strong>des</strong> Friedens von Lunéville auszuhandeln,<br />

unterstützte <strong>Tull</strong>a in seinem Anliegen. Denn<br />

während Baden mit dem hehren Ziel, sein Staatsgebiet<br />

zu vergrößern, große Summen an Bestechungsgeldern<br />

vorhielt, musste an den Gehältern<br />

der Dienerschaft gespart werden.<br />

Den Vorlesungen an der École Polytechnique<br />

konnte <strong>Tull</strong>a aufgr<strong>und</strong> mangelnder Sprachkenntnisse<br />

nur schwer folgen. Dennoch verinnerlichte er<br />

<strong>das</strong> System der Lehre – die Verbindung von Theorie<br />

<strong>und</strong> Praxis – <strong>das</strong> er später als Vorbild für seine<br />

Karlsruher Ausbildungsstätte nutzen würde. In Paris<br />

begegnete er auch Gaspard Mongé, dem damals<br />

europaweit bekannten Autor der darstellenden<br />

Geometrie, der an der École Polytechnique<br />

unterrichtete. Angeregt durch diese Studien übertrug<br />

<strong>Tull</strong>a die mathematischen Regeln auf die Konstruktionen<br />

im Faschinenbau.<br />

Eine Beinverletzung <strong>und</strong> <strong>das</strong> Gefühl der Isoliertheit<br />

gaben <strong>Tull</strong>as Aufenthalt in der französischen<br />

Hauptstadt eine negative Färbung. Kröncke, der im<br />

Januar 1802 auf <strong>Tull</strong>as Brief aus dem vergangenen<br />

November antwortete, sprach sein Mitgefühl aus:<br />

„[Ich] habe […] es bedauert, daß Sie sich so wenig<br />

12<br />

(35) GLA 237/24327, fol. 15f., Brief vom 24.02.1798.<br />

(36) GLA 237/24327, fol. 134, Brief vom 04.04.1814.<br />

(37) GLA 237/24327, fol. 139, Brief vom 07.07.1814.<br />

(38) GLA 237/24327, fol. 438f., Brief vom 05.02.1825. Karl Gustav Wiebeking (1792 – 1827) war seit 1818 Regierungs- <strong>und</strong> Baurat <strong>des</strong> Rheinkreises in Speyer.

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