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Das kostenlose Hochschulmagazin von Seezeit
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Hochschulleben<br />
beraten. Denn oft fiel den zuständigen<br />
Dozenten und Professoren eine korrekte<br />
Einordnung der hochzuladenden<br />
Dokumente schwer. Berechnungen der<br />
Universität Konstanz belegen diese<br />
Zahl. „Eine halbe bis dreiviertel Stelle<br />
wäre dafür auf jeden Fall nötig“,<br />
bestätigt Kohl-Frey.<br />
Ein mögliches Folgeproblem der<br />
Klassifikationsschwierigkeiten ist, dass<br />
viele Dozenten auf die digitale Bereitstellung<br />
gänzlich verzichten könnten.<br />
Dieser Fall ist in Osnabrück eingetreten.<br />
Von 4.000 erwarteten Texten im<br />
Wintersemester 2014/15, in dem das<br />
Projekt durchgeführt wurde, wurden<br />
nur 1.000 von den Lehrenden digital<br />
zur Verfügung gestellt. Das entspricht<br />
lediglich einem Viertel.<br />
Leidtragende waren die<br />
Osnabrücker Studierenden,<br />
die sich ihre Literatur selbst<br />
beschaffen mussten.<br />
Über 60 Prozent gaben an, dass sich<br />
der Aufwand hierfür stark oder sogar<br />
sehr stark erhöht hat.<br />
Was den Hochschulen und Universitäten<br />
ebenfalls bitter aufstößt: Die<br />
Einnahmen, die die VG Wort durch eine<br />
Einzelerfassung und -vergütung<br />
machen würde, stehen in keinem<br />
Verhältnis zu dem Aufwand, der dafür<br />
betrieben werden müsste. Etwa 5.000<br />
Euro kamen im Rahmen des Pilotprojekts<br />
für die erfolgten Meldungen<br />
zusammen. Diese ergeben sich aus der<br />
Berechnung von 0,8 Cent pro Seite und<br />
pro Teilnehmer. Dem gegenüber stehen<br />
laut Ergebnissen des Projekts in<br />
Osnabrück über 20.000 Euro, die die<br />
Universität für Support, Personal und<br />
technische Umsetzung aufbringen<br />
müsste. Und auch im Vergleich zu den<br />
bisherigen Pauschalvergütungen wären<br />
die Einnahmen der VG Wort durch die<br />
Neuregelung nicht wesentlich höher.<br />
„Dass eine Vergütung an die Autoren<br />
erfolgen soll, ist unstrittig. Es geht uns<br />
viel mehr um die Frage, wie man diese<br />
eigentlich bescheidene Summe mit<br />
einem möglichst geringen Verwaltungsaufwand<br />
der VG Wort als der Vertretung<br />
der Autoren zukommen lässt“, betont<br />
Kohl-Frey. Die Forderungen seien<br />
schlichtweg unverhältnismäßig.<br />
Zu diesem Schluss kommt auch die<br />
Hochschulrektorenkonferenz, die alle<br />
staatlichen und staatlich anerkannten<br />
Universitäten und Hochschulen in<br />
Deutschland vertritt. In einer Pressemitteilung<br />
der HRK vom 13. Oktober<br />
2016 heißt es hierzu: „Es steht zu<br />
befürchten, dass die digitale Lehre an<br />
den Hochschulen durch die geänderten<br />
Rahmenbedingungen stark beeinträchtigt<br />
wird“.<br />
Einen Tag später geben bayerische<br />
und baden-württembergische Universitäten<br />
in einer Sitzung in München<br />
bekannt, dass sie dem Rahmenvertrag<br />
nicht beitreten werden. Andere Hochschulen<br />
und ganze Bundesländer tun es<br />
ihnen gleich.<br />
stellv. Direktor des KIM, Oliver Kohl-Frey<br />
Auch der Senat der Universität Konstanz beschließt einstimmig, den<br />
Rahmenvertrag zwischen KMK und VG Wort nicht zu unterschreiben.<br />
Die Vertreter der Studierendenschaft unterstützen ihre Hochschulen und<br />
Universitäten. Trotz schwerwiegender Folgen bei einem Nichtbeitritt: Ab 2017<br />
