Newsletter der Roche Diagnostics GmbH - Roche in Deutschland
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ten van den Berghe und Kollegen e<strong>in</strong>e<br />
prospektive Studie an 1 548 beatmeten<br />
Patienten e<strong>in</strong>er chirurgischen Intensivstation.<br />
Das Resultat: E<strong>in</strong>e Intervention<br />
<strong>in</strong> den Stressdiabetes reduzierte Letalität<br />
und Morbidität 1) . Kern dieses Behandlungskonzeptes,<br />
das als „<strong>in</strong>tensivierte<br />
Insul<strong>in</strong>therapie“, o<strong>der</strong> „tight glycemic<br />
control“ (TGC) bezeichnet wird, ist die<br />
konsequente E<strong>in</strong>stellung des Blutzuckers<br />
auf normoglykäme Werte (80 – 110 mg/<br />
dl bzw. 4,4 – 6,1 mmol/l). Dazu wird e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>travenöse Insul<strong>in</strong><strong>in</strong>fusion kont<strong>in</strong>uierlich<br />
an die aktuellen Bedürfnisse angepasst.<br />
E<strong>in</strong>e Vielzahl weiterer Untersuchungen<br />
haben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge die Bestätigung dieser<br />
Ergebnisse, das Def<strong>in</strong>ieren <strong>der</strong> geeigneten<br />
Zielgruppen, das Etablieren sicherer Protokolle<br />
und das Aufklären von zugrunde<br />
liegenden Mechanismen zum Thema<br />
gehabt. Verschiedene monozentrische<br />
Studien zeigten, dass beson<strong>der</strong>s Patienten<br />
im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Mortalitätsvorteils profitierten,<br />
die länger als e<strong>in</strong>ige Tage <strong>in</strong>tensivtherapiepflichtig<br />
waren. Unter TGC waren<br />
die Inzidenzen von Organdysfunktionen,<br />
<strong>in</strong>fektiologischen (Sepsis, Wundheilungsstörungen)<br />
und neurologischen Komplikationen<br />
reduziert. Beatmungs- und<br />
Liegedauer konnten verr<strong>in</strong>gert werden.<br />
Trotz des Aufwandes für die Blutzucker-<br />
Kontrollen erschien die Intervention auch<br />
Kostenvorteile zu bieten 2) . Als zu Grunde<br />
liegende, pathophysiologische Mechanismen<br />
wurden die Protektion von Organfunktionen<br />
(Nervensystem, Niere, Leber,<br />
Herz), Immunsystem, Endothelfunktion<br />
und mitochondrialer Funktion durch das<br />
Vermeiden von Hyperglykämie herausgestellt<br />
3) .<br />
Obwohl diese Ergebnisse zunächst ermutigen,<br />
ersche<strong>in</strong>t die Umsetzung des Konzeptes<br />
<strong>in</strong> die kl<strong>in</strong>ische Praxis alles an<strong>der</strong>e<br />
als trivial und ist aufgrund potenziell<br />
unerwünschter Nebeneffekte mit Vorsicht<br />
zu genießen. So konnten <strong>in</strong> <strong>der</strong> multizentrischen<br />
Studie „NICE-SUGAR“ die Vorteile<br />
e<strong>in</strong>er strikten Blutzucker-E<strong>in</strong>stellung<br />
auf Werte unter 110 mg/dl (6,1 mmol/l)<br />
nicht bestätigt werden; allerd<strong>in</strong>gs wurde<br />
im Kontroll arm dieser Studie ebenfalls<br />
e<strong>in</strong>e effektive Blutzucker-E<strong>in</strong>stellung<br />
auf Werte unter 150 mg/dl (8,3 mmol/l)<br />
durchgeführt 4) . Zwei frühere multizentrische<br />
Studien (VISEP und GluControl)<br />
4<br />
Ausgabe 26 • 9/2009<br />
waren bereits aufgrund e<strong>in</strong>er erhöhten<br />
Nebenwirkungsrate im Therapiearm abgebrochen<br />
worden, ohne haltbare Aussage<br />
über die Effektivität von TGC 5) . Die<br />
Gründe hierfür s<strong>in</strong>d Gegenstand lebhafter<br />
Diskussion und müssen wohl vor allem <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er mangelhaften Blutzuckerkontrolle<br />
im Therapiearm gesucht werden, da es zu<br />
starken Blutzucker-Schwankungen und<br />
häufigen Hypoglykämien kam.<br />
Obwohl bisher nicht e<strong>in</strong>deutig nachgewiesen<br />
werden konnte, dass kurze Hypoglykämien<br />
auf <strong>der</strong> Intensivstation kausal<br />
mit Mortalität o<strong>der</strong> neurokognitiven<br />
