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Wagnereinmalig No. 2

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Das Buchmagazin der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung — 03.2016<br />

Wagner<br />

eı˙nmalı˙g<br />

#<strong>No</strong>. 2


Impressum<br />

Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich:<br />

Wagner’sche Universitätsbuchhandlung, Medici Buchhandels GmbH,<br />

Museumstraße 4, 6020 Innsbruck<br />

info@wagnersche.at — www.wagnersche.at<br />

Redaktion: Robert Renk<br />

© der Textbeiträge bei den Autorinnen und Autoren<br />

Grafische Ausstattung: hœretzeder grafische gestaltung, Scheffau / Tirol<br />

Fotografie (so nicht anders angegeben): Thomas Schrott<br />

© der Abbildungen bei den jeweiligen Rechteinhabern<br />

„Schwebende Bücher in Gips“ (Titel) von Thomas Schrott/Gracia Kasenbacher-Harar<br />

Druck: Alpina Druck, Innsbruck<br />

Fehler, Änderungen und Irrtümer vorbehalten.<br />

2<br />

© 03.2016 – alle Rechte vorbehalten<br />

Bücher seit 1639<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Als einmalige Ausgabe<br />

war es angedacht, unser<br />

Eröffnungsmagazin<br />

„Wagner einmalig <strong>No</strong>. 1“,<br />

nun können wir Ihnen<br />

bereits das zweite Buchmagazin<br />

präsentieren.<br />

Das positive Echo von<br />

Seiten unserer Kunden<br />

und das großartige Feedback<br />

aus der Buchbranche<br />

waren Grund genug,<br />

dieses Serviceinstrument<br />

für unsere Kunden weiter<br />

herauszugeben. Somit<br />

können wir Ihnen unsere<br />

Bücherlieblinge des Frühjahrs<br />

präsentieren, unsere<br />

Veranstaltungen ankündigen<br />

und unsere Ideen und<br />

Visionen mit Ihnen teilen.<br />

Heinrich Heine hat einmal<br />

gesagt: „Von allen Welten,<br />

die der Mensch erschaffen<br />

hat, ist die der Bücher die<br />

gewaltigste.“ Tauchen Sie mit<br />

uns gemein sam ein in die<br />

wunderbare Welt der Bücher.<br />

Markus Renk (re.), Markus Hatzer<br />

Inhalt<br />

6 1639. Die Meierei<br />

Dachgarten, Kochen & Natur. Nina Rettenbacher im Interview.<br />

14 Michael Krüger<br />

Ein Gespräch mit Dorothea Zanon.<br />

16 Hans Platzgumer<br />

Boris Schön über den Erfolgsautor und den Innsbrucker Literaturbetrieb.<br />

18 Lena Avanzini<br />

Wie man eine neue Kommissarin erfindet.<br />

20 Susanne Gurschler<br />

über 111 Orte in Tirol<br />

21 Krimi<br />

Wochenendgespräche und Stefan Slupetzkys neuer Roman – 30. März 2016<br />

24 Thomas Glavinic<br />

im Gespräch mit Christine Lötscher – Buchpräsentation am 12. April 2016<br />

26 Mirko Bonné<br />

Er eröffnet das 14. Prosafestival in Innsbruck – 21.–23. April 2016<br />

28 Antonio Fian<br />

Der Dramolettkönig zu Gast in Innsbruck – 28. April 2016<br />

30 Doron Rabinovici<br />

Er eröffnet die 11. Tagung der PsychTransKultAG am 29. April 2016<br />

32 Der Residenz Verlag<br />

zu Gast in der Wagner’schen am 9. Mai 2016<br />

34 Grenzgänge<br />

Alex Capus und Sepp Mall zu Gast in der Stadtbücherei – 13. Mai 2016<br />

36 Museum der Träume<br />

Franz Schuh entdeckt das Lächeln – 31. Mai 2016<br />

38 Barbara Hundegger<br />

W:ORTE – 2. Lyrikfestival 16.–20. Juni 2016<br />

40 MEDICIn<br />

Buchpräsentation und Kurse<br />

42 Mit den besten Empfehlungen<br />

48 3×7 Best aber Seller


Vieles hat sich getan,<br />

vieles wird sich tun<br />

Von urbanen Gartenprojekten, beliebten Fotomotiven und den<br />

bislang 168 spannendsten Tagen meines Buchhändlerlebens …<br />

© Stephan Elsler<br />

Im Frühjahr<br />

besuchen uns<br />

bedeutende<br />

heimische und<br />

internationale<br />

Autorinnen<br />

und Autoren.<br />

Markus Renk<br />

4 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Vor 168 Tagen haben wir mit der Übernahme<br />

der Traditionsbuchhandlung<br />

Wagner’sche ein wunderbares Wagnis<br />

begonnen. Innerhalb 168 Tagen haben wir<br />

für Sie 113.482 Bücher eingekauft, viele<br />

davon an Sie verkauft, das Geschäft umgebaut,<br />

umgeräumt, Schwerpunkte gebildet,<br />

zahlreiche Veranstaltungen organisiert,<br />

Kundenkontakte geknüpft und uns oft und<br />

gerne von unseren Kundinnen und Kunden<br />

loben lassen. Viel hat sich getan, vieles<br />

haben wir noch vor, aber eines ist uns schon<br />

jetzt gelungen: Die Wagner’sche konnte<br />

wieder als kompetente Buchhandlung positioniert<br />

werden. Jetzt gilt es, die Strukturen<br />

zu festigen und unsere Ideen und Vorhaben<br />

weiter zielstrebig umzusetzen.<br />

Gleich mit der Übernahme war unser<br />

Internetshop www.wagnersche.at online<br />

und unsere Kundenkarte wurde ins Leben<br />

gerufen – beide erfreuen sich übrigens<br />

großer Beliebtheit. Unsere Facebook-Seite<br />

www.facebook.com/wagnersche bietet aktuelle<br />

Informationen an alle Buchliebhaber<br />

und Fans. Auf unserer Instagram-Seite<br />

www.iconosquare.com/wagnersche_<br />

buchhandlung halten wir die wichtigsten<br />

Ereignisse bildlich fest. Unsere ersten<br />

Newsletter konnten bereits an einen erfreulich<br />

großen Verteiler versendet werden.<br />

Sollten Sie noch keines dieser Kundeninstrumente<br />

nutzen, freuen wir uns auf einen<br />

Besuch Ihrerseits. Das erste Kundenmagazin<br />

Wagner einmalig löste im gesamten<br />

deutschsprachigen Buchhandel großes Lob<br />

aus. Grund genug, Ihnen hiermit unsere<br />

zweite Nummer zu präsentieren.<br />

Unsere Schaufenster und der nur noch<br />

wenige Tage bestehende Bauzaun waren ein<br />

vielgenutztes Fotomotiv in Innsbruck. Also<br />

noch schnell kommen und den Bauzaun<br />

begutachten, solange er noch steht!<br />

Aber viel mehr interessiert Sie wahrscheinlich,<br />

was alles noch kommen wird.<br />

Alles können wir natürlich an dieser Stelle<br />

nicht verraten, aber ein paar konkrete<br />

Dinge darf ich doch ausplaudern.<br />

5<br />

Das erste und wichtigste: Das Team der<br />

Wagnerianer ist größer geworden, bereits<br />

jetzt können wir neue Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter in unserer Mitte begrüßen –<br />

und das ist schön! Thomas möchte den<br />

wundervollen Beruf des Buchhändlers bei<br />

uns lernen. Mit Lena und Daniela konnten<br />

wir zwei Profis aus dem Buchhandel und<br />

dem Verkauf für uns gewinnen. Unsere<br />

Sortiments-Schwerpunkte Literatur, Kulinarik,<br />

Kinderbuch und das Fachbuch konnten<br />

weiter ausgebaut werden.<br />

Über weitere Neuigkeiten, wie z. B. unser<br />

urbanes Gartenprojekt, wird in diesem Heft<br />

noch berichtet. Und in wenigen Wochen<br />

beginnen wir mit unserem Bücher-Lunch<br />

am Sonntag in der Wagner’schen, dabei<br />

können Sie nicht nur am Sonntag in Büchern<br />

schmökern, sondern werden von Nina<br />

Rettenbacher auch kulinarisch verwöhnt.<br />

Beim Fachbuch wird das Thema Weiterbildung<br />

im Vordergrund stehen, hier<br />

bieten wir zahlreiche Veranstaltungen und<br />

Workshops mit den Bildungshäusern in der<br />

Wagner’schen an, und im Bereich Literatur<br />

werden wir den Weg, schöne und exklusive<br />

Buchausgaben anzubieten, auch im fremdsprachigen<br />

Bereich weiter fortsetzen. Dies<br />

soll sich auch im Bereich Facebook widerspiegeln,<br />

wo wir eigene Channels für die<br />

Schwerpunkte anbieten werden, beginnend<br />

mit dem Thema Kochen und Garten.<br />

Unter dem Motto „Gerade im Fokus“<br />

finden unsere Kundinnen und Kunden im<br />

Eingangsbereich wöchentlich die Trends in<br />

den wichtigsten Buchbereichen zusammengestellt.<br />

So können Sie sich in nur fünf Minuten<br />

einen Überblick über die Highlights<br />

dieser Woche verschaffen.<br />

Und last but not least möchten wir Sie<br />

wieder zu wirklich tollen Veranstaltungen<br />

einladen. Nachdem wir zuletzt Größen wie<br />

Michael Krüger und Friedrich Achleitner bei<br />

uns begrüßen durften, besuchen uns auch<br />

im Frühjahr bedeutende heimische und internationale<br />

Autorinnen und Autoren – mehr<br />

darüber auf den kommenden Seiten.<br />

Viel Vergnügen beim Lesen<br />

wünscht Ihnen Ihr<br />

Markus Renk<br />

Bücher-Lunch:<br />

Literarische und<br />

kulinarische Spezialitäten.<br />

Die Wagner’sche ladet Sie<br />

zu einem besonderen Event ein:<br />

Genießen Sie am Sonntag<br />

im geschlossenen Rahmen<br />

die Buchhandlung und<br />

entspannen Sie bei einem<br />

kulinarischen Bücher-Lunch<br />

mit leckeren Köstlichkeiten<br />

von Nina Rettenbacher.<br />

Begrenzte Plätze –<br />

sichern Sie sich Ihre Karte!<br />

Unkostenbeitrag für Essen und<br />

Getränke: € 20,–<br />

Termine und nähere Informationen:<br />

www.wagnersche.at/1639-<br />

meierei-kaffee<br />

Wagner’sche Buchhandlung<br />

Museumstraße 4<br />

6020 Innsbruck


© Thomas Schrott<br />

Interview Nina<br />

Nina Rettenbacher, Chefin des „1639. Die Meierei“,<br />

ist leidenschaftliche Köchin. Und noch lieber Gärtnerin.<br />

Ein Gespräch mit Irene Heisz über Urban Gardening,<br />

lokale Qualität und globale Zusammenhänge.<br />

Ich möchte die<br />

erste Innsbrucker<br />

Innenstadtbäuerin<br />

werden.<br />

Nina Rettenbacher<br />

Was tut sich denn zurzeit<br />

im Meierei-Garten?<br />

Der Garten, der bis jetzt ja hauptsächlich<br />

in meinem Kopf existierte, wird langsam<br />

Wirklichkeit. Wenn Mitte Mai die Bautätigkeit<br />

im Haus abgeschlossen ist, fange ich<br />

mit dem Pflanzen an.<br />

Was wird die Besucherin im<br />

Vollausbau erwarten?<br />

180 qm Dachterrasse mit 15 Hochbeeten<br />

und an die zwei Dutzend Pflanzentrögen –<br />

Beeren, Kräuter, Gemüse, viele exotische<br />

Pflanzen und essbare Blumen. Und mittendrin<br />

Liegestühle. Meine Traumvorstellung<br />

ist der alte Bauerngarten meiner Oma in der<br />

Steiermark, aus dem an die 15 Menschen<br />

versorgt wurden. Das hat mich schon als<br />

Kind fasziniert, obwohl ich Panik vor Regenwürmern<br />

hatte. Meine größte Herausforderung<br />

war, Regenwürmer, die mir beim<br />

Umstechen unterkamen, zum Hühnerstall zu<br />

bringen. Heute sehe ich das ein bissl anders.<br />

Heute sind die Regenwürmer<br />

deine Mitarbeiter.<br />

Ganz genau. Ich werde demnächst sogar<br />

eine Regenwurmkiste haben.<br />

Lässt sich benennen, wie hoch der<br />

Eigenbau-Anteil im Restaurant<br />

sein kann?<br />

Der Garten wird natürlich viel zu wenig<br />

abwerfen. Aber ich habe die Option, auch<br />

das Flachdach unseres Nachbarn Hörtnagl<br />

zu bewirtschaften. Das wären noch einmal<br />

800 Quadratmeter. Und vor allem veranstalten<br />

die Kochbuchabteilung und ich Kochkurse<br />

für Kinder, dafür reicht es allemal.<br />

Kindern den Bezug zum Ursprung<br />

ihres Essens beizubringen, ist eine<br />

Grundidee?<br />

Da muss ich ausholen. Mein bald 16-jähriger<br />

Sohn ist ein leidenschaftlicher, experimentierfreudiger<br />

Ninas Buchtipp:<br />

Esser. Aber wenn ich sage:<br />

„Geh, hol mir schnell den Lauch aus dem<br />

Kühlschrank!“, sehe ich ein Fragezeichen in<br />

Lotta Lundgren:<br />

Komm du mir nach Hause<br />

Das Kochbuch für die<br />

perfekte Ehefrau<br />

Umschau, 180 S., € 41,20<br />

6 7<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

seinem Gesicht. Heißt: Er kennt vieles auf<br />

dem Teller, aber selbst ihm fehlt der Bezug<br />

zur ursprünglichen Pflanze.<br />

Tust du dir deswegen zusätzlich<br />

zum Restaurant einen Garten an?<br />

Der eigentliche Grund und mein großes Ziel<br />

ist: Ich möchte die erste Innsbrucker Innenstadtbäuerin<br />

werden.<br />

Urban Gardening liegt voll<br />

im Trend, ist aber ein alter Hut.<br />

Vor der Erfindung schneller<br />

Transportmöglichkeiten und<br />

des Kühlschranks musste<br />

man Verderbliches in den<br />

Ballungsräumen anbauen.<br />

<strong>No</strong>ch Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

erzeugten mitten in Paris<br />

8500 Gärtner jährlich an die<br />

100.000 Tonnen Obst und<br />

Gemüse. Wie wichtig ist dir der<br />

sozioökonomische Aspekt eines<br />

Nutzgartens in der Stadt?<br />

Regionalität lebe ich schon immer, für mich<br />

ist das nichts Besonderes. Wir haben hier im<br />

Umland hohe Qualität, du musst sie nur finden.<br />

Ich freue mich über jedes schöne Stück<br />

Fleisch oder Gemüse und hoffe, dass sich<br />

meine Euphorie auf die Menschen überträgt,<br />

für die ich kochen darf.<br />

2008 stellte der englische Land -<br />

wirtschaftsexperte Ewen Cameron<br />

die These auf, dass wir lediglich<br />

„nine meals from anarchy“ entfernt<br />

seien. Eine große Naturkatastrophe<br />

wie der Hurrikan Katrina 2005<br />

in New Orleans – und binnen<br />

drei Tagen brechen anarchische<br />

Zustände aus, weil den Menschen<br />

das Essen ausgeht.<br />

Ich denke, da ist etwas Wahres dran. Kriege<br />

werden letztlich immer um Rohstoffe oder<br />

Nahrung geführt. Wir in unserer Wohlstandsgesellschaft<br />

sind nur nicht mehr ans<br />

Haushalten gewöhnt. Es passiert mir im<br />

Restaurant immer wieder, dass ich auf<br />

blankes Unverständnis stoße, wenn ich sage,<br />

dieses oder jenes sei mir ausgegangen. Dann<br />

höre ich: „Aber ich bezahl’s doch!“ Als ob<br />

es darum ginge … Eines Tages werden wir<br />

wieder einsehen, dass wir nicht immer und<br />

jederzeit alles haben können. Aber diese<br />

Umstellung wird uns schwer fallen.<br />

So sympathisch Urban Gardening<br />

auch ist: Eine allgemein anwendbare<br />

Lösung für die großen<br />

Pro bleme der Welt ist es seit der<br />

Entwicklung der arbeitsteiligen<br />

Gesellschaft nicht mehr.<br />

Ich finde es toll, dass es auch in Innsbruck<br />

Gemeinschaftsgärten gibt, die von ein paar<br />

Menschen mit Zeit, Lust und Muße bewirtschaftet<br />

werden. Aber es ist völlig illusorisch<br />

zu glauben, dass wir unsere Landwirtschaft<br />

wieder so hochfahren könnten,<br />

dass sich auch nur eine Stadt wie Innsbruck<br />

selbst versorgen könnte. Da steckt viel mehr<br />

dahinter, u.a. würde eine ganze Marktwirtschaft<br />

zusammenbrechen.<br />

Die Sache ist tatsächlich<br />

komplex. Ich kann schon auf<br />

Äpfel aus Südafrika verzichten<br />

und nur noch Südtiroler Äpfel<br />

kaufen. Aber wer braucht meine<br />

Unterstützung als Konsumentin<br />

mehr – die Arbeiter in einer<br />

südafrikanischen Apfelplantage<br />

oder die Südtiroler Apfelbauern?<br />

Ich bin eine Freundin von Fair Trade und<br />

ähnlichen Gütesiegeln, etwa Nachhaltigkeitszertifikaten<br />

für Fischerei. Wie schwierig<br />

oder einfach die zu bekommen sind, weiß<br />

ich nicht, vielleicht bin ich da ja naiv. Aber<br />

an irgendwas muss ich mich als Konsumentin<br />

festklammern. Ein waches Bewusstsein<br />

für Nachhaltigkeit ist das Mindeste, was ich<br />

mir leisten will – und das ist es auch, was<br />

ich meinem Sohn mitgeben kann.<br />

Öffnungszeiten:<br />

Montag bis Freitag: 9 – 17 Uhr<br />

Samstag: 9 – 14 Uhr<br />

Sonn- & Feiertage geschlossen<br />

T. +43 650 940308 0


Sehnsuchtsort Kräutergarten<br />

So kommt der Duft des Südens zu Ihnen nach Hause:<br />

Die Biogarten-Expertin Andrea Heistinger gibt uns<br />

nützliche Tipps. Ein Gespräch mit Anita Winkler<br />

Die Wiederentdeckung<br />

der Haltbarkeit<br />

Warum es Spaß macht, selbst einzukochen. Von Anita Winkler<br />

Buchtipp:<br />

Andrea Heistinger/<br />

Arche <strong>No</strong>ah:<br />

Kräuter richtig anbauen<br />

Das Praxisbuch für Biogarten,<br />

Topf und Balkon.<br />

Vielfalt in über 100 Sorten<br />

Löwenzahn Verlag, ca. € 24,90<br />

Erscheint Ende April 2016<br />

Workshop:<br />

Kräuter richtig anbauen<br />

Mit Andrea Heistinger<br />

Mi., 25. Mai 2016, 15 – 17 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Um Anmeldung wird gebeten.<br />

Eintritt frei!<br />

© Rupert Pessl<br />

Frische Kräuter sind vielfältig verwendbar<br />

und verfeinern jede Speise auf einzigartige<br />

Weise. Sehnen wir uns nicht alle nach dem<br />

sommerlichen Geschmack von frischem<br />

Basilikum? Die Biogarten-Expertin Andrea<br />

Heistinger gibt uns nützliche Tipps für den<br />

perfekten Kräutergarten.<br />

Worauf muss man beim Anbau<br />

von Kräutern auf dem Balkon<br />

bzw. im eigenen Garten achten?<br />

Es ist sehr sinnvoll, sich im Vorfeld<br />

Gedanken über die Planung eines Kräutergartens<br />

zu machen. Damit ist gemeint, dass<br />

man den gewünschten Standort genauer<br />

betrachtet und überlegt, welche klimatischen<br />

Bedingungen dort vorherrschen. Vor<br />

allem mediterrane Kräuter schätzen einen<br />

sonnigen und wettergeschützten Platz und<br />

brauchen unbedingt einen gut durchlässigen<br />

und kalkhaltigen Boden. In Tirol sind<br />

die Winter hart, ein mehrjähriger Majoran<br />

gedeiht deshalb am besten in einem großen<br />

25-Liter-Topf; überwintern kann die Pflanze<br />

in einem kühlen Raum, der allerdings nie<br />

unter null Grad haben darf. Andere Kräuter,<br />

beispielsweise Schnittlauch oder Petersilie,<br />

gedeihen sehr gut im Halbschatten und<br />

können auch am Balkon draußen überwintern.<br />

Viele Menschen, die zum ersten Mal<br />

gärtnern, kaufen viel zu viele Pflanzen und<br />

setzen diese dann zu dicht. Die Auswahl an<br />

einjährigen, mehrjährigen, rankenden und<br />

freistehenden Pflanzen ist riesengroß, daher<br />

sollte man unbedingt vor dem Start überlegen,<br />

wie groß die Anbaufläche ist oder<br />

wie viele Töpfe man bepflanzen möchte und<br />

welche Bedingungen im eigenen Garten<br />

herrschen. Nicht selten entscheidet auch die<br />

Pflanzensorte über den gärtnerischen Erfolg!<br />

Wie kann ich Kräuter selber<br />

ziehen? Basilikum zum Beispiel?<br />

Es empfiehlt sich, qualitativ hochwertige<br />

Samen zu kaufen. Aussaaterde soll feinkrümelig<br />

sein und soll nicht aufgedüngt werden.<br />

Viele Kräuter sind Lichtkeimer – etwa<br />

Basilikum, Majoran, Dill oder Kümmel –<br />

und dürfen nur fein mit Erde übersiebt<br />

werden. Wenn die Pflanzen vier bis fünf<br />

Zentimeter hoch sind, verpflanzt man sie<br />

direkt in kleine Töpfe – auch wieder in Aussaaterde.<br />

Den unteren Teil des Topfes kann<br />

man aber schon mit aufgedüngter Topferde<br />

füllen. Kleine Basilikum-Pflänzchen reagie-<br />

ren nämlich heikel, wenn man sie direkt in<br />

stärker gedüngte Erde setzt. Basilikum sät<br />

man ab Anfang April aus. Diese wunderbare<br />

Gewürzpflanze darf erst ins Freie, wenn es<br />

wirklich warm genug ist, Ende Mai/Anfang<br />

Juni. Basilikum schmeckt sehr aromatisch<br />

und erfreut sich großer Beliebtheit, aber<br />

es ist und bleibt die Diva unter den Kräutern!<br />

Sie will permanente Aufmerksamkeit,<br />

konstante Wärme, nicht zu viel, aber bloß<br />

auch nicht zu wenig Wasser! Hält man diese<br />

Regeln ein, dann ist das Ernten ein wahrer<br />

Genuss für alle Sinne. Übrigens: Es gibt<br />

verschiedene Sorten, auch mehrjähriges<br />

Basilikum. Das Überwintern gelingt nur auf<br />

vollsonnigen, aber kühlen Plätzen im Haus.<br />

Sonst kümmert die Pflanze vor sich hin.<br />

Doch zwei Haltungsformen von Basilikum<br />

gelingen im Winter immer: eingemacht als<br />

Pesto oder getrocknet als Tee.<br />

Welche Kräuter lieben Sie ganz<br />

besonders?<br />

Das ist eine schwere Frage! Es gibt so viele<br />

tolle Kräuter, so viele unterschiedliche<br />

Geschmäcker, so viele Zubereitungsarten.<br />

Das wichtigste ist, dass ein Kräutergarten<br />

möglichst in Küchennähe ist. Kräuter müssen<br />

griffbereit sein. Wenn ich einen Erdäpfelteig<br />

mache, gebe ich gerne fein gehackten<br />

Pinien-Rosmarin rein. Ein herrlicher Abendtee<br />

ist der Griechische Bergtee, der auch<br />

Wunder wirkt, wenn ich viel reden muss.<br />

An einem heißen Sommertag ist nichts so<br />

erfrischend wie Minze. Viele Kräuter sind<br />

beste Bienenweiden und ziehen auch andere<br />

Insekten an. Wer Muskateller-Salbei pflanzt,<br />

wird auch bald Besuch von den wunderschönen<br />

schwarzen Holzbienen bekommen.<br />

In meinen Kräuterbeeten surrt und wimmelt<br />

es nur so vor schönen Insekten. Es ist jedes<br />

Jahr aufs Neue spannend, wer sich aller<br />

wieder einfinden wird. Lavendel duftet wunderbar<br />

und blüht im Frühsommer prächtig!<br />

Wächst die Pflanze im Garten, benötigt sie<br />

nicht viel Wasser und soll so karg wie möglich<br />

stehen. Im Topf allerdings muss man sie<br />

regelmäßig gießen.<br />

8 9<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Rosemarie Zehetgruber kennt als Ernährungswissenschaftlerin<br />

alle Tricks und<br />

Tipps, wenn es um das schonende Haltbarmachen<br />

von Obst, Gemüse, Kräutern und<br />

Pilzen geht. Vorteile von selbst gemachtem<br />

Vorrat gibt es viele – entscheidend ist, dass<br />

mit den richtigen Anleitungen und Rezepten<br />

auch die Freude nicht zu kurz kommt.<br />

Wann ist der richtige Zeitpunkt,<br />

um Obst und Gemüse zu<br />

konservieren?<br />

Der beste Zeitpunkt ist gleich nach der Ernte<br />

oder dem Einkauf. So frisch wie möglich<br />

muss man es verarbeiten. Mit der Zeit<br />

kommt die Erfahrung, welche Früchte in<br />

welcher Form am besten, köstlichsten und<br />

effizientesten haltbar gemacht werden.<br />

Wenn man zum Beispiel im Sommer sehr<br />

viel Basilikum hat, dann kann man es<br />

einfach rasch pürieren und das Kräuter -<br />

püree einfrieren. Wenn man dann im Winter<br />

Lust auf Spaghetti al Pesto bekommt,<br />

dann kann man das Püree auftauen und<br />

erst dann entsprechend mit Öl, Nüssen<br />

und Parmesan verfeinern. Das ist unkom -<br />

p liziert und spart Zeit.<br />

Für unsere Großeltern war<br />

das Haltbarmachen von<br />

Obst und Gemüse quasi<br />

überlebensnotwendig. Warum ist<br />

dieses alte Wissen in der heutigen<br />

Zeit wieder so gefragt?<br />

Heute geht es vor allem um ein Gefühl<br />

der Selbstbestimmtheit, um den unvergleichlichen<br />

Geschmack, aber auch um<br />

den Gesundheitsaspekt. Lebensmittel mit<br />

so wenigen Zusatzstoffen wie möglich bekomme<br />

ich dann, wenn ich selbst bestimme,<br />

was drin ist. Auch geschmacklich kann ich<br />

mich dadurch individuell austoben: wie viel<br />

Zucker, wie viel Zimt soll ins Apfelmus …<br />

alles absolute Vorteile gegenüber fertig<br />

gekauften Produkten. Außerdem hat man<br />

so auch immer einen praktischen Vorrat zur<br />

Hand, wenn es mal schnell gehen muss.<br />

Nicht zuletzt macht es auch Freude, das<br />

Werk der eigenen Hände abgefüllt in schöne<br />

Gläser bewundern, oder auch verschenken<br />

zu können!<br />

Lohnt sich denn die Arbeit<br />

beim Einkochen, Einlagern,<br />

Konservieren?<br />

Ja, auf jeden Fall. Vor allem, wenn man seine<br />

Familie das ganze Jahr mit geschmackvollem<br />

und gesundem Essen versorgen möchte.<br />

Natürlich gibt es besonders im Sommer und<br />

Herbst viel zu ernten und zu verarbeiten.<br />

Aber wie bei allem beansprucht das Konservieren<br />

gerade so viel Zeit, wie Sie dafür aufbringen<br />

möchten. Neues zu probieren, selbst<br />

einzukochen, zu saften und zu fermentieren<br />

bietet auch Entspannung und Ausgleich.<br />

Es ist ein Aufwand, der belohnt wird – mit<br />

natürlichem Geschmack, mit praktischen<br />

Fertigprodukten wie etwa Sugo, Pesto oder<br />

Kompotten, die schnell zur Hand sind, wenn<br />

einmal keine Zeit zum Kochen bleibt. Und<br />

am Ende sparen selbst gemachte Marmeladen,<br />

Chutneys und Co auch den einen oder<br />

anderen Euro beim Einkauf.<br />

Was ist ein einfaches und<br />

schnelles Rezept, das Sie gerne<br />

zu Hause machen?<br />

Ich mag ganz besonders die roh gerührte<br />

Konfitüre. Sie brauchen nicht einmal den<br />

Herd dafür anzuschalten. Saftige, aromatische<br />

Früchte werden zerkleinert bzw.<br />

Beeren zerdrückt. Dann kommt Zucker nach<br />

Geschmack dazu. Die Mischung über Nacht<br />

kühl stellen und am nächsten Tag so lang<br />

im Mixgerät rühren, bis sich Zucker und<br />

Früchte gut verbunden haben. Mit Johannisbrotkernmehl<br />

oder Agar-Agar eindicken.<br />

Eventuell mit etwas Zitronensaft abschmecken.<br />

In saubere Gläser abfüllen, gut<br />

verschließen und bei Kühlschranktemperatur<br />

aufbewahren. Roh gerührte Konfitüren<br />

sind je nach Zuckergehalt bis zu mehreren<br />

Wochen haltbar.<br />

Wenn Sie selbst gerne einkochen oder wenn<br />

Sie in Zukunft mehr gesunden Vorrat anlegen<br />

möchten, dann finden Sie alles Wissenswerte<br />

und viele köstliche Rezepte im neuen<br />

Buch der Autorin. Nicht verpassen: Einen<br />

Einblick und eine Kostprobe gibt es am<br />

7. Juli 2016 in der Wagner’schen Buchhandlung!<br />

© Rita Newman<br />

Buchtipp:<br />

Rosemarie Zehetgruber:<br />

Praxishandbuch Natürlich<br />

Konservieren<br />

Vorrat aus Gemüse, Obst und<br />

Kräutern das ganze Jahr genießen.<br />

Alle Methoden & einfache Rezepte<br />

Löwenzahn Verlag, ca. € 29,90<br />

Erscheint Ende März 2016<br />

Workshop:<br />

Praxishandbuch<br />

Natürlich konservieren<br />

Mit Rosemarie Zehetgruber<br />

Mi., 7. Juli 2016, 15 – 17 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Um Anmeldung wird gebeten.<br />

Eintritt frei!


