RAL 1015 taxi news Heft 6-2013
Freie und unabhängige Zeitschrift für das Taxigewerbe
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W INFORMATION<br />
RECHT & STEUERN<br />
Völker hört die Signale –<br />
die SPD macht mobil,<br />
nicht unbedingt alleine, wohl aber mit Hilfe<br />
des „BMW Group VIP Shuttle Service“. So<br />
kann man es jedenfalls dem Aufmacher der<br />
Parteizeitung einer kleineren Berliner Vertretung<br />
für Taxen und Mietwagen, Ausgabe Juni<br />
<strong>2013</strong>, entnehmen. Und einige Seiten später<br />
setzt der Verfasser, der als „Redaktion“ im<br />
Impressum aufgeführte Jochen Liedtke, noch<br />
einen drauf und beklagt:<br />
„Auch die SPD feiert ohne uns“.<br />
Na ja, Jochen Liedtke muss es ja wissen;<br />
schließlich hat er sich als Mitglied bei Grün/<br />
GAL schon im letzten Jahrtausend nachhaltig<br />
für ein ökologisch einwandfreies Spandau<br />
gestritten. Er soll sich bei den Grünen allerdings<br />
„nicht ernst genommen“ gefühlt haben<br />
(Quelle: Berliner Zeitung vom 18.02.1999), ist Anfang<br />
dieses Jahrtausends zur SPD gewechselt und<br />
für diese seit 2001 in der Spandauer BVV<br />
(Bezirksverordnetenversammlung) tätig. Er<br />
tat sich zunächst durch nimmer endenden<br />
Kampf für den Schutz der Berliner Biber und<br />
die daraus zwingend erforderliche Notwendigkeit<br />
der nächtlichen Schließung der Rhenaniastraße<br />
für den Straßenverkehr hervor.<br />
Seit 2011 ist er in derselben BVV für Bauen,<br />
Verkehr, Umweltschutz, Grünplanung und<br />
Stadtentwicklung zuständig und hat allen Interessierten<br />
denn auch gleich sein „Politisches<br />
Statement“ mitgegeben, wonach er sich „als<br />
Sozi“ u.a. für eine „ökologisch orientierte<br />
Stadt- und Verkehrsentwicklung“ einsetzt und<br />
ihm als „Alltagsradler besonders die Förderung<br />
der RadfahrerInnen wichtig“ ist. (Quelle:<br />
http://www.spd-fraktion-spandau.de/index.php/fraktion/<br />
bvv.html?pid=55&sid=69:Liedtke-Jochen)<br />
Jedenfalls, mit „ohne uns“ sind nicht etwa<br />
die „RadfahrerInnen“ oder andere ökologisch<br />
wertvolle Gruppierungen gemeint. Sozi<br />
Liedtke beklagt unter der Überschrift „Das<br />
Taxigewerbe und die SPD“ vielmehr,<br />
dass man es „bei den Genossen“, das sind<br />
immerhin die „Urenkel des Urgenossen Lassalle,<br />
dessen Bestreben und Motivation darin<br />
bestand, die Rechte der einfachen Arbeiter<br />
Schritt für Schritt zu verbessern“ (Originalzitat<br />
Jochen Liedtke), mit „der Beauftragung eines<br />
Personenbeförderers … nicht mehr ganz so<br />
genau“ genommen habe. Soll wohl bedeuten,<br />
dass dem Liedtke seine Genossen sich<br />
lieber vom „VIP Shuttle Service des Autoherstellers<br />
BMW“ als von dem – nach Einschätzung<br />
der Redaktion der „Parteizeitung“<br />
– eher proletarisch angehauchten und somit<br />
den Kriterien der „political correctness“ eher<br />
entsprechenden Taxigewerbe haben transportieren<br />
lassen.<br />
Und, wie es sich für einen tüchtigen Redakteur<br />
