Fair Wohnen Sept.2012 - Mietervereinigung Österreichs
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FAIR WOHNEN WIEN<br />
Daniel hat mit seinen zwei Jahren<br />
schon eine wechselvolle<br />
Geschichte. Seine Mutter war<br />
mit seiner Versorgung überfordert,<br />
er war viel sich selbst<br />
überlassen oder bei wechselnden Freunden<br />
der Mutter abgegeben. Eines Tages<br />
meldete sich eine Nachbarin, dass die<br />
Mutter weggegangen und der kleine Daniel<br />
allein in der Wohnung ist. Frau P.,<br />
eine erfahrene Krisenpflegemutter, hat<br />
Lukas noch am selben Tag bei sich aufgenommen.<br />
Bei ihr wird er gut versorgt, erhält<br />
Essen und Pflege, wird endlich wieder<br />
einmal dem Kinderarzt vorgestellt.<br />
Einmal in der Woche fährt sie mit ihm<br />
ins Referat für Adoptiv- und Pflegekinder,<br />
um seine Mama zu treffen. Innerhalb<br />
der nächsten Wochen wird sich entscheiden,<br />
ob er mit Betreuung durch das<br />
Mama & Papa<br />
Suche Pflege eltern!<br />
Manchmal passiert etwas in einer Familie, das alle aus der Bahn wirft. Dann muss<br />
ein Baby oder Kleinkind innerhalb weniger Stunden liebevolle Aufnahme finden.<br />
Bei Menschen, die sich mit Kindern sehr gut auskennen – bei geschulten Pflegeeltern.<br />
Jugendamt wieder zu seiner Mama zurückkehrt,<br />
oder ob für einen längeren<br />
Zeitraum Pflegeeltern für ihn gesucht<br />
werden. Bis dahin ist Frau P. und ihre<br />
Familie sein sicherer Hafen, der Schutz<br />
und Geborgenheit bietet.<br />
Was Krisenpflegeeltern tun<br />
Krisenpflegeeltern übernehmen für einen<br />
kurzen, befristeten Zeitraum die Elternschaft<br />
für ein Kind. Sie sind Experten im<br />
Umgang mit Kindern und geben in<br />
schwierigen Situationen Halt und Betreuung.<br />
Und sie können sich immer<br />
wieder verabschieden, wenn die Kinder<br />
nach etwa sechs bis acht Wochen zu ihren<br />
leiblichen Eltern zurückkehren oder<br />
in eine andere Pflegefamilie aufgenommen<br />
werden. Kinder lieb haben ist leicht<br />
– Pflegeeltern können mehr.<br />
Was<br />
•<br />
Krisenpflegekinder brauchen<br />
Viel Verständnis und Toleranz für<br />
eventuell<br />
•<br />
schwieriges Verhalten<br />
Einfühlungsvermögen in eine verletzte<br />
Kinderseele<br />
•Ein hohes Maß an Feinfühligkeit für<br />
den Kontakt mit ihren Angehörigen<br />
Was Pflegeeltern alles können<br />
Frau M. hat drei Kinder großgezogen<br />
und war seither nicht mehr berufstätig.<br />
Über eine Freundin hat sie erfahren, dass<br />
das Jugendamt für die rasche Versorgung<br />
von kleinen Kindern Krisenpflegeltern<br />
braucht. „Das wär’ doch was für mich“,<br />
dachte sie und erkundigte sich, was man<br />
dafür so alles können muss. Nach einer<br />
ausführlichen Beratung bei der MAG ELF<br />
stellt sie ihren Plan der Familie vor. Alle<br />
waren überrascht, aber interessiert und<br />
Foto: Fotolia<br />
neugierig und hatten viele Fragen. Letzte<br />
Woche hat Frau M. ihr fünftes Krisenpflegekind<br />
aufgenommen. Die kleine Lea<br />
wurde von ihr aus dem Krankenhaus abgeholt.<br />
Sie war vom Stiefvater ins Gitterbett<br />
geschleudert worden, hatte massive<br />
Verletzungen davongetragen. Die körperlichen<br />
Verletzungen sind verheilt, das Jugendamt<br />