Er verleiht Büchern Flügel !<br />

Paschalis Dougalis – er bringt uns die Natur so nahe,<br />

wie wir sie selbst selten wahrnehmen. Und das gezeichnet<br />

und fotografiert …<br />

© KOSMOS<br />

Selbst im<br />

Urlaub sind die<br />

Stifte immer<br />

mit dabei.<br />

Paschalis Dougalis<br />

10 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Sein tägliches Training findet in der Natur<br />

statt: im Tierpark, im Wald, am See. Es<br />

gibt keinen Tag, an dem er nicht zeichnet<br />

oder malt. Immer öfter hat er die Videokamera<br />

dabei, um auch das Verhalten und die<br />

Bewegungsabläufe der Vögel festhalten und<br />

studieren zu können. Er will sich immer<br />

verbessern, ist nie zufrieden mit dem, was<br />

er erreicht hat, will nicht stehen bleiben.<br />

Die lllustrationen im KOSMOS Klassiker<br />

„Was fliegt denn da?“, der im Februar 2016<br />

in Neuauflage erscheint, stammen allesamt<br />

aus seiner Hand.<br />

„Was fliegt denn da?“ ist seiner Meinung<br />

nach deshalb so beliebt, weil alle in Europa<br />

beheimateten Vogelarten aufgeführt sind –<br />

mit Verbreitungskarten, Abbildungen und<br />

Kurzbeschreibungen. Das Format ist klein<br />

und handlich und passt in jede Jackentasche,<br />

zu einem günstigen Preis. Dougalis kennt<br />

keinen anderen Führer, der all diese Voraussetzungen<br />

erfüllt.<br />

Der Künstler<br />

Paschalis Dougalis (Jahrgang 1970) ist in<br />

Kozani im <strong>No</strong>rden Griechenlands geboren<br />

und aufgewachsen. Von klein auf haben<br />

ihn das Zeichnen, die Tiere und die Natur<br />

fasziniert. Schon im Kindesalter entstanden<br />

seine ersten Kunstwerke.<br />

Die Entdeckung eines englischsprachigen<br />

Vogelführers im Jahre 1992 war die<br />

Offenbarung für ihn. Von nun an dominierten<br />

Vögel sein Schaffen. Eine Buchserie<br />

über bedrohte Tierarten in Griechenland<br />

(1995) hat ihn schließlich als Buchillustrator<br />

etabliert.<br />

Seit 1997 lebt und zeichnet Paschalis<br />

Dougalis in München.<br />

Sein Fokus liegt nicht allein auf der<br />

exakten Darstellung eines Tieres, sondern<br />

11<br />

besonders darauf, dessen Charakter und<br />

Persönlichkeit einzufangen.<br />

Paschalis Dougalis wurde mehrfach<br />

ausgezeichnet: Silberner Uhu 2003 und<br />

Bird Illustrator of the Year 2001, 2002.<br />

Neben diversen Ausstellungen, Projekten<br />

und internationalen Publikationen findet<br />

er sogar noch die Zeit, Erkundungsreisen<br />

für Vogelfreunde nach Griechenland zu<br />

begleiten. Für 2016 sind darüber hinaus<br />

Zeichen-Workshops im Münchner Tierpark<br />

geplant.<br />

Grieche, Deutscher<br />

& Europäer<br />

Auf die Frage, wo er sich am wohlsten fühle,<br />

antwortet Paschalis Dougalis: Europa. Sein<br />

Zuhause aber sei seit nunmehr 18 Jahren<br />

München. Anpassungsprobleme hätte er<br />

nie gehabt, auch wenn er die Sprache erst<br />

lernen musste und sich anfangs mit Englisch<br />

durchgeschlagen hat.<br />

Sein zweites Zuhause sei nach wie vor<br />

sein Elternhaus in Griechenland. Vom<br />

Gefühl her sei es dort anders, beschreibt<br />

er, vielleicht, weil er sich als Mitglied einer<br />

großen Familie fühle, oder wegen der ersten<br />

Erlebnisse dort, die sein Leben prägten.<br />

<strong>No</strong>ch heute fährt er fast jedes Jahr nach<br />

Griechenland.<br />

Selbst im Urlaub sind die Stifte immer<br />

mit dabei. Und damit sich die Familie nicht<br />

beschwert, steht er schon um 5 Uhr mit<br />

den Vögeln auf, wenn alle noch schlafen.<br />

Das sei die beste Zeit, meint er. Und wenn<br />

er danach zurückkomme, um gemeinsam<br />

zu frühstücken, dann hätte er schon was<br />

geschafft.<br />

Sein Wissensdurst war die treibende<br />

Kraft dafür, dass der junge Dougalis in<br />

München gelandet ist. Auf Einladung eines<br />

Molekularbiologen kam er nach München,<br />

zunächst als Tourist. Er besuchte die<br />

Pinakotheken, Museen, Ausstellungen und<br />

entschied sich dann für ein Kunststudium.<br />

Daraus ist leider nichts geworden, weil er<br />

schon als zu alt galt. Aber er gab nicht auf<br />

und versuchte es auf eigene Faust als Illustrator.<br />

Mit Privataufträgen hielt er sich die<br />

ersten Jahre über Wasser.<br />

Rötelfalken, © P. Dougalis<br />

Buchtipps:<br />

Paschalis Dougalis /<br />

Peter H. Barthel:<br />

Was fliegt denn da?<br />

Das Original<br />

KOSMOS, 200 S., € 10,20<br />

Detlef Singer:<br />

Was fliegt denn da?<br />

Der Fotoband<br />

KOSMOS, 400 S., € 13,40


Kartenlesen ist kinderleicht !<br />

Eine Wanderkarte richtig lesen zu können ist immer noch<br />

eine wichtige Fertigkeit. Und relativ einfach zu erlernen –<br />

auch von Kindern. Einige Tipps und Tricks für den richtigen<br />

und hilfreichen Umgang mit Karten.<br />

Wer verspürt nicht gerne von Zeit zu Zeit<br />

Lust auf Abenteuer und möchte unbekannte<br />

Pfade erkunden? Mittels Wanderkarte<br />

in nicht vertraute Gefilde vorzustoßen ist<br />

spannend und lässt das Herz einer jeden<br />

Entdeckerin/eines jeden Entdeckers höher<br />

schlagen. Auch Kinder erforschen gerne ihre<br />

Umgebung und sind für das Thema Landkarten<br />

schnell zu begeistern. Ab einem Alter<br />

von ca. neun Jahren entwickeln die Kinder<br />

ein Verständnis für Karten, denn nun können<br />

sie nachvollziehen, dass auf einer Karte die<br />

Landschaft anders als in der Wirklichkeit<br />

aussieht. Man kann Kinder aber auch schon<br />

früher ins Kartenlesen einführen. Wichtig ist<br />

es, dass sie Spaß daran haben und man sie<br />

nicht überfordert.<br />

12<br />

© shutterstock.com/ Forster Forest<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Wie lese ich eine<br />

Wanderkarte?<br />

Auf einer Wanderkarte wird ein Gebiet,<br />

in dem Wanderungen unternommen werden<br />

können, in vereinfachter Form abgebildet.<br />

Dieses Abbild der Landschaft enthält eine<br />

Vielzahl verschiedener Informationen.<br />

Unterschiedliche Farben, Linien, Flächen,<br />

Symbole werden in einer Legende erklärt.<br />

Die Zeichen für Points of Interest (POI),<br />

also für interessante Orte, sind immer generalisiert:<br />

Die Zeichen für ein Schwimmbad,<br />

eine Kirche oder eine Burg beispielsweise<br />

sehen immer gleich aus. Meistens steht die<br />

blaue Farbe auf Wanderkarten für Gewässer<br />

(Bäche, Flüsse, Seen), grüne Flächen stehen<br />

für Wald sowie Vegetation und graue Flächen<br />

für Felsen sowie Geröll. In einer Wanderkarte<br />

werden markierte Wanderwege rot<br />

eingezeichnet. Sie sind in drei Schwierigkeitsgrade<br />

unterteilt. Weg: Bei roten Linien<br />

handelt es sich um Wanderwege, die breit,<br />

leicht begehbar und somit für Wandertouren<br />

mit Kindern sehr gut geeignet sind. Pfad:<br />

Wanderpfade werden mit einer gestrichelten<br />

roten Linie dargestellt. Sie sind schmal,<br />

erfordern Trittsicherheit und sind für Kinder<br />

nur bedingt geeignet. Steig: Bei einer<br />

gepunkteten roten Linie handelt es sich um<br />

einen Wandersteig, der Bergerfahrung und<br />

Schwindelfreiheit erfordert. Wandersteige<br />

sind für Kinder eher nicht geeignet.<br />

Wie kann ich mich im<br />

Gelände orientieren?<br />

Gut orientieren kann man sich an der Sonne.<br />

Sie geht im Osten auf, zu Mittag steht sie<br />

im Süden, und im Westen geht sie unter. Im<br />

<strong>No</strong>rden ist die Sonne nie zu sehen. Karten<br />

sind immer nach <strong>No</strong>rden ausgerichtet. Gibt<br />

es auf einer Karte keine diesbezüglichen<br />

Angaben (zum Beispiel einen Pfeil, der die<br />

Richtung <strong>No</strong>rden anzeigt), ist auf der Karte<br />

in Leserichtung <strong>No</strong>rden immer oben und<br />

Süden immer unten. Wenn man das weiß,<br />

kann man sich in einem Gebiet gut orientieren<br />

– auch wenn man sich beispielsweise<br />

verlaufen hat oder zu einer Wegkreuzung<br />

ohne Beschilderung kommt. Am einfachsten<br />

ist es, sich mit einem Kompass zu orientieren.<br />

Die Kompassnadel zeigt immer nach<br />

<strong>No</strong>rden. Danach erfolgt die Ausrichtung<br />

der Karte. Ebenso erweist ein GPS-Gerät<br />

gute Dienste, wenn man seinen Standpunkt<br />

feststellen möchte. Hat man weder Kompass<br />

noch ein GPS-Gerät zur Hand, orientiert man<br />

sich an einem markanten Punkt (Kirchturm,<br />

13<br />

Straße), setzt den eigenen Standpunkt in<br />

Beziehung zu diesem markanten Punkt und<br />

richtet die Karte nach diesem aus.<br />

Tipp: Geht man mit Kindern wandern,<br />

freuen sie sich, wenn sie mit einbezogen<br />

werden und auch auf die Karte sehen<br />

dürfen. Man kann ihnen zum Beispiel<br />

markante Punkte (Kirchen, Gipfel, Flüsse<br />

etc.) zeigen bzw. sich zeigen lassen.<br />

Maßstab ermitteln<br />

Der sogenannte Maßstab ist auf jeder<br />

Wanderkarte vermerkt und gibt an, um wie<br />

viel die Landschaft auf der Karte kleiner<br />

dargestellt ist. Der Maßstab liegt zwischen<br />

1: 25.000 und 1: 50.000. Bei einem Maßstab<br />

beispielsweise von 1: 50.000 entspricht 1 cm<br />

auf der Karte 50.000 cm in der Wirklichkeit,<br />

also 500 m.<br />

Tipp 1: Um Kindern eine Vorstellung<br />

zu vermitteln, wie weit das ist, kann man<br />

mit ihnen 1,5 Runden um ein Fußballfeld<br />

spazieren. Dies sind in etwa 500 m.<br />

<strong>No</strong>twendig ist diese Erfahrung, damit<br />

eine Wanderung gut geplant werden kann<br />

und man sich nicht überanstrengt. Auf<br />

vielen Wegweisern in Wandergebieten<br />

stehen Gehzeiten, die nach einer Formel<br />

berechnet wurden: Erwachsene gehen<br />

im flachen Gelände in etwa 4 Kilometer<br />

pro Stunde. Kinder brauchen dafür<br />

ca. 1,5 Mal länger, sie gehen also gut<br />

2,5 Kilometer pro Stunde. Natürlich<br />

hängt dies von der individuellen Kondition<br />

ab.<br />

Tipp 2: Möchte man die Länge einer<br />

Wanderung bestimmen, legt man am<br />

besten mit einem dünnen Wollfaden den<br />

Weg nach. Anschließend misst man die<br />

Länge des Fadens mit einem Lineal.<br />

Ist der Weg auf der Karte beispielsweise<br />

7 cm lang, muss man 3500 m oder<br />

3,5 km wandern (Maßstab 1 : 50.000:<br />

1 cm = 500 m, 7 × 500 m = 3500 m).<br />

Wo geht es bergauf,<br />

wo bergab?<br />

Eine Wanderkarte ist zwar zweidimen -<br />

sional, dennoch kann man auf ihr sehen,<br />

wo es auf einer Wanderung bergauf und<br />

bergab gehen wird. Kartografen, also jene<br />

Menschen, die Karten zeichnen, haben<br />

drei verschiedene Möglichkeiten, landschaftliche<br />

Höhen und Tiefen auf einer<br />

Karte einzutragen: Höhen zahlen, Höhenlinien,<br />

Schummerung.<br />

DVD-Tipp:<br />

Digitale Karte (DVD 4310):<br />

Über die Alpen<br />

KOMPASS, € 89,99<br />

Digitale Karte (DVD 4309):<br />

Österreich<br />

KOMPASS, € 89,95<br />

Kartenexport auf GARMIN /<br />

TEASI. Kostenlose Kartenverwendung<br />

in der KOMPASS-App<br />

Kartentipp:<br />

Wanderkarten (WK 697):<br />

Gardasee<br />

KOMPASS, € 12,99<br />

3-teiliges Set mit Panorama und<br />

Autokarte; GPS-genau.<br />

Wanderführer 2in1 mit<br />

Extra-Tourenkarte:<br />

Rund um Meran<br />

KOMPASS, € 14,99<br />

GPX-Daten zum kostenlosen<br />

Download; Extra-Tourenkarte.


© Peter Hassiepen<br />

Buchtipp:<br />

Pessimismus<br />

ist ein Stadium<br />

der Reife!<br />

Michael Krüger<br />

Michael Krüger:<br />

Himmelfarb<br />

HAYMONtb, 176 S., € 9,95<br />

14 15<br />

Michael Krüger:<br />

Der Gott hinter dem Fenster<br />

HAYMON, 224 S., € 19,90<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Michael Krüger war 27 Jahre lang<br />

Chef von Hanser, dem prestigeträch -<br />

tigsten Literaturverlag im deutschsprachigen<br />

Raum, wo er u.a. Umberto Eco,<br />

T.C. Boyle, Orhan Pamuk, Herta Müller<br />

oder Susan Sontag verlegte. Als Autor<br />

hat er ein stattliches Werk geschaffen,<br />

darunter preisgekrönte und mehrfach<br />

übersetzte Werke. Seit zwei Jahren ist<br />

er Präsident der Bayerischen Akademie<br />

der Schönen Künste. Letzten Sommer<br />

erschien sein erster Prosaband seit<br />

über zehn Jahren, „Der Gott hinter<br />

dem Fenster“ (Haymon 2015).<br />

„Is there misery nobler than<br />

mine“ – so lautet der Titel<br />

einer Festschrift zu deinem<br />

60. Geburtstag. Bist du so ein<br />

Griesgram?<br />

Überhaupt nicht! Mein Wahlspruch lautet:<br />

Pessimismus ist ein Stadium der Reife!<br />

Optimisten sind Menschen, die der Realität<br />

nicht ins Auge blicken können. Man muss<br />

also mit heiterem Gemüt das Elend anschauen.<br />

Michael<br />

Krüger<br />

Autor und<br />

Verlegerlegende<br />

Michael Krüger<br />

über die Endlichkeit,<br />

lesende Frauen<br />

im Zug und das<br />

Lebenselixier Lyrik.<br />

Ein Gespräch mit<br />

Dorothea Zanon<br />

Ist es in der Literatur so, dass<br />

aus <strong>No</strong>t und Elend Größeres<br />

entsteht als aus Heiterkeit?<br />

Das ist eine ungeklärte Frage. Goethes Werk<br />

entstand aus einer selbstsicheren Heiterkeit,<br />

er hat sich jeden Tag neu erfunden und den<br />

Augenblick geliebt. Leopardi dagegen konnte<br />

sein Werk nur aus einem abgrundtiefen<br />

Pessimismus heraus schreiben. Goethe war<br />

bis zu seinem letzten Atemzug verliebt,<br />

Leopardi so gut wie nie. Bei den meisten<br />

Schriftstellern lösten sich beide Konditionen<br />

ab. Oder sie waren so diszipliniert, dass sie<br />

ihre Abgründe für sich behalten haben, wie<br />

Thomas Mann. Auch Thomas Bernhard ist<br />

ein spezieller Fall: Manchmal war er der<br />

heiterste Mensch, manchmal ein Scheusal,<br />

das alles und jeden mit seinem Missmut<br />

überschüttet hat. Aber prinzipiell gilt: Die<br />

Einsicht in die Endlichkeit fördert den Pessimismus;<br />

die Verdrängung die Heiterkeit.<br />

Du bist ein leidenschaftlicher<br />

Lyriker, deine Gedichtbände<br />

erscheinen bei Suhrkamp. Ich<br />

habe dich einmal sagen gehört,<br />

dass jemand, der zum Beispiel<br />

Hölderlin gelesen hat, selten zum<br />

Faschisten taugt. Ist Gedichte<br />

Lesen ein zivilisierender Prozess?<br />

Das Lesen von Gedichten ist leider aus<br />

der Mode gekommen, sodass wenig sichere<br />

Kenntnisse darüber vorliegen, wie sich<br />

jemand verändert, der täglich welche liest.<br />

Mein Vorschlag, dass in allen Institutionen,<br />

von der Bank und dem Parlament bis zur<br />

Arbeiterkammer, vor den entscheidenden<br />

Sitzungen Gedichte gelesen werden, hat<br />

sich leider nicht durchgesetzt. Andererseits<br />

waren einige der großen Schlächter der<br />

Weltgeschichte ganz gute Dichter, wie<br />

z. B. Mao Tse-tung. Hitler hat Gott sei Dank<br />

keine Gedichte geschrieben …<br />

Für viele Leser ist die Hürde, zu<br />

einem Lyrikband zu greifen, groß.<br />

Kannst du dieses Missverständnis<br />

für uns ausräumen?<br />

Darüber denke ich seit Jahrzehnten nach,<br />

ohne zu einer schlüssigen Antwort zu kommen.<br />

Der Haupteinwand: zu schwer, was<br />

natürlich ein Unsinn ist. Was ist an einem<br />

Gedicht von Kurt Tucholsky kompliziert?<br />

Es muss damit zusammenhängen, dass<br />

unser Lebensrhythmus sich verändert hat.<br />

Alles Gedichtete kommt für die meisten<br />

in der Kirche vor, in Kirchenliedern, oder<br />

auf der Traueranzeige, später noch als Lied,<br />

meistens als Schlager. Zweiter Einwand:<br />

Wir mussten in der Schule quälend lange<br />

Gedichte interpretieren, das hat unser Gefühl<br />

für Poesie verdorben. Denen kann geholfen<br />

werden! Ich finde es übrigens viel aufregender,<br />

wenn im Zug eine Frau in einem<br />

Gedichtband liest als einen sogenannten<br />

Frauenroman oder gar einen Krimi.<br />

Welchen Dichter, welche Dichterin<br />

empfiehlst du dem gewillten Leser<br />

zum Einstieg?<br />

Eigentlich sollte man sich eine der großen<br />

Anthologien kaufen und darin blättern,<br />

dann spürt man sehr bald, wann und bei<br />

welchen Gedichten die Nerven reagieren.<br />

Ich selber kann ohne ein Gedicht am Tag<br />

gar nicht existieren. Heute früh habe ich,<br />

trotz extremer Zeitnot, ein Gedicht von John<br />

Burnside übersetzt, einem Schotten, den ich<br />

sehr liebe: Es geht um einen älteren Mann,<br />

der im Café Central in Innsbruck sitzt und<br />

beobachtet. „Approaching Sixty/Kurz vor<br />

dem Sechzigsten“, alle Männer in dieser<br />

Altersklasse sollten Burnside lesen. Für die<br />

Frauen: Christine Lavant. Für alle, die wissen<br />

wollen, wie viele verschiedene Register<br />

Lyrik ziehen kann: Christoph W. Bauers<br />

Band „stromern“, der kürzlich auf Platz 1<br />

der ORF-Bestenliste gelandet ist.<br />

Von der Dichtung ist es nicht weit<br />

zur Musik: Wer sind die großen<br />

Poeten unter den Musikern?<br />

Ohne Mahlers Vertonung der „Kindertotenlieder“<br />

wäre der Dichter Friedrich Rückert<br />

vergessen, obwohl er als Dichter produktiver<br />

als selbst Goethe war. Liest jemand<br />

noch Dehmel? Ich bezweifle es, aber im<br />

Sibelius-Jahr kann man dessen Vertonungen<br />

von Richard Dehmel hören, immerhin. Die<br />

Musiker waren immer an Gedichten interessiert,<br />

bis in die Moderne. Wolfgang Rihm<br />

z. B. hat Hermann Lenz vertont und viele<br />

andere. Und viele Dichter liebten die Musik,<br />

auch in der Moderne, von Gert Jonke bis<br />

Gerhard Rühm. Aber so, wie es kaum Dichter<br />

gibt, die auch komponieren, gibt es wenige<br />

Musiker, die Gedichte schreiben. (Und<br />

wenn, dann eher heimlich!) Eine Ausnahme<br />

ist Alfred Brendel, der eines Tages sein poetisches<br />

Talent gespürt und ihm nachgegeben<br />

hat – sehr zur Freude seiner Zuhörer.<br />

Und es gibt auch die<br />

Sängerpoeten. <strong>No</strong>belpreis für<br />

Bob Dylan oder Van Morrison?<br />

Ja, beide gehören zu meiner Jugend! Als<br />

wir Schillers und Uhlands Balladen einmal<br />

satthatten, hörten wir bis zum Umfallen<br />

die Balladen von Dylan und Van Morrison,<br />

beide sind große Dichter, ohne Zweifel. Also<br />

ex aequo, jeder 400.000 Euro.