Dysfunktionen verbunden s<strong>in</strong>d, muss<br />
die Hypoglykämie wohl als relevanteste<br />
Nebenwirkung <strong>der</strong> TGC angenommen<br />
werden. Wenn die Inzidenz von Hypoglykämien<br />
hoch ist und die Blutzucker-<br />
Werte stark schwanken, sche<strong>in</strong>en damit<br />
verbundene negative Effekte die potenziell<br />
positiven Effekte <strong>der</strong> strikten Blutzuckere<strong>in</strong>stellung<br />
aufzuheben – dies legen<br />
post-hoc Analysen sehr großer Patientenkollektive<br />
nahe. Daher s<strong>in</strong>d Protokolle<br />
und kl<strong>in</strong>ische Arbeitspfade entwickelt<br />
worden, die die Inzidenz von Hypoglykämien<br />
auf unter 1 % reduzieren.<br />
Da die Durchführung von TGC mit<br />
hohem Aufwand verbunden ist, ohne<br />
direkte Erfolge <strong>der</strong> Intervention sehen<br />
zu können, ist das Problem <strong>der</strong> Umsetzung<br />
des Konzeptes <strong>in</strong> die kl<strong>in</strong>ische Praxis<br />
noch nicht gelöst. Außerdem gibt es für<br />
Intensivpatienten <strong>der</strong>zeit ke<strong>in</strong>e validen<br />
kont<strong>in</strong>uierlich und/o<strong>der</strong> automatisiert<br />
messenden Instrumente. Daher s<strong>in</strong>d die<br />
Kontroll<strong>in</strong>tervalle häufig zu lang. Kritische<br />
Hypoglykämien und Hyperglykämien<br />
s<strong>in</strong>d die Folge. Die Empfehlung <strong>der</strong><br />
aktuellen Richtl<strong>in</strong>ien, die Blutzucker-<br />
E<strong>in</strong>stellung unter 150 mg/dl (8,3 mmol/l)<br />
vorzunehmen, ersche<strong>in</strong>t daher als kl<strong>in</strong>isch<br />
praktikabler Kompromiss.<br />
Die Blutzucker-Messung durch die meisten<br />
bed-side Geräte und/o<strong>der</strong> durch Glukosebestimmungen<br />
im Kapillarblut wie<br />
sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> ambulanten Diabetestherapie<br />
durchgeführt wird, kann bei Intensivpatienten<br />
fehlerbehaftet se<strong>in</strong> (E<strong>in</strong>fluss<br />
von Bilirub<strong>in</strong>, Hämoglob<strong>in</strong> und Perfusion).<br />
Intensivstationen müssen daher<br />
die Eignung des Messsystems für ihr<br />
Patientenkollektiv e<strong>in</strong>gehend prüfen.<br />
Die Blutzucker-Messung im Vollblut mit<br />
dem Blutgasanalyse-Gerät kann dagegen<br />
une<strong>in</strong>geschränkt empfohlen werden.<br />
Fazit: Das unbeschwerte Tolerieren des<br />
Stressdiabetes als s<strong>in</strong>nvolle Stressadaptation<br />
ist obsolet. Vielmehr ist das Vermeiden<br />
von Hyperglykämien, Hypoglykämien<br />
und Blutzucker-Schwankungen<br />
mit e<strong>in</strong>er Verbesserung <strong>der</strong> Prognose von<br />
kritisch kranken Patienten verbunden –<br />
auch wenn das Umsetzen des Konzeptes<br />
<strong>der</strong> TGC <strong>in</strong> die kl<strong>in</strong>ische Praxis durch<br />
verschiedene Schwierigkeiten, z.B. bei <strong>der</strong><br />
Anwendung von Kontrollprotokollen und<br />
durch das Fehlen von validen (on-l<strong>in</strong>e)<br />
bed-side Mess<strong>in</strong>strumenten, noch problematisch<br />
ist.<br />
Literatur:<br />
1) van den Berghe et al: NEJM 2001 Nov. 8; 345 (19),<br />
1359-1367<br />
2) Kr<strong>in</strong>sley JS et al: Chest 2006 Mar; 129(3), 644-650<br />
3) Van den Berghe: J Cl<strong>in</strong>. Invest.2004 Nov; 114(9),<br />
1187-1195<br />
4) NICE-SUGAR Study Investigators: N Engl J Med.<br />
2009 Mar 26; 360 (13), 1283-1297<br />
5) Grisdale et al: CMAJ. 2009 Apr 14; 180 (8), 821-827<br />
Dr. Ingeborg van den Heuvel und<br />
Priv.-Doz. Dr. Björn Ellger<br />
Kl<strong>in</strong>ik und Polikl<strong>in</strong>ik für Anästhesiologie und<br />
operative Intensivmediz<strong>in</strong><br />
Universitätskl<strong>in</strong>ikum Münster<br />
Albert Schweitzer Str. 33<br />
48149 Münster<br />
(0251) 8 34 72 52<br />
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