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KUNSTINVESTOR AUSGABE FEBRUAR 2017

Kunst als Kapitalanlage AUSGABE FEBRUAR 2017 Chefredakteur und Herausgeber Michael Minassian

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AUSGABE FEBRUAR 2017
Chefredakteur und Herausgeber
Michael Minassian

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KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien<br />

Die Aktualität von Themen wie Vergangenheitsbewältigung,<br />

Genozid und den Folgen von<br />

Kolonialismus unterstreichen weitere Arbeiten der<br />

Ausstellung: So zeigt die Videoinstallation In stillen<br />

Teichen lauern Krokodile, die den Genozid in Ruanda<br />

1994 thematisiert, historisches Dokumentationsmaterial<br />

und Ausschnitte aus dem Filmarchiv der UNO, aber<br />

keine direkten Bilder des Verbrechens. Die Annäherung<br />

an ein Land, das einerseits die Mörder verurteilen,<br />

andererseits die Völker versöhnen muss, geschieht<br />

über alltägliche Szenen, die die Schönheit Ruandas<br />

zeigen: Bauern auf Bananenfeldern, Kühe auf grünen<br />

Wiesen, Regen, der auf paradiesische Hügellandschaften<br />

fällt. Allein auf der Tonspur ist die<br />

Hetzpropaganda aus dem Radio zu hören, die die Hutu<br />

aufforderte, die Tutsi zu ermorden. Die Videoinstallation<br />

selbst gibt kein Urteil zu dem Geschehen ab und liefert<br />

auch keinen Erklärungsversuch. Die stark suggestiven<br />

Bilder fordern den Beobachter vielmehr dazu auf, sich<br />

selbst eine Meinung zu bilden. Im Schiffbruch nicht<br />

schwimmen können thematisiert Migration und Flucht<br />

und die Motive, die hinter solch weitreichenden<br />

Entscheidungen stehen. Die Interviews, die diesem<br />

Film zugrunde liegen, erzählen von Heimweh, von<br />

Ängsten und den Erwartungen an die Zukunft. Die<br />

visuelle Ebene zeigt drei in Frankreich lebende<br />

Migranten im Louvre bei der Betrachtung des<br />

Gemäldes Das Floß der Medusa von Théodore<br />

Géricault. Das monumentale Gemälde symbolisiert ein<br />

Stück französischer Kolonialgeschichte und deren<br />

Scheitern. Die Fregatte Medusa war 1816 nach den<br />

Napoleonischen Kriegen von Frankreich entsandt<br />

worden um die Kolonie Senegal von den Briten zu<br />

übernehmen. Nachdem sie Schiffbruch erlitten hatte,<br />

brach unter der Besatzung ein unerbittlicher Kampf ums<br />

Überleben aus. Die Ausstellung in der Kunsthalle Wien<br />

stellt Videofilme und -installationen neben Collagen, in<br />

denen Odenbach das Montageprinzip des Films<br />

aufgreift und Mikro- und Makroansicht aufeinandertreffen<br />

lässt. Während die Makroansicht ein klar<br />

erkennbares Motiv präsentiert, zeigt die Detailansicht<br />

unzählige Einzelbilder, aus denen sich das Motiv wie<br />

bei einem Puzzle zusammenfügt. Das große, leicht zu<br />

erkennende Bild zeigt sich zuerst. Bei näherer<br />

Betrachtung zerfällt es jedoch in Fragmente, die dem<br />

großen Ganzen untergeordnet scheinen, letztlich<br />

jedoch eine eigenständige Erzählung entfalten. Aus der<br />

Spannung dieser beiden, häufig gegenläufigen Bilder<br />

entsteht ein Zwischenraum, der vom Publikum selbst<br />

mit seiner Sicht der Dinge gefüllt werden muss. Die fast<br />

15 Meter lange Collage Durchblicke zeigt auf den<br />

ersten Blick einen dichten tropischen Dschungel. In der<br />

Nahsicht setzt sich dieser aus unzähligen Fotos<br />

zusammen, in denen sich die Kolonialgeschichte<br />

Afrikas spiegelt. Die der unmittelbaren Wahrnehmung<br />

entzogene zweite Ebene erfordert eine intensive<br />

Betrachtung aus der Nähe, die offen ist für komplexe<br />

Verweisstrukturen. In diesem Sinne plädiert das<br />

gesamte Œuvre Odenbachs für einen emanzipierten<br />

Betrachter, der sich zur Gegenwart und ihrer<br />

Verstrickung mit der Vergangenheit positioniert.<br />

[Kunsthalle Wien. Ausstellungsdauer: 5. Februar bis 30.<br />

April <strong>2017</strong> – Foto: © Kunsthalle Wien]<br />

Marcel Odenbach, *1953 in Köln; 1974–79 Studium der Architektur, Kunstgeschichte und Semiotik an der Technischen<br />

Hochschule, Aachen; seit 1976 Arbeit mit Video in Performances, Installationen und Tapes; seit 1992 Professuren an<br />

der Staatlichen Hochschule für Gestaltung, Karlsruhe und der Kunsthochschule für Medien, Köln; seit 2010 Professor<br />

an der Kunsthochschule Düsseldorf. Einzelausstellungen u. a.: Tel Aviv Museum of Art; Kunstmuseum Bonn;<br />

Frankfurter Kunstverein; Museo de Arte Contemporáneo de Caracas; internationale Wanderausstellung organisiert vom<br />

Institut für Auslandsbeziehungen e. V. (ifa), Stuttgart; Sammlung Friedrichshof, Zurndor; Freud Museum, London;<br />

Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin.

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