Schreiben und Forschen<br />

Ein Spaziergang entlang von drei exemplarischen<br />

Eckpfeilern des Innsbrucker Literaturbetriebs mit Fokus<br />

auf den Autor Hans Platzgumer. Von Boris Schön<br />

Lesung:<br />

Im Rahmen des<br />

14. Prosafestivals Innsbruck<br />

liest Hans Platzgumer zum<br />

ersten Mal in Tirol aus Am Rand.<br />

Do., 21. April 2016, 20 Uhr<br />

Stadtbücherei<br />

Mirko Bonné, Ronja von Rönne,<br />

Abbas Khider, Christian Uetz<br />

Fr., 22. April 2016, 20 Uhr<br />

Freies Theater<br />

Radek Knapp, Harald Darer,<br />

Hans Platzgumer, Thomas Meyer<br />

Sa, 23. April 2016, 20 Uhr<br />

VIERUNDEINZIG<br />

Cornelia Travnicek, Michal<br />

Hvorecký, Michelle Steinbeck,<br />

Henrik Szanto<br />

16<br />

Das literarische Leben in Innsbruck ist<br />

wohl nicht eines der langweiligsten. Bei<br />

aller Diskussion über die Provinzialität der<br />

Tiroler Landeshauptstadt lässt sich auch<br />

nach eingehender Prüfung wiedermal feststellen:<br />

Provinzialität entsteht im Kopf und<br />

oft ist einem nicht bewusst, wie vielschichtig<br />

der Innsbrucker Literaturbetrieb ist.<br />

Doch was definiert diesen Literaturbetrieb,<br />

wer sind die Beteiligten, wo liegen<br />

die Grenzen und was spielt sich zwischen<br />

ihnen ab? Betrachten wir es einmal exemplarisch<br />

anhand von vier Menschen mit<br />

vier unterschiedlichen Tätigkeiten: vier<br />

Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet, und<br />

alle sind miteinan der verbunden.<br />

© Chris Nils Laine<br />

„Wenn man auf der Seite<br />

des IZA recherchiert, findet<br />

man 17 Artikel zu seiner<br />

Person und 34 Rezensionen<br />

zu seinen Büchern“<br />

Michael Pilz, geboren 1982, Assistenzprofessor<br />

am Institut für Germanistik und seit 2014 Leiter des<br />

Innsbrucker Zeitungsarchivs (IZA), über die Suche<br />

nach Hans Platzgumer in der Datenbank.<br />

Stellt man sich die im Folgenden präsentierten<br />

Institutionen wie ein Ökosystem vor,<br />

dann steht das Innsbrucker Zeitungsarchiv<br />

quasi am Ende der Nahrungskette. Bücher<br />

müssen geschrieben, verlegt und rezensiert<br />

werden, bevor sie in die wichtigste universitäre<br />

Forschungs- und Dokumentationsstelle<br />

für Literaturkritik im deutschsprachigen<br />

Raum Eingang finden. Die Anfänge des<br />

Innsbrucker Zeitungsarchivs gehen auf das<br />

Jahr 1960 zurück. Seit damals werden<br />

täglich aus verschiedensten deutschsprachigen<br />

Print- und Onlinemedien Artikel<br />

mit Schwerpunkt auf Literaturkritik und<br />

Literaturjournalismus aus Deutschland,<br />

Österreich, der Schweiz und Südtirol gesammelt.<br />

Hat man früher noch alle relevanten<br />

Beiträge per Schere aus den Zeitungen<br />

ausgeschnitten und in Ordnern abgeheftet,<br />

wird das Material seit dem Jahr 2000<br />

ausschließlich digital erfasst und in einer<br />

Datenbank bereitgehalten.<br />

Innsbruck als Sitz des IZA wirkt sich<br />

dabei in vielfältiger Form auf die Arbeit des<br />

Archivs aus. Innerhalb der dokumentierten<br />

Medien ergibt sich natürlich ein besonderer<br />

Detailreichtum bei der Erfassung der hiesigen<br />

Medienlandschaft, da viele regionale<br />

Publikationen nur lokal wirklich greifbar<br />

sind. Wichtig ist auch die Wechselwirkung<br />

zwischen dem IZA und dem Institut für<br />

Germanistik (zu dem es gehört) mit seinem<br />

ausgeprägten Forschungsprofil in Sachen<br />

Literaturvermittlung. Darüber hinaus gibt<br />

es aber auch Interaktion mit literarischen<br />

17<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Veranstaltern vor Ort, die etwa die genaue<br />

Dokumentation von Autorinnen und Autoren<br />

in Form von Dossiers nützen. Das IZA<br />

ist also keinesfalls ein Endpunkt auf der Literatureinbahn,<br />

es spielt auch aktiv Material<br />

zurück in den Literaturbetrieb – nicht nur<br />

für Wissenschaftler: Eine durchaus spannende<br />

Erfahrung kann die Recherche auch<br />

für den Laien sein, der sich etwa für eine<br />

spezielle Autorin oder ein Literaturfestival<br />

interessiert!<br />

„ […] der schmale, in klug<br />

verschachtelten Episoden<br />

getaktete Roman hat diese<br />

Aufmerksamkeit auch<br />

verdient“<br />

Joachim Leitner, geb. 1984, Redakteur bei der<br />

Tiroler Tageszeitung und seit 2013 Koordinator<br />

der Literaturberichterstattung über den neuen Roman<br />

von Hans Platzgumer „Am Rand“.<br />

Damit das IZA überhaupt in die Lage<br />

gebracht wird, etwas ausschneiden zu können,<br />

muss natürlich einiges an Vorarbeit<br />

geleistet werden. Die Vorstufe der literarischen<br />

Zirkulation wird von Literaturjournalisten<br />

geschaffen. Sie sind der Dreh- und<br />

Angelpunkt des literarischen Betriebes,<br />

da sie nicht nur die unabhängige Werbeplattform<br />

für Verlage und Autoren darstellen<br />

– was nicht besprochen wird, wird wenig<br />

gelesen –, sondern in diesem Fall auch<br />

die Forschungsbasis für die wissenschaftliche<br />

Rezeption. Speziell in einem regionalen<br />

Medium die Balance zwischen<br />

literarischen Titeln mit lokaler Bedeutung<br />

und internationalem Renommee zu finden,<br />

ist nichts Leichtes. Die Verantwortung, die<br />

mit dieser Stelle einhergeht, ist ähnlich<br />

groß wie die Beliebtheit dieser Tätigkeit.<br />

Joachim Leitner spricht von einem Sechser<br />

im Lotto, da es ihm durch seine Arbeit<br />

gelingt, seine Leidenschaften mit seinem<br />

Beruf zu verbinden. Er kann nicht nur seiner<br />

studierten Profession nachgehen – Bücher<br />

lesen und darüber schreiben –, sondern hat<br />

auch die Möglichkeit, die Gedanken eines<br />

Autors weiterzudenken, seine Meinung<br />

mit dem Inhalt des Buches und dessen<br />

Bezug zur Welt zu reflektieren. Dies stets<br />

unter dem reizvollen Konflikt zwischen<br />

einer großen Menge an Gedanken einerseits<br />

und dem knapp bemessenen Platz in<br />

einer Zeitung andererseits. Dass dabei die<br />

Beobachtung und Deskription der lokalen<br />

Literatur, deren derzeitige Situation Leitner<br />

als gut bestellt bezeichnet, von Bedeutung<br />

ist, steht außer Frage und überschneidet<br />

sich gedanklich auch mit der Wissenschaft.<br />

Der große Unter schied zwischen seiner und<br />

der wissenschaft lichen Arbeit ist der Faktor<br />

Meinung. Geschmäcklerisch kann man sein,<br />

wenn nur die Argumentation für das Urteil<br />

stringent ist.<br />

„Es ist ein normaler Vorgang,<br />

dass talentierte AutorInnen<br />

zu einem größeren Verlag<br />

wechseln, wenn die Möglichkeit<br />

besteht. Ich sehe das als<br />

Beleg für die Qualität unserer<br />

Arbeit, für die Arbeit im<br />

Lektorat, der Pressearbeit,<br />

der Herstellung.“<br />

Bernd Schuchter, geboren 1977, Autor und<br />

seit 2006 Verleger des Limbus Verlags über den<br />

Wechsel von Hans Platzgumer zu Zsolnay.<br />

Kommen wir zum Verlagsgeschäft: Im<br />

Kreislauf des Literaturbetriebs befinden sich<br />

an dieser Stelle die waghalsigsten Typen.<br />

Während der Journalist und der Wissenschaftler<br />

in mehr oder weniger gemütlichen<br />

Anstellungsverhältnissen sitzen, muss<br />

der Verleger volles Risiko eingehen. Die<br />

Hoffnung auf Erfolg teilt er mit dem Autor,<br />

muss aber, im Gegensatz zu Letzterem,<br />

noch riskante Investitionen in Lektorat,<br />

Vertrieb, Auflage und Werbung wagen. Der<br />

Limbus Verlag wurde 2006 gegründet, hat<br />

inzwischen sein 10-jähriges Jubiläum begangen,<br />

über 100 Bücher publiziert und geht<br />

mit Vorfreude in die nächste Dekade. Der<br />

Verlagssitz in Innsbruck hat laut Schuchter<br />

durchaus Bedeutung. Die Zusammenarbeit<br />

und der direkte Austausch mit den lokalen<br />

Autoren sind wichtig und geben dem Verlag<br />

im Lokalen ein Gesicht. Das Programm ist<br />

generell für den gesamten deutschsprachigen<br />

Markt ausgelegt. Die geografische Lage<br />

Buchtipp:<br />

Hans Platzgumer:<br />

Am Rand<br />

Zsolnay, 206 S., € 20,50<br />

zwischen Deutschland, Italien, der Schweiz<br />

und Wien ist ein Vorteil, da für den Limbus-<br />

Verleger viel Reisetätigkeit von Nöten ist.<br />

Wichtig ist Bernd Schuchter nicht nur die<br />

stetige Verbesserung in der Verlagsarbeit,<br />

sondern auch seine Doppelfunktion als<br />

Autor und Verleger, was sich gut ergänzt!<br />

„Und gerade auch im<br />

Älterwerden spüre ich die<br />

Verbundenheit mit Innsbruck<br />

in mir, eine Verbundenheit,<br />

die ich oft und lange gekappt<br />

habe, die sich dennoch<br />

durch mein ganzes Leben<br />

zieht, sowohl beruflich<br />

wie privat.“<br />

Hans Platzgumer, geboren 1969, Musiker und<br />

seit 2005 Schriftsteller, über die Bedeutung seiner<br />

Heimatstadt Innsbruck.<br />

Die unabdingbare Basis des literarischen<br />

Betriebs ist und bleibt der Schriftsteller.<br />

Ohne kreative, innovative Köpfe, die als<br />

künstlerischen Ausdruck die Literatur wählen,<br />

wäre die restliche Maschinerie weder<br />

möglich noch nötig. Hans Platzgumer ist<br />

in Innsbruck geboren, hat viele Jahre im<br />

Ausland verbracht und sich die meiste Zeit<br />

der Musik verschrieben. Die Liste seiner<br />

Veröffentlichungen ist lang und beinhaltet<br />

dutzende Alben, Theatermusiken, sieben<br />

Bücher und zwei Opern. Die Anfänge des<br />

Schreibens haben sich durch seine Arbeit<br />

mit Hörspielen und Theatermusik ergeben,<br />

dadurch wuchs das Interesse – und inzwischen<br />

ist die Literatur, wie er sagt, wichtiger<br />

als die Musik geworden. Seine Veröffentlichungen<br />

erschienen bei den Innsbrucker<br />

Verlagen Skarabæus und Limbus, dann beim<br />

Verlag Nautilus in Hamburg; den bisherigen<br />

Höhepunkt bildet nun die Publikation des<br />

jüngsten Romans im Wiener Zsolnay Verlag.<br />

Die anfängliche Unterstützung der in seiner<br />

Heimat ansässigen Verlage waren laut<br />

Platzgumer wichtige Startrampen, deren<br />

Bedeutung er niemals unterschätzen würde.<br />

Die Themen, die von Hans Platzgumer in<br />

seinen Büchern aufgegriffen werden, die<br />

Extremsituationen, die eigenbrötlerischen<br />

Figuren, die speziellen geografischen Plätze<br />

und der Tod als ständiger Lebensbegleiter,<br />

ziehen sich durch seine Arbeiten wie ein<br />

Leitgedanke.<br />

Bei allen Unterschieden in den Tätigkeiten<br />

der hier präsentierten Institutionen muss<br />

man feststellen, dass sie sich alle gegenseitig<br />

ergänzen, bedingen und miteinander<br />

interagieren. Die Menschen, die hinter den<br />

jeweiligen Funktionen stehen, schaffen in<br />

ihrer Verbundenheit und Eigenständigkeit<br />

eine individuelle, spannende Szene, einen<br />

Teil der Innsbrucker Literaturszene. Zu<br />

entdecken gibt es hier noch genug.


Wenn Lena Avanzini nicht gerade<br />

mit Musik beschäftigt ist, schreibt sie<br />

Krimis. Im heimischen Keller in<br />

Innsbruck, im Zug oder in einem gemütlichen<br />

Café. Für ihren Erstling „Tod<br />

in Innsbruck“, der sogar ins Japanische<br />

übersetzt wurde, erhielt sie 2012 den<br />

Friedrich-Glauser-Preis für das beste<br />

Krimi-Debüt. Ab sofort ermittelt<br />

Carla Bukowski, Avanzinis neueste<br />

Schöpfung, in einer mehrbändigen Serie<br />

bei Haymon.<br />

Sie lieben gemütliche Cafés, selbst<br />

gebackenen Marillenkuchen – und<br />

Krimis mit drei bis sieben Leichen.<br />

Wie passt das zusammen?<br />

Gar nicht. Was wäre ein Mensch ohne<br />

Widersprüche?<br />

In Ihrem neuen Krimi „Nie<br />

wieder sollst du lügen“ ermittelt<br />

Carla Bukowski, eine Inspektorin<br />

der etwas anderen Art. Sie<br />

mag Störche und Musik von<br />

Schönberg, kann Operetten nicht<br />

ausstehen und hat eine beste<br />

Freundin, die Channeling betreibt.<br />

Gab es für Carla Bukowski eine<br />

Vorlage, oder anders gefragt:<br />

Sollte es mehr Carla Bukowskis<br />

auf dieser Welt geben?<br />

Eine Bukowski reicht völlig. Vorlage gab<br />

es keine. Nur ein Bild, einen Namen, einige<br />

Waldspaziergänge und Badewannenaufenthalte.<br />

Ergebnis: geschrumpelte Haut und<br />

eine spröde, seelisch angeschlagene Ermittlerin.<br />

Sie ist aber durchaus liebenswert,<br />

wenn man sie näher kennenlernt.<br />

müssen, es ohne sie aber fad wäre:<br />

Georg Haderer: „Ohnmachtspiele“, Jan<br />

Costin Wagner: „Tage des letzten Schnees“,<br />

Wolf Haas: „Komm, süßer Tod“, Tatjana<br />

Kruse: „Bei Zugabe Mord!“, Mechtild<br />

Borrmann: „Die andere Hälfte der Hoffnung“<br />

und, und, und …<br />

© Thomas Schrott<br />

Das ist ja<br />

das Schöne<br />

an Klischees -<br />

sie enthalten<br />

einen wahren<br />

Kern.<br />

Lena Avanzini<br />

18<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Hilft das Morden am Papier, um<br />

Ärgernisse des Alltags abzubauen?<br />

Unbedingt!<br />

Lena<br />

Avanzini<br />

Die Krimi-Autorin<br />

aus Innsbruck<br />

mordet wieder.<br />

Natürlich nur auf<br />

dem Papier.<br />

Ein Gespräch mit<br />

Christina Kindl-<br />

Eisank.<br />

19<br />

Carla Bukowski hat Tiroler<br />

Wurzeln – und ist irrsinnig<br />

stur. Ein Charakterzug, der den<br />

Menschen im Westen Österreichs<br />

oft nachgesagt wird. Ein Klischee,<br />

das aus Ihrer Sicht stimmt?<br />

Das ist ja das Schöne an Klischees – sie<br />

enthalten einen wahren Kern. Aber vielleicht<br />

darf ich ergänzen, dass Bukowski<br />

eine talentlose Skifahrerin ist und ein<br />

Faible für Wien und die Wiener hat –<br />

beides untypisch für eine Tirolerin.<br />

Gibt es ein Autorenklischee, das<br />

Sie erfüllen?<br />

Meinen Sie sowas wie: Autoren saufen,<br />

schlagen sich die Nächte um die Ohren,<br />

sind asoziale Nerds, warten ihr Leben lang<br />

auf die Idee und werden dann reicher als<br />

die Queen? Liebe Frau Kindl, ich schweige<br />

vielsagend.<br />

Zu guter Letzt: Haben Sie einen<br />

Büchertipp für uns? Es muss kein<br />

Krimi sein.<br />

Wolfgang Herrndorf: „Tschick“, Judith W.<br />

Taschler: „Die Deutschlehrerin“, Håkan<br />

Nesser/Paula Polanski: „Strafe“, Georges<br />

Simenon: „Die Verlobung des Monsieur<br />

Hire“. Und weil Krimis zwar nicht sein<br />

Buchtipp:<br />

Lena Avanzini:<br />

Nie wieder sollst du lügen<br />

Niemand kennt ihr Geheimnis –<br />

bis zum ersten Mord!<br />

Zwei tödliche Autounfälle<br />

innerhalb weniger Tage. Und in<br />

beiden Fällen fehlen die Bremsspuren.<br />

Selbstmord, tragischer<br />

Unfall? Glauben zumindest die<br />

zuständigen Polizeibeamten.<br />

Eindeutig Mord!, ist sich Gruppeninspektorin<br />

Carla Bukowski<br />

sicher. Gibt es einen Zusammenhang<br />

zwischen den beiden<br />

Toten? Ist das nächste Opfer<br />

schon vorprogrammiert? Oder<br />

hat sie sich den Fall etwa doch<br />

nur zusammengesponnen?<br />

Unaufhaltsam kämpft sich Carla<br />

Bukowski durch ein dichtes<br />

Gespinst aus Lügen, düsteren<br />

Geheimnissen und unbändiger<br />

Rachsucht. Packend ab der<br />

ersten Zeile!<br />

HAYMONtb, 344 S., € 9,95


111 Gründe um zu kommen<br />

& zu bleiben<br />

Susanne Gurschler zeigt uns 111 Orte in Tirol, die man<br />

gesehen haben muss. Von Robert Renk<br />

Von den Neurosen<br />

einer Gesellschaft<br />

Kriminalromane und einer ihrer<br />

interessanteren Aspekte. Von Joe Rabl<br />

Buchtipp:<br />

Susanne Gurschler:<br />

111 Orte in Tirol, die man<br />

gesehen haben muss<br />

EMONS Verlag, 240 S., € 17,50<br />

Lesung:<br />

Buchpräsentation mit<br />

Lesung und Gespräch:<br />

Di., 5. April 2016, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Einführung: Rita Schmitz vom<br />

Kölner EMONS Verlag<br />

Der Kölner EMONS Verlag und der Boom<br />

von Regionalkrimis, das ging Hand in Hand<br />

und im Sauseschritt. Irgendwann gesellte<br />

sich die Reihe „111 Orte in …“ dazu und<br />

auch sie war ein Erfolg auf ganzer Linie.<br />

So nach und nach werden alle weißen Flecken<br />

der regionalen Landkarte aufgearbeitet<br />

und in 111 Portionen serviert. Dass <strong>No</strong>rdtirol<br />

nicht länger zu diesen weißen Flecken<br />

gehört, verdanken wir Susanne Gurschler.<br />

Sie ist in einem Bergdorf in Südtirol<br />

aufgewachsen, kam zum Studieren nach<br />

Innsbruck und ist geblieben. Seit vielen<br />

Jahren steht ihr Name in Tirol für Qualitätsjournalismus<br />

mit Schwerpunkt Kultur und<br />

Natur.<br />

Kann man sich den Tirolführer<br />

der anderen Art nun kulturlastig<br />

vorstellen?<br />

Er ist vor allem einer, der versucht, Tirol im<br />

Kleinen, im Besonderen, auch Unscheinbaren<br />

zu entdecken. Wer mich kennt, weiß, dass<br />

ich eine große Affinität zu Kunst und Kultur<br />

habe, zu Architektur und Geschichte. Das<br />

spiegeln meine 111 Orte natürlich – sie sind<br />

etwas ganz Besonderes, jeder auf seine Art.<br />

© Ursula Aichner / Fotowerk Aichner<br />

In der Ankündigung steht Folgendes zu lesen:<br />

Tirol ist weit mehr als ein idyllisches<br />

Abziehbild einer unendlich groß scheinenden<br />

Almwiese mit drolligen Kühen, einem<br />

unendlich weit scheinenden Schneehang mit<br />

jungfräulichem Pulverschnee. Wer sich abseits<br />

von grandiosem Gebirge und scharfem<br />

Pistenzauber auf dieses Land im Herzen der<br />

Alpen einlässt, wird überrascht sein. Es gibt<br />

einen ganzen Rucksack voller Spezialitäten<br />

und Kostbarkeiten zu entdecken, besondere<br />

„Gschichtln“ über dieses Land und seine<br />

Leute. Und es gibt weit mehr als 111 Orte,<br />

die man gesehen haben muss – diese 111<br />

müssen es aber mindestens sein.<br />

Können Sie sich auch vorstellen,<br />

ein Buch über 111 Orte in Tirol,<br />

die man meiden muss, zu schreiben<br />

und welcher würde Ihnen da gleich<br />

in den Sinn kommen?<br />

Um zu wissen, welche ich meiden sollte,<br />

muss ich erst einmal hin. Dann würde ich<br />

ziemlich sicher etwas finden, das mich<br />

interessiert, das ich spannend finde, dem ich<br />

auf den Grund gehen möchte. Ich bin ein<br />

neugieriger Mensch, mich faszinieren auch<br />

sogenannte Unorte. Sie erzählen viel.<br />

Drei Fragen geistern im<br />

Vorfeld schon durch sämtliche<br />

Buchhandlungen: Welcher<br />

Kanaldeckel in Innsbruck<br />

erweitert die Aussicht? Warum<br />

braucht ein Dorf eine U-Bahn?<br />

Und welches „Arme-Leute-Essen“<br />

ist wieder in aller Munde?<br />

Mögen Sie uns eine davon<br />

kurz beantworten?<br />

Durch sämtliche Buchhandlungen ist gut,<br />

durch sämtliche Wohnzimmer und Stuben<br />

wäre noch besser. (lacht) Die Antworten<br />

stehen ja im Buch, aber eine verrate ich: Ich<br />

liebe Gerstsuppe, mochte ich schon als Kind<br />

sehr gerne. Sie hat es dank einiger engagierter<br />

Bauern in die Vier- und Fünfsterncuisine<br />

geschafft. Und das freut mich sehr.<br />

Susanne Gurschler ist seit 1998 als freie Journalistin<br />

und Autorin in Innsbruck tätig. Sie hat lange für das<br />

Nachrichtenmagazin ECHO gearbeitet, schreibt für die<br />

SAISON, für Bergwelten-online, die Zeitschrift Tirol.<br />

www.susannegurschler.at<br />

Bücher seit 1639<br />

Die längste Zeit galt der Kriminalroman<br />

als sogenannte mindere Gattung, und selbst<br />

Preziosen, die die Genregesetze schnörkellos<br />

durchdeklinierten, wurden mit dem<br />

Verdikt der bloßen Unterhaltung abgetan.<br />

Was der Beliebtheit bei den Leserinnen<br />

und Lesern keinen Abbruch tat. Und als die<br />

Literaturwissenschaft im Zuge einer allgemeinen<br />

Öffnung auch den Krimi für sich<br />

entdeckte, war das nur ein später Nachvollzug<br />

langwährenden Rezeptionsverhaltens.<br />

Heute, angesichts der gefälligen Banalitäten,<br />

die die Buchhandlungen überschwemmen<br />

(und es ist beileibe kein Ende der Flut in<br />

Sicht), muss man sich fast schon wieder<br />

rechtfertigen, wenn man eine Lanze für den<br />

Krimi bricht. Dabei verhält es sich natürlich<br />

wie mit aller Literatur: Man sollte sich von<br />

der Dutzendware nicht den Blick trüben<br />

lassen für die lohnenden Lektüren.<br />

Eines der trefflichsten Kriterien ist immer<br />

noch jenes, dass sich ein guter Kriminalroman<br />

„durch einen wachen Blick auf die Gesellschaft<br />

auszeichnet, in der er spielt – denn<br />

Verbrechen werden nie in einem geschichtslosen<br />

Raum begangen, sondern als Reflex<br />

auf bestimmte soziale Verhältnisse“ (Gerald<br />

Fiebig). All die breit ausgewalzten Tourismusprospekte<br />

mit den halblustigen, dilettantisch<br />

herumstolpernden Ermittlern fallen da<br />

ebenso durchs Raster wie die durchgeknallten<br />

Serienmörder mit ihren von Hollywood<br />

entlehnten Tatmustern. Das ist im besten<br />

Fall spannend und/oder unterhaltsam, aber<br />

selber schuld, wer sich damit zufrieden gibt<br />

und an seine Lektüre nicht auch noch andere<br />

Ansprüche stellt.<br />

Man könnte etwa mit den Autoren das<br />

Erkenntnisinteresse teilen, Phänomene<br />

wie Korruption, Hass und Gewalt besser<br />

verstehen zu wollen, ein Unterfangen, das<br />

im Kriminalroman bestens aufgehoben ist.<br />

Wenn jemand wie James Ellroy die hollywoodabgewandte<br />

Seite Los Angeles’ der<br />

neunzehnfünfziger Jahre grell ausleuchtet;<br />

21<br />

wenn Roger Smith in seinen hammerharten<br />

Krimis einen illusionslosen Blick auf die<br />

gegenwärtigen Zustände in Südafrika wirft;<br />

wenn, um ein heimisches Beispiel zu nennen,<br />

Manfred Wieninger in seinen Harland-<br />

Krimis mit dem Underdog-par-excellence-<br />

Ermittler Marek Miert die spezifisch<br />

österreichische Misanthropie in Szene<br />

setzt – dann geht es nicht um den spannenden<br />

Krimi-Plot allein.<br />

Ihr literarischer Zugriff auf menschliche<br />

Abgründe ist niemals Selbstzweck, das<br />

Einmaleins des Genres – inklusive des kreativen<br />

Vermögens, dessen Regeln zu brechen<br />

und zu variieren – scheint ihnen den perfekten<br />

Rahmen zu bieten, um von jenen Dingen<br />

zu erzählen, die ihnen ein Anliegen sind.<br />

Diesen Anspruch teilen sie mit den Besten<br />

der Zunft. In Henning Mankells letztem<br />

Buch, „Treibsand“, steht der bezeichnende<br />

Satz: „Ich habe über Verbrechen geschrieben,<br />

weil sie deutlicher als vieles andere die<br />

Widersprüche beleuchten, auf denen das<br />

menschliche Leben beruht.“ Veit Heinichen<br />

hat es einmal so formuliert: „Die Neurosen<br />

einer Gesellschaft kann man am besten an<br />

ihren Verbrechen ablesen.“<br />

Buchtipp:<br />

Eva Rossmann:<br />

Fadenkreuz –<br />

Ein Mira-Valensky-Krimi<br />

Folio, 272 S., € 19,90<br />

Literaturtipp:<br />

39. Innsbrucker<br />

Wochenendgespräche<br />

Krimi, 19.–21. Mai 2016<br />

Donnerstag, 19.5.2016<br />

ORF Tirol, Studio 3,<br />

Rennweg 14<br />

20:15 Uhr<br />

Lesung: Eva Rossmann, Stefan<br />

Slupetzky, Bernhard Aichner,<br />

Oliver Bottini, Martin Walker<br />

Moderation: Birgit Holzner<br />

Freitag, 20.5.2016<br />

Ensembleproberaum des<br />

Tiroler Landestheaters<br />

(Eingang SoWi-Durchgang,<br />

neben dem Abo-Büro)<br />

10 bis 12 Uhr<br />

Gespräch mit Pieke Biermann,<br />

Franzobel, Stefan Slupetzky<br />

Moderation: Eva Rossmann<br />

15 bis 17 Uhr<br />

Gespräch mit Merle Kröger,<br />

Sunil Mann, Martin Walker<br />

Moderation: Eva Rossmann<br />

Samstag, 21.5.2016<br />

Ensembleproberaum des<br />

Tiroler Landestheaters<br />

(Eingang SoWi-Durchgang,<br />

neben dem Abo-Büro)<br />

10 bis 12 Uhr<br />

Gespräch mit Bernhard Aichner,<br />

Oliver Bottini, Robert Hültner<br />

Moderation: Eva Rossmann<br />

15 bis 17 Uhr<br />

Gespräch mit allen AutorInnen<br />

Moderation: Eva Rossmann<br />

ORF Tirol, Studio 3,<br />

Rennweg 14<br />

20:15 Uhr<br />

Lesung: Pieke Biermann,<br />

Sunil Mann, Franzobel,<br />

Robert Hültner, Merle Kröger<br />

Moderation: Joe Rabl


© Kurt Pinter<br />

Ein Krimi<br />

der Gefühle,<br />

meinetwegen,<br />

aber keiner<br />

der Kniffe<br />

und Finten.<br />

Stefan Slupetzky<br />

22<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Stefan, du bist ein vielseitiger<br />

