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Fair Wohnen Sept.2012 - Mietervereinigung Österreichs

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FAIR WOHNEN SERVICE<br />

Wer ist im Vorteil?<br />

Vorarlberg ist ein Vorreiter, wenn es um thermische Sanierungen geht.<br />

Doch mitunter kommt es gerade aufgrund unterschiedlicher Fördersysteme zu<br />

Problemen in Wohnungseigentümergemeinschaften. Wie nachstehender Fall zeigt.<br />

Auch wenn alle Eigentümer gleichberechtigt sind, kann es bei Sanierungen zu Interessenskonflikten<br />

kommen. Vor allem dann, wenn auf einzelne Personen ungleich mehr finanzieller Aufwand wartet.<br />

In einem 1967 errichteten Haus<br />

bestand Sanierungsbedarf: Neben<br />

Fenstern, Balkonen und Türen war<br />

auch die Fassade fällig. Rund 500.000<br />

Euro sollten investiert werden, davon<br />

allein 176.000 Euro für die Wärmedämmfassade,<br />

insgesamt wurden zwei<br />

Drittel der Kosten (333.334 Euro) der<br />

thermischen Sanierung zugeordnet.<br />

Die Wohnungseigentümergemeinschaft<br />

bestand aus einem Geschäftslokal im<br />

Erdgeschoß und Wohnungsnutzern darüber.<br />

Die Heizkosten waren hoch, der<br />

Energieausweis zeigte Werte von D bis<br />

E auf einer Skala von A+++ bis G. Eine<br />

thermische Sanierung sollte hier also<br />

Abhilfe schaffen.<br />

Was tun, wenn Rücklagen fehlen?<br />

Im Wege eines Umlaufbeschlusses<br />

sprach sich auch die Mehrheit<br />

(59,85 %) der EigentümerInnen für<br />

die Sanierung aus. Das Problem: Die<br />

Rücklage bestand lediglich aus 108.000<br />

Euro netto. Ein Großteil der Kosten wäre<br />

daher von den Eigentümern zusätz-<br />

40 FAIR WOHNEN 3/12<br />

lich neben der normalen Vorschreibung<br />

zu übernehmen gewesen. Für die Eigentümerin<br />

des Geschäftslokals bedeutete<br />

das eine finanzielle Mehrbelastung<br />

von 72.910 Euro netto, wobei<br />

80 % bei Auftragserteilung und der<br />

Restbetrag nach Fertigstellung zu<br />

tragen gewesen wären. Während die<br />

Wohnungseigentümer einen Finanzierungsvorteil<br />

durch die Wohnbauförderungsstelle<br />

Vorarlberg hatten, da diese<br />

einen auf 20 Jahre zinsenfreien Kredit<br />

bzw. Einmalzuschüsse für thermische<br />

Sanierungen erhielten, ging die Eigentümerin<br />

des Geschäftslokals leer aus.<br />

Berechnungen über die Heizkostenersparnis<br />

für 30 Jahre ergaben für das Lokal<br />

zwar einen Betrag von 46.610 Euro,<br />

doch blieb dieser hinter den Investitionskosten<br />

weit zurück. Wirtschaftlich<br />

betrachtet war daher das Vorhaben ein<br />

großes Minus in der Bilanz der Geschäftsraumeigentümerin.<br />

Gute Werbung: Ökologieverbesserin<br />

Das wollte die Geschäftsfrau so nicht<br />

hinnehmen und bekämpfte daher den<br />

Mehrheitsbeschluss zeitgerecht bei Gericht.<br />

Wenn eine außerordentliche Verwaltung<br />

– wie sie hier gegeben ist –<br />

vorliegt, kann das Gericht einen solchen<br />

Beschluss aufheben, wenn die<br />

überstimmte Minderheit durch die Arbeiten<br />

entweder übermäßig beeinträchtigt<br />

wird oder die Kosten nicht<br />

aus der Rücklage gedeckt werden können.<br />

Eine Ausnahme gibt es dann,<br />

wenn die beschlossenen Verbesserungsarbeiten<br />

„eindeutig zum Vorteil“<br />

des überstimmten Eigentümers sind.<br />

In diesem Fall wäre eine Aufhebung<br />

des Beschlusses nicht möglich. Sowohl<br />

das Erst- als auch das Landesgericht<br />

hatten den „eindeutigen Vorteil“ darin<br />

erblickt, dass es neben einer Wertsteigerung<br />

des Gebäudes auch im Interesse<br />

der Geschäftslokaleigentümerin sei, im<br />

Wirtschaftsleben als „Ökologieverbesserin“<br />

werben zu können.<br />

Wirtschaftliche Fakten zählen<br />

Der OGH stellte aber klar: Ökologische<br />

Gesichtspunkte sind zwar für die<br />

Allgemeinheit von Interesse, aber haben<br />

bei der Prüfung über den „eindeutigen<br />

Vorteil“ nichts zu suchen. Hier<br />

geht es um wirtschaftliche Fakten und<br />

es sei daher zu beurteilen, „ob trotz der<br />

Finanzierungsfragen (noch) ein Vorteil<br />

aller bejaht werden kann.“ So sah er einerseits<br />

einen eindeutigen Nachteil darin,<br />

dass die Geschäftsraumeigentümerin<br />

keine öffentliche Förderung erhielt,<br />

und meinte andererseits zur Wertsteigerung:<br />

„Insbesondere steht keineswegs<br />

fest, dass das von der Antragstellerin<br />

aufzuwendende Kapital für die<br />

Wärmedämmung des Hauses den Verkehrswert<br />

des Geschäftslokals im selben<br />

Ausmaß steigern kann.“ Die unteren<br />

Instanzen hatten dazu keinerlei Beweise<br />

erhoben, sondern dies bloß behauptet.<br />

Damit gab er der überstimmten<br />

Eigentümerin Recht und hob den<br />

Mehrheitsbeschluss und damit auch<br />

die Sanierungspläne der Eigentümergemeinschaft<br />

auf.<br />

Foto: I-Stockphoto

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