prüft, ob Leas Mutter allein in<br />
der Lage ist, sie zu versorgen. Bis das geklärt<br />
ist, bleibt sie noch ein paar Wochen<br />
bei Frau M. und wird liebevoll versorgt.<br />
•Was Pflegeeltern können sollten<br />
Sind Sie eine emotional starke und<br />
tolerante<br />
•<br />
Persönlichkeit?<br />
Haben Sie Erfahrung in der Erziehung<br />
und<br />
•<br />
Betreuung von Kindern?<br />
Können Sie mit Konflikten konstruktiv<br />
umgehen?<br />
•Sind Ihre Lebensweise und Ihr Haushalt<br />
•<br />
auf Kinder eingestellt?<br />
Haben Sie Erfahrung in Krisenbewältigung?<br />
• •Ist Ihre finanzielle Situation gesichert?<br />
Ist die Aufnahme eines Krisenpflegekindes<br />
bei allen Familienmitgliedern<br />
erwünscht?<br />
•Können Sie den leiblichen Eltern des<br />
Kindes<br />
•<br />
positiv begegnen?<br />
•Können Sie gut loslassen?<br />
Sind Sie bereit, mit den SozialarbeiterInnen<br />
der MAG ELF intensiv zusammenzuarbeiten?<br />
In der Zeit bis die Eignung festgestellt ist,<br />
besuchen Pflegemamas und -papas ein<br />
Vorbereitungsprogramm für Pflegeeltern.<br />
Das Seminar bietet die Möglichkeit, die<br />
eigene Motivation zu prüfen und sich mit<br />
der Aufnahme eines Pflegekindes in die<br />
Familie auseinanderzusetzen. Alle Fragen<br />
oder Bedenken werden ausführlich besprochen.<br />
Das Vorbereitungsprogramm<br />
für Pflegeeltern besteht aus mehreren<br />
Modulen. In Summe sind 51 Stunden in<br />
einem Zeitraum von rund drei bis sechs<br />
Monaten zu absolvieren. In den Kursen<br />
werden alle Themen und Fragen ausführlich<br />
angesprochen.<br />
Von ExpertInnen voll unterstützt<br />
Krisenpflegemamas und -papas stehen<br />
von Anfang an vor großen Herausforderungen.<br />
Um diese gut bewältigen zu können,<br />
erhalten sie Unterstützung durch SozialarbeiterInnen.<br />
Diese begleiten die regelmäßigen<br />
Besuchskontakte der Kinder<br />
zu ihren leiblichen Eltern – ein regelmäßiger<br />
Kontakt ist erwünscht – und stehen<br />
den Krisenpflegeeltern mit Rat und Tat<br />
zur Seite. In regelmäßigen Abständen<br />
treffen einander Krisenpflegeeltern in einer<br />
Gruppe, um ihre Erfahrungen auszu-<br />
SO WERDEN SIE PFLEGEMAMA UND PFLEGEPAPA<br />
Damit ein Pflegekind zu Ihnen kommt, haben Sie …<br />
•<br />
Alter zwischen 25 und 55 Jahren<br />
•private Erziehungserfahrung<br />
•eigene Kinder oder Pflegekinder nicht unter vier Jahren<br />
•ausreichende Zeitreserven<br />
Ausgeglichenheit und Toleranz<br />
Das Pflegeelterngeld für Krisenpflege beträgt monatlich 960 Euro.<br />
tauschen. Gemeinsam mit SozialarbeiterInnen<br />
werden Lösungen für etwaige<br />
Probleme gesucht und gefunden.<br />
Wenn die Betreuung eines Kindes besondere<br />
Probleme und Fragen aufwirft, stehen<br />
PsychologInnen für ein Coaching<br />
zur Verfügung. Einmal jährlich treffen<br />
sich die Krisenpflegefamilien zu einem<br />
Fortbildungswochenende.<br />
Der Weg zur Bewilligung<br />
Die Kinder von Familie S. gehen verstärkt<br />
eigene Wege. Frau S. hat in ihrer<br />
Nachbarschaft eine Pflegemutter, von der<br />
sie erfahren hat, dass laufend Krisenpflegeeltern<br />
gesucht werden. Nach einem<br />
ersten Telefonat mit einer Sozialarbeiterin<br />
der MAG ELF hat sie ihre Idee mit ihrem<br />
Mann und den Kindern besprochen.<br />