Autor, vom Liedtext über<br />

Kinderbücher bis zum Theaterstück<br />

– vor allem aber viel gelesene<br />

Kriminal romane. Was war<br />

der Anlass, nach mittlerweile fünf<br />

Krimis einen Roman zu schreiben?<br />

Wolltest du generell weg vom<br />

Krimi-Genre? Oder war es die<br />

Geschichte, die du erzählen<br />

wolltest, aber eben nicht als Krimi?<br />

Ich habe einen kleinen, intriganten Kerl im<br />

Kopf, der mich, sobald ich irgendwo erfolgreich<br />

bin, von meinem warmen, sicheren<br />

Plätzchen aufscheucht und zum nächsten<br />

Abenteuer drängt. Wann immer ich es mir in<br />

einer Schublade gemütlich machen könnte,<br />

zwingt er mich dazu, die nächste aufzusperren.<br />

Mein Leben wird auf diese Art nicht<br />

leichter, aber interessanter.<br />

In „Der letzte große Trost“<br />

spannst du, eingebettet in eine<br />

Familiengeschichte, einen<br />

Bogen von der Nazizeit bis in<br />

Stefan<br />

Slupetzky<br />

Der kleine<br />

intrigante Kerl<br />

in meinem Kopf.<br />

Stefan Slupetzky<br />

im Interview mit<br />

Joe Rabl<br />

23<br />

die Gegenwart. Was war dein<br />

primäres Interesse: die Last der<br />

Geschichte? Die dunklen Flecken,<br />

die sich in jeder Familie finden?<br />

Die Suche nach Identität?<br />

Was mich seit Langem beschäftigt, ist das<br />

Thema des Selbstverständnisses der zweiten<br />

österreichischen Nachkriegsgeneration, der<br />

ich ja angehöre. Hineingeboren in Sicherheit<br />

und Wohlstand, in ein Leben ohne große<br />

kollektive Dramen, aber mit den großen kollektiven<br />

Dramen der Großeltern im Gepäck.<br />

Sind wir nur historische und literarische<br />

Chronisten, weil wir keine Katastrophenzeit<br />

durchleben und uns nicht am Äußersten<br />

erproben mussten? <strong>No</strong>tgedrungen taucht die<br />

Frage auf, ob ein Durchschnittsleben in Friedenszeiten<br />

weniger erzählenswert ist, ob es in<br />

seiner Gesamtheit weniger wiegt. „Der letzte<br />

große Trost“ ist der Versuch, die Geschichte<br />

des in den Sechzigerjahren geborenen Daniel<br />

Kowalski den aufwühlenden Täter- und<br />

Opfergeschichten seiner Großeltern gegenüberzustellen.<br />

Es hat mich interessiert, ob die<br />

kleine persönliche Tragik Daniels der großen<br />

historischen standhalten kann. Dazu kommen<br />

natürlich auch autobiografische Elemente, die<br />

mir wichtig waren. Meine Liebe zu meinem<br />

Vater zum Beispiel, sein früher und plötzlicher<br />

Tod und das Vakuum, das dieser – leider abschiedslose<br />

–Abschied in mir hinterlassen hat.<br />

„Der letzte große Trost“ hat<br />

durchaus Elemente, die sich auch<br />

in eine Krimihandlung fügen<br />

würden, wenn man denn wollte.<br />

Aber wäre das dann noch die<br />

gleiche Geschichte? Oder, anders<br />

gefragt, kannst du dir vorstellen,<br />

Themen wie Nationalsozialismus<br />

und Holocaust inklusive etwaiger<br />

familiärer Verstrickungen als<br />

Krimi zu erzählen?<br />

Ich kann es mir vorstellen, aber es reizt<br />

mich kaum. Ich habe beim Schreiben dieses<br />

Romans die Erfahrung gemacht, dass<br />

ich mich diesem Thema nur mit einer<br />

schmerzhaften, mir gegenüber gnaden losen<br />

Ehrlichkeit annähern kann. Ein Krimi der<br />

Gefühle, meinetwegen, aber keiner<br />

der Kniffe und Finten und wohlkonstruierten<br />

Gedankengebäude.<br />

Kriminalromane geben einem<br />

Autor – bei aller Freiheit der<br />

Gestaltung – doch ein gewisses<br />

Muster vor; es passiert etwas<br />

und die Handlung entwickelt<br />

sich entlang der Aufklärung<br />

dieses Verbrechens bzw. die<br />

Ordnung wird gestört und muss<br />

wiederhergestellt werden. Ist<br />

dieser grobe Rahmen eine Hilfe<br />

beim Schreiben oder engt dich<br />

dieses Gerüst als Autor eher ein?<br />

Ich denke, beides. Das Gerüst ist schwie -<br />

riger zu bauen, das Gebäude leichter.<br />

Was dürfen wir uns in Zukunft<br />

vom Autor Stefan Slupetzky<br />

erwarten? Einen weiteren Roman?<br />

Oder wieder einen Krimi? Würde<br />

in diesem Fall der Protagonist<br />

eher Polivka heißen oder wird<br />

es irgendwann einen neuen<br />

„Lemming“ geben?<br />

Einen ziemlich kuriosen Kriminalroman.<br />

Tatsächlich arbeite ich gerade an einem<br />

neuen „Lemming“, in dem auch Polivka<br />

eine tragende Rolle spielen wird. Der kleine,<br />

intrigante Kerl in meinem Kopf hat mir für<br />

dieses Buch Dispens erteilt.<br />

Stefan Slupetzky, 1962 in Wien geboren, studierte<br />

an der Akademie der bildenden Künste in Wien;<br />

freischaffender Autor und Illustrator; schreibt Kurzgeschichten,<br />

Reisetexte, Features, Gedichte und Liedtexte,<br />

Kinder- und Jugendbücher sowie Theaterstücke.<br />

Seine vier Kriminalromane mit Privatdetektiv Leopold<br />

„Lemming“ Wallisch („Der Fall des Lemming“,<br />

„Lemmings Himmelfahrt“, „Das Schweigen des<br />

Lemming“, „Lemmings Zorn“) wurden mehrfach<br />

ausgezeichnet, u.a. mit dem Friedrich-Glauser-Preis<br />

und dem Leo-Perutz-Preis. 2013 erschien der Kriminalroman<br />

„Polivka hat einen Traum“, im März 2016 der<br />

Roman „Der letzte große Trost“. Slupetzky ist Texter<br />

und Sänger der Wienerliedcombo „Trio Lepschi“.<br />

Buchtipp:<br />

Stefan Slupetzky:<br />

Der letzte große Trost<br />

Rowohlt, 256 S., € 19,95<br />

Buchpräsentation:<br />

Stefan Slupetzky:<br />

Der letzte große Trost<br />

Di., 30. März 2016, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Moderation: Joe Rabl<br />

Mit Musik von Trio Lepschi.


© Gaby Gerster<br />

Um Schweres<br />

leicht zu erzählen,<br />

ist viel Arbeit<br />

nötig.<br />

Thomas Glavinic<br />

24 25<br />

24 Wagner’sche.<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Was geschieht im Laufe eines Jahres<br />

mit einem Menschen? Von Silvester zu<br />

Silvester, von einem Geburtstag zum<br />

nächsten? Thomas Glavinic stürzt sich in<br />

seinem neuen Roman kompromisslos und<br />

mit einem Flair fürs Experimentelle ins<br />

Leben seiner Figuren hinein.<br />

Der „Jonas-Komplex“ ist der vierte Roman,<br />

in dem sich nicht alles, aber doch einiges<br />

um Jonas dreht. Nachdem er in „Die Arbeit<br />

der Nacht“ (2006) ganz allein auf der Welt<br />

war, ihm in „Das Leben der Wünsche“<br />

(2009) mehr Wünsche erfüllt wurden, als<br />

ihm lieb waren, und er schließlich, bei seinem<br />

letzten Auftritt in „Das größere Wunder“<br />

(2013) an einer Expedition auf den Mount<br />

Everest teilnahm, reist er diesmal mit seiner<br />

großen Liebe Marie zum Südpol – zu Fuß.<br />

Der neue Roman erzählt in kurzen, szenischen<br />

Kapiteln von einem Jahr im Leben<br />

dreier völlig unterschiedlicher Figuren.<br />

Die Jonas-Kapitel wechseln sich ab mit<br />

Momentaufnahmen aus dem Leben zweier<br />

Ich-Erzähler: Der eine ist ein Wiener Autor<br />

Thomas<br />

Glavinic<br />

Im Hier und Jetzt.<br />

Thomas Glavinic<br />

über Überraschungen,<br />

Zeit und<br />

Ehrlichkeit.<br />

Text und Gespräch:<br />

Christine Lötscher<br />

zwischen Drogenrausch, Sexexzessen und<br />

Lesungen – eine lustvoll-wilde Parodie auf<br />

den Literaturbetrieb, in der prominente Akteure<br />

aus dem richtigen Leben auftauchen.<br />

Der andere sitzt in der Weststeiermark und<br />

ist 13 Jahre alt; ein schachspielender Nerd<br />

und scharfsinniger Analytiker seiner selbst<br />

und der anderen. Nach eigener Aussage<br />

fürchtet er sich vor fast allem, obwohl ihm<br />

weder Menschen noch Hunde etwas tun<br />

können – „denn beide sind auf die eine oder<br />

andere Weise angeleint“. Er ist es, der uns<br />

erklärt, was es mit dem Jonas-Komplex auf<br />

sich hat: „Ich bin so. Überall sehe ich die<br />

Gefahr, nicht die Chance. Ich habe gelesen,<br />

das nennt man den Jonas-Komplex.“<br />

Thomas Glavinic, was fasziniert<br />

Sie an Jonas, welche Möglichkeiten<br />

des Schreibens tun sich über ihn<br />

als Ich-Erzähler für Sie auf?<br />

Das ist völlig unbeantwortbar für mich. Es<br />

gibt Autoren, die sich über solche Fragen<br />

den Kopf zerbrechen, aber ich gehöre nicht<br />

dazu. Ich weiß es ganz einfach nicht. Und<br />

es interessiert mich auch nicht. Ich schreibe<br />

den Roman so und nicht anders, weil<br />

er für mich so und nicht anders richtig ist.<br />

Warum er das ist, weiß ich nur bis zu einem<br />

bestimmten Punkt. Mehr zu wissen würde<br />

ohnehin eher die Gefahr der Überkontrolle<br />

bergen.<br />

Wussten Sie schon lange, dass<br />

Jonas weiter im Zentrum Ihres<br />

Schreibens stehen würde, oder<br />

war das eine Überraschung?<br />

Sowohl als auch. Ja, dass er mir wieder unterkommen<br />

wird, wusste ich. Aber mit dem<br />

Wann und Wie hat er mich überrascht.<br />

„Der Jonas-Komplex“ erzählt<br />

unter anderem von Exzessen – ein<br />

Jahr im Leben des Ich-Erzählers,<br />

eines Wiener Autors, mit Alkohol,<br />

Sex und Drogen; mit exzentrischen<br />

Figuren, unzeitgemäßen<br />

Persönlichkeiten, denen er<br />

begegnet. Aber auch der Text<br />

selbst ist exzessiv – mit lyrischen<br />

Passagen und einer Buchseite, auf<br />

der nichts anderes als „die Zeit,<br />

die Zeit, die Zeit“ steht. Ist die Zeit<br />

vielleicht die heimliche Hauptfigur<br />

des Romans? Und wie kann man<br />

sie literarisch erfahrbar machen?<br />

Die Zeit ist tatsächlich eines der mir wichtigsten<br />

Motive dieses Romans, ja, absolut.<br />

In Ihrem Essay „Meine Schreibmaschine<br />

und ich“ (2014) schreiben<br />

Sie, dass Sie Bücher mögen,<br />

die leichtfüßig von der Schwere<br />

erzählen. Genau das tun Sie in<br />

Ihren Romanen auch. Gibt es dafür<br />

ein Geheimnis oder hat es etwas<br />

mit einer inneren Haltung zu tun,<br />

mit Ihrer Beziehung zur Sprache?<br />

Das hat etwas mit Ehrlichkeit zu tun. Um<br />

Schweres leicht zu erzählen, ist viel Arbeit<br />

nötig. Die Bücher, die so schwergewichtig<br />

daherkommen, sind meist nicht die guten.<br />

Da muss der Autor ehrlich zu sich selbst<br />

sein, sich immer wieder hinterfragen beim<br />

Schreiben, aber auch ehrlich dem Text gegenüber<br />

sein. Z. B. mit der Frage: Würde ich<br />

das selber lesen wollen?<br />

Thomas Glavinic wurde 1972 in Graz geboren.<br />

Sein erster Roman „Carl Haffners Liebe zum<br />

Unentschieden“ erschien 1998. Danach folgten u.a.<br />

die Romane „Der Kameramörder“, der zum ersten<br />

Innsbruck-liest-Buch wurde, „Wie man leben soll“ und<br />

„Die Arbeit der Nacht“. „Das bin doch ich“ stand 2007<br />

auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Zuletzt<br />

erschien der Roman „Das größere Wunder“. Zahlreiche<br />

seiner Romane wurden für die Bühne adaptiert und<br />

verfilmt. Seine Werke sind in 20 Sprachen übersetzt.<br />

Thomas Glavinic lebt in Wien und Rom.<br />

Buchtipp:<br />

Thomas Glavinic:<br />

Der Jonas Komplex<br />

Fischer Verlag, 752 S., € 25,70<br />

Buchpräsentation:<br />

Thomas Glavinic:<br />

Der Jonas Komplex<br />

Di., 12. April 2016, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Einführung: Christine Lötscher


© Sabine Bonné<br />

Buchtipp:<br />

Wir leben in<br />

einer Zeit um<br />

sich greifender<br />

Verlassenheit.<br />

Mirko Bonné<br />

26 27<br />

Mirko Bonné:<br />

Feuerland<br />

Schöffling, 232 S., € 20,60<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Mirko<br />

Bonné<br />

Mirko Bonné<br />

schickt in seinem<br />

ersten Erzählband<br />

seine Figuren auf<br />

Reisen in extreme<br />

Gegenden, Situationen<br />

und Zustände<br />

und eröffnet das<br />

14. Prosafestival.<br />

Ein Gespräch mit<br />

Christoph W. Bauer<br />

Lieber Mirko, lass uns kurz in<br />

den Sommer vor dreißig Jahren<br />

zurückkehren: Du bist also<br />

einundzwanzig, machst Urlaub im<br />

Tessin und findest dich plötzlich in<br />

Innsbruck wieder – wie das?<br />

In diesem Sommer nach meinem Abitur<br />

hatte ich aus der Oberstufenbibliothek eine<br />

drei bändige Trakl-Ausgabe in meinen<br />

Besitz gebracht. Ich hatte Peter Rühmkorf<br />

zwei eigene Gedichte geschickt, die er mir<br />

zurück sandte voller Anerkennung und dem<br />

abschließenden Satz: „Tolle Gedichte,<br />

leider aber nicht Ihre. Schluss mit dem<br />

Getrakl.“ Deshalb fing ich an, mich mit<br />

Trakl ernsthaft zu beschäftigen, anstatt<br />

ihn immer tiefgreifender zu imitieren, und<br />

deshalb las ich im Sommer ’86 im Tessin<br />

Otto Basils Trakl-Monografie und trampte,<br />

als es in Bellinzona nicht aufhören wollte<br />

zu regnen, nach Innsbruck, wo ich zu<br />

Georg Trakls Grab auf dem Neuen Mühlauer<br />

Friedhof pilgerte und wo ich am Innufer<br />

den Traklpark entdeckte – Orte, die mir<br />

bis heute lieb sind als Fixpunkte der Selbstbesinnung,<br />

poetischen Inventur und Rückschau<br />

auf wie die Wasser des Inn vorbeirauschende<br />

Jahre.<br />

Nicht nur Trakl – Camus, Keats<br />

und Handke sind dir Leitsterne.<br />

Deinem jüngsten Werk, dem<br />

Erzählband „Feuerland“ stellst du<br />

ein Motto voran …<br />

Die Erzählungen in Feuerland werden von<br />

einem Satz von Lars Gustafsson eingeleitet,<br />

aus meinem Lieblingsroman von ihm, „Der<br />

Tod eines Bienenzüchters“: „Im Universum<br />

ist niemand zu Hause.“ Keine der elf<br />

Geschichten des Bandes spielt auf Feuerland<br />

oder in Patagonien, aber auf rätselhafte Weise<br />

sind die argentinisch-chilenischen Inseln<br />

im äußersten Süden von Südamerika das<br />

verbindende Motiv vieler durch das Buch<br />

wandernden Figuren. So gibt es darin die<br />

Sehnsucht nach Feuerland, Erinnerungen an<br />

Feuerland, einer filmt ein Feuer und nennt<br />

das Video „Feuerland“, einer glaubt im Fieberwahn,<br />

er sei in Feuerland … Ich selber<br />

war vor gut acht Jahren dort, als ich von<br />

Ushuaia aus mit dem Schiff<br />

in die Antarktis fuhr. Feuerland<br />

schien mir am Rand<br />

der Welt zu liegen, und<br />

schon der Name der Region<br />

ist ein für mich im poetischen<br />

Sinn sprechender,<br />

erzählt er doch von dem<br />

Glühen, das wir alle in uns<br />

tragen, von der Sehnsucht<br />

nach einem wirklicheren<br />

Leben. Lars Gustafssons<br />

Satz steht in meinen Augen<br />

übrigens mit einem meiner<br />

Lieblingsverse von Georg<br />

Trakl in enger Verbindung.<br />

In dessen Gedicht „Untergang“<br />

heißt es: „Am Abend weht von unseren<br />

Sternen ein eisiger Wind.“ Wir leben<br />

in einer Zeit um sich greifender Verlassenheit.<br />

Ich halte es für eine der vornehmsten<br />

Aufgaben der Literatur, den Menschen nicht<br />

Auswege oder Ausgänge aufzuzeigen,<br />

sondern, wie Handke sagt, Eingänge.<br />

Nach Gedichten, Romanen<br />

und Essays handelt es sich bei<br />

Feuerland um deinen ersten<br />

Erzählband. Was bewog dich<br />

dazu, dich in dieser literarischen<br />

Form auszudrücken? Worin liegen<br />

die Stärken der Erzählung in<br />

einer gegenwärtig von Romanen<br />

dominierten Literaturlandschaft?<br />

Im Grunde ist Feuerland wie ein Gedichtband<br />

entstanden. Er ist über sechzehn Jahre<br />

hinweg gewachsen, und irgendwann kam<br />

mir die Idee zu einem die Erzählungen verbindenden<br />

Motiv. Zwei oder drei Geschichten<br />

stellen überarbeitete Reste von aufgegebenen<br />

Romanprojekten dar, die meisten<br />

aber gehen auf Auftragsarbeiten zurück, und<br />

in vielen Erzählungen finde ich heute etwa<br />

Dialogstrukturen oder Figurenzeichnungen<br />

wieder, die ich später in einem Roman<br />

angewendet habe. Ganz wundervoll war<br />

es für mich, eine Geschichte wie „Schiff im<br />

Schnee“ zu schreiben, die eine der beiden<br />

erst kürzlich entstandenen ist. Darin geht es<br />

u.a. um das Wrack einer alten Lastwagenfähre,<br />

das an die Küste einer <strong>No</strong>rdseeinsel<br />

gespült wird. Diese Fähre, die „Kitty“, spielt<br />

auch in meinem Roman „Nie mehr Nacht“<br />

eine wichtige Rolle. In meiner Erzählung<br />

biete ich jedoch ein anderes Ende an, eine<br />

weitere Deutungsmöglichkeit. Überhaupt<br />

glaube ich, dass durch ihre Bündigkeit und<br />

Flexibilität Erzählungen der in Zweifel<br />

zersprungenen Realität, der Zersplitterung<br />

unserer Wahrnehmung vielleicht angemessener<br />

als die meisten Romane Ausdruck<br />

verleihen können.<br />

Lass uns abschließend noch einmal<br />

auf Georg Trakl zurückkommen.<br />

Gut zwei Wochen nach deinem<br />

Aufenthalt in Innsbruck im<br />

Januar 2016 sorgte eine Nachricht<br />

für Aufsehen: Ein unbekanntes<br />

Gedicht von Trakl wurde entdeckt.<br />

Die Spurensuche geht also weiter –<br />

auch deine?<br />

Mit Verlaub halte ich es für verfrüht, bei<br />

dem kürzlich entdeckten Gedicht von einem<br />

echten Trakl-Text zu sprechen oder gar von<br />

einer Sensation. Zweifel an der Echtheit<br />

sind hier durchaus angeraten. Hätte Trakl<br />

ein Gedicht wirklich „Hölderlin“ genannt?<br />

Und unter die beiden Strophen die Jahreszahl<br />

seines Entstehens gesetzt? Freilich<br />

geht die Spurensuche weiter, auch für mich.<br />

Ich schreibe an einem Aufsatz über Trakls<br />

Innsbrucker Jahre, der im Sommer in Quart<br />

erscheinen soll. Darin werde ich auch darauf<br />

zu sprechen kommen, dass im Falle Georg<br />

Trakl so gut wie gar nichts als gesichert<br />

gelten darf. Der Zweifel ist ein Merkmal<br />

seines Lebens und seines Werks, für mich<br />

auf beispielhafte Weise: Ich sehe mich aufgefordert,<br />

etwas entweder zu glauben oder<br />

es bleiben zu lassen.<br />

Lesung:<br />

Eröffnungslesung im Rahmen des<br />

14. Prosafestivals Innsbruck<br />

Do., 21. April 2016, 20 Uhr<br />

Stadtbücherei<br />

Mirko Bonné, Ronja von Rönne,<br />

Abbas Khider, Christian Uetz<br />

Fr., 22. April 2016, 20 Uhr<br />

Freies Theater<br />

Radek Knapp, Harald Darer,<br />

Hans Platzgumer, Thomas Meyer<br />

Sa, 23. April 2016, 20 Uhr<br />

VIERUNDEINZIG<br />

Cornelia Travnicek, Michal<br />

Hvorecký, Michelle Steinbeck,<br />

Henrik Szanto


Der König des Dramoletts<br />

Antonio Fians Texte leben im ständigen Spannungsverhältnis<br />

zwischen Literatur und Wirklichkeit.<br />

Bitte, was<br />

sollen wir<br />

mit einem<br />

Stück ?<br />

Antonio Fian<br />

Seine Prosa bemächtigt sich in realistischer<br />

Manier der ganz konkreten Ereignisse,<br />

um sie unversehens zu Versatzstücken<br />

seiner literarisch-satirischen Absichten zu<br />

machen; er spielt mit der ganz alltäglichen<br />

Sensationsgier seiner potentiellen<br />

Leser, wirft ihnen Brocken um Brocken<br />

vermeintlicher Tatsachen als Köder hin,<br />

um sie schließlich in seinen raffiniert<br />

ausgelegten Textschlingen zu fangen und<br />

ganz der Fiktion auszusetzen.<br />

Im folgenden ein Beispiel aus seinem neuen<br />

Buch „Schwimmunterricht – Dramolette VI“<br />

– mit freundlicher Genehmigung des Droschl<br />

Verlags.<br />

Dramaturgentreffen<br />

(Die Bühne das österreichische Theater<br />

der Gegenwart. Dramaturginnen und<br />

Dramaturgen (1–19), alle in großer<br />

Aufregung und großem Tempo hin und<br />

her eilend, dabei ständig miteinander<br />

sprechend, ohne allerdings den jeweiligen<br />

Gesprächspartner anzusehen oder auch<br />

wahrzunehmen.)<br />

1: Großartig, euer „Alles über meine<br />

Mutter“! Gute Idee, einen Almodóvar-<br />

Film auf die Bühne zu bringen.<br />

2: Danke. Als nächstes machen wir<br />

„Inglourious Basterds“. Und ihr?<br />

3: Bernhard. Die Gedichte. Zum<br />

23. Todestag.<br />

4: Wer richtet ein?<br />

3: Ich. Vermutlich gemeinsam mit<br />

Roubinek.<br />

6: Wir machen „Lisa“ von Glavinic.<br />

Auch mit Vitásek.<br />

7: Das wollten wir auch machen, mit<br />

Palfrader. Ihr wart leider schneller.<br />

8: Und? Macht ihr jetzt wieder einen<br />

Roman von Kehlmann?<br />

7: Nein. Den neuen Geiger.<br />

9: Wie machen Schnitzler.<br />

10 (höhnisch): Schnitzler?<br />

11 (noch höhnischer): „Das weite Land“<br />

wahrscheinlich!<br />

9: „Traumnovelle“. Aber nach der<br />

Filmfassung von Kubrick. Mit Scheuba<br />

und Händler.<br />

12: Sowas Ähnliches machen wir auch.<br />

„Der Knochenmann“ von Haas. Aber<br />

eben nicht nach dem Buch, sondern nach<br />

dem Film. Wahrscheinlich mit Voss.<br />

1: Gute Idee.<br />

13: Wir machen Franzobel.<br />

14: Immer gut. Hans Moser oder Orsolics<br />

oder was ganz Neues?<br />

13: Peter Alexander-Biographie.<br />

Auftragsarbeit.<br />

15: Das wollten wir auch.<br />

16: Das wollten alle. Wir haben Franzobel<br />

angerufen, da war die Todesmeldung grad<br />

zwei Stunden alt, und es war zu spät.<br />

18 (interessiert): Eine junge<br />

Oberösterreicherin? Fesch?<br />

17: Ja. Und ihr Stück ist –<br />

19: Stück?<br />

17: Ja. Ein wirklich spannendes Stück mit –<br />

19: Bitte, was sollen wir mit einem Stück?<br />

Soll einen Roman schreiben, dann<br />

können wir über eine Aufführung reden.<br />

18: Falls sie fesch ist.<br />

19: Falls sie fesch ist.<br />

(Vorhang)<br />

Antonio Fian, geboren 1956 in Klagenfurt, lebt seit<br />

1976 in Wien und kommentiert in unregelmäßigen<br />

Abständen das (in erster Linie) österreichische Kulturund<br />

Geistesleben, wofür er 1990 den Österreichischen<br />

Staatspreis für Kulturpublizistik erhielt.<br />

Buchtipp:<br />

Antonio Fian:<br />

Schwimmunterricht<br />

Droschl, 160 S., € 19,–<br />

© Nikolaus Korab<br />

28<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

5: Maurer Hauptrolle?<br />

3: Vitásek.<br />

29<br />

13: Wie wir den Auftrag erteilt haben,<br />

hat Peter Alexander noch gelebt. Man muss<br />

vorausdenken. (Zu 17:) Was macht ihr?<br />

17: Ist noch nicht klar. Ursprünglich<br />

wollten wir eine junge Oberösterreicherin<br />

machen, sehr talentiert, aber es hat sich<br />

herausgestellt, das übersteigt unsere<br />

finanziellen Möglichkeiten.<br />

Buchprästation:<br />

Do., 28. April 2016, 19:30 Uhr<br />

Antonio Fian:<br />

Schwimmunterricht<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Einführung: Robert Renk


