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Berliner Leben & Arbeit Print Ausgabe 2008

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POLITIK<br />

Radovan Karadzic ist im Gefängnis angekommen<br />

Auslieferung nach Den Haag<br />

Der ehemalige Führer der bosnischen<br />

Serben, Radovan Karadzic, ist nach<br />

Den Haag ausgeliefert worden. Am<br />

Mittwoch kam er im Gefängnis des<br />

UN-Tribunals in Scheveningen an. Karadzic<br />

wird Völkermord vorgeworfen.<br />

Die Regierung in Belgrad hatte in der<br />

Nacht die Überstellung erlaubt.<br />

Ankunft in Scheveningen:<br />

In diesem Auto sitzt wahrscheinlich Radovan<br />

Karadzic<br />

Startpunkt war der Flughafen in Rotterdam.<br />

Außerdem gibt es den „spiritual room“<br />

- hier kann man unter anderem Musik<br />

machen.<br />

Der ehemalige Führer der bosnischen<br />

Serben Radovan Karadzic ist im Gefängnis<br />

des UN-Kriegsverbrechertribunals<br />

in Scheveningen bei Den Haag<br />

angekommen. Das teilte ein Vertreter<br />

des UN-Tribunals mit. Um 6:33 Uhr<br />

war Karadzic am Flughafen von Rotterdam<br />

gelandet. Von dort wurde er<br />

mit einem Hubschrauber direkt ins Gefängnis<br />

gebracht.<br />

Gegen 3:45 Uhr war Karadzic in Belgrad<br />

vom Gefängnis im Stadtzentrum<br />

mit drei Geländewagen mit abgedunkelten<br />

Scheiben in Richtung Flughafen<br />

aufgebrochen. Die Geländewagen er-<br />

reichten den Flughafen nach etwa einer<br />

Viertelstunde. Wenige Minuten später<br />

wurde der ehemalige Führer der bosnischen<br />

Serben in einem Geschäftsreiseflugzeug<br />

nach Rotterdam geflogen.<br />

Die Regierung in Belgrad erklärte am<br />

Mittwochmorgen, sie habe die Überstellung<br />

Karadzics an das Tribunal erlaubt.<br />

Der Anwalt des mutmaßlichen<br />

Kriegsverbrechers Radovan Karadzic<br />

hat nach eigenen Angaben nie offiziell<br />

Einspruch gegen die Überstellung<br />

seines Mandanten an das UN-Tribunal<br />

eingelegt. Svetozar Vujacic räumte am<br />

Mittwoch im erbischen Fernsehsender<br />

B92 ein, er habe einen entsprechenden<br />

Brief entgegen seiner ursprünglichen<br />

Behauptung nicht abgeschickt. „Das<br />

war der einzige Weg, um den Aufenthalt<br />

meines Mandanten in Serbien zu<br />

verlängern“, sagte Vujacic. Die Verzögerung<br />

sollte Karadzics in Bosnien lebender<br />

Familie Gelegenheit geben, ihre<br />

Pässe zurückzubekommen und ihn vor<br />

der Überstellung noch einmal zu besuchen.<br />

Dies gelang allerdings nicht.<br />

Vujacic hatte zuvor behauptet, den Brief<br />

am vergangenen Freitagabend kurz vor<br />

Ablauf der Einspruchsfrist abgeschickt<br />

zu haben. Am Dienstag wartete die<br />

serbische Justiz nach Angaben einer<br />

Sprecherin weiter auf den Eingang des<br />

Briefes. Offenbar bemerkte die Justiz,<br />

dass der Einspruch nie abgeschickt<br />

wurde und entschied daraufhin, Karadzic<br />

in der Nacht zum Mittwoch nach<br />

Den Haag zu überstellen.<br />

Das UN-Tribunal beschuldigt Karadzic<br />

unter anderem des Völkermordes, der<br />

Verschwörung zum Völkermord sowie<br />

zahlreicher Verbrechen gegen die<br />

Menschlichkeit – insgesamt gibt es elf<br />

Anklagepunkte. Der am 21. Juli festgenommene<br />

63-jährige Karadzic hatte<br />

zuletzt als Arzt „Dr. Dragan Dabic“ für<br />

alternative Medizin gearbeitet und unbehelligt<br />

in Belgrad gelebt. Mit einem<br />

Vollbart und langen Haaren hatte er<br />

sein Äußeres völlig geändert und glich<br />

eher einem New-Age-Guru als einem<br />

mutmaßlichen Kriegsverbrecher.<br />

Karadzic will sich selbst verteidigen<br />

Knapp 13 Jahre nach der Anklagerhebung<br />

gegen ihn wird er als 44. Serbe<br />

dem Tribunal in Den Haag überstellt.<br />

Einmal in Den Haag will Karadzic<br />

sich selbst verteidigen. Auch der 2006<br />

in UN-Haft gestorbene serbische Expräsident<br />

Slobodan Milosevic hatte auf<br />

einen Anwalt verzichtet und sich selbst<br />

verteidigt.<br />

Karadzic wurde 1995 des Völkermordes<br />

beschuldigt, 1998 tauchte er<br />

unter. Er und der weiterhin flüchtige<br />

bosnisch-serbische Militärchef Ratko<br />

Mladic werden für Gräueltaten während<br />

des Bosnien-Krieges von 1992 bis<br />

1995 verantwortlich gemacht. Karadzic<br />

gilt als Hauptverantwortlicher für<br />

die monatelange Belagerung Sarajevos<br />

und für das Massaker in Srebrenica,<br />

bei dem innerhalb einer Woche 8000<br />

Bosnier getötet wurden. Dem Bosnien-<br />

Krieg von 1992 bis 1995 fielen rund<br />

250.000 Menschen zum Opfer, etwa 1,8<br />

Millionen wurden vertrieben.<br />

Am Dienstagabend waren noch rund<br />

15.000 serbische Nationalisten in Belgrad<br />

zu einer Großkundgebung zusammengekommen,<br />

um gegen die bevorstehende<br />

Auslieferung Karadzics<br />

zu protestieren. Bei gewaltsamen Ausschreitungen<br />

am Rande der Kundgebung<br />

wurden nach Behördenangaben<br />

46 Menschen verletzt, darunter auch 25<br />

Polizisten. Mehrere hundert serbische<br />

Ultranationalisten bewarfen Polizisten<br />

mit Steinen und Brandsätzen. Die Polizei<br />

ging mit Tränengas und Gummigeschossen<br />

gegen die Randalierer vor.ap/<br />

afp/ab<br />

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<strong>Berliner</strong> <strong>Leben</strong> & <strong>Arbeit</strong> 13

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