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Wagnereinmalig No. 2

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© Thomas Schrott<br />

Interview Nina<br />

Nina Rettenbacher, Chefin des „1639. Die Meierei“,<br />

ist leidenschaftliche Köchin. Und noch lieber Gärtnerin.<br />

Ein Gespräch mit Irene Heisz über Urban Gardening,<br />

lokale Qualität und globale Zusammenhänge.<br />

Ich möchte die<br />

erste Innsbrucker<br />

Innenstadtbäuerin<br />

werden.<br />

Nina Rettenbacher<br />

Was tut sich denn zurzeit<br />

im Meierei-Garten?<br />

Der Garten, der bis jetzt ja hauptsächlich<br />

in meinem Kopf existierte, wird langsam<br />

Wirklichkeit. Wenn Mitte Mai die Bautätigkeit<br />

im Haus abgeschlossen ist, fange ich<br />

mit dem Pflanzen an.<br />

Was wird die Besucherin im<br />

Vollausbau erwarten?<br />

180 qm Dachterrasse mit 15 Hochbeeten<br />

und an die zwei Dutzend Pflanzentrögen –<br />

Beeren, Kräuter, Gemüse, viele exotische<br />

Pflanzen und essbare Blumen. Und mittendrin<br />

Liegestühle. Meine Traumvorstellung<br />

ist der alte Bauerngarten meiner Oma in der<br />

Steiermark, aus dem an die 15 Menschen<br />

versorgt wurden. Das hat mich schon als<br />

Kind fasziniert, obwohl ich Panik vor Regenwürmern<br />

hatte. Meine größte Herausforderung<br />

war, Regenwürmer, die mir beim<br />

Umstechen unterkamen, zum Hühnerstall zu<br />

bringen. Heute sehe ich das ein bissl anders.<br />

Heute sind die Regenwürmer<br />

deine Mitarbeiter.<br />

Ganz genau. Ich werde demnächst sogar<br />

eine Regenwurmkiste haben.<br />

Lässt sich benennen, wie hoch der<br />

Eigenbau-Anteil im Restaurant<br />

sein kann?<br />

Der Garten wird natürlich viel zu wenig<br />

abwerfen. Aber ich habe die Option, auch<br />

das Flachdach unseres Nachbarn Hörtnagl<br />

zu bewirtschaften. Das wären noch einmal<br />

800 Quadratmeter. Und vor allem veranstalten<br />

die Kochbuchabteilung und ich Kochkurse<br />

für Kinder, dafür reicht es allemal.<br />

Kindern den Bezug zum Ursprung<br />

ihres Essens beizubringen, ist eine<br />

Grundidee?<br />

Da muss ich ausholen. Mein bald 16-jähriger<br />

Sohn ist ein leidenschaftlicher, experimentierfreudiger<br />

Ninas Buchtipp:<br />

Esser. Aber wenn ich sage:<br />

„Geh, hol mir schnell den Lauch aus dem<br />

Kühlschrank!“, sehe ich ein Fragezeichen in<br />

Lotta Lundgren:<br />

Komm du mir nach Hause<br />

Das Kochbuch für die<br />

perfekte Ehefrau<br />

Umschau, 180 S., € 41,20<br />

6 7<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

seinem Gesicht. Heißt: Er kennt vieles auf<br />

dem Teller, aber selbst ihm fehlt der Bezug<br />

zur ursprünglichen Pflanze.<br />

Tust du dir deswegen zusätzlich<br />

zum Restaurant einen Garten an?<br />

Der eigentliche Grund und mein großes Ziel<br />

ist: Ich möchte die erste Innsbrucker Innenstadtbäuerin<br />

werden.<br />

Urban Gardening liegt voll<br />

im Trend, ist aber ein alter Hut.<br />

Vor der Erfindung schneller<br />

Transportmöglichkeiten und<br />

des Kühlschranks musste<br />

man Verderbliches in den<br />

Ballungsräumen anbauen.<br />

<strong>No</strong>ch Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

