B3 Biennale des bewegten Bildes 2013 7. 12. 2012 KickOff - Strandgut
B3 Biennale des bewegten Bildes 2013 7. 12. 2012 KickOff - Strandgut
B3 Biennale des bewegten Bildes 2013 7. 12. 2012 KickOff - Strandgut
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Film<br />
Keira Kneightley in Hochform<br />
»Anna Karenina« von Joe Wright<br />
In letzter Zeit ist kaum ein Regisseur<br />
diesen Weg konsequenter<br />
gegangen als Joe Wright bei seiner<br />
Adaption von Leo Tolstois Meisterwerk<br />
»Anna Karenina«. Ein<br />
Musterbeispiel <strong>des</strong> realistischen<br />
Romans hat er in ein Theater verlegt,<br />
Originalschauplätze durch<br />
Bühnenbilder ersetzt, die sich in<br />
Win<strong>des</strong>eile verändern und von<br />
einer extrem beweglichen, aber nie<br />
wackeligen Kamera erfaßt werden.<br />
Das Drehbuch stammt folgerichtig<br />
von einem Theaterautor, von<br />
Tom Stoppard, der mit dem Stück<br />
»Rosenkranz und Güldenstern«<br />
bekannt geworden ist. Stoppard ist<br />
zudem ein erfahrener Drehbuchautor,<br />
der für seine Mitarbeit an dem<br />
Skript zu »Shakespeare in Love« mit<br />
4 | <strong>Strandgut</strong> 12/<strong>2012</strong><br />
dem Oscar ausgezeichnet wurde.<br />
»Alle glücklichen Familien gleichen<br />
einander, jede unglückliche Familie<br />
ist unglücklich auf ihre eigene Art«,<br />
heißt der erste Satz <strong>des</strong> tausendseitigen<br />
Romans. Tolstoi entfaltet<br />
darin ein Panorama mit den unterschiedlichsten<br />
Beziehungspaaren.<br />
Der Weg einer genauen Umsetzung<br />
ist also für einen rund zweistündigen<br />
Film von vornherein versperrt.<br />
Stoppard und Wright haben sich<br />
<strong>des</strong>halb auf die Haupthandlung<br />
konzentriert, jene leidenschaftliche<br />
Liebe zwischen der verheirateten<br />
Anna Karenina und dem attraktiven,<br />
unverheirateten Kavallerie-<br />
Offizier Wronskij, über die sich bald<br />
die gute Gesellschaft von St. Petersburg<br />
aufregt. Ehemann Karenin<br />
versucht die Affäre zu ignorieren,<br />
verlangt von Anna schließlich, sich<br />
entweder für ihn oder für den Liebhaber<br />
und somit die gesellschaftliche<br />
Ächtung zu entscheiden.<br />
Stand in Clarence Browns Verfilmung<br />
von 1935, der bekanntesten<br />
Adaption, Greta Garbo im Mittelpunkt,<br />
dreht sich in der neuen<br />
Version alles um Keira Kneightley in<br />
der Titelrolle. Sie erweist sich nach<br />
»Stolz und Vorurteil« und »Abbitte«<br />
erneut als Joe Wrights erste Wahl<br />
für Literaturverfilmungen – und<br />
läuft zu schauspielerischer Hochform<br />
auf. Kneightleys Tour de Force<br />
durch sämtliche Gemütszustände<br />
einer um eine Entscheidung ringende,<br />
diese Entscheidung wieder<br />
verwerfende und dieses Verwerfen<br />
erneut revidierende Frau ist allein<br />
schon einen Kinobesuch wert.<br />
Dazu kommen die prächtigen Dekors<br />
– der Film ist ein wahres Ausstattungswunder<br />
–, die in der Summe<br />
vielleicht etwas zu protzig geraten<br />
sind. Doch Wright verliert nie<br />
seinen Tolstoi aus den Augen. Mit<br />
all den Oberflächenreizen, mit einem<br />
schmachtenden Aaron Taylor-<br />
Johnson, der als blonder Jüngling<br />
Wronskij an den »Tod in Venedig«<br />
denken läßt, und den überzeugenden<br />
Auftritten der Nebenfiguren<br />
trifft der Film letztendlich doch den<br />
Kern <strong>des</strong> Buches, und das kann man<br />
ja auch noch lesen.<br />
Claus Wecker<br />
Romanverfilmungen<br />
leiden oft darunter, daß<br />
sie ihre Vorlage geradezu<br />
sklavisch in Bilder<br />
umsetzen. Je realistischer,<br />
um so besser, scheint<br />
ihre Devise zu sein. Doch<br />
indem sie Szene für<br />
Szene auf die Leinwand<br />
übertragen, bleibt die<br />
Essenz <strong>des</strong> Buches oft<br />
auf der Strecke. Eine gute<br />
Literaturverfilmung<br />
muß sich von der Vorlage<br />
entfernen, um ihren Kern<br />
zu treffen.<br />
ANNA KARENINA<br />
von Joe Wright, GB <strong>2012</strong>, 130 Min.<br />
mit Keira Knightley, Aaron Taylor-Johnson,<br />
Kelly Macdonald, Jude Law,<br />
Matthew Macfadyen, Emily Watson<br />
nach dem Roman von Leo Tolstoi<br />
Literaturverfilmung<br />
Start: 06.<strong>12.</strong><strong>2012</strong><br />
★★★★✩<br />
D A S K U L T U R M A G A Z I N<br />
Premiere<br />
für Frankfurt<br />
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