hätten Schriftwerke nach §52a UrhG nicht mehr in elektronischer Form bereitgestellt<br />
werden dürfen.<br />
„Das hätte drei Schritte zurück in die Hochschulsteinzeit bedeutet“,<br />
macht Kohl-Frey deutlich. An den Kopierern Schlange stehen, statt kurzes<br />
Einloggen und vergriffene Kopiervorlagen an Stelle einfacher Downloads. Die<br />
Leidtragenden wären auch hier vor allem die Studierenden gewesen. „Trotzdem<br />
standen sie hinter uns wie eine Wand und nicht hinter der VG Wort“, stellt<br />
Kohl-Frey mit Erleichterung fest.<br />
Einige tausend Unterschriften und ablehnende Stellungnahmen später beugt<br />
sich die VG Wort dem politischen Druck. Sie stimmt einem Aufschub bis zum 30.<br />
September 2017 zu. Bis dahin darf weiterhin pauschal abgerechnet werden. Eine<br />
gemeinsame Arbeitsgruppe aus VG Wort, HRK und KMK arbeitet derzeit an einer<br />
Einigung, die bis zum Wintersemester 2017/18 stehen soll.<br />
Ebenfalls reagiert hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.<br />
Im Februar 2017 stellt der zuständige Minister Heiko Maas einen Referentenentwurf<br />
vor, der das Urheberrecht an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft<br />
angleichen soll. Bisherige Regelungen würden damit gelockert<br />
werden, es wären zum Beispiel bis zu 25 Prozent eines Werkes zur digitalen<br />
Nutzung freigeben. Zwar müsste immer noch angemessen an die Verwertungsgesellschaften<br />
vergütet werden, jedoch wäre dies auf Basis von Pauschalen zulässig.<br />
Der Entwurf beinhaltet außerdem eine Absage an Prüfrechte und vorrangige<br />
Verlagsangebote.<br />
Das freut die Universitäten natürlich, die HRK begrüßt den Referentenentwurf<br />
nachdrücklich. In einer Mail der Universität Konstanz wird dazu Petra Hätscher<br />
zitiert, Direktorin des KIM der Universität Konstanz: „Eine Überarbeitung des<br />
Urheberrechts ist aus Sicht der Universität Konstanz dringend notwendig, um die<br />
Arbeitsfähigkeit in Bildung und Wissenschaft zu gewährleisten.“<br />
Des einen Freud, des anderen Leid: Verlage und der Börsenverein des<br />
Deutschen Buchhandels laufen gegen den Entwurf Sturm.<br />
Auf der Webseite publikationsfreiheit.de wird dazu aufgerufen, mit einer<br />
Unterschrift gegen den Entwurf die Rechte von Autoren zu unterstützen. Bisher<br />
haben über 5.000 Menschen unterschrieben, darunter auch über 1.000 Professoren<br />
und Hochschullehrer. Auf den ersten Blick eine beeindruckende Zahl. Eric<br />
Steinhauer, Jurist und Abteilungsleiter an der Uni-Bibliothek der Fernuniversität<br />
Hagen, hat sich die Unterzeichner genauer angesehen. Das Ergebnis ist aufschlussreich:<br />
84 Prozent der Professoren, die unterschrieben haben, waren älter<br />
als 50 Jahre. Die jüngere Generation ist in den Unterschriften so gut wie nicht<br />
präsent. Und gerade sie betrifft die ganze Problematik am meisten.<br />
„Meine Ideallösung wäre, dass das neue Urheberrechtsgesetz bis zur<br />
Sommerpause in Berlin verabschiedet wird“,<br />
macht Kohl-Frey deutlich. Diese beginnt im Juli. Das ist ein straffer Zeitplan.<br />
„Falls das nicht funktioniert, würde ich mir eine Einigung zwischen VG Wort,<br />
KMK und HRK wünschen, die eine möglichst zeitlich unbefristete Pauschalvergütung<br />
beinhaltet“. Damit würde der drohende Mehraufwand für Einzelmeldungen<br />
entfallen und alles in gewohnten Bahnen weiterlaufen. Dieser Wunsch dürfte auch<br />
den Studierenden entsprechen – denn sie sind es, die schlussendlich die Folgen<br />
tragen.