erzeugten mitten in Paris<br />

8500 Gärtner jährlich an die<br />

100.000 Tonnen Obst und<br />

Gemüse. Wie wichtig ist dir der<br />

sozioökonomische Aspekt eines<br />

Nutzgartens in der Stadt?<br />

Regionalität lebe ich schon immer, für mich<br />

ist das nichts Besonderes. Wir haben hier im<br />

Umland hohe Qualität, du musst sie nur finden.<br />

Ich freue mich über jedes schöne Stück<br />

Fleisch oder Gemüse und hoffe, dass sich<br />

meine Euphorie auf die Menschen überträgt,<br />

für die ich kochen darf.<br />

2008 stellte der englische Land -<br />

wirtschaftsexperte Ewen Cameron<br />

die These auf, dass wir lediglich<br />

„nine meals from anarchy“ entfernt<br />

seien. Eine große Naturkatastrophe<br />

wie der Hurrikan Katrina 2005<br />

in New Orleans – und binnen<br />

drei Tagen brechen anarchische<br />

Zustände aus, weil den Menschen<br />

das Essen ausgeht.<br />

Ich denke, da ist etwas Wahres dran. Kriege<br />

werden letztlich immer um Rohstoffe oder<br />

Nahrung geführt. Wir in unserer Wohlstandsgesellschaft<br />

sind nur nicht mehr ans<br />

Haushalten gewöhnt. Es passiert mir im<br />

Restaurant immer wieder, dass ich auf<br />

blankes Unverständnis stoße, wenn ich sage,<br />

dieses oder jenes sei mir ausgegangen. Dann<br />

höre ich: „Aber ich bezahl’s doch!“ Als ob<br />

es darum ginge … Eines Tages werden wir<br />

wieder einsehen, dass wir nicht immer und<br />

jederzeit alles haben können. Aber diese<br />

Umstellung wird uns schwer fallen.<br />

So sympathisch Urban Gardening<br />

auch ist: Eine allgemein anwendbare<br />

Lösung für die großen<br />

Pro bleme der Welt ist es seit der<br />

Entwicklung der arbeitsteiligen<br />

Gesellschaft nicht mehr.<br />

Ich finde es toll, dass es auch in Innsbruck<br />

Gemeinschaftsgärten gibt, die von ein paar<br />

Menschen mit Zeit, Lust und Muße bewirtschaftet<br />

werden. Aber es ist völlig illusorisch<br />

zu glauben, dass wir unsere Landwirtschaft<br />

wieder so hochfahren könnten,<br />

dass sich auch nur eine Stadt wie Innsbruck<br />

selbst versorgen könnte. Da steckt viel mehr<br />

dahinter, u.a. würde eine ganze Marktwirtschaft<br />

zusammenbrechen.<br />

Die Sache ist tatsächlich<br />

komplex. Ich kann schon auf<br />

Äpfel aus Südafrika verzichten<br />

und nur noch Südtiroler Äpfel<br />

kaufen. Aber wer braucht meine<br />

Unterstützung als Konsumentin<br />

mehr – die Arbeiter in einer<br />

südafrikanischen Apfelplantage<br />

oder die Südtiroler Apfelbauern?<br />

Ich bin eine Freundin von Fair Trade und<br />

ähnlichen Gütesiegeln, etwa Nachhaltigkeitszertifikaten<br />

für Fischerei. Wie schwierig<br />

oder einfach die zu bekommen sind, weiß<br />

ich nicht, vielleicht bin ich da ja naiv. Aber<br />

an irgendwas muss ich mich als Konsumentin<br />

festklammern. Ein waches Bewusstsein<br />

für Nachhaltigkeit ist das Mindeste, was ich<br />

mir leisten will – und das ist es auch, was<br />

ich meinem Sohn mitgeben kann.<br />

Öffnungszeiten:<br />

Montag bis Freitag: 9 – 17 Uhr<br />

Samstag: 9 – 14 Uhr<br />

Sonn- & Feiertage geschlossen<br />

T. +43 650 940308 0

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