© Reinhard Werner<br />

Du wirst<br />

nicht glauben,<br />

was für eine<br />

Meschuggas<br />

mir passiert ist.<br />

Doron Rabinovici<br />

30<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Im April lädt die Tagungsgruppe der<br />

PsychTransKultAG Tirol zur 11. Tagung<br />

der PsychTransKultAG Tirol. Unter dem<br />

Titel Narration.Macht.Wirklichkeit<br />

treffen die Wirklichkeiten von Psychotherapie,<br />

Literatur, bildender Kunst,<br />

Dolmetschen, Sozialer Arbeit und<br />

Psychiatrie an diesem Tag aufeinander,<br />

um eine selbst- und rassismuskritische,<br />

interdisziplinär vernetzte Narration über<br />

ihre Arbeit mit einzelnen Menschen zu<br />

gestalten.<br />

Die erfolgreiche Tagungsreihe steht seit<br />

12 Jahren für Kooperation und Interdisziplinarität<br />

in der Transkultur-Arbeit. Begegnungen<br />

mit LiteratInnen, ihren Arbeiten<br />

und Haltungen sind dabei wesentlich.<br />

In diesem Jahr ist der in Tel Aviv<br />

geborene und in Wien lebende Autor und<br />

Historiker Doron Rabinovici zu Gast. Doron<br />

Rabinovici gehört zu den interessantesten<br />

Autoren und Denkern seiner Generation.<br />

Er ist mit Talenten ebenso reich gesegnet<br />

wie mit Scharfsinn und Witz.<br />

Robert Schindel schreibt in seiner Laudatio<br />

zum Mörikepreis u.a.: „Es liegt nicht<br />

in den Genen, doch ein kultur-historisches<br />

Gedächtnis kann schon Wirkung entfalten.“<br />

„Dorons Mutter Schoschanna wurde bei<br />

der Liquidierung des Gettos von Wilna im<br />

Stoffsack ihrer Mutter bei der Selektion zum<br />

Leben gerettet. Als er selber viel später von<br />

diesen Dingen erfuhr, von den Glücksfällen<br />

in der Großen Katastrophe für die europäische<br />

Judenheit, von den Voraussetzungen<br />

seiner eigenen Existenz also, da stieg sein<br />

Thema direkt in seine Alphabetisierung<br />

hinein: Rabinovici ist zum Dichter des<br />

verhangenen Schuldgefühls geworden.<br />

‚Ich bin schuld‘, rufen seine Protagonisten<br />

unentwegt, bevor sie als Buch verbrennen<br />

oder sich aus den Mullbinden des Verhängnisses<br />

entwickeln.“ *<br />

Und immer sind seine Texte, egal ob<br />

literarisch oder historisch (oder am besten<br />

beides zugleich) mit diesem Witz veredelt.<br />

Rabinovici denkt geradlinig ums Eck, blickt<br />

vergangenheitsdurchtränkt in die Zukunft<br />

und ist mit Punkt und Strich gegenwärtig.<br />

Doron<br />

Rabinovici<br />

Psychotherapie,<br />

Literatur und<br />

Theodor Herzl.<br />

Doron Rabinovici<br />

zu Gast bei der<br />

11. Tagung der<br />

PsychTransKultAG<br />

Tirol.<br />

Von Robert Renk<br />

31<br />

Sein neuester Wurf – gemeinsam mit<br />

dem Soziologen Natan Sznaider – bringt<br />

denn auch einen unerwarteten Zugang zu<br />

einem der Gründerväter Israels; Theodor<br />

Herzl. Er löst Vergangenes und Zukünftiges<br />

in einer E-Mail-Korrespondenz mit dem Toten<br />

auf und klopft dabei Visionen und Ideen<br />

Herzls auf Haltbarkeit ab.<br />

„Du wirst nicht glauben, was für eine<br />

Meschuggas mir vor einer Stunde passiert<br />

ist: Ich erhielt eine E-Mail von einem gewissen<br />

Theodor Herzl. Nein, nicht etwa von<br />

irgendeinem Namensvetter. Er klingt ganz<br />

wie der Alte mit Prophetenbart. Seine Sprache,<br />

sein Duktus, seine Vision“, schreibt<br />

Rabinovici seinem Freund. Dabei verwendet<br />

Rabinovici, wenn er Herzl zu Wort kommen<br />

lässt, ausschließlich Auszüge aus dessen<br />

Werk. Allerdings erscheinen die Zitate so<br />

anregend und aktuell, dass man der im Buch<br />

folgenden Debatte über Israel gebannt folgt<br />

und vieles lernt über die Siedlungspolitik<br />

und die Spannung zwischen Heiligkeit und<br />

Souveränität … Ein Wurf!<br />

* aus der Laudatio zum Mörikepreis mit freundlicher<br />

Genehmigung des Suhrkamp Verlags<br />

Buchtipp:<br />

Doron Rabinovici/<br />

Natan Sznaider:<br />

Herzl reloaded<br />

Jüdischer Verlag im<br />

Suhrkamp, 207 S., € 20,60<br />

11. Tagung der<br />

PsychTransKultAG<br />

Tirol:<br />

Narration.Macht.Wirklichkeit<br />

Fr., 29. April 2016,<br />

9:00 bis 17:30 Uhr<br />

Haus der Begegnung, Innsbruck<br />

Anmeldung: Tel. 0512 587869 12,<br />

E-Mail: hdb.kurse@dibk.at<br />

Veranstaltet von: Tagungsgruppe<br />

der PsychTransKultAG Tirol<br />

gemeinsam mit dem Haus der<br />

Begegnung, Frauenhaus Tirol,<br />

8ungKultur, Plattform Rechtsberatung<br />

und Einzelpersonen;<br />

Mediale Begleitung:<br />

Freies Radio Innsbruck<br />

FREIRAD 105,9<br />

Lesung und Gespräche mit<br />

Doron Rabinovici um 9 Uhr.


Residenz<br />

in Residence<br />

Ein österreichisches Flagschiff<br />

der Buch- und Verlagswelt zu Gast<br />

in der Wagner’schen.<br />

Von Robert Renk<br />

Lesung:<br />

Residenzabend mit<br />

Klaus Theweleit und Peter Rosei<br />

Montag, 9. Mai 2016<br />

um 19:30 Uhr<br />

Moderation: Martin Sailer<br />

Einleitung: Claudia Romeder<br />

Ein Abend der Wagner’schen<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Klaus<br />

Theweleit<br />

Das Morden<br />

des normalen<br />

Mannes<br />

Von Stefanie Panzenböck<br />

Als Anders Breivik auf der Insel<br />

Utoya 69 Menschen erschoss,<br />

lachte er. Während seines Prozesses<br />

grinste er den Richter entspannt<br />

an. Worin liegen die Ursachen<br />

für so ein Verhalten, fragt sich<br />

der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Klaus Theweleit.<br />

In seinem Buch „Das Lachen der Täter“, das im Untertitel mit<br />

dem Hinweis „Psychogramm der Tötungslust“ ausgestattet ist, legt<br />

der Autor die dahinter stehende Psychostruktur frei. Breivik ist<br />

nur ein Bespiel des lachenden Täters, Theweleit nennt zahlreiche<br />

andere: US-amerikanische Soldaten, die im Folter-Gefängnis Abu<br />

Ghraib mit gedemütigten Insassen posierten, oder die Kämpfer des<br />

sogenannten Islamischen Staates, die Bilder und Filme ihrer Massaker<br />

stolz im Internet verbreiten.<br />

Theweleit komponiert seine Abhandlung aus Theorie-Blöcken,<br />

Medienberichten, Auszügen aus Romanen und Filmbeschreibungen,<br />

wobei er auch auf seine eigene, zum Standardwerk avancierte<br />

Untersuchung „Männerphantasien“ zurückgreift. Das Lachen der<br />

Täter ist eine Fortführung dieser Analyse des Mannes als Soldaten.<br />

Theweleits Kernaussage: „Breivik ist ein strukturell patriarchalischer<br />

Muslim wie auch norwegisch-christlicher Antisemit wie auch<br />

germanisch-sektiererischer SS-Mann.“ Es geht um das Gerüst, an<br />

das sich diese unterschiedlichen<br />

Ideologien klammern, und das für<br />

alle dasselbe ist: „Das Morden und<br />

Massenmorden gehört zum ganz<br />

normalen Mann-Typ dazu – immer<br />

dort, wo die Schleusen einmal geöffnet<br />

sind.“ Es ist der Körper, der<br />

andere Körper tötet, vergewaltigt<br />

und dabei lacht.<br />

Theweleits „Psychogramm der<br />

Tötungslust“ ist starker Tobak,<br />

Buchtipp:<br />

Klaus Theweleit: Das Lachen<br />

der Täter: Breivik u.a.<br />

Residenz Verlag, 248 S., € 22,90<br />

© Privat<br />

seine Sprache ist schonungslos und<br />

körperlich, schreckt vor keinem<br />

Detail zurück. Damit kann er der<br />

Brutalität seines Themas, dem<br />

Morden des normalen Mannes,<br />

analytisch auf Augenhöhe begegnen.<br />

Ein beeindruckendes Unterfangen.<br />

Alt aber neu! Das Motto der Wagner’schen<br />

könnte auch für den Residenz Verlag stehen.<br />

Der 1956 in Salzburg gegründete Verlag<br />

ist einer der traditionsreichsten Literaturverlage<br />

Österreichs. In ihm veröffentlichte<br />

(ab 1967) fast alles, was in Österreich literarisches<br />

Gewicht hat: Peter Handke, Gert<br />

Jonke, H.C. Artmann, Barbara Frischmuth,<br />

Julian Schutting, Reinhard P. Gruber, Franz<br />

Innerhofer, um nur einige zu nennen, haben<br />

hier debütiert. Auch ein gewisser Thomas<br />

Bernhard hat u.a. mit seinen autobiografischen<br />

Romanen seine besten Texte hier<br />

publiziert – und seinen eigentlichen Verleger<br />

Siegfried Unseld vom Suhrkamp-Verlag<br />

damit zur Weißglut getrieben.<br />

Für mich persönlich immanent prägend<br />

war das Jahr 1984, in dem mir ein dottergelbes<br />

Buch mit Titel „Zündels Abgang“ in die<br />

Hände viel. Dieses und auch die weiteren<br />

Bücher des Schweizer Autors Markus<br />

Werner sind für mich noch immer absolute<br />

Kostbarkeiten im großen Gewimmel der<br />

literarischen Betrieblichkeit. Markus Werner<br />

war auch der erste nichtösterreichische<br />

Autor des Verlages, dem sich freilich viele<br />

hinzugesellten, u.a. Dimitri Analis, John<br />

Ashbery, Robert Creeley, Péter Esterházy,<br />

William Gass, Ismail Kadare, Jan Skácel,<br />

Thomas Rosenlöcher oder Arnold Stadler.<br />

Die wechselvolle Geschichte des Verlages<br />

trieb ihn von Salzburg ausgehend in die<br />

Hände des Bundes; 1983 wurde er an den<br />

Österreichischen Bundesverlag verkauft.<br />

Später kurzfristig nach Stuttgart, wo er,<br />

nicht lange, Teil der Klett-Gruppe war, um<br />

sich bald nach St. Pölten zu vertschüssen,<br />

weil ihn das Niederösterreichische Pressehaus<br />

gekauft hat.<br />

Schöne, werthaltige Bücher<br />

Im Juli 2015 wird wieder alles neu und doch<br />

nicht. Nun kehrt der Residenz Verlag also an<br />

seinen Ursprungsort zurück: Die Salzburger<br />

PDP Holding unter Eigentümer Peter Daniell<br />

Porsche und CEO Rafael Walter, wird<br />

100 % Eigentümerin des Residenz Verlags.<br />

Die beiden Verlagsleiterinnen Claudia<br />

Romeder (Programm) und Roswitha Wonka<br />

(kaufmännische Agenden) verbleiben in<br />

ihren Positionen. Und seit ein paar wenigen<br />

Monaten sind die neuen Standorte – der<br />

Hauptsitz in der „Kunstmühle“ in Salzburg-<br />

Gnigl und das Büro in Wien – also bezogen.<br />

Bücher seit 1639<br />

Was sagt der neue Besitzer, Peter Daniell<br />

Porsche: „Ich freue mich sehr darüber, dass<br />

wir den Residenz Verlag wieder an seinen<br />

Ursprungsort nach Salzburg holen können.<br />

Wir fühlen uns der beeindruckenden Vergangenheit<br />

des Residenz Verlags verpflichtet<br />

und sehr verbunden, außerdem sind wir uns<br />

seiner großen Bedeutung für die Förderung<br />

und Etablierung der österreichischen<br />

Literatur nach 1945 bewusst. Mir ist es ein<br />

besonderes Anliegen, dass im Zeitalter von<br />

E-Books schön gestaltete, werthaltige und<br />

gedruckte Bücher mit gutem Inhalt ihren<br />

Stellenwert nicht verlieren. Hiermit zu<br />

ermöglichen, dass sich der Residenz Verlag<br />

seinem ursächlichen Kerngeschäft in Ruhe<br />

widmen kann, bereitet mir große Freude.“<br />

Literarisches<br />

Gipfeltreffen<br />

Das klingt doch alles höchst erfreulich<br />

und ist Grund genug, dass zwei, die Alt<br />

und Neu so wunderbar verbinden, zu einem<br />

gemeinsamen Abend einladen. Und was<br />

für ein Abend das wird!<br />

Klaus Theweleits erster Lese-Auftritt<br />

in Tirol und Peter Rosei, der dieser Tage<br />

seinen 70. Geburtstag feiert, an einem<br />

Abend, da kann man tatsächlich von einem<br />

literarischen Gipfeltreffen sprechen.<br />

Theweleit hat in der schönen Residenzreihe<br />

Unruhe bewahren mit „Das Lachen<br />

der Täter“ einen Bestseller (ein Essayband<br />

als Bestseller? – jawohl!) gelandet und<br />

Peter Rosei ist mit den Wiener Dateien eine<br />

wunderschöne, fünfbändige Cassette gewidmet,<br />

die auch seinen neuen abschließenden<br />

Roman „Wien Metropolis“ beinhaltet.<br />

Martin Sailer wird die zwei in ein hochvergnügliches<br />

Gespräch verwickeln. Ein<br />

Abend, wie er auch außerhalb Tirols nicht<br />

allzu oft geboten wird.<br />

33<br />

Peter Rosei<br />

Wie sich<br />

Wirtschaft<br />

erzählen lässt<br />

Von Anton Thuswaldner<br />

Georg Asamer hat es geschafft.<br />

Er hat sich in der Werbebranche<br />

nach oben gearbeitet, er zählt<br />

etwas, sein Wort hat Gewicht. Er<br />

betreibt eine florierende Firma und<br />

aus Eitelkeit hält er an der Universität<br />

für Welthandel Seminare. „Der<br />

Geschäftsmann oder Manager“, doziert<br />

er dort, „ist der Nabel der Welt“. Er meint das durchaus ernst.<br />

Pech für ihn, denn Peter Rosei, der Buch führt über sein Treiben,<br />

ist einer der stillen Ironiker in der österreichischen Literatur, und<br />

mit solchen Sätzen legt er die Seele eines kümmerlichen Charakters<br />

bloß. Asamer ist nur eine Figur aus Peter Roseis Roman „Geld!“,<br />

der eine Gegenwartsbestimmung unternimmt, um die Spielregeln<br />

unserer Gesellschaft in Frage zu stellen. Der Siegertyp Asamer<br />

ist bei Rosei zum Untergang bestimmt. Ihm folgt einer, der etwas<br />

skrupelloser, eine Spur gewissenloser ist, auf seinen Mentor nimmt<br />

er keine Rücksicht. Das Geschäftsleben, eine Mördergrube, die<br />

Gewinnmacher sind ausgestattet mit dem Killerinstinkt.<br />

Das könnte man so nehmen als Bestätigung dessen, was man geahnt<br />

hat, aber bei Rosei bekommen solche Gestalten eine Herkunft.<br />

Ihm gelingt es, etwas so Abstraktes wie die Wirtschaft ins Erzählerische<br />

zu heben. Das gelingt ihm mit dem Roman „Die Globalisten“<br />

ebenso wie mit dem Roman „Madame Stern“, in denen all jene,<br />

die es zu etwas gebracht haben, mit Verbrechen in Zusammenhang<br />

gebracht werden. Zusammen<br />

mit den beiden Romanen „Wien<br />

Metropolis“ und „Das große Töten“<br />

werden die fünf Bücher zum Zyklus<br />

Wiener Dateien gebündelt. Zu den<br />

Optimisten wird man nach Lektüre<br />

der Bände Peter Rosei nicht zählen<br />

wollen. Peter Rosei, der am 17. Juni<br />

seinen 70. Ge burtstag feiert, bedient<br />

sich als Erzähler einer Fantasie,<br />

die Gegenwartsverhältnisse in den<br />

Aberwitz dreht, um prekäre Verhältnisse<br />

umso greller erscheinen<br />

zu lassen. Das ist nicht unbedingt<br />

optimistisch, aber eine bestechende<br />

Form von Aufklärung!<br />

© Gabriela Brandenstein<br />

Buchtipp:<br />

Peter Rosei:<br />

Wien Metropolis<br />

Residenz Verlag, 284 S., € 21,90


© Alex Grob<br />

Grenzgänge …<br />

Sepp Mall:<br />

Poetische<br />

Vermessungen<br />

der Heimat<br />

Die Grenzgänge sind inzwischen eine<br />

literarische Institution. 2014 von der Stadtbücherei<br />

Innsbruck in Zusammenarbeit<br />

mit 8ungKultur ins Leben gerufen, locken<br />

sie zweimal jährlich viele Besucher in die<br />

erweiterten Arbeitszimmer interessanter<br />

AutorInnen.<br />

Das Konzept, je zwei AutorInnen einzuladen,<br />

aber das Gespräch in den Vordergrund<br />

zu rücken und die eigentliche Lesung<br />

ins Gespräch zu integrieren, trifft also<br />

absolut den Publikumsnerv. Das Publikum<br />

schätzt das mehr an wohldosierter und<br />

kompetenter Information, lernt so auch die<br />

AutorInnen viel besser kennen und auch der<br />

Austausch am Büchertisch oder bei einem<br />

Gläschen wird gerne genutzt, auch wenn die<br />

Grenzgänge – auf Grund des Konzeptes –<br />

an sich schon mal die 90 Minuten ausreizen.<br />

Der Hauptgrund, warum die Abende<br />

trotzdem so kurzweilig sind, hat einen<br />

Namen. Der lautet Klaus Zeyringer. Der<br />

Kulturjournalist und Germanist schafft es<br />

wie kein zweiter, die Gäste gewitzt und<br />

verständig ins Gespräch zu verwickeln und<br />

ihnen diverse Geheimnisse aus den Schubladen<br />

ihrer Schreibtische zu entlocken. Am<br />

liebsten aber hat er es, wenn die zwei Gäste<br />

selbst miteinander ins Gespräch kommen.<br />

Und das ist wohl – neben perfekter Vorbereitung,<br />

einem breiten literarischen Fachwissen<br />

und seiner steten Neugier – eines seiner<br />

Geheimnisse, er stellt sich in den Dienst der<br />

Sache und drückt ihr deswegen sacht und<br />

kompetent den Stempel auf.<br />

Neue Stadtbücherei<br />

ab Herbst 2018<br />

„Sein Vater habe sich in Luft<br />

aufgelöst, sagte der Junge, von<br />

einem Tag auf den anderen.“ So<br />

beginnt Sepp Malls berührender<br />

Roman „Wundränder“ über die<br />

Auswirkungen der politischen<br />

Verwerfungen im Südtirol der<br />

Sechzigerjahre – sinnbildlich für<br />

das jahrzehntelange Ringen des<br />

Autors um Verständnis und Ausgleich.<br />

Es geht dem 1955 in Graun im Vinschgau geborenen und in<br />

Meran lebenden Mall um das Verstehen zwischen den Generationen,<br />

zwischen Vätern und Söhnen, Müttern und Töchtern, über Grenzen<br />

und Landessprachen hinweg.<br />

Die Abtrennung Südtirols von Österreich, die wechselvolle<br />

Beziehung zu Italien, die Heimat und die vielen Wunden, die die<br />

jüngere Geschichte in den Familien hinterlassen hat, das sind Sepp<br />

Malls Themen. Dabei ist er ein behutsamer, poetischer Erzähler,<br />

der nicht wertet, sondern beschreibt. Und immer wieder diese<br />

abwesenden oder toten Väter, Geschwister, die Familie, wie in den<br />

Erzählungen „Verwachsene Wege“ und „Brüder“ sowie im Roman<br />

„Berliner Zimmer“. Malls Protagonisten sind meist Außenstehende,<br />

Ausgestoßene, Einzelgänger, Menschen, die anders sind. Sie gehen<br />

vom Dorf, von der ländlichen, oft bedrückenden Idylle fort in die<br />

Stadt, wie es auch bei anderen Südtiroler Schriftstellern wie Joseph<br />

Zoderer oder Sabine Gruber heißt, sie gehen in ein freieres, selbstbestimmtes<br />

