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Fair Wohnen Sept.2012 - Mietervereinigung Österreichs

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FAIR WOHNEN REPORTAGE<br />

Unliebsame Untermieter<br />

Ist die Losung am Fuß des Mauerwerks zu<br />

finden, handelt es sich für gewöhnlich um<br />

einen Rattenbefall. Die Arbeitsorte von<br />

Schädlingsbekämpfer Walter Richter sind<br />

nicht jedermanns Sache.<br />

28 FAIR WOHNEN 3/12<br />

FOTOS: MATTHIAS HESCHL<br />

TEXT: JOHANNES LUXNER<br />

Was einen im Keller erwartet,<br />

lassen die aufgebrochenen<br />

Briefkästen<br />

im Eingangsbereich des<br />

Meidlinger Altbau-<br />

Zinshauses bereits erahnen. Gepflegte<br />

Immobilien sehen anders aus. Der<br />

kleine Innenhof ähnelt einer illegalen<br />

Sperrmülldeponie. Matratzen,<br />

eine kaputte Wäschespinne und Teile<br />

ramponierter Möbel verteilen sich<br />

hier kopfüber. Sorglos weggeworfene<br />

Essensreste am Boden führen Schädlingsbekämpfer<br />

Walter Richter auf<br />

eine erste Spur. „Da ist es schon“,<br />

sagt Richter nach der ersten optischen<br />

Prüfung der verwahrlosten<br />

Grünfläche am Rand des Hofes. Mit<br />

der Stimme des gelassenen Profis ergänzt<br />

er: „Wenn wir ein zweites Erdloch<br />

finden, dann haben wir es ganz<br />

sicher mit Ratten zu tun. Der Müll<br />

und das Futter stellen für die Tiere<br />

ideale Bedingungen dar. Hier finden<br />

sie Unterschlupf und Nahrung.“<br />

Richter packt aus seiner Tasche<br />

streichholzschachtelgroße, blaue,<br />

quadratische Köder aus. Er steckt sie<br />

tief in die Erdlöcher und hofft, dass<br />

sich die Ratten bald daran zu schaffen<br />

machen. Die Köder schauen<br />

harmlos aus. Für die Tiere endet der<br />

Kontakt tödlich. Dabei ist der Innenhofbereich<br />

lediglich ein Nebenschauplatz,<br />

was die Schädlingsbekämpfung<br />

an diesem Standort betrifft.<br />

Noch war Richter nicht im<br />

Keller.<br />

Wiener Rattenverordnung<br />

Die akribische Nachschau Richters<br />

basiert auf einer legislativen Grundlage.<br />

Sie nennt sich Wiener Rattenverordnung<br />

und wurde im Jahr 1925<br />

erstmals erlassen. Unzählige Reformen<br />

im Lauf der Jahrzehnte folgten.<br />

Zuletzt im Jahr 2005, als die genaue<br />

Einteilung der Schädlingsbekämpfungsanbieter<br />

in Rayons aufgehoben<br />

wurde. Seitdem darf sich jede Hausverwaltung<br />

den Betrieb selbst aussuchen<br />

und ist nicht mehr, wie im Fall<br />

der Rauchfangkehrer, an eine bestimmte<br />

Firma gebunden. De facto<br />

hat sich wenig geändert: „Die Wiener<br />

Sie kennen meist jeden Kellerwinkel ihres Bezirks, und froh<br />

ist, wer sie nicht braucht. Trotz steigender Sauberkeit sind<br />

Schädlingsbekämpfer gefragt wie eh und je. <strong>Fair</strong> <strong>Wohnen</strong><br />

begab sich auf Rattenjagd nach Wien Meidling.<br />

sind sehr traditionsbewusst, auch<br />

was die Auswahl ihres Schädlingsbekämpfers<br />

betrifft“, sagt Richter. Was<br />

sich nicht geändert hat: Jedes Objekt<br />

wird im Intervall von etwa acht Wochen<br />

auf etwaigen Befall kontrolliert.<br />

Deshalb ist Walter Richter mit<br />

den Gebäuden und vor allem deren<br />

Kellern in seinem Aufgabengebiet in<br />

Wien Meidling bestens vertraut.<br />

Schlaue Nager<br />

„Gut zehn Prozent der Wiener Altbaukeller<br />

befinden sich noch in einem<br />

Zustand wie diesem“, sagt Richter,<br />

bevor er die Tür zum Keller aufstößt<br />

und die Taschenlampe anknipst.<br />

Am unteren Ende der Rundtreppe<br />

angekommen, darf man sich<br />

in einer Zeitkapsel wähnen. Kein gemauerter<br />

Boden, sondern begradigter<br />

Lehm – zwischen den Backsteinziegeln<br />

verteilen sich Schmutz wie<br />

Spinnweben und von den alten<br />

Rohrleitungen hängen Stofffetzen,<br />

die wohl einst als bescheidener Versuch<br />

einer Isolierung gedacht waren.<br />

Sie wirken angeknabbert, und der<br />

Anblick einer alten, einst mit Holz zu<br />

befeuernden Waschküche inklusive<br />

der Originaltröge aus Zinn verdeutlicht<br />

den Komfort moderner Haushaltsgeräte.<br />

Für Richter ein gewöhnliches<br />

Szenario. Mit Gerümpel und<br />

Relikten aus vergangenen Zeiten des<br />

<strong>Wohnen</strong>s hat er täglich zu tun. Was<br />

Tod in kleinen Dosen<br />

Der Anfang vom Ende: In<br />

der Rattenbox wartet der<br />

Köder. Das Curaminderivat<br />

sorgt für ein langsames,<br />

aber schmerzfreies Ende.<br />

den Fachmann hier interessiert, ist<br />

die Kante zwischen Lehmboden und<br />

Mauerwerk.<br />

Mittel aus der Humanmedizin<br />

„Hier ist am schnellsten erkennbar,<br />

ob wir es mit Ratten oder Mäusen zu<br />

tun haben. Ratten bewegen sich entlang<br />

des Mauerwerks und hinterlassen<br />

hier ihre Losung. Mäuse bewegen<br />

sich frei durch den Raum und verbreiten<br />

ihren Kot großflächiger.“ Die<br />

Spuren geben ihm Grund genug, eine<br />

sogenannte Rattenbox aufzustellen.<br />

Im DIN-A4-Zettel-großen Plastikkasten<br />

befinden sich einige der<br />

blauen Köder. Ein Loch auf der Seite<br />

der Box ermöglicht der Ratte, an das<br />

vermeintliche Leckerli zu gelangen.<br />

Einmal daran genascht, ist es bald<br />

vorbei mit dem unbeschwerten Rattenleben<br />

in Wiens Altbaukellern – jedoch<br />

nicht umgehend. „Ratten sind<br />

hochintelligente Tiere. Würden sie<br />

eine andere Ratte beobachten, wenn<br />

diese vom Köder frisst und sofort tot<br />

umfällt, sie würden die Köder nicht<br />

mehr anrühren“, so Richter. Deshalb<br />

verwenden Schädlingsbekämpfer ein<br />

sogenanntes Cumarinderivat, das bei<br />

den Ratten durch einen blutgerinnungshemmenden<br />

Stoff innerliche<br />

Blutungen verursacht. Michael Singer,<br />

der Innungsmeister der Wiener<br />

Schädlingsbekämpfer, über Cumarinderivate:<br />

„80.000 Österreicher<br />

FAIR WOHNEN 3/12 291

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