eines „Taximagazin für Berlin und Brandenburg“<br />
gehört, forscht der ökologisch orientierte<br />
Jochen dann auch gleich nach den<br />
Ursachen dieses von ihm beklagten Missstandes.<br />
Er findet dann durchaus den einen oder<br />
anderen bedenkenswerten Ansatzpunkt,<br />
drückt sich jedoch um drei geradezu ins Auge<br />
springende Gesichtspunkte herum.<br />
1. Wozu braucht eine Partei der „einfachen<br />
Arbeiter“ eigentlich einen „Mobilitätsdienstleister“<br />
zur Ausrichtung ihrer Geburtstagsfeier?<br />
Die Partei der einfachen<br />
Arbeiter regiert immerhin in Berlin (West)<br />
seit 1949 nahezu unterbrochen – Ausnahme<br />
1981 bis 1988 – und ist vor allen Dingen<br />
in den letzten 10 Jahren nicht müde<br />
geworden, den Berliner Verkehr – natürlich<br />
auch den Mobildienstleister Taxi – mit<br />
immer mehr als schikanös empfundenen<br />
Aufl agen, Maßnahmen und Behinderungen<br />
zu gängeln. Als Allheilmittel wird dann<br />
gerade von den Vertretern der „Partei der<br />
einfachen Arbeiter“ häufiges U-Bahn-,<br />
Fahrrad- oder Rikschafahren empfohlen.<br />
Sozi Liedtke möge mal erklären, wieso<br />
seine ökologisch ausgerichtete Partei der<br />
Enkel des Herrn Lassalle zum Geburtstag<br />
einen „Mobildienstleister“ benötigt,<br />
wo doch die Feiernden durchaus auf die<br />
Benutzung von ÖPNV oder das Fahrrad<br />
verwiesen werden können.<br />
2. Sozi Liedtke stellt sehr richtig fest, dass fast<br />
alle großen Veranstaltungen heutzutage<br />
ohne den Mobildienstleister Taxi auskommen.<br />
Als Grund fallen ihm gerade einmal<br />
„Ungepflegte Fahrzeuge mit Fahrern, denen<br />
mit äußerster Vorsicht zu begegnen<br />
ist“, ein. Ist das wirklich alles, Herr Liedtke,<br />
glauben Sie im Ernst, dass die paar Hanseln,<br />
die dieser Einschätzung entsprechen,<br />
der Grund dafür sind, dass „selbst engste<br />
Verbündete von einst von uns abrücken“?<br />
Gerade das von Ihnen ins Feld geführte<br />
Beispiel „Mercedes“ zeigt doch eher, dass<br />
die großen Automobilhersteller auf Kosten<br />
des Taxigewerbes ganz eigene Interessen<br />
verfolgen, was das Taxigewerbe aus naheliegenden<br />
Gründen (zum Beispiel: Subvention<br />
von Mercedes an den BZP) lange<br />
Zeit nicht wahrhaben wollte.<br />
3. Redakteur Liedtke stellt fest, dass „es gilt,<br />
Neues Vertrauen zu gewinnen“. Gut gebrüllt,<br />
Sozi, aber wo ist denn das „Alte“<br />
Vertrauen geblieben? War es nicht gerade<br />
der Vorsitzende eines der Herausgeber<br />
der von Ihnen redigierten „Parteizeitung“,<br />
der mehr als ein Jahrzehnt lang jedem,<br />
der es hören wollte, und vor allem auch<br />
jedem, der es nicht hören wollte, erklärte,<br />
das Berliner Taxigewerbe gleiche einer<br />
Schlangengrube, gefüllt mit Steuerhinterziehern,<br />
Fahrgeldbetrügern, Schwarzladern,<br />
Subventionsbetrügern und orts- und<br />
sprachunkundigen Navigationsjunkies?<br />
Diese jahrelang gestreute Saat ist nunmehr<br />
aufgegangen, die Konkurrenz fährt<br />