Gemeinsam haben sie die Idee in die Tat<br />
umgesetzt. Seit zwei Wochen lebt Leonie<br />
bei ihnen, die wegen einer akuten psychischen<br />
Erkrankung der Mutter nicht<br />
bei ihr leben kann. Liebevoll tragen Herr<br />
und Frau S. das unruhige Baby durch das<br />
Haus, bis es endlich einschlafen kann.<br />
Die Kinder des Paares sind stolz auf „ihr“<br />
Baby. Sie werden ein bisschen traurig<br />
sein, wenn Leonie nicht mehr bei ihnen<br />
sein kann. Aber sie wissen, dass<br />
es ihr bei ihnen sehr gut gegangen<br />
ist und sie viel Zuwendung<br />
und Geborgenheit erfahren konnte.<br />
Die Eignungsbeurteilung<br />
Um Pflegemama oder Pflegepapa zu<br />
werden, braucht es eine Bewilligung der<br />
MAG ELF. Dafür müssen persönliche,<br />
soziale, gesundheitliche und wirtschaftliche<br />
Bedingungen erfüllt sein. Im Bewilligungsverfahren<br />
werden die Voraussetzungen<br />
geprüft und alle im Haushalt lebenden<br />
Familienmitglieder mit einbezogen.<br />
Zusätzlich wird in persönlichen Gesprächen<br />
die Eignung geprüft. Das kann<br />
bis zu sechs Monate dauern. Währenddessen<br />
besuchen die Bewerber als Pflegeeltern<br />
das Vorbereitungsprogramm im<br />
Referat für Adoptiv- und Pflegekinder.<br />
Die Kosten sind gedeckt<br />
Krisenpflegeeltern sein ist ein echter Job.<br />
Frau P. weiß das. Solange sie als Krisenpflegemutter<br />
arbeitet, möchte sie beim<br />
Verein „Eltern für Kinder Österreich“ angestellt<br />
sein. Damit ist sie versichert und<br />
hat Anspruch auf Supervision und Fortbildungen.<br />
Das hilft ihr sehr, mit den<br />
vielfältigen Problemen ihrer Schützlinge<br />
umzugehen. Wiener Krisenpflegeeltern<br />
können auf Wunsch angestellt werden.<br />
Das bedeutet: Pensions-, Kranken-, Unfall-<br />
und Arbeitslosenversicherung; monatliches<br />
Einkommen knapp über der<br />
Geringfügigkeitsgrenze; Fortbildung und<br />
Gruppensupervision.<br />
Alle Pflegeeltern müssen sich finanziell<br />
selbst erhalten können. Das monatliche<br />
Pflegeelterngeld ist eine Aufwandsentschädigung.<br />
Krisenpflegeeltern erhalten<br />
ein höheres Pflegeelterngeld. Je nachdem,<br />
wie lange sie ein Kind betreuen, haben<br />
sie außerdem Anspruch auf Familienbeihilfe<br />
und Kinderbetreuungsgeld.<br />
20 FAIR WOHNEN 3/12 FAIR WOHNEN 3/12 21<br />
• das<br />
Servicetelefon der MAG ELF: 4000 8011, Mo–Fr 8.00–18.00 Uhr<br />
Anstellungsträger für Krisenpflegeeltern und Pflegeeltern ist der Verein „Eltern für<br />
Kinder Österreich“. Derzeit sind rund 250 Pflegeeltern beim Verein „Eltern für Kinder“<br />
in Wien angestellt. Interessierten Personen bietet der Verein ein ausführliches<br />
Informations- und Beratungsgespräch als Entscheidungshilfe an.<br />
Telefon: 368 71 91, mehr Info unter http://www.efk.at/<br />
oder www.wien.gv.at<br />
ZAHLEN UND FAKTEN<br />
•Aktuell stehen 41 Krisenpflegefamilien<br />
zur Verfügung.<br />
wurden rund 200 Babys<br />
• 2011<br />
und Kleinkinder vorübergehend<br />
von Krisenpflegemamas und<br />
-papas versorgt. Rund die Hälfte<br />
davon kann in die leibliche Familie<br />
zurückkehren, für die anderen Kinder<br />
werden Pflegefamilien zur längerfristigen<br />
Aufnahme gesucht.<br />
Mehr Info unter http://www.efk.at/<br />
Entgeltliche Einschaltung