B3 Biennale des bewegten Bildes 2013 7. 12. 2012 KickOff - Strandgut
B3 Biennale des bewegten Bildes 2013 7. 12. 2012 KickOff - Strandgut
B3 Biennale des bewegten Bildes 2013 7. 12. 2012 KickOff - Strandgut
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Theater<br />
Schauspiel Frankfurt: Das Kätchen aus Heilbronn, © Birgit Hupfeld<br />
Verliebt wie ein Käfer<br />
Schauspiel Frankfurt:<br />
»Das Käthchen von Heilbronn«<br />
Philipp Preuss inszeniert am Schauspiel<br />
Frankfurt »nach Kleist«, also<br />
in freier Anlehnung, und kündigt<br />
seine Arbeit als »kein großes historisches<br />
Ritterspiel« an, um sich nur<br />
um eins zu kümmern: die unbedingte<br />
Liebe der Schmiedstochter<br />
Katharina zu Friedrich Wetter Graf<br />
vom Strahl. Mehr als zwei Schauspieler<br />
(Valery Tscheplanova, Nico<br />
Holonics) braucht Preuss dafür auf<br />
der Vorbühne <strong>des</strong> Großen Hauses<br />
nicht, unterstützt von einem Chor<br />
und von Kornelius Heidebrecht,<br />
der als irrlichternder musikalischer<br />
Leiter, Dirigent und Soundtechniker<br />
den Dritten im Bühnenbunde gibt.<br />
Die Kleinstbesetzung wird durch<br />
seine ins Sphärische driftenden<br />
Musikcollagen und eine großflächige<br />
Videotechnik kompensiert, die<br />
man wohl ›state of the art‹ nennen<br />
darf. Doch die Reduktion auf die<br />
Liebe schützt vor Textvertrautheit<br />
nicht. Gut zu wissen, daß schon<br />
das riesige Filmfeuerwerk, das uns<br />
beim Eintreten empfängt, den<br />
verheißungsvollen Simultantraum<br />
<strong>des</strong> Hochzeitspaares zitiert, das<br />
dort unten auf einem discoviolett<br />
glitzernden Tortenrondell »Dream<br />
a Little Dream of me« in die Mikros<br />
schmachtet. Oder daß die Schüsse<br />
zum Ausklang den Freitod Kleists<br />
mit der Geliebten Henriette Vogel<br />
meinen. Ob das geht, sich einfach<br />
einzulassen auf das stimmungsvolle<br />
Hin und Her, in dem Käthchen<br />
nicht immer Käthchen spricht,<br />
wenn sie Käthchen ist? Oder in<br />
die Haut Kunigun<strong>des</strong> schlüpft?<br />
Muß man nicht wissen, daß diese<br />
ein Fake der mittelalterlichen<br />
Beautymedizin ist, wenn sie in<br />
einer großartigen Szene auf nicht<br />
vorhandenen Stöckelschuhen<br />
stolziert? Oder genügt es, sich im<br />
Banne der Liebesdialoge einwölken<br />
zu lassen: von den Bildern der<br />
Hightech-Kameras, die das Paar<br />
kreisend schwebend in den Orbit<br />
zaubern; von den täuschend echten<br />
14 | <strong>Strandgut</strong> 12/<strong>2012</strong><br />
Projektionen auf hochfahrenden<br />
Vorhängen; von der sich auftürmenden<br />
Klangwolke aus »Where<br />
is my mind?« und »Love will tear<br />
us apart«? Der Kunstaufstrich ist<br />
bisweilen so kunigundig dick aufgetragen,<br />
daß man das Käthchen<br />
darunter zu verlieren droht. Davor<br />
aber schützt Valery Tscheplanova,<br />
die einmal mehr spüren läßt, aus<br />
welch reichem Fundus von Talenten<br />
sie schöpft, die für alles den rechten<br />
Ton und die passende Geste findet<br />
und überdies großartig singt. Sie<br />
zu erleben, macht es nicht schwer,<br />
das Haus »verliebt, wie ein Käfer«<br />
zu verlassen. Daß sie ihre beiden<br />
Partner übertrifft, liegt in der Natur<br />
der Sache und schmälert deren Leistung<br />
nicht. Ein großer Abend nach<br />
Kleist mit Valery und a little help<br />
from her friends.<br />
Termin: 6. Dezember, 19.30 Uhr<br />
Mario<br />
und die Dödelhorde<br />
Die Schmiere:<br />
»Happy End mit Flaschenpfand«<br />
Von Fraport & Co. wissen wir, daß<br />