die Ernte ein. Wenn dem Bürger von den<br />
eigenen Gewerbevertretern ein Bild eines<br />
durch und durch verkommenen Gewerbes<br />
gezeichnet wird, fällt es leicht, mit<br />
„blank gewienerten Mietwagen, zumeist<br />
in elegantes Schwarz gehalten und mit<br />
ebenso schwarz gekleidetem Chauffeur“<br />
(Originalzitat Jochen Liedtke) Eindruck zu<br />
schinden und auch der Partei der „einfachen<br />
Arbeiter“ zu suggerieren, dass ihre<br />
Geburtstagsgäste im blank gewienerten<br />
Mietwagen besser aufgehoben sind als in<br />
einer hellelfenbein angestrichenen Taxe.<br />
Doch, liebe Leserinnen und Leser, genug des<br />
Rückblicks und der Beförderungswünsche<br />
der SPD, statt dessen Zuwendung dem Wesentlichen.<br />
Das Problem, das Öko-Jochen in<br />
seinen Ausführungen anspricht, nämlich der<br />
massive Konkurrenzdruck, dem sich das Taxigewerbe<br />
ausgesetzt sieht, ist nun einmal da;<br />
will sich das Gewerbe nicht selbst aufgeben,<br />
bedarf es nachhaltiger Konzepte, und zwar<br />
sofort. Um diese entwickeln zu können, sollte<br />
das Gewerbe bzw. dessen maßgebliche<br />
Vorreiter Folgendes bedenken.<br />
1. Dem Gewerbe hilft niemand. Weder das<br />
Amt, noch die Autohersteller, schon gar<br />
nicht gewerbefremde Unternehmer. Das<br />
Amt zieht seine Existenzberechtigung aus<br />
einer umfassenden Kontrolle der Taxenfahrzeuge.<br />
„Mietwagen“, die nach dem<br />
Gesetz genauso der Kontrolle dieses<br />
Amtes unterliegen sollten, bleiben ungeschoren.<br />
Das Bestreben der Autohersteller<br />
geht ersichtlich dahin, die Personenbeförderung<br />
unter eigener Regie mit eigenen<br />
Fahrzeugen zu übernehmen. Und was<br />
von „gewerbefremden Unternehmern“ zu<br />
erwarten ist, zeigt das Beispiel „myTaxi“<br />
am allerbesten. Wie Wilfried Hochfeld in<br />
einer der letzten Ausgaben der <strong>RAL</strong> <strong>1015</strong><br />
schon richtig feststellte: Die wollen die<br />
Kundendaten. Kurzsichtige Kutscher helfen<br />
bereitwilligst mit, diese zu beschaffen.<br />
2. Das Gewerbe sollte sich von dem Gedanken<br />
verabschieden, die an die Mietwagen<br />
verlorenen Kunden in nennenswerter<br />
Anzahl zurückzugewinnen. Hoffnungslos!<br />
Gegen einen „blank gewienerten<br />
Mietwagen, zumeist in elegantes Schwarz<br />
gehalten und mit ebenso schwarz gekleidetem<br />
Chauffeur“ hilft derzeit weder ein<br />
„VIP-Taxi“ noch ein Kutscher in Schlips<br />
und Kragen. Der „blank gewienerte Mietwagen,<br />
zumeist in elegantes Schwarz gehalten<br />
und mit ebenso „schwarz gekleidetem<br />
Chauffeur“ erfüllt den Kundenwunsch<br />
nach „etwas Besserem“, was das Taxigewerbe<br />
früher mal auszeichnete, heutzutage<br />
jedoch weitgehend verloren hat. Sozi<br />
Liedtke liegt völlig richtig, wenn er feststellt,<br />
dass wir „keine gehobenen Events<br />
mehr“ fahren. Und daran wird sich auch<br />
in absehbarer Zeit nichts ändern, da kann<br />
sich das Gewerbe auf den Kopf stellen.<br />
12 <strong>taxi</strong> <strong>news</strong> 6/<strong>2013</strong>