Leben, auch wenn<br />

die Stadt dann nur Bozen ist.<br />

Poetische Landschaftsvermessungen<br />

mit ganz eigenem<br />

Ton sind auch die lyrischen<br />

Bücher Malls, für die er viel -<br />

fach ausgezeichnet wurde,<br />

unter anderem mit dem renommierten<br />

Meraner Lyrikpreis.<br />

In den Gedichtbänden „Läufer<br />

im Park“ oder „Landschaft mit<br />

Tieren unter Sträuchern hinge-<br />

Das ist wiederum ganz im Sinne von<br />

Kathrin Mader, Leiterin der Stadtbücherei<br />

Innsbruck seit nunmehr schon 16 Jahren.<br />

Sie selbst ist wohl eine der größten Vermittlerinnen<br />

des Landes und herzlich und<br />

begeisterungsfähig wie am ersten Tag. Sie<br />

freut sich nicht nur kurzfristig auf die siebte<br />

Ausgabe von Grenzgänge, wo sie am<br />

duckt“ und zuletzt in „Schläft<br />

13. Mai Alex Capus aus der Schweiz und<br />

Buchtipp:<br />

ein Lied“ kommt der Poet Mall<br />

Sepp Mall aus Südtirol begrüßen darf, sie<br />

ganz zu sich und schaut in die<br />

freut sich auch mittelfristig auf das große<br />

35<br />

Sepp Mall:<br />

Welt wie durch ein Brennglas,<br />

Projekt Übersiedelung!<br />

Wundränder<br />

beschreibt in der kleinen Form<br />

Im Herbst 2018 voraussichtlich wird die<br />

HAYMONtb, 176 S., € 9,95 ganze Welten – präzise und<br />

Stadtbücherei ihre Pforten in der Amraser<br />

ganz bei sich.<br />

Straße öffnen, im neuen zweiten Pematurm.<br />

Mit 3000 m 2 Fläche und einem eigenen<br />

Bücher seit 1639<br />

… in der alten und<br />

neuen Stadtbücherei.<br />

Von Robert Renk und<br />

Bernd Schuchter<br />

Veranstaltungsraum wird sie endlich an die<br />

Bedürfnisse einer Großstadt angepasst. Zur<br />

Zeit liegt die Fläche bei 700 m 2 , womit Innsbruck<br />

im Verhältnis Österreichs Schlusslicht<br />

bildet. Und für Veranstaltungen muss jedes<br />

mal 2 Stunden hin- und 2 Stunden zurückgeschoben<br />

werden.<br />

Diese Zeit kann in der neuen Stadtbücherei<br />

viel sinnvoller genutzt werden,<br />

z. B. dafür, mehr lernpädagogische Akzente<br />

zu setzen, den Lernort Bücherei überhaupt<br />

zu verbessern. Dank längerer Öffnungszeiten<br />

und mehr Personal wird der Aufenthaltsort<br />

Stadtbücherei attraktiver und auch<br />

Veranstaltungen werden noch professioneller<br />

durchführbar. Da unter anderem auch die<br />

städtische Andechsgalerie und ein großes<br />

Restaurant in das Gebäude mit einziehen,<br />

kann man von einem kulturellen Rund-<br />

Um-Sorglos-Paket sprechen. Sicher eine<br />

enorme Bereicherung für die Stadt und<br />

speziell für den Raum zwischen Innenstadt<br />

und östlichem Stadtteil. Und ein idealer Ort<br />

für weitere Grenzgänge.<br />

Alex Capus:<br />

Die Umarmung<br />

der Welt<br />

Der Schweizer Alex Capus ist ein<br />

Autor, dem man das Etikett „weltläufig“<br />

oder „souverän“ anheften<br />

könnte, ohne seinem Werk auch<br />

nur annähernd gerecht zu werden.<br />

Souverän ist Capus in seinem Stil,<br />

seinem Ton; seine Prosa ist von<br />

leichter Hand geschrieben, humorvoll,<br />

voller Ironie, wie in „Mein<br />

Nachbar Urs“ oder in „Der König<br />

von Olten“, in dem ein Kater all<br />

die kleinen und großen Geschichten<br />

über Capus’ Heimatstadt Olten zusammenhält. Capus schaut in<br />

diesen sehr persönlichen Büchern tief in die Schweizer Seele, die<br />

vor allem in der kleinstädtischen Provinz zu Hause ist. Es geht um<br />

Heimat, um Identität und um den einfachen Alltag. Dabei weiß man<br />

seit Joseph Roth, dass jene Geschichten, die einfach erzählt scheinen,<br />

am schwierigsten zu schreiben sind.<br />

Alex Capus ist ein ungemein produktiver Autor, seit seinem<br />

Debüt „Diese verfluchte Schwerkraft“ im Jahr 1994 erschien fast<br />

jährlich ein Buch, darunter die Romane „Eine Frage der Zeit“ oder<br />

„Léon und Louise“, mit denen Capus in die große weite Welt schreitet,<br />

wie auch in seiner wunderbaren Hommage an Robert Louis<br />

Stevenson, den Autor der Schatzinsel, dem Buch „Reisen im Licht<br />

der Sterne“. Für die Recherche reiste Alex Capus um die halbe Welt<br />

bis nach Samoa, wo Stevenson seine letzten Lebensjahre verbrachte.<br />

Und wie nebenbei, mit leichter Hand erzählt, gelingt es Capus,<br />

erstaunliche Entdeckungen über Stevenson zu machen, die bisher<br />

einem Heer von Biografen entgangen<br />

sind. Von der Schweizer Provinz<br />

bis zu einer Höhle auf Cocos<br />

Island führt Capus seine Leser,<br />

als wäre es das <strong>No</strong>rmalste der Welt;<br />

er erzählt Geschichten, als wäre<br />

man selbst dieser Reisende, der<br />

in jedem neuen Buch die ganzen<br />

Fragen der Welt zögerlich stellt,<br />

neugierig, wohin eine Brise dieses<br />

Schiff voller Erzählungen wohl<br />

treiben mag. Alex Capus gelingt<br />

mit seinen Büchern buchstäblich<br />

die Umarmung der Welt.<br />

© Marco Grob<br />

Lesung:<br />

Grenzgänge VII:<br />

Vom Recherchieren,<br />

Erzählen und Dichten<br />

Alex Capus und Sepp Mall im Gespräch<br />

mit Klaus Zeyringer<br />

Freitag, 13. Mai 2016 um 19 Uhr.<br />

Stadtbücherei, Colingasse 5a,<br />

6020 Innsbruck. Eintritt frei.<br />

Eine Veranstaltung der Stadtbücherei<br />

Innsbruck und 8ungKultur.<br />

Büchertisch: Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Buchtipp:<br />

Alex Capus:<br />

Reisen im Licht der Sterne<br />

Hanser, 224 S., € 20,50


Museum der Träume<br />

Mit der aktuellen Ausstellung geht das Schloss Ambras<br />

neue, interaktive Wege. Von Robert Renk<br />

Das Lächeln<br />

als Signal<br />

für die<br />

Ausgeglichenheit<br />

aller Begierden.<br />

Franz Schuh<br />

Zeitgenössische Performance trifft auf die<br />

Kunst der Renaissance. Das Museum lädt<br />

– in Zusammenarbeit mit wenn es soweit<br />

ist – an acht Abenden zur besonderen<br />

Reise durch das Schloss und seine Sammlungen.<br />

Die Besucher und Besucherinnen<br />

erforschen dabei – mit einem Plan und<br />

einem Hocker bewaffnet – das gesamte<br />

Areal und begegnen SchauspielerInnen,<br />

TänzerInnen und MusikerInnen, die verschiedene<br />

Szenen vor Ort aufführen.<br />

Raoul Schrott schreibt über den sagenumwobenen<br />

Meteoriten von Ensisheim.<br />

Sabine Gruber setzt sich mit dem Porträt<br />

des Giovanni Boccaccio auseinander. Der<br />

weißrussische Autor Viktor Martinowitsch –<br />

dessen Roman „Paranoia“ in seiner Heimat<br />

verboten wurde – sucht in der Rüstkammer<br />

Erzherzog Ferdinands II. die Nachklänge<br />

der Grausamkeit des Krieges. Simon Zöchbauer<br />

und Julia Lacherstorfer vom Musikduo<br />

Ramsch & Rosen nähern sich mit einer<br />

Komposition der St. Nikolauskapelle.<br />

Thomas Glavinic bespielt mit seinem<br />

Text „Nackt!“ die Wanne des Bades der<br />

Philippine Welser und Komponistin Johanna<br />

Doderer komponiert die Klagen des gotischen<br />

Schmerzensmanns.<br />

Last but not least wurde der großartige<br />

Franz Schuh angefragt und macht sich in<br />

der Habsburger Porträtgalerie auf die Suche<br />

nach dem Lächeln.<br />

Begleitend zu dieser besonderen Ausstellung<br />

samt Theaterperformance dürfen wir<br />

in Kooperation mit dem Schloss Ambras<br />

und wenn es soweit ist zur Lesung mit Franz<br />

Schuh einladen.<br />

Kolumnist, Essayist, Krimifachmann, Fachmann<br />

des Weiteren für das Banale und das<br />

Überhöhte und glänzender Interpret eigener<br />

Texte. Er ist der Methaphorik sehr zugeneigt,<br />

ein Meister der Assoziation und ihrer<br />

vielfältigen Verknüpfungsmöglichkeiten, er<br />

ist ein bisserl morbide, sehr charmant, er ist<br />

Wiener!<br />

Für sein Buch „Schwere Vorwürfe,<br />

schmutzige Wäsche“ wurde er mit dem<br />

Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet,<br />

2009 erhielt er den Tractatus, den<br />

Essaypreis des Philosophicum Lech, und<br />

2011 den Österreichischen Kunstpreis für<br />

Literatur.<br />

Er schreibt gerne Kolumnen über Kriminalliteratur<br />

u.a. für Literaturen oder Datum<br />

und nimmt sich im Radio und fürs Fernsehen<br />

verschiedenster Gefühlsregungen an<br />

(u.a. das „Magazin des Glücks“ auf Ö1) und<br />

hat im Rahmen des Projektes Museum der<br />

Träume für uns die habsburgische Porträtgalerie<br />

nach dem Lächeln durchforstet.<br />

Und ist äußerst fündig geworden.<br />

Nachdem man den Text von Franz Schuh<br />

genossen hat, kann man – angeregt von<br />

seinen Erkenntnissen – das Lächeln der<br />

vielen Habsburger entdecken.<br />

Museum der Träume:<br />

Premiere: Sa., 21. Mai 2016<br />

Weitere Aufführungen:<br />

Fr., 27. Mai, Fr., 3. Juni,<br />

Sa., 11. Juni, Fr., 17. Juni,<br />

Sa., 25. Juni, Sa., 2. Juli und<br />

Fr., 8. Juli 2016 jeweils von<br />

19 bis 22 Uhr.<br />

weitere Infos unter:<br />

www.schlossambras-innsbruck.at/<br />

museumdertraeume<br />

© Helmut Wimmer<br />

36<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Franz Schuh, einer der luzidesten Denker<br />

der Gegenwart, ist der Philosoph unter den<br />

Schriftstellern und der Stilist unter den<br />

Philosophen! Er ist Lehrbeauftragter am<br />

Max Reinhardt Seminar in Wien, ist auch<br />

37<br />

Buchtipp:<br />

Franz Schuh:<br />

Sämtliche Leidenschaften<br />

Zsolnay, 224 S., € 20,50<br />

Lesung:<br />

Franz Schuh liest<br />

im Rahmen von<br />

„Museum der Träume“<br />

Di., 31. Mai 2016, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Moderation: Robert Renk


