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Vorläufiges Biersteuergesetz<br />

von 1993<br />

Noch eine wichtige Erklärung:<br />

Der 500 Jahre alte, herzögliche<br />

Erlass, der dann Anfang des<br />

zwanzigsten Jahrhunderts als<br />

Reinheitsgebot bezeichnet<br />

wurde, hat heute freilich keine<br />

gesetzlich bindende Wirkung<br />

mehr. Was heute für den Bierbrauer<br />

in der Praxis relevant<br />

ist, ist das „Vorläufige Biersteuergesetz<br />

von 1993“. Demnach<br />

darf er zum Brauen ausschließlich<br />

Gerstenmalz (für Weißbier<br />

auch Weizen), Hopfen, Wasser<br />

und Hefe verwenden. Ausnahmen<br />

sind aber möglich: Wenn<br />

er nach Paragraph 9 einen<br />

Antrag zum „Brauen besonderer<br />

Biere“ stellt, darf er auch<br />

beispielsweise Koriander und<br />

Orangenschalen verwenden,<br />

um ein belgisches Wit zu<br />

machen, Salz für eine Leipziger<br />

Gose, Anis und Nelken für ein<br />

weihnachtliches Gewürzbier –<br />

es sei denn, seine Brauerei<br />

liegt in Bayern oder Baden-<br />

Württemberg. Dort ist die<br />

Gesetzeslage ein wenig anders,<br />

nein, strenger. Dort gibt es diesen<br />

Ausnahme-Paragrafen<br />

nicht und Brauer sind auf vier<br />

Zutaten beschränkt.<br />

Tatsächlich gab es in Bayern in<br />

jüngster Vergangenheit Fälle, in<br />

denen Craft Brauer nicht reinheitsgebotskonforme<br />

Biere<br />

vom Markt nehmen mussten.<br />

Einzelfälle. Denn entgegen vielfach<br />

falscher Annahme: Craft<br />

Beer ist nicht das Anti-Reinheitsgebotsbier.<br />

Die allermeisten<br />

deutschen Craft Biere sind „gebraut<br />

nach dem Reinheitsgebot“,<br />

oder genau genommen<br />

nach dem Vorläufigen Biersteuergesetz<br />

von 1993. Jedes<br />

knackige Imperial Pilsener,<br />

zitronen frische Pale Ale, Hammer-Double-IPA<br />

mit Pfirsich-Pinien-Honig-Aroma,<br />

kurz: die allermeisten<br />

Bierstile können aus<br />

den vier bekannten Zutaten gebraut<br />

werden. Und so halten<br />

sich die meisten deutschen<br />

Craft Brewer auch an das<br />

Reinheitsgebot. Ein paar, weil<br />

sie die Herausforderung lieben.<br />

„Natürlich kann man Pfirsiche<br />

in den Gärtank ballern“, sagt<br />

Georg Seitz, Braumeister bei<br />

„Urban Chestnut“ in der Hallertau,<br />

„und danach schmeckt<br />

das Bier nach Pfirsich.“ Man<br />

könne sich aber auch solange<br />

durch besondere Hopfensorten<br />

probieren und die gewagt,<br />

neu, anders kombinieren, bis<br />

das Bier allein dadurch ein<br />

ebenso betörendes Pfirsich-<br />

Bouquet bekommt. Findet er<br />

persönlich cooler.<br />

Neue Idee:<br />

Natürlichkeitsgebot<br />

Niemand will zurück zu Fliegenpilzen,<br />

Pech und Kreide,<br />

genau so wenig wie wohl auch<br />

niemand in Deutschland, sei es<br />

Großbrauer, Craft Brewer oder<br />

Verbraucher, künstliche Farbund<br />

Aromastoffe im Bier haben<br />

möchte. Niemand will<br />

Bierpantscherei, niemand!<br />

Aber es gibt (Craft Beer)<br />

Brauer, die gern ohne Sonderantrag<br />

(oder eben auch in Bayern)<br />

ein Lambic, ein Milkstout,<br />

Grätzer brauen können wollen.<br />

Und die fordern jetzt, das Reinheitsgebot<br />

ein bisschen zu<br />

renovieren. Etwas neuen Putz<br />

und Farbe. „Natürlichkeitsgebot“<br />

wäre ein besserer Name,<br />

finden sie, ein Gebot, dass das<br />

Brauen von Bier unter Verwendung<br />

natürlicher Zutaten<br />

ermöglicht. Und es ist auch gar<br />

nicht mal ganz unrealistisch,<br />

dass sich über kurz oder lang<br />

auch etwas in diese Richtung<br />

ändert, das älteste Verbraucherschutzgesetz<br />

der Welt und<br />

womöglich auch unser gutes,<br />

deutsches Bier noch ein bisschen<br />

besser wird. (nk)<br />

© Fotos: fotolia<br />

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