ein durchgängiges Nachtflugverbot<br />
die Rhein-Main-Region wirtschaftlich<br />
in die Dritte Liga stürzen würde.<br />
Aus anderen Gründen reiht sich<br />
nun »Die Schmiere« in die Phalanx<br />
der Bedenkenträger ein. Die Frank-<br />
E9N im Gallus Theater: »Die Vögel« , © Sabine Lippert<br />
Die Schmiere: »Happy End mit Flaschenpfand«, © Die Schmiere<br />
Stück für Stück<br />
furter Kabarettbühne prophezeit<br />
schlimme soziale Folgen in den<br />
zwangsberuhigten Zonen der<br />
Flugschneisenschlafzimmer. »Du<br />
schnarchst!« heißt vielsagend ein<br />
neuer Sketch um die grausamen<br />
Entdeckungen eines in Harmonie<br />
alt gewordenen Ehepaares (Gabriele<br />
Meyer, Walter Jauernich). Nachhalliger<br />
kann Theater nicht sein.<br />
Es ist einer der schönsten Sketche<br />
<strong>des</strong> neuen Schmiere-Programms.<br />
Regisseur Bernd Krieg, der auch<br />
maßgeblich an den Texten beteiligt<br />
ist, knüpft sich in einem knapp<br />
zweistündigen Saalfeuerwerk<br />
unter anderem die bilingual erziehenden<br />
Nordendmütter, die Ärzte,<br />
die Altersarmut und nicht zuletzt<br />
die Finanzmärkte vor. Sind sie zu<br />
stark, bist du zu schwach, heißt<br />
die Botschaft an die europäischen<br />
Währungsopfer, die mit nur eins,<br />
zwei Ausnahmen auch für die Sketche<br />
der Schmiere gilt. Wenn das<br />
mit »Dö« beginnende und »orde«<br />
endende Unwort <strong>des</strong> Jahres 2011<br />
für den Verfassungsschützer nur<br />
die Dödelhorde sein kann, dann<br />
muß man das schon aushalten.<br />
Trotz radikalster Kritik an allem,<br />
»wo geht«, verharrt das von Effi B.<br />
Rolfs und Jochen Döring vervollständigte<br />
Ensemble im Keller <strong>des</strong><br />
Karmeliterklosters keineswegs nur<br />
in Destruktivität. Im Schwerpunkt<br />
von »Happy End mit Flaschenpfand<br />
– reich werden für Einsteiger« profiliert<br />
sich das Kabarett sogar als<br />
sozialer Mutmacher, indem es vier<br />
randständige Flaschensammler<br />
auf ihrer Karriere von tief unten<br />
an »Susi’s Wasserhäuschen« hoch<br />
hinaus zum Meeting der World-<br />
Wide-Boddel-Sammler-Group auf<br />
der Privatyacht in Cannes begleitet.<br />
Mit dabei ist Dörings delirierender<br />
Eintracht-Fan Mario, der dieses Mal<br />
auf das Feuchtbiotop im Schritt verzichtet,<br />
nicht aber auf seinen hochprozentigen<br />
Witz. Gut so!.<br />
Termine: 2. + 9.<strong>12.</strong><strong>2012</strong>, 19 Uhr; 5., 6.,<br />
13., 15., 19. + 20.<strong>12.</strong><strong>2012</strong>, 20 Uhr<br />
Ein großes Federlesen<br />
E9N im Gallus-Theater: »Die Vögel«<br />
Die Herbstproduktion <strong>des</strong> Ensembles<br />
9. November trägt wieder<br />
die Handschrift von Wilfried<br />
Fiebig. Die Kenner <strong>des</strong> von Helen<br />
Körte komplettierten und der<br />
Gesamtkunst verpflichteten Theatermacherduos<br />
wissen, daß die<br />
anstehende Aufführung dann stets<br />
ein wenig strenger, verkopfter, aber<br />
auch metallener und verrückter<br />
ausfällt, als wenn seine kongeniale<br />
Partnerin Regie führte. Das ist trotz<br />
aller performativer Leichtigkeit<br />
auch bei »Die Vögel« so, der als »komische<br />
Theater-Oper« angekündigten<br />
neuen Arbeit <strong>des</strong> Maestros. Die<br />
kulturgeschichtliche Collage aus<br />
der Vogelperspektive <strong>des</strong> Menschen<br />
ist in sechs in sich dichten, aber<br />
lose gereihten »Szenenabfolgen«<br />
mit Titeln wie »Die Vogelpartitur«,<br />
»Das Schreckliche« oder »Die Vogelküche«<br />
gefaßt. Wehe dem, der das<br />
alles begreifen und kennen wollte,