© Fotowerk Aichner<br />

Ich habe<br />

ein Buch<br />

lang über<br />

mein Schreiben<br />

nachgedacht.<br />

Barbara Hundegger<br />

38<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

„dein wörterkopfball kämpft mit<br />

wind“, das ist der Titel der Poetik-<br />

Vorlesung, die du im Mai/Juni im<br />

Literaturhaus am Inn abhalten<br />

wirst. Du äußerst dich darin<br />

„kämpferisch“. Wie hängen Poetik<br />

und Politik für dich zusammen?<br />

Politik bestimmt die Bedingungen und<br />

Umstände, unter denen wir leben, sie beeinflusst<br />

unsere Möglichkeiten, aber auch die<br />

„Stimmungen“, die herrschen, innerlich wie<br />

äußerlich. Das künstlerisch auszublenden<br />

käme einer Verkürzung, einer Simplifizierung<br />

und Verharmlosung gleich und würde<br />

wirkmächtige Aspekte von Wirklichkeit einfach<br />

ignorieren. Wenn man aber, so wie ich,<br />

Kunst/Literatur/Poesie als komplexe Atmosphärenforschung<br />

begreift, kann man Teile<br />

dieser Atmosphäre nicht einfach weglassen<br />

und es sich im „lyrischen Garten“, als den<br />

die meisten die Lyrik ja immer noch sehen,<br />

quasi gemütlich machen, während draußen<br />

Herrschaftstechniken, Zaun-Architekten,<br />

„Sachzwänge“, Dunkelziffern usw. sich austoben.<br />

Dieses Radikal-Gegenwärtige unter<br />

Einbeziehung des jeweils quasi als „persönlich“<br />

Empfundenen poetisch hochwertig<br />

anzugehen ist es, was mich reizt.<br />

Du hast einmal gesagt, die Lektüre<br />

des Wörterbuchs sei für dich<br />

eine der spannendsten Lektüren<br />

gewesen. Inwiefern?<br />

Den ganzen Duden einfach als Buch durchgelesen<br />

habe ich im Zuge meines Lyrikbandes<br />

„schreibennichtschreiben“ (2009), in<br />

welchem ich mich nach einer langwierigen<br />

und sehr einschränkenden gesundheitlichen<br />

Beeinträchtigung – die auch vieles relativiert<br />

hat – meines Tuns wie neu versichern<br />

hab’ müssen, und ich habe deshalb ein Buch<br />

lang über das und über mein Schreiben<br />

nachgedacht. So ein Wörterbuch eröffnet ja<br />

erst den ganzen Horizont der Möglichkeiten<br />

des Materials! Wenn man sich nur kurz in<br />

die Vorstellung versenkt, was aus diesem<br />

Grundstoff von 26 Buchstaben des Alphabets<br />

an Werken herausgekommen ist, wird<br />

einem/einer ja schwindlig, so atemberaubend<br />

ist das.<br />

Barbara<br />

Hundegger<br />

… plädiert für<br />

mehr Lyrik im<br />

öffentlichen Raum<br />

und mehr Gegenwärtiges<br />

in der<br />

Lyrik. Ein Gespräch<br />

mit Anna<br />

Rottensteiner und<br />

Gabriele Wild<br />

39<br />

Die Wörterbuchlektüre hat mich endgültig<br />

und unheilbar zum Sprach-Fan gemacht –<br />

denn in der Sprache ist alles schon da.<br />

Es geht also mehr ums Finden als ums<br />

Erfinden. Und so fand praktisch gleichzeitig<br />

eine endgültige Heilung statt: von der<br />

schriftstellerischen Attitüde, über Sprache<br />

herrschen zu können.<br />

Zu deinem künstlerischen<br />

Schaffen gehören auch<br />

verschiedene Kunstprojekte im<br />

öffentlichen Raum, wie man<br />

zuletzt in deinem Plakatprojekt<br />

„PAMPA PAMPA“ sehen konnte.<br />

Du hast auch den Begriff „public<br />

poetry“ geprägt: Was bedeutet<br />

Kunst im öffentlichen Raum für<br />

dich?<br />

„PAMPA PAMPA – milieu innsbruckwest“,<br />

das war ein Herzensprojekt von mir.<br />

Ich komme ja aus der Höttinger Au, bin<br />

am Mitterweg in den von Äckern und<br />

Gärtnerdynastien umgebenen Bauboom-<br />

Rohbau-Landschaften der 1960er-/70er-<br />

Jahre aufgewachsen, und dass letztes Jahr<br />

endlich die Umsetzung der Idee einer<br />

„Bespielung“ der Plakatflächen rund um<br />

die Wiese in der Exlgasse in Zusammenarbeit<br />

mit Christine Prantauer gelungen ist, hat<br />

mich echt glücklich gemacht. Ich habe aber<br />

auch schon einen ÖBB-Sicherheitsstollen<br />

des Brennerbasistunnels mit Texten zum<br />

Brennerbasistunnel versehen (55 Drei-<br />

Zeiler, für jeden Kilometer einen!), im<br />

Rahmen der Erich-Fried-Tage in Wien die<br />

Fenster des Literaturhauses mit auf Plexi<br />

aufgezogenen Texten/Fotos zu Flucht und<br />

Migration gestaltet („blossom dust maps“)<br />

oder Lyrik für das Projekt und den Film zum<br />

Thema Betteln der Initiative Minderheiten<br />

„entworfen“.<br />

Lyrik und Text gehören quasi an die Luft<br />

und unter die Leut’! Ich sehe überall Wände,<br />

Flächen, Zonen, die wunderbar, berührend,<br />

witzig, rätselhaft usw. mit Text arbeiten<br />

könnten – das schwebt mir mit meiner<br />

„public poetry“ vor. Und gerade die Lyrik<br />

wäre prädestiniert dafür: weil sie schaut ja<br />

so kurz aus.<br />

„public poetry“ wäre ein Ansatz aus den<br />

konventionellen Literatur-Bahnen hinaus.<br />

Denn Bücher können auch das sein: Gräber<br />

mit zwei Deckeln – wenn auch welche der<br />

allerschönsten davon.<br />

Barbara Hundegger, geboren 1963 in Hall in Tirol,<br />

hält von 31.5.–2.6. die Innsbrucker Poetik-Vorlesung<br />

im Literaturhaus am Inn und tritt am 17.6. im Rahmen<br />

des 2. Lyrik-Festivals Innsbruck W:ORTE mit einer<br />

Musik- und Textperformance auf. Jüngste Publikation:<br />

„wie ein mensch der umdreht geht – dantes läuterungen<br />

reloaded“ (Haymon 2014).<br />

Buchtipp:<br />

Barbara Hundegger:<br />

wie ein mensch der umdreht<br />

geht – Dantes Läuterungen<br />

reloaded. Gedichte.<br />

HAYMON, 120 S., € 17,90<br />

W:ORTE –<br />

2. Lyrikfestival<br />

Innsbruck:<br />

16. – 20. Juni 2016<br />

u.a. mit José F.A. Oliver, Erica<br />

Zingano, Odile Kennel, Barbara<br />

Hundegger & Innstrumenti,<br />

Jan Wagner, Robert Prosser,<br />

Babelsprech, Ulf Stolterfoht,<br />

Ferdinand Schmatz und Durs<br />

Grünbein. Weitere Infos unter<br />

www.wagnersche.at


MEDICIn<br />

Peter Ustinov hat einmal den weisen Satz geprägt:<br />

„Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt,<br />

Vorurteile abzubauen. Wenn man schon ein Gefangener<br />

seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen,<br />

dass die Zelle anständig möbliert ist.“ Von Markus Renk<br />

Gesprächsstoff<br />

im Treibhaus<br />

Eine neue Gesprächsreihe jeweils<br />

montags – ein guter Wochenbeginn<br />

für alle, die gerne diskutieren.<br />

Buchtipp:<br />

Christian Schubert:<br />

Was uns krank macht macht –<br />

Was uns heilt<br />

Fischer & Gann, 240 S., 24,70<br />

Buchpräsentation:<br />

Christian Schubert:<br />

Was uns krank macht<br />

Mi. 1. Juni 2016, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

© Foto Hofer<br />

Mit der Übernahme haben wir den Bereich<br />

der Fachbücher wieder ausgebaut, um alte<br />

Tugenden der Wagner’schen wieder aufleben<br />

zu lassen. Gerade das Thema Medizin<br />

ist uns hier wichtig.<br />

Buchpräsentation<br />

So wird am 1. Juni 2016 Univ. Prof. DDr.<br />

Christian Schubert bei uns im Haus sein<br />

aktuelles Buch präsentieren. Schubert<br />

studierte Medizin und Psychologie und ist<br />

Facharzt und Psychotherapeut. Seit 20 Jahren<br />

erforscht er die Wechselwirkungen von<br />

Psyche, Gehirn und Immunsystem, bereits<br />

1995 gründete er das Labor für Psychoneuroimmunologie<br />

an der Universitätsklink in<br />

Innsbruck, dem er bis heute vorsteht. Er<br />

absolvierte einen längeren Forschungsaufenthalt<br />

in den USA an der University of<br />

California San Diego, seit 2005 leitet er<br />

die Arbeitsgruppe Psychoneuroimmunologie,<br />

seit 2013 ist er Vorstandsmitglied der<br />

Akademie für integrierte Medizin (AIM). In<br />

Verbindung mit seinen aufsehenerregenden<br />

Studien entwickelte er ein völlig neues, eigenes<br />

Forschungsdesign, das es erlaubt, den<br />

Menschen ganz individuell und ganzheitlich<br />

zu erforschen. Er ist Autor zahlreicher vielbeachteter<br />

Fachpublikationen.<br />

Christian Schubert zeigt in seinem<br />

Buch einen radikalen neuen Blick auf die<br />

Zusammenhänge von Gehirn, Psyche und<br />

Gesundheit.<br />

Was uns krank macht –<br />

was uns heilt<br />

Das Szenario ist bekannt: Grippezeit, jeder<br />

schnieft und hustet. Man hofft, heil über die<br />

Runden zu kommen. Und doch hat es einen<br />

erwischt – man war ja auch so gestresst.<br />

Und an dieser Annahme ist auch etwas dran.<br />

Wie die noch junge Disziplin der Psychoneuroimmunologie<br />

beweist: Psyche, Gehirn<br />

und Immunsystem wirken aufs engste zusammen.<br />

Unser Immunsystem steht in einer<br />

ständigen Wechselwirkung mit unseren<br />

Gedanken, unserem Verhalten, unseren Gefühlen.<br />

Neueste Studien zeigen: Chronische<br />

psychische Belastungen, z. B. Dauerstress<br />

in Beziehungen oder im Job, machen uns<br />

nicht nur anfälliger für Infektionen, sondern<br />

können unser Leben erheblich verkürzen;<br />

langfristig können sie zu schweren Leiden<br />

wie Krebs und Autoimmunkrankheiten<br />

führen.<br />

Doch wenn psychische Belastungen<br />

krank machen, dann, so Schubert, heißt das<br />

auch im Umkehrschluss, dass positive Gedanken,<br />

seelische Ausgeglichenheit, inneres<br />

Wohlbefinden Selbstheilungskräfte sind,<br />

die Krankheiten verhindern.<br />

Christian Schubert und die Mitherausgeberin<br />

Madeleine Amberger plädieren<br />

in diesem ersten populären Sachbuch zur<br />

Psychoneuroimmunologie für ein neues<br />

Denken in Medizin und Forschung, das den<br />

ganzen Menschen im Blick hat – und einen<br />

radikalen Wandel unseres Gesundheitswesens<br />

erfordert.<br />

„Die Medizin konzentriert sich ganz auf<br />

den Körper. Doch das ist nicht genug. Denn<br />

so wie die Muskeln, Sehnen und Wirbeln<br />

miteinander verbunden sind, so sind auch<br />

Körper und Seele als eine Einheit zu betrachten.<br />

Mich interessiert der Mensch als<br />

Ganzes.“ So Dr. Christian Schubert.<br />

Dr. Madeleine Amberger ist Wissenschaftsjournalistin<br />

und lebt seit 25 Jahren in<br />

New York. Sie arbeitet seit Jahrzehnten für<br />

den ORF (Dimensionen der Wissenschaft,<br />

Radiokolleg), den SRF und war auch Amerika-Korrespondentin<br />

für Profil und Kurier.<br />

Weiterbildung<br />

Gerade in der heutigen Zeit ist Weiterbildung<br />

eines der zentralen Themen. Die<br />

Wagner’sche war nicht nur als Universitätsbuchhandlung<br />

stets bemüht, das Thema<br />

Fortbildung zu forcieren. Immerhin war ihre<br />

Fachbuchabteilung über viele Jahrzehnte<br />

weit über die Tiroler Grenzen bekannt.<br />

In den Focus rückt hier das Thema<br />

Weiterbildung. Nicht nur das Buchsortiment<br />

wurde deutlich ausgebaut, sondern<br />

wir suchen engen Kontakt zu den Tiroler<br />

Bildungshäusern und der Innsbrucker Universität.<br />

Der Nutzen für unsere Kunden:<br />

Wir werden kostenlose Weiterbildungsveranstaltungen<br />

in der Wagner’schen anbieten.<br />

Wege ins Medizinstudium<br />

Es freut uns auch, dass wir für zukünftige<br />

Medizinstudenten MedAT-Info- und Vorbereitungskurse<br />

in unserem Haus anbieten<br />

werden. Gemeinsam mit dem Marktführer<br />

auf diesem Gebiet, den MedGurus, zeigen<br />

wir nicht nur den Weg ins Medizinstudium<br />

auf, sondern führen auch im April und im<br />

Mai 2-tägige MedAT-Vorbereitungskurse<br />

in der Buchhandlung durch. Die MedGurus<br />

bieten nun schon seit acht Jahren Seminare<br />

für den Medizinertest an und ihr Motto ist:<br />

„Von Studenten & Für Studenten“, nur Trainer<br />

unterrichten, welche die diversen Tests<br />

schon selbst bestanden haben.<br />

Kurse:<br />

40 41<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Infokurs:<br />

Wege ins Medizinstudium Innsbruck<br />

1-Tages-Kurs, 08.04.2016, 18 – 21 Uhr<br />

Wagner’sche Universitätsbuchhandlung<br />

MedAT-Vorbereitungskurs:<br />

1. 2-tägiger MedAT-Vorbereitungskurs<br />

Sa., 16.04.– So., 17.04.2016<br />

2. 2-tägiger MedAT-Vorbereitungskurs<br />

Sa., 30.04. – So., 01.05.2016<br />

3. 2-tägiger MedAT-Vorbereitungskurs<br />

Sa., 14.05.– So., 15.05.2016<br />

jeweils ganztags.<br />

© Treibhaus<br />

Das Wort am Montag erteilt Treibhauschef<br />

<strong>No</strong>rbert Pleifer ab nun<br />

regelmäßig denen, die auch wirklich<br />

was zu sagen haben. So gab es wahre<br />

Gesprächshighlights u.a. mit den Gästen<br />

Robert Misik, Livia Klingl, Daniel<br />

Zipfel, Gregor Gysi, Alexander van<br />

der Bellen oder Gudrun Harrer.<br />

Brisante Themen, Buchpräsentationen,<br />

gepflegte Gespräche durchaus<br />

mit einem Hauch Entertainment oder<br />

sachlich-hitzige Diskussionen, das<br />

alles konnte und kann man erleben,<br />

wenn man am Montag ins Treibhaus<br />

pilgert.<br />

Nächste Termine:<br />

21. März 2016, 20 Uhr<br />

Jutta Sommerbauer: Die Ukraine im Krieg<br />

Kremayr & Scheriau, € 22,–<br />

4. April 2016, 20 Uhr<br />

Margit Maximilian Woza Sisi: Die mutigen<br />

Frauen Afrikas – Kremayr & Scheriau, € 22,–<br />

25. April 2016, 20 Uhr<br />

Elfriede Hammerl: Von Liebe und Einsamkeit<br />

Kremayr & Scheriau, € 22,–


Mit<br />

den<br />

besten<br />

Empfehlungen:<br />

Der mit anabolen Steroiden<br />

vollgepumpte Chris erschlägt<br />

beim verkorksten Liebesspiel<br />

eine junge Frau, seine Eltern,<br />

die wohlsituierten Lanes, schieben<br />

die Schuld auf Lyndall, den<br />

Junkie-Sohn ihrer Haushälterin.<br />

Lyndall überlebt keine Nacht<br />

im Knast, hingerichtet und ausgeweidet<br />

dient er als warnende<br />

Botschaft an seinen Vater, ein<br />

Opfer mehr im Bandenkrieg von<br />

Kapstadt. Er bleibt nicht das<br />

letzte Opfer in Roger Smiths<br />

knallhartem Thriller, der furios<br />

und gekonnt ein blutiges Rachespiel<br />

entwirft, in dem Opfer<br />

zu Täter werden und Täter zu<br />

Opfern. Andreas Hauser<br />

Roger Smith:<br />

Leichtes Opfer<br />

Tropen, 334 S., € 20,50.<br />

Antihelden sind sein Ding. Und<br />

wenn einer schon Anders heißt,<br />

kann man sich drauf verlassen,<br />

dass Jonas Jonasson – nach dem<br />

Hundertjährigen und der Analphabetin<br />

– wieder eine unvergessliche<br />

Figur geschaffen hat, die eben<br />

ganz anders ist. Anders – nach<br />

zahllosen Gefängnisauf enthalten<br />

nur noch „Mörder Anders“<br />

genannt, gerät bei seiner Jobsuche<br />

an die atheistische Pfarrerin<br />

Johanna und den Rezeptionisten<br />

Per. Zusammen gründen sie eine<br />

„Körperverletzungsagentur“<br />

mit durchschlagendem Erfolg,<br />

bis Anders sich plötzlich für<br />

Gott interessiert und friedfertig<br />

werden will … Robert Renk<br />

Jonas Jonasson: Mörder Anders und<br />

seine Freunde nebst dem einen oder<br />

anderen Feind. carlsbooks, 352 S.,<br />

€ 20,60, erscheint am 7. April!<br />

Mit seinem ersten Roman begibt<br />

sich der Headwriter von Bastian<br />

Pastewka Chris Geletneky auf<br />

die Erfolgsspur seinen Spetzls<br />

Tommy Jaud (mit dem er u.a.<br />

für Ladykracher schreibt). Ein<br />

perfekter Midlifecrises-Roman,<br />

in dem Tillmann sein Spießerleben<br />

hinterfragt. Das hätte er<br />

besser nicht getan, denn prompt<br />

schlittert er in eine Affäre,<br />

die ausgerechnet an seinem<br />

10. Hochzeitstag auffliegt. Dann<br />

veröffentlicht er aus Versehen<br />

ein Video, das Tausende Beziehungen<br />

zerstört, und jetzt hasst<br />

ihn – außer seiner Frau – auch<br />

der Rest der Welt. Robert Renk<br />

Chris Geletneky:<br />

Midlife Cowboy<br />

Lübbe, 352 S., € 15,50<br />

Mischa ist ein Schauspieltalent,<br />

sucht und findet aber mit der<br />

Floristin Valerie ein unaufgeregtes<br />

Leben. Kollege Sebastian<br />

steht unter Strom und hat eine<br />

Idee: Runter von der Bühne,<br />

rein ins Leben der Kunden.<br />

M & V lassen sich davon überzeugen<br />

und turbulente Szenen<br />

von berührend über haarsträubend<br />

bis hochkomisch folgen.<br />

Erfolg stellt sich ein, aber auch<br />

Probleme. Kossdorff hat die<br />

Zügel seiner fröhlich galoppierenden<br />

Romanhelden fest im<br />

Griff und beglückt mit einem<br />

überraschenden und spannenden<br />

Finale. Markus Köhle<br />

Jan Kossdorff:<br />

Leben spielen<br />

Deuticke, 384 S., € 20,50<br />

Acht Jahre hat der schwedische<br />

Autor Steve Sem-Sandberg an<br />

„Die Erwählten“ gearbeitet und<br />

damit allen in der NS-Anstalt<br />

am Spiegelgrund Ermordeten<br />

ein Denkmal gesetzt. Der<br />

Roman besticht sowohl was die<br />

historischen Fakten, als auch<br />

was die sprachliche Umsetzung<br />

des Stoffes betrifft. Die<br />

Hauptfigur Adrian Ziegler ist<br />

an das Schicksal von Friedrich<br />

Zawrel angelehnt, die Ärzte<br />

(z. B. Dr. Gross) werden in<br />

Echtnamen genannt. Der Autor<br />

erzählt ungemein einfühlsam<br />

aus mehreren Perspektiven. Ein<br />

erschütterndes, ein wichtiges,<br />

ein gutes Buch. Markus Köhle<br />

Steve Sem-Sandberg:<br />

Die Erwählten<br />

Klett-Cotta, 525 S., € 27,70<br />

In seinem sechsten Roman<br />

lässt HP seinen Helden den<br />

Bocksberg erklimmen und das<br />

dortige Gipfelbuch vollschreiben.<br />

Wir erfahren vom wilden<br />

Heranwachsen eines legitimierten<br />

„Hurensohnes“ aus der<br />

Südtirolersiedlung, Mutproben,<br />

Bandenkriegen und Körperdrill<br />

durch Karate. Der Held wird<br />

früh mit dem Tod konfrontiert<br />

und wird auch selbst zweimal<br />

nachhelfen. Wie soll man damit<br />

umgehen? Dieses Buch liefert<br />

Diskussionsstoff und hat auch<br />

amüsante Seiten, wenn unerwartet<br />

ein gewisser Hansi Platzgumer<br />

eine Rolle spielt. Markus Köhle<br />

Hans Platzgumer:<br />

Am Rand<br />

Zsolnay, 206 S., € 20,50<br />

42<br />

Wagner’sche.<br />

Zukunft – das ist ein Wort, das<br />

Jamalee und Jason nicht kennen,<br />

von dem sie höchstens träumen,<br />

etwa, wenn sie in Häuser reicher<br />

Leute einbrechen. In einem treffen<br />

sie auf Sammy. Der kleinkriminelle<br />

Verlorene zieht bei<br />

den Geschwistern ein, wirft ein<br />

Auge auf deren Mutter Bev, das<br />

andere auf Jamalee, während der<br />

schöne Jason Geld ranschaffen<br />

soll. Doch dann wird Jason tot<br />

aufgefunden, alles gerät aus den<br />

Fugen im Hinterland Missouris,<br />

wo Kultautor Daniel Woodrell<br />

erneut eine tragische White-<br />

Trash-Ballade anstimmt.<br />

Andreas Hauser<br />

Daniel Woodrell:<br />

Tomatenrot<br />

Liebeskind, 222 S., € 20,60<br />

Emanuel Bergmanns Debüt<br />

nimmt uns mit in das Leben von<br />

Mosche und Max. Im Europa<br />

anfang des 20. Jahrhunderts reist<br />

Mosche aus Prag seiner Zukunft<br />

im Zauber-Zirkus entgegen. Fast<br />

ein ganzes Jahrhundert später<br />

sucht Max in Los Angeles nach<br />

dem großen Zauberer Zabbatini,<br />

er braucht einen Liebeszauber,<br />

der die Scheidung seiner Eltern<br />

verhindert. Vom Leben, der Tragik<br />

und Leichtigkeit so gekonnt<br />

erzählt zu bekommen, lässt<br />

den Leser nur schwer das Buch<br />

beiseite legen. Lena Kripahle<br />

Emanuel Bergmann:<br />

Der Trick<br />

Diogenes 391 S., € 22,70<br />

Die Amerikanerin Baronin<br />

Eugenia Münster und ihr Bruder<br />

reisen aus Europa nach Boston,<br />

um ihrem Geldmangel durch<br />

Heirat zu entfliehen. Henry<br />

James, dessen 100. Todestag<br />

am 28. Februar 2016 gedacht<br />

wurde, hat mit „Die Europäer“<br />

eine unterhaltsame, leichtfüßige<br />

Salonkomödie geschaffen. Die<br />

neue Übersetzung trägt den Text<br />

wunderbar und lässt einen die<br />

alles entschlüsselnden Dialoge<br />

genießen. Für James-Fans ein<br />

Muss, für Freunde von Oscar<br />

Wilde eine Entdeckung. Boris Schön<br />

Henry James:<br />

Die Europäer<br />

Manesse Verlag, 256 S., € 25,70<br />

Jacqueline ist eine Gestrandete.<br />

Heimatlos, sprachlos. Sie ist aus<br />

ihrem afrikanischen Geburtsland<br />

geflohen. Nun kämpft sie am<br />

griechischen Strand ums Überleben.<br />

Tagsüber versucht sie, nicht<br />

aufzufallen, nachts wäscht sie<br />

sich im Meer. Sie trägt nur ihre<br />

Kleidung und Erinnerungen<br />

bei sich. Über das Erlebte kann<br />

sie nicht sprechen. Eines Tages<br />

bietet ihr eine Griechin Essen an<br />

und Jacqueline beginnt zu erzählen<br />

– von Familie und Flucht.<br />

Und davon, dass Erlebnisse und<br />

Überleben oft keinen Platz für<br />

Hoffnung lassen. Robert Renk<br />

Maksik, Alexander:<br />

Die Gestrandete<br />

Verlag Droemer, 288 S., € 20,60<br />

Bei Weitem kein harmloser<br />

Roman! Eine Geschichte, die<br />

gekonnt verschiedenste Themen<br />

miteinander verschmelzen lässt:<br />

Glaube, Liebe, Tod, Krieg oder<br />

Politik. Dabei trägt Diana Rosie<br />

nicht dick auf, sie beschreibt<br />

die Geschehnisse unverblümt<br />

und ehrlich. Alberto macht sich<br />

gemeinsam mit seinem Enkel<br />

Tino auf die Suche nach seinem<br />

Geburtstag, an den sich „Apu“<br />

schlichtweg nicht erinnern kann.<br />

Diesen finden sie auch, doch gilt<br />

hier der Grundsatz: Der Weg<br />

ist das Ziel! Eine ergreifende<br />

Geschichte, die von Kapitel zu<br />

Kapitel in eine andere Zeit hüpft<br />

und nach und nach das Puzzle<br />

komplettiert. Evelyn Unterfrauner<br />

Diana Rosie:<br />

Albertos verlorener Geburtstag<br />

Knaus Verlag, 336 S., € 17,50<br />

Dieser Roman muss etwas<br />

ganz Großes werden! B. W.<br />

beschreibt die Gedanken und<br />

Erlebnisse seines Protagonisten<br />

Jules mit einer unglaublich<br />

leichten, mitreißenden und vor<br />

allem authentischen Sprache. Es<br />

geht um drei Geschwister, die<br />

verschiedener nicht sein könnten<br />

und doch eines gemeinsam<br />

haben: den Verlust der Eltern<br />

in der Kindheit. Sie versuchen,<br />

ihren eigenen Weg zu gehen,<br />

gehen lange den falschen und<br />

fragen sich unterwegs, ob er<br />

irgendwann doch zum richtigen<br />

werden könnte.<br />

Evelyn Unterfrauner<br />

Benedict Wells:<br />

Vom Ende der Einsamkeit<br />

Diogenes Verlag, 368 S., € 22,70


Krishna Mustafa reist für ein<br />

halbes Jahr in seine Heimat Türkei,<br />

um seine Identiät zu finden<br />

und seine (Ex)Freundin Laura<br />

zurückzugewinnen. Doch was<br />

ist Identität und wie findet man<br />

sie? Chaos ist vorpro grammiert,<br />

denn mit seinem mäßigen<br />

Türkisch, seinen Dreadlocks und<br />

seiner Vorliebe, alles in Frage zu<br />

stellen, stolpert Krishna Mustafa<br />

von einem Missverständnis ins<br />

andere. Selim Özdogan lässt<br />

uns das internationale Durcheinander,<br />

durch seinen treffenden<br />

und manchmal philosophischen<br />

Schreibstil, hautnah miterleben.<br />

Marija Milicevic<br />

Selim Özdogan:<br />

Wieso Heimat, ich wohne zur Miete<br />

Haymon, 248 S., € 19,90<br />

Als Baumwollpflücker, Bäcker<br />

und Cowboy schlägt sich Gales<br />

durchs Mexiko der 20er Jahre.<br />

Um jeden hart verdienten Centavo<br />

muss gefeilscht werden,<br />

für ein, zwei mehr braucht es<br />

den Streik. B. Traven wirft in<br />

den Baumwollpflückern einen<br />

schonungslosen, aber auch<br />

humorigen Blick auf den Klassenkampf<br />

des Proletariats. Was<br />

anfangs altertümelnd wirkt, wird<br />

im Laufe des Romans immer<br />

gegenwärtiger – nur wurden die<br />

Wanderarbeiter zu Leiharbeitern,<br />

auf der Suche nach Arbeit<br />

und Lohn überqueren auch heute<br />

die Menschen (ihre) Grenzen.<br />

Andreas Hauser<br />

B. Traven:<br />

Die Baumwollpflücker<br />

Diogenes, 221 S., € 12,40<br />

Peter Prange entführt uns mit<br />

seiner historischen Erzählkunst<br />

in eine andere Zeit. Paris 1229 –<br />

Robert Savetier erfüllt sich<br />

einen Traum und studiert an<br />

der ersten Universität der Welt.<br />

Doch während Robert und sein<br />

bester Freund Paul um die Liebe<br />

derselben Frau ringen, verstricken<br />

sich die beiden in Konfrontationen<br />

zwischen Glaube,<br />

Gottesfurcht, Pflicht, Freiheit<br />

und Macht. Ein sehr überwältigender<br />

und tiefsinniger Roman.<br />

Sehr lesenswert! Marija Milicevic<br />

Peter Prange:<br />

Die Rose der Welt<br />

Fischer Scherz 512 S., € 20,60<br />

Wie viel Fiktion braucht das<br />

Leben, wie viel Wirklichkeit die<br />

Literatur? Kann man sich selbst<br />

entkommen, der Geschichte<br />

der Familie, jener des eigenen<br />

Landes? Gstrein interessieren<br />

auch in seinem neuen, zwischen<br />

Palästina, Kalifornien und Österreich<br />

oszillierenden Roman<br />

um Leben und Sterben des<br />

amerikanisch-jüdischen Autors<br />

(und Lebenssuchers) John nicht<br />

Antworten, er stellt Fragen.<br />

Drängende. Stefan Gmünder<br />

<strong>No</strong>rbert Gstrein:<br />

In der freien Welt<br />

Hanser Verlag, 496 S., € 25,60<br />

Seinen ersten Toten sah<br />

Hackberry Holland, Sheriff im<br />

Niemandsland nahe der mexikanischen<br />

Grenze, im Korea-<br />

Krieg. Doch Altmeister James<br />

Lee Burke lässt ihn agieren<br />

und schießen wie einen Jungspund.<br />

Und geschossen wird<br />

viel auf der Suche nach einem<br />

verschwundenen FBI-Agenten,<br />

hinter dem Holland, das FBI,<br />

ein reaktionärer Söldnertrupp,<br />

russische Porno-Händler und<br />

südamerikanische Killer her<br />

sind. Nach „Regengötter“ der<br />

zweite Holland-Roman, ein<br />

wuchtiges Epos, voller verrückter<br />

Typen und atemberaubender<br />

Landschaften. Andreas Hauser<br />

James Lee Burke:<br />

Glut und Asche<br />

Heyne, 699 S.; € 18,50<br />

Auf den ersten Blick: ein dickes<br />

Buch mit über 600 Seiten.<br />

Aber wer über ein ganzes Dorf<br />

schreibt, braucht Platz! Juli Zeh<br />

zieht uns hinein in die Geschichten<br />

über Beziehungen, Befindlichkeiten<br />

und die Abgründe<br />

verschiedenster Interessen. Die<br />

harmlose Dorf-Idylle „Unterleuten“<br />

– eine Illusion. Die<br />

Personen packen uns und ziehen<br />

uns in ihr Leben. Der Lesende<br />

wechselt mit ihnen die Perspektive<br />

und kann sich dann spiegelnd<br />

selbst befragen, zu den<br />

Themen des Zusammen-, oder<br />

auch Allein-Lebens. Ute Faserl<br />

Juli Zeh:<br />

Unterleuten<br />

Luchterhand, 640 S., € 25,70<br />

Eine Frau; ein uneheliches Kind;<br />

die Weigerung, den Vater zu<br />

nennen; ein rotes A als Schandmal;<br />

ein nach Rache dürstender<br />

Ehemann; ein an seiner Schuld<br />

zerbrechender Priester; die<br />

1640er-Jahre; der Druck der<br />

Dorfgemeinschaft – Ingredienzien<br />

eines Klassikers der US-Literatur.<br />

Nathaniel Hawthorne lässt<br />

– frisch ins Deutsche übertragen<br />

– die Männer scheitern an ihrem<br />

Tun, Hester Prynne aber erstarkt<br />

an ihrer Ausgrenzung, an der<br />

Selbstverliebtheit der anderen,<br />

am puritanischen Fanatismus.<br />

Schnee von gestern? Angesichts<br />

der (g)eifernden Tea-Party wohl<br />

kaum. Andreas Hauser<br />

Nathaniel Hawthorne:<br />

Der scharlachrote Buchstabe<br />

dtv, 488 S., € 28,70<br />

Filiz wächst in einem Dorf in<br />

der Türkei auf. Der „Blauschmuck“,<br />

die Blutergüsse, die die Frauen<br />

tragen, zeugt von der Macht der<br />

Männer. Filiz lernt Yunus kennen<br />

und heiratet ihn. Die große<br />

Liebe wird zum Alptraum. Ihr<br />

Mann misshandelt sie. Die Spirale<br />

der Gewalt dreht sich auch<br />

weiter, als die Familie nach<br />

Österreich kommt. „Blauschmuck“,<br />

der Debütroman der Österreicherin<br />

Katharina Winkler, treibt<br />

einen durch eine Welt voller<br />

Brutalität. Trotzdem kann man<br />

ihn nicht aus der Hand legen.<br />

Denn Katharina Winkler beschreibt<br />

diese Welt mit einer<br />

ungeheuer präzisen Sprache. Ein<br />

grandioses Debüt. Susanne Gurschler<br />

Katharina Winkler:<br />

Blauschmuck<br />

Suhrkamp, 196 S., € 19,50<br />

Mit seinem neuen Buch plädiert<br />

der Bestseller Autor für einen<br />

bewussten, reduzierten und<br />

genussfreudigen Umgang mit<br />

tierischen Produkten. Grimm<br />

kritisiert die Lügen der Tierindustrie<br />

und ihrer politischen<br />

Unterstützer. Dieses Buch<br />

öffnet dem Leser die Augen<br />

und zeigt ganz deutlich, wie<br />

uns übermäßiger Fleischgenuss<br />

krank machen kann und welche<br />

ökologischen Folgen sich daraus<br />

ergeben. Kritisch, sachlich und<br />

sehr gut recherchiert! Marlene Walder<br />

Hans-Ulrich Grimm:<br />

Die Fleischlüge<br />

Droemer Verlag, 336 S., € 18,50<br />

Im dritten Fall des von Privatermittler<br />

Cormoran Strike und<br />

seiner Assistentin Robin Ellacott<br />

wird’s persönlich. Robin erhält<br />

ein mysteriöses Paket, darin ein<br />

abgetrenntes Frauenbein. Strike<br />

fallen vier Personen ein, denen<br />

er eine solche Tat zutraut, und<br />

er weiß, jede von ihnen ist zu<br />

unaussprechlicher Grausamkeit<br />

fähig. Weitere erschreckende<br />

Vorfälle in London bringen das<br />

Ermittlerduo selbst in Bedrängnis.<br />

Unter dem Pseudonym Robert<br />

Galbraith schreibt niemand<br />

geringerer als J.K. Rowling, die<br />

sich hier als legitim gezeugte<br />

Tochter von Sir Arthur Conan<br />

Doyle und Agatha Christie<br />

präsentiert. Robert Renk<br />

Robert Galbraith:<br />

Die Ernte des Bösen<br />

Blanvalet, 672 S., € 23,70<br />

Ein berührendes Familienopus<br />

aus <strong>No</strong>rwegen, das Edvard,<br />

der bei seinem wortkargen<br />

Großvater in Gudbrandsdalen<br />

aufwächst, auf eine Reise<br />

durch fremde Länder und zu<br />

den Wurzeln seiner Geschichte<br />

führt. Denn Edvards Eltern sind<br />

früh ums Leben gekommen.<br />

Um ihren Tod und den Ort des<br />

Geschehens wird ein großes<br />

Geheimnis gemacht. Vielleicht<br />

kann der Bruder des Großvaters<br />

helfen, der seine Werkstatt mitsamt<br />

einem Wald voller Flammenbirken<br />

zurückließ und der<br />

dem Großvater einen kunstvoll<br />

geschnitzten Sarg liefern ließ –<br />

zu Lebzeiten … Robert Renk<br />

Lars Mytting:<br />

Die Birken wissen’s noch<br />

Insel, 516 S., € 25,70<br />

Eine junge Frau zieht aufgrund<br />

ihres Berufes weit weg. Die heute<br />

gewöhnliche Situation schildert<br />

Friederike Gösweiner in ihrem<br />

Debüt „Trau rige Freiheit“.<br />

„Dann hat das wohl keinen Sinn<br />

mehr“, sagt Hannah, der die personale<br />

Erzählung ganz nah folgt.<br />

Sie meint konkret das Leben mit<br />

Jakob. Den Hintergrund bilden<br />

aktuelle Zustände, die gängige<br />

Diskurse gegeneinander ausspielen<br />

und in die Enge treiben. Der<br />

Roman verdichtet dies in wohltuend<br />

unpathetischer Gestaltung.<br />

Ein Sprachkunstwerk, das das<br />

Lebensgefühl einer Generation<br />

im Wechsel von Hoffnungen<br />

und Abgrundängsten vermittelt.<br />

Klaus Zeyringer<br />

Friederike Gösweiner:<br />

Traurige Freiheit<br />

Droschl, 144 S., € 18,–<br />

Eve Chase legt hier einen faszinierenden<br />

Familienroman vor,<br />

der sich um ein altes Haus rankt:<br />

Black Rabbit Hall. Dort vergeht<br />

die Zeit anders. Die idyllische<br />

Zeit der Familie Alton wird<br />

1968 jäh durch eine Tragödie<br />

zerrissen. Jahrzehnte später<br />

fahren Lorna Smith und ihr Verlobter<br />

Jon auf der Suche nach<br />

einem Ort für ihre Hochzeitsfeier<br />

durch die wilde Landschaft<br />

Cornwalls – und stoßen auf ein<br />

altes, leicht verfallenes, aber<br />

wunderschönes Haus. Ein Haus,<br />

das Lorna nach und nach seine<br />

Geschichten und Geheimnisse<br />

verrät … Simone Winter<br />

Eve Chase:<br />

Black Rabbit Hall<br />

blanvalet, 412 S., € 20,60<br />

Da steht es plötzlich. Das kleine<br />

Mädchen Yiza, von dem man<br />

nichts weiß. Auch nicht, ob sie<br />

Yiza heißt. Sie versteht kein<br />

Wort, doch wenn jemand<br />

„Polizei“ sagt, schreit sie. Woher<br />

sie kommt? Sie weiß es nicht.<br />

Getrieben von Hunger und Kälte<br />

bricht sie mit zwei Jungs in<br />

Häuser ein. Dann, hochfiebrig,<br />

wird ihr von einer Frau geholfen.<br />

Die Hilfe wird zur Gefangenschaft,<br />

das scheinbar Gute kehrt<br />

sich um und endet blutig. Mit<br />

traumwandlerischer Stilsicherheit<br />

malt Köhlmeier ein tristes<br />

modernes karges Märchen an<br />

die Innenwand unseres Gewissens,<br />

beeindruckend. Robert Renk<br />

Michael Köhlmeier:<br />

Das Mädchen mit dem Fingerhut<br />

Hanser, 144 S., € 19,50<br />

Ein Schwedenthriller bester<br />

Machart und tiefster Abgründe.<br />

Die Opfer: Kinder. Verdächtig:<br />

eine rassistische Sekte. Der<br />

Fall: zu einfach. Das empfinden<br />

zumindest Olivia Rönning, eine<br />

junge ehrgeizige Polizistin, und<br />

Tom Stilton, ein einst berühmter<br />

Kommissar. Sie sind aus jeweils<br />

ganz persönlichen Gründen an<br />

der Aufklärung dieser Verbrechen<br />

interessiert und kommen<br />

in ihrem dritten Fall einer<br />

Geschichte auf die Spur, wie<br />

sie verquerer und abscheulicher<br />

nicht sein könnte … Robert Renk<br />

Cilla & Rolf Börjlind:<br />

Die Strömung<br />

btb, 528 S., € 20,60<br />

Juan-les-Pins im wunderschönen<br />

Südfrankreich und jede<br />

Menge literarisches Personal,<br />

allen voran F. Scott Fitzgerald,<br />

am Höhepunkt seines Erfolgs,<br />

nach Erscheinen von „Der große<br />

Gatsby“. Dort, an der Côte<br />

d’Azur, wo seine Freunde das<br />

Leben auf einem riesigen Anwesen<br />

genießen, mit Kostüm- und<br />

Cocktailpartys, treffen sich viele<br />

Künstler. Pablo Picasso ebenso<br />

wie Dorothy Parker. Dann<br />

taucht einer auf, dem plötzlich<br />

alle Aufmerksamkeit gilt: Ernest<br />

Hemingway. Das passt Fitzgerald<br />

gar nicht … Robert Renk<br />

Emily Walton:<br />

Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald<br />

beinahe einen Kellner zersägte<br />

braumüller, 168 S., € 19,90


Seit vierzehn Jahren arbeitet<br />

Letty von morgens bis abends,<br />

während ihre zwei Kinder von<br />

ihrer Mutter erzogen werden.<br />

Als Lettys Eltern nach Mexiko<br />

zurückkehren, muss sie zum<br />

ersten Mal ihren Mutterpflichten<br />

nachgehen und Verantwortung<br />

übernehmen. Panisch versucht<br />

sie sich dem Ganzen zu entziehen,<br />

doch einen Autounfall, eine<br />

ungewöhnliche Begegnung und<br />

einen Krankenhausaufenthalt<br />

später bekommt sie die Möglichkeit,<br />

denen, die sie liebt, ein<br />

schöneres Leben zu bieten. Doch<br />

kann Letty ihre Ängste überwinden<br />

und ihre zweite Chance<br />

nutzen? Robert Renk<br />

Vanessa Diffenbaugh:<br />

Weil wir Flügel haben<br />

Limes, 416 S., € 20,60<br />

erscheint am 5. Mai 2016!<br />

Das Buch zur Zeit. In wissendem<br />

Plauderton und an Hand<br />

exquisiter Beispiele zeigt Franz<br />

Alt: Die Geschichte der Mensch -<br />

heit ist eine Flüchtlingsgeschichte.<br />

Flüchtlinge bereichern<br />

uns kulturell und spirituell. Schon<br />

vor 2.000 Jahren überlebte ein<br />

Flüchtling aus Nazareth nur,<br />

weil seine Eltern mit ihm nach<br />

Ägypten geflohen sind. Flüchtlingsgeschichten<br />

wie diese, die<br />

des Dalai Lama oder wie die<br />

von Applegründer Steve Jobs,<br />

dessen Vater aus Homs in Syrien<br />

stammt, fertigen charmant einen<br />

Appell für internationale Solidarität<br />

statt nationalistischer<br />

Interessen. Simone Winter<br />

Franz Alt:<br />

Flüchtling – Jesus, der Dalai Lama<br />

und andere Vertriebene<br />

Gütersloher Verlagshaus, 176 S., € 12,40<br />

Vor Kurzem erschien die erste<br />

Gesamtausgabe von Hannah<br />

Arendts Gedichten. Gerade<br />

in ihrem Spätwerk kann man<br />

dabei ein Echo der Emigration<br />

in Zeilen wie: „Wohl dem, der<br />

keine Heimat hat; er sieht sie<br />

noch im Traum“ (S. 37), lesen.<br />

Mit diesem Band wird bewusst,<br />

welchen Stellenwert die Dichtung<br />

im Leben der Philosophin<br />

gespielt hat. Wie sie selbst Mitte<br />

der 50er-Jahre in ihr Denktagebuch<br />

schrieb, muss man zeilenweise<br />

feststellen: „Nur von den<br />

Dichtern erwarten wir Wahrheit,<br />

nicht von den Philosophen, von<br />

denen wir Gedachtes erwarten.“<br />

Siljarosa Schletterer<br />

Hannah Arendt:<br />

Ich selbst, auch ich tanze<br />

Piper Verlag, 160 S., € 20,60<br />

Durch die Öffnung Richtung<br />

Westen rückt der Iran wieder<br />

in den Fokus der Weltpolitik. In<br />

den Medien werden vor allem<br />

dessen Atompolitik und die oft<br />

radikalen geistlichen Führer<br />

behandelt. Die Deutsch-Iranerin<br />

Bita Schafi-Neya stellt in diesem<br />

Buch mit viel Einfühlungsvermögen<br />

ihr zweites Heimatland<br />

vor und zeichnet ein sehr<br />

persönliches Bild dieses Landes.<br />

Natürlich geht sie auf den neuen<br />

Präsidenten Rohani ein, gewährt<br />

uns vor allem aber einen Einblick<br />

auf das Privatleben junger<br />

Iraner, die selbstbewusster denn<br />

je sind. Markus Renk<br />

Bita Schafi-Neya:<br />

Mögen deine Augen leuchten –<br />

Meine Reise durch den Iran<br />

Braumüller, 174 S., € 21,90<br />

Gekonnt schlüpft Jaroslav<br />

Rudis in Kopf und Körper<br />

des Schlägers Vandam. Einst<br />

Vorstadt-Held der Revolution<br />

1989, später einer der vielen<br />

Verlierer. Wegen Gewaltexzessen<br />

aus dem Polizeidienst<br />

entfernt, prügelt er sich ständig<br />

und hebt im Fußballstadion<br />

regelmäßig die rechte Hand zum<br />

Hitlergruß. „Ich bin ein Römer.<br />

Kein Nazi. (…) Heil dem Volk!<br />

Heil Europa! Neger raus. Zigos<br />

raus. Sozialschmarotzer raus.<br />

Schwuchteln raus. Böhmen den<br />

Tschechen.“ Rudiš’ Buch gleicht<br />

einem Schlag in die Magengrube<br />

– und basiert auf einer realen<br />

Figur. Robert Renk<br />

Jaroslav Rudiš:<br />

Nationalstraße<br />

Luchterhand 160 S., € 15,50<br />

Eine Entdeckung, nicht nur für<br />

mich. Auch für die sympathische<br />

Autorin Vea Kaiser, die uns in<br />

der Wagner’schen besuchte, das<br />

Buch mitnahm und ins Schwärmen<br />

geriet (www.veakaiser.de/<br />

blog/meisterwerk-aus-chinayan-lianke-lenins-kuesse).<br />

Yan Lianke gehört zu den wichtigsten<br />

Autoren Chinas. Viel<br />

gelesen, preisgekrönt, verfilmt –<br />

und oft verboten. Schon sein<br />

erstes Buch fiel durch, weil er,<br />

so das Urteil, die Armee verunglimpfe.<br />

Den Segen des Zensors<br />

erhielt dagegen 2004 „Shouhuo“,<br />

das jetzt auf Deutsch als „Lenins<br />

Küsse“ erschienen ist. Schön und<br />

erstaunlich … Robert Renk<br />

Yan Lianke:<br />

Lenins Küsse<br />

Eichborn, 656 S., € 25,50<br />

Der wie Paul Celan aus Czernowitz<br />

in Galizien stammende<br />

Dichter Itzik Manger hatte<br />

einen wunderbaren Traum:<br />

Er wollte die poetische Stimme<br />

des Jiddischland werden, eines<br />

Landes ohne Grenzen, über alle<br />

Kontinente verteilt. Manger<br />

überlebte wie durch ein Wunder<br />

die Verfolgungen der Nazis, sein<br />

Traum überlebte nicht. Jetzt gibt<br />

es Mangers Gedichte endlich<br />

in einer geglückten Übersetzung<br />

von Efrat Gal-Ed zu lesen.<br />

Michael Krüger<br />

Itzik Manger:<br />

Dunkelgold – Gedichte.<br />

Jiddisch und deutsch<br />

Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag<br />

432 S., € 30,80<br />

Mit diesem wunderschönen<br />

Kochbuch öffnet sich eine<br />

Welt wie aus Tausendundeiner<br />

Nacht – voller Düfte und Aromen.<br />

Trügerisch einfach bezaubern<br />

diese Gerichte mit ihrem<br />

Geschmacksreichtum und sind<br />

dabei auch für Koch-Anfänger<br />

gut zu meistern. Dieses Buch<br />

wird Ihre Küche schnell in einen<br />

duftenden Suq verwandeln. Die<br />

orientalische Küche verzaubert<br />

alle Sinne: man verbindet<br />

sie mit dem Geschmack von<br />

sirupgetränkten Gebäcken, dem<br />

Geruch von mit Safran gewürzten<br />

Speisen und den Bildern<br />

von rubinroten Granatäpfeln.<br />

Einfach lecker! Markus Renk<br />

Verführerische Orientalische Küche<br />

Parragon 244 S., € 9,99<br />

(erscheint im Juli 2016)<br />

Diese Gedichte sind so vertraut<br />

mieselsüchtig-misanthrop,<br />

ungewohnt politisch unkorrekt<br />

und doch immer sympathisch<br />

g’scheit, dass einem die Augen<br />

feucht werden und die Kehle<br />

nach Flutung fordert. Wären<br />

diese Texte Bier, ich wollte<br />

mehr davon. „das wird über<br />

mich schon was sagen, das<br />

alles.“ Schmitzer hat einen eigenen<br />

Ton: kämpferisch, direkt<br />

und unbequem – garstig, zwider,<br />

widerborstig und ungekünstelt<br />

poetisch. Ein Dichter, kein<br />

Kreativer! Und ein Verlag, der<br />

für seine Arbeit Anerkennung<br />

verdient. Markus Köhle<br />

Stefan Schmitzer:<br />

denunziationen. haltlose gedichte<br />

hochroth, 48 S., € 8,-<br />

„Selbstporträt mit Bienenschwarm“<br />

versammelt ausgewählte<br />

Lyrik von Jan Wagner.<br />

Die Gedichte des Leipziger<br />

Buchpreisträgers 2015 eröffnen<br />

innerhalb einer erstaunlichen<br />

Sprach- und Bilderwelt Faszinierendes<br />

aus Flora und Fauna,<br />

Reiseimpressionen und Reflexionen<br />

historischer Ereignisse.<br />

Es präsentiert sich ein Dichter<br />

und Entdecker. Gabi Wild<br />

Jan Wagner:<br />

Selbstporträt mit Bienenschwarm<br />

Hanser Berlin Verlag, 256 S., € 20,50<br />

Die letzten beiden Publikationen<br />

des Leipziger Lyrikers Thomas<br />

Kunst laden einen zum Hochgenuss<br />

ein. Auch wenn „Freie<br />

Folge“ dem Stempel Roman<br />

nicht gerecht wird, entfaltet<br />

sich eine komplexe, ästhetische<br />

lyrische Prosa, die weder mit<br />

Witz noch Wiederholung geizt.<br />

„Kunst. Gedichte 1984 – 2014“<br />

vereint die schönsten Gedichte<br />

aus 30 Jahren und lässt den<br />

Leser in das formal knappe<br />

(Langgedichte und Sonette),<br />

doch sprachlich unendliche<br />

Spektrum von Kunsts Lyrik<br />

eintauchen. Boris Schön<br />

Thomas Kunst:<br />

Freie Folge<br />

Jung und Jung Verlag, 256 S., € 24,-<br />

Kunst. Gedichte 1984 – 2014<br />

Ed. Azur, 130 S., € 20,60<br />

Einfühlsam und herrlich ironisch<br />

erzählt William Boyd in<br />

„Die Fotografin“ die Geschichte<br />

von Amory Clay und jene des<br />

20. Jahrhunderts gleichermaßen.<br />

Meisterhaft verwebt er<br />

dabei Fiktion und Realität und<br />

lässt vergessen, dass es Amory<br />

Clay nie gegeben hat: Wir<br />

tauchen mit ihr ein ins Berlin<br />

der Dreißigerjahre, erleben das<br />

Paris der Besatzungszeit und<br />

später Vietnam im Krieg. Boyd<br />

liefert keine fotografischen<br />

Momentaufnahmen, sondern<br />

ein vielschichtiges Porträt einer<br />

außergewöhnlichen Frau und<br />

„ihrer“ Epoche. Lesenswert!<br />

Christina Kindl-Eisank<br />

William Boyd:<br />

Die Fotografin<br />

Berlin Verlag, 560 S., € 24,70<br />

“Döner, Donner, Donnerschlag.<br />

Donner, Dürüm, Donnerstag.<br />

Kopfschmerzschlag, Donnerkopf,<br />

pack den Tag am Wochenschopf<br />

…“. Jetzt gibt’s was auf<br />

die Ohren. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 Tage<br />

hat die Woche. Wortgewaltig hören<br />

wir Dichtung und Gedanken.<br />

Von Montag bis Sonntag, Skurriles,<br />

Famoses, Neues und noch<br />

viel mehr. Eine Komposition,<br />

für die man sich Zeit nehmen<br />

muss. Musikalische Begleitung<br />

bekommen Ursula Timea Rossel<br />

und Markus Köhle von Fransen<br />

Musik, ein Duo bestehend aus<br />

Hannes Sprenger und Klex<br />

Wolf. Lena Kripahle<br />

Ursula Timea Rossel, Markus Köhle<br />

und Fransen Musik:<br />

Die Siebentagewoche, ein literarischmusikalisches<br />

Instantprojekt<br />

ATS Records, 67 min., € 13,-<br />

D. E. erzählt die Geschichte von<br />

zwei 15-jährigen Mädchen im<br />

Iran Ende der islamischen Revolution.<br />

Farrin, gewohnt, sich<br />

unauffällig zu benehmen, und<br />

Sadira, ein witziges, herzliches,<br />

hilfsbereites Mädchen, verlieben<br />

sich ineinander; sie ahnen nicht,<br />

dass ihnen diese tiefe Zuneigung<br />

zum Verhängnis wird. Die Autorin,<br />

selbst eine lesbische Frau,<br />

gibt uns in klarer Sprache und<br />

zügigem Erzählstil Einblick in<br />

ein Land im Kriegszustand und<br />

in eine andere Kultur. Dass diese<br />

Geschichte auf einer wahren<br />

Begebenheit beruht, ist tragisch,<br />

traurig und regt zum Nachdenken<br />

an. Silvia Spiegl<br />

Deborah Ellis:<br />

Wenn der Mond am Himmel steht,<br />

denk ich an dich<br />

Cbj 2015, 256 S., € 15,50<br />

Empfohlen ab 14 Jahren.<br />

Bekanntlich ist der Rezensent<br />

Dichter im wörtlichsten Sinn.<br />

Er verdichtet hunderte Seiten zu<br />

einer und bringt diese im Idealfall<br />

zum Klingen. HeSchö ist so<br />

ein Idealfall und er ist auch ein<br />

Spezialfall. 900 Rezensionen<br />

in fünf Jahren. Jede davon in unverwechselbarem<br />

Stil, originell,<br />

respektvoll, aber nicht ehrfürchtig.<br />

Kundig und mit Blick auf<br />

die Lesenden. HeSchö ist ein<br />

literarischer Vorkoster, auf den<br />

Verlass ist, ihm entgeht nichts,<br />

er verdaut alles und bringt es<br />

zielsicher auf den Punkt.<br />

Markus Köhle<br />

Helmuth Schönauer:<br />

Tagebuch eines Bibliothekars<br />

(Bd. II, 1999 – 2003)<br />

Sisyphus Verlag, 988 S., € 49,90<br />

Der spanische Bürgerkrieg aus<br />

zwei Blickwinkeln beschrieben:<br />

Einmal aus der Sicht der jugendlichen<br />

Mutter als Erzählerin, die<br />

fast alles vergessen hat, außer<br />

den Sommer 1936, in dem sie<br />

ihrem Bruder nach Barcelona,<br />

der Hauptstadt der Revolution,<br />

folgte und in dieser Aufbruchstimmung<br />

eine kurze leidenschaftliche<br />

Liebe erlebte; und<br />

mit den Augen von George<br />

Bernanos (1888 – 1949), dem<br />

katholischen französischen<br />

Schriftsteller, der die Kirche und<br />

die Falangisten scharf kritisierte.<br />

Gabi Unterberger<br />

Lydie Salvayre:<br />

Weine nicht<br />

Blessing, 256 S., € 20,60


Im Garten,<br />

im Topf<br />

am Tisch.<br />

7 grüne Ideen für<br />

Garten & Küche:<br />

Eins, zwei<br />

Dreiecksgeschichten.<br />

7 literarisch-amouröse<br />

Verstiegenheiten<br />

Welt,<br />

Europa,<br />

Österreich.<br />

7 Tipps aus der<br />

ORF-Bestenliste:<br />

3×7<br />

Best<br />

aber<br />

Seller:<br />

48<br />

Wagner’sche.<br />

1<br />

2<br />

Hayas<br />

3<br />

Komm<br />

4<br />

Handbuch<br />

5<br />

Die<br />

6<br />

Der<br />

7<br />

Dumaines<br />

Fermentieren – Gemüse einfach<br />

und natürlich haltbar machen<br />

Shockey/Shockey<br />

Löwenzahn € 29,90<br />

Küche<br />

Haya Molcho<br />

Südwest € 29,99<br />

du mir nach Hause – Das<br />

Kochbuch für die perfekte Ehefrau<br />

Lotta Lundgren<br />

Umschau € 41,20<br />

Bio-Balkongarten<br />

Andrea Heistinger<br />

Löwenzahn € 29,90<br />

grüne Küche auf Reisen<br />

Frenkiel/Vindahl<br />

Knesebeck € 36,–<br />

unwiderstehliche Garten<br />

Barbara Frischmuth<br />

aufbau € 24,90<br />

Wilde Gemüseküche<br />

Dumaine/Wojtko<br />

AT Verlag € 27,70<br />

1<br />

2<br />

Léon<br />

3<br />

Euphoria<br />

4<br />

Der<br />

5<br />

Am<br />

6<br />

Darüber<br />

7<br />

Der<br />

Das Polykrates-Syndrom<br />

Antonio Fian<br />

Droschl € 19,–<br />

und Louise<br />

Alex Capus<br />

dtv € 10,20<br />

Lily King<br />

C.H.Beck € 20,60<br />

Liebhaber meines Mannes<br />

Bethan Roberts<br />

Kunstmann € 20,60<br />

Hang<br />

Markus Werner<br />

FischerTB € 8,20<br />

reden<br />

Julian Barnes<br />

Kiepenheuer & Witsch € 23,70<br />

Argentinier<br />

Klaus Merz<br />

Haymon € 16,90<br />

1<br />

2<br />

Kommt<br />

3<br />

In<br />

4<br />

stromern<br />

5<br />

Der<br />

6<br />

Unterleuten<br />

7<br />

Fleurs<br />

Am Rand<br />

Hans Platzgumer<br />

Zsolnay € 20,50<br />

ein Pferd in die Bar<br />

David Grossmann<br />

Hanser € 20,50<br />

der freien Welt<br />

<strong>No</strong>rbert Gstrein<br />

Hanser € 25,60<br />

Christoph W. Bauer<br />

Haymon € 17,90<br />

Trost des Nachthimmels<br />

Dzevad Karahasan<br />

Suhrkamp € 27,80<br />

Julie Zeh<br />

Luchterhand € 25,70<br />

Friederike Mayröcker<br />

Suhrkamp € 23,60


Juffing Hotel & Spa S<br />

Poesie im Spa-Bereich – Sie beginnen in der ersten Etage vor<br />

der Zimmertüre des Zimmers 106, lesen bis zum Gangende,<br />

drehen sich um und gehen den Gang zurück. Von Robert Renk<br />

Juffing<br />

Hotel & Spa S :<br />

Fam. Juffinger-Konzett<br />

Hinterthiersee Nr. 79<br />

A-6335 Thiersee<br />

Österreich<br />

T. + 43 5376 5585 0<br />

F. + 43 5376 5585 300<br />

info@juffing.at<br />

www.juffing.at<br />

Literatur am<br />

Kirchturm,<br />

nächste Lesungen:<br />

Di., 12.04.2016 um 21 Uhr,<br />

Barbara FRISCHMUTH<br />

Di, 10.05.2016 um 21 Uhr,<br />

Robert SEETHALER<br />

Di, 7. Juni um 21 Uhr,<br />

Maja HADERLAP<br />

© Spa-Hotel Juffing<br />

So steht’s am Teppich. Das Spa-Hotel<br />

Juffing in Hinterthiersee ist poesiedurchflutet.<br />

Nicht nur auf Grund einer sagenhaften<br />

Bibliothek, die sich vom Spa-Bereich über<br />

den Eingangsbereich bis in die – thematisch<br />

bestückten – Zimmer zieht, nein, es beginnt<br />

eben schon am Gangteppich mit Poesie.<br />

Dann gehen Sie weiter zu Zimmer 102<br />

und beginnen dort mit dem Lesen bis zum<br />

Ende des Ganges, drehen sich um und gehen<br />

in die zweite Etage.<br />

Zu lesen dort, eingedruckt in den kompletten<br />

Gangteppich des Haupthauses: Textstellen<br />

aus dem Gedichtzyklus „Hotels“ von<br />

Raoul Schrott. Man könnte also eine ganze<br />

Woche nur zum Lesen kommen. Doch das<br />

Juffing hat mehr zu bieten. Einen wunderbaren<br />

Spa-Bereich, der alle Stückerln spielt,<br />

u.a. eine Finnische Sauna, Infrarotkabine,<br />

Sole-Dampfbad, Tepidarium, Rasulbad,<br />

Swimmingpool mit ganzjährig beheiztem<br />

Außenpool und vor allem die vielen Angebote<br />

zu diversen Massagen, Peelings und<br />

Kosmetikextras.<br />

Mit 4 Sternen und einem S geschmückt<br />

ist das hauseigene Magazin. In dem steht<br />

zu lesen: Spa verstehen wir als Liebe zu<br />

sich selbst, man gönnt dem Körper eine<br />

Ruhephase, man schaut auf sich und in sich<br />

und man wird wieder eins mit sich selbst.<br />

Und schaut man nicht selbst auf sich, dann<br />

machen dies eben die Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter, kümmern sich um Termine im<br />

Spa, beim Yoga oder Schneeschuhwandern,<br />

um den richtigen Drink nach dem 5-gängigen<br />

Menü oder auch die richtige Lektüre zum<br />

Relaxen.<br />

Einmal im Monat überrascht die Wirtsfamilie<br />

Juffinger-Konzett mit Lesun gen und<br />

holt seit drei Jahren schon die erste Riege<br />

der deutschsprachigen Literatur nach Hinterthiersee.<br />

Michael Köhlmeier, Christoph<br />

Ransmayr oder Vea Kaiser geben sich hier<br />

die Klinke in die Hand.<br />

Liebe Frau Juffinger-Konzett:<br />

Wie kamen Sie auf die auf die<br />

Idee, Lesungen zu organisieren?<br />

Wir veranstalteten seit Bestehen ein wöchentliches<br />

Gala-Dinner mit Zithermusik. Dieses<br />

Gala-Dinner war gefühlsmäßig nicht mehr<br />

der Zeit entsprechend. Es war klar, dass wir<br />

etwas Neues anbieten müssen und nicht<br />

ersatzlos streichen dürfen. Aus persönlichem<br />

Interesse entwickelten wir dann die Idee mit<br />

der Bibliothek und den Lesungen. Die Frage<br />

war dabei, wie viel Eigensinn im Unternehmen<br />

mitschwingen darf, oder anders gesagt:<br />

will der Gast das überhaupt? Im Laufe der<br />

ersten Lesungen fragten wir uns außerdem,<br />

was den Unterschied zum obligatorischen<br />

Tanzabend aus der Kindheit ausmacht. Wie<br />

viel Kommerz steckt in unserer Literaturentscheidung<br />

und verzeiht das Unternehmen<br />

den <strong>No</strong>n-Profit bzw. die Nicht-Instrumentalisierung<br />

von Literatur? Ein Zwischenresumée<br />

nach drei Jahren Lesung könnte sein:<br />

Das Hotel bekam durch die Literatur eine<br />

andere Schwingung und Farbe – von zartrosa<br />

himmelblau bis zornesrot und rabenschwarz.<br />

Ob das ein Wellnesshotel aushalten muss<br />

oder kann, ist die zentrale Frage.<br />

Wann kommen Sie selbst<br />

zum Lesen?<br />

In jeder freien Minute und die Minuten<br />

werden länger, weil die Kinder größer sind.<br />

Ich bin Fernsehverweigerin und habe immer<br />

mehrere Bücher um mich herum – für<br />

späte Stunden Kurzgeschichten (Ransmayr,<br />

„Atlas eines ängstlichen Mannes“), zum<br />

Einschlafen Lyrik (derzeit „stromern“ von<br />

C.W.Bauer) und wenn ich wirklich Zeit<br />

habe schöne, dicke Bücher, z. B. Thomas<br />

Mann. Der fragt in seinem Zauberberg<br />

„Warum weinen Sie denn, Sie Vergnügungsreisender?“<br />

und in Richtung Juffing: „Hier<br />

herrscht das Vergessen selbst, der selige<br />

Stillstand, die Unschuld der Zeitlosig -<br />

keit: es war die Liederlichkeit mit bestem<br />

Gewissen …“ Wenn man Zeit und Stress<br />

ein Schnippchen schlagen will, dann mache<br />

man sich auf zum Zauberberg nach Hinterthiersee<br />

…<br />

50<br />

Wagner’sche.<br />

Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe<br />

Christoph W. Bauer, geb. 1968 in Kolbnitz,<br />

aufgewachsen in Lienz, Innsbruck und<br />

Kirchberg, lebt derzeit als freier Schriftsteller<br />

in Innsbruck. Lehraufträge an der Universität<br />

Innsbruck, 2013 Poetik-Vorlesung<br />

an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt,<br />

2015/2016 Lehrauftrag am Institut für<br />

Sprachkunst Wien. Sein aktueller Gedichtband<br />

stromern (Haymon) ist seit Monaten<br />

unter den Top 4 der ORF-Bestenliste.<br />

Ute Faserl, Buchhändlerin, kam vor guten<br />

30 Jahren aus dem „Badischen“ nach<br />

Tirol … und in die Wagner’sche. Nach<br />

längerer Familienpause kam sie wieder und<br />

ist immer noch da.<br />

Stefan Gmünder, 1965 in Bern geboren,<br />

lebt seit 22 Jahren in Wien. Seit 1998 bei<br />

Der Standard für die Literatur zuständig.<br />

Seit 2014 Jurymitglied beim Ingeborg-<br />

Bachmann-Preis.<br />

Susanne Gurschler, freie Journalistin und<br />

Autorin, lebt in Innsbruck. Soeben erschien<br />

im Kölner Emons Verlag ihr Buch „111 Orte<br />

in Tirol, die man gesehen haben muss“.<br />

Weitere Infos unter: www.susannegurschler.at<br />

Markus Hatzer, geb. 1966 in Prägraten<br />

(Osttirol), seit 1981 Buchhändler, Verleger<br />

des Haymon Verlags, des Löwenzahn<br />

und Studienverlags und des Universitätsverlags<br />

Wagner. 2015 als Partner bei der<br />

Wagner’schen Universitätsbuchhandlung<br />

eingestiegen.<br />

Andreas Hauser, erbte die Liebe zur<br />

Kriminalliteratur von seinem Vater, schrieb<br />

lang im Tiroler Magazin ECHO Beiträge zu<br />

Wissenschaft und Zeitgeschichte, Empfehlungen<br />

von Krimis, Thrillern und Literatur.<br />

Seit 2015 Mitarbeiter und CP-Redakteur der<br />

KULTIG Werbeagentur in Innsbruck.<br />

Irene Heisz, ist freie Journalistin, Autorin<br />

und Moderatorin und lebt mit ihrer Familie<br />

in der Nähe von Innsbruck.<br />

Gracia Kasenbacher-Harar, Choreografin<br />

und Tanzpädagogin, geboren in Utrecht,<br />

wohnt in Innsbruck und betreut seit Oktober<br />

2015 die Schaufenster in der Wagner’schen.<br />

Christina Kindl-Eisank, studierte Germanistik,<br />

Anglistik und Kommunikationswissenschaft<br />

in Salzburg. Sie war im Stefan<br />

Zweig Centre Salzburg und beim Ecowin<br />

Verlag tätig. Seit 2014 ist sie Lektorin im<br />

Haymon Verlag.<br />

Markus Köhle, ist Sprachinstallateur,<br />

Literaturzeitschriftenaktivist und Papa Slam<br />

Österreichs. Zahlreiche Publikationen,<br />

zuletzt: Alles außer grau. Texte to go (mit<br />

Mieze Medusa, Milena). www.autohr.at<br />

Lena Kripahle, 1984 geboren und Buchhändlerin.<br />

Bereits seit der 1. Klasse süchtig<br />

nach Druckerschwärze und Hörbüchern.<br />

Seit <strong>No</strong>vember 2015 ist die Wagner’sche<br />

ihre neue Heimat.<br />

Michael Krüger, Verleger und Autor,<br />

Seite 15<br />

Christine Lötscher, forscht als Kulturwissenschaftlerin<br />

an der Universität Zürich und<br />

arbeitet als freie Literatur- und Filmkritikerin<br />

für verschiedene Medien. Seit 2014<br />

diskutiert sie regelmäßig im „Literaturclub“<br />

im Schweizer Fernsehen mit.<br />

Marija Milicevic, das Küken der<br />

Wagner’schen, geboren 1997 in Schwäbisch<br />

Gmünd, seit 2012 im Buchhandel, betreut<br />

seit Ende 2015 die Bereiche Frauenliteratur,<br />

Jugendbuch und eReading.<br />

Stefanie Panzenböck, ist Redakteurin bei<br />

der Wiener Zeitschrift „Falter“. Kam von<br />

Ö1 dorthin. Geboren in Graz, 1984, Studium<br />

der Politikwissenschaft in Wien.<br />

Joe Rabl, geboren in Kufstein; Studium der<br />

Komparatistik und Germanistik in Innsbruck;<br />

war in diversen Verlagen beschäftigt;<br />

arbeitet als freier Lektor; veranstaltet zusammen<br />

mit Birgit Holzner die Innsbrucker<br />

Wochenendgespräche.<br />

Markus Renk, seit 30 Jahren in der Buchbranche,<br />

begann 1985 als Buchhändlerlehrling<br />

und war annähernd 10 Jahre in der<br />

Geschäftsführung der Verlagsanstalt Tyrolia.<br />

Außerdem ist er Fachgruppen-Obmann der<br />

Buch- und Medienwirtschaft Tirol und seit<br />

Oktober 2015 neuer Chef der Wagner’schen.<br />

Robert Renk, Buchhändler und Kulturveranstalter.<br />

Seit 1. Oktober Sortimentsleiter<br />

in der Wagner’schen. Zuletzt erschien<br />

„Stilistische Instanzen. Zu Karl-Markus<br />

Gauß und Alois Hotschnig“ in Text + Kritik<br />

Sonderband Österreich IX/15.<br />

Anna Rottensteiner, 1962 in Bozen geboren.<br />

Studium der Germanistik und Slawistik.<br />

Seit 2003 Leiterin des Literaturhauses am<br />

Inn. Schriftstellerische Tätigkeit seit 2009.<br />

Publikationen: „Lithops. Lebende Steine“.<br />

Soeben erschien der neue Roman „Nur ein<br />

Wimpernschlag“ (beide edition laurin).<br />

Siljarosa Schletterer geb. 1991 in Innsbruck,<br />

studiert u.a. Musikwissenschaft an<br />

der Universität Innsbruck. Frühe Beschäftigung<br />

mit Texten. Mehrere Lesungen, zusätzlich<br />

wurden Werke von ihr vertont.<br />

Boris Schön, geboren 1983, Germanist.<br />

Arbeitet im Studienverlag und fragt Gäste in<br />

der Schönfelder Kulturstunde.<br />

Bernd Schuchter, geboren 1977 in Innsbruck,<br />

Autor und Verleger. Seit 2006 Verleger<br />

des Limbus Verlags. Zuletzt erschienen die<br />

Romane „Link und Lerke“ (2013), „Föhntage“<br />

(2014) und der literarische Reiseführer<br />

„Innsbruck abseits der Pfade“ (2015).<br />

Silvia Spiegl, Germanistin, seit 1991 Buchhändlerin<br />

in der Wagner’schen.<br />

Anton Thuswaldner, 1956 geboren in<br />

Lienz, lebt als Literaturkritiker in Salzburg.<br />

Autor und Herausgeber mehrerer Bücher,<br />

zuletzt „Gib uns unser täglich Barock!<br />

Salzburg in der Moderne“ (Müry Salzmann,<br />

2016).<br />

Gabi Unterberger, teilzeitbeschäftigte<br />

Reisebüroangestellte und ehrenamtliche<br />

Bibliothekarin vom Lande mit umfassendem<br />

Haus(buch)bestand und Hausverstand.<br />

Evelyn Unterfrauner, Referentin des<br />

Referats für Öffentlichkeitsarbeit der ÖH<br />

Innsbruck. Betreibt den Book Broker Blog<br />

auf: bookbroker.wordpress.com<br />

Marlene Walder, geb. 1994, aufgewachsen<br />

im Ötztal. Seit Februar 2013 im Buchhandel<br />

tätig. Derzeit in der Fachbuchabteilung der<br />

Wagner’schen beschäftigt und zuständig für<br />

Sprachen und Lernhilfen.<br />

Gabriele Wild, geboren 1982, Studium der<br />

Germanistik und Slawistik, Literaturvermittlerin<br />

und -veranstalterin, verschiedene<br />

Arbeiten zur Gegenwartsliteratur, seit 2009<br />

im Literaturhaus am Inn für Programm-<br />

Gestaltung zuständig.<br />

Anita Winkler, hat in Innsbruck Germanistik<br />

studiert, ist seit 2008 für das Programm<br />

des Löwenzahn Verlags verantwortlich.<br />

Simone Winter, geboren 1972 in Innsbruck.<br />

Studium der Germanistik und Journalistik in<br />

Salzburg und Köln. Arbeitet als Grafikerin<br />

und Texterin in Köln und Düsseldorf.<br />

Dorothea Zanon, geboren 1980, Studium<br />

der Literatur- und Theaterwissenschaften in<br />

Innsbruck und Wien. Seit 2008 Lektorin im<br />

Haymon Verlag.<br />

Klaus Zeyringer, Habilitation in Graz; war<br />

Univ.-Prof. für Germanistik in Frankreich.<br />

Literaturkritiker u.a. für Der Standard,<br />

Jurymitglied der ORF-Bestenliste; Literaturmoderationen<br />

in Österreich, Deutschland,<br />

der Schweiz und Frankreich. Bücher zuletzt:<br />

„Eine Literaturgeschichte: Österreich seit<br />

1650“ (2012); „Fußball. Eine Kulturgeschichte“<br />

(2014 / 2016); „Olympische<br />

Spiele. Eine Kulturgeschichte von 1896 bis<br />

heute. Bd. 1: Sommer“ (2016).


Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Museumstraße 4<br />

6020 Innsbruck<br />

T. +43 512 59505 0<br />

info@wagnersche.at<br />

www.wagnersche.at

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