12.12.2012 Aufrufe

Festspiel- Sommer - Altstadt Salzburg

Festspiel- Sommer - Altstadt Salzburg

Festspiel- Sommer - Altstadt Salzburg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Du hast Mahlers Musik als Weltbeschreibung bezeichnet. Was<br />

sagen uns Mahlers Werke über die Welt? Mahlers Musik ist<br />

ein einziger großer Musikroman, in dem sich symphonische<br />

Hochsprache und Triviales mit unbeschreiblichen Tiefen trifft.<br />

Was uns seine Werke sagen, darauf finde ich keine Antwort.<br />

Aber sie beschreiben uns die Welt und das ist nicht wenig. Da<br />

gibt es kein Verstecken hinter formalästhetischen Kriterien, alles<br />

ist unmittelbar und teilt sich uns mit.<br />

Resultiert diese Unmittelbarkeit aus dem Umstand, dass<br />

Mahlers Symphonien nicht auf Auftrag geschrieben wurden?<br />

Ich weiß nicht, ob das die Qualität ausmacht, aber es ist eine<br />

nicht unwesentliche Facette dieses Kosmos. Auf Mahlers Musik<br />

trifft der berühmte Satz Schönbergs zu, wonach Kunst nicht von<br />

Können sondern von Müssen kommt.<br />

Dir ging es in Deiner Arbeit immer darum, Bedingungen zu<br />

schaffen, in denen sich Musik ideal mitteilen lässt. Glaubst<br />

Du, dass Du während Deiner Arbeit in <strong>Salzburg</strong> diesen Idealen<br />

näher gekommen bist? Ja, wesentlich. Durch die künstlerische<br />

Großzügigkeit, in der es mir erlaubt war hier zu produzieren, die<br />

Großzügigkeit der Unternehmen, die mir anvertraut wurden, die<br />

Großzügigkeit der Künstler, die ich hier kennen lernen durfte,<br />

und vor allem die Großzügigkeit, mit der mir das Publikum begegnete,<br />

sich auf Reihen wie etwa die Kontinente mit mir gemeinsam<br />

einließ. Das waren schon Momente, die im gemein-<br />

www.erikeibl.at<br />

26 <strong>Festspiel</strong>-Special | vision.altstadt.<br />

sam Hören und sich gemeinsam Einlassen so beglückend waren, dass<br />

sie jedes Klischee über das Publikum der <strong>Salzburg</strong>er <strong>Festspiel</strong>e obsolet<br />

gemacht haben.<br />

Da klingt jetzt schon ein bisschen Wehmut mit. Wieso soll ich nicht ein<br />

bisschen wehmütig sein dürfen?<br />

Dein Resumee über Deine <strong>Salzburg</strong>er Zeit ist demnach ziemlich positiv?<br />

Nicht nur ziemlich. Das war die bereicherndste und schönste Zeit meines<br />

Lebens – ohne irgendeine Einschränkung. Wenn ich das in Summe<br />

betrachte – und es fehlt ja noch ein <strong>Sommer</strong> – dann kann ich das wirklich<br />

so sagen.<br />

Das böse Blut, von dem in den Medien zu lesen war, gab es nicht?<br />

Das ist etwas anderes. Wir reden ja davon, was ich gemacht habe und<br />

nicht davon, was mir verwehrt wurde, zu machen. Das, was die Programmatik<br />

ausmachte, welche Freiheit und Großzügigkeit ich vorfand.<br />

Über Bestellung oder Nichtbestellung rede ich nicht.<br />

Wird sich in <strong>Salzburg</strong> die Heterogenität des Publikums noch verstärken?<br />

Das ist eine sehr differenzierte Diskussion, die man in diesem Zusammenhang<br />

führen muss. Da werden wir immer mit Schlagworten konfrontiert:<br />

Die Klassik sei in der Krise heißt es. Die Klassik aber ist<br />

überhaupt nicht in der Krise, vielleicht ist das System in einer Krise.<br />

Das System hat sehr viel mit Erziehung zu tun, mit einem formulierten<br />

Anspruch, mit einer Bewusstseinsbildung, wonach diese Sachen wichtig<br />

sind und zu unserem Selbstverständnis gehören. Wir können aber<br />

nicht so tun, als ob das in irgendeiner Form massenkompatibel wäre.<br />

Schönberg, Mahler und Nono sind keine Massenphänomene und werden<br />

es auch nie sein. Dem Quotendenken und der Vorgabe, es müssten<br />

soundso viele in ein Konzert gehen, erst dann sei es etwas wert,<br />

kann ich überhaupt nichts abgewinnen. Wenn Menschen zusammenkommen,<br />

um eine bestimmte Musik zu hören, dann ist das kostbar<br />

und lässt sich nicht quantifizieren. Der Wert solch einer Veranstaltung<br />

lässt sich nicht durch Zahlen rechtfertigen.<br />

Wenn trotzdem wenige kommen, liegt es dann am System? Nein. Die<br />

essenzielle Frage ist, wie sich die Wichtigkeit und Notwendigkeit von<br />

Kunst in einer Form von Bewusstseinsbildung manifestieren lässt. Ich<br />

unterstelle jetzt, dass es Zeiten gab, in denen das intelligenter formuliert<br />

wurde.<br />

Kannst Du das konkretisieren? Es gab Zeiten, in denen die Verantwortlichen<br />

nicht in eine Situation gedrängt wurden, in der das allein Seligmachende<br />

die Quote war. Wir stehen alle unter einem wahnsinnigen Druck:<br />

Wenn etwas nicht die und die Auslastung hat, dann ist es nicht so wichtig.<br />

Aber die Wichtigkeit lässt sich nicht nur an Auslastungszahlen, Prozenten<br />

und Gewinnmaximierung berechnen. Ich möchte so viele Menschen wie<br />

möglich erreichen, aber trotzdem kann das alleine nicht das entscheidende<br />

Kriterium sein.<br />

Hat sich Deine persönliche Sichtweise der Programmatik eines Festivals<br />

und Deine ganz persönliche Herangehensweise an die Programmierung<br />

geändert? Mein Blickwinkel ändert sich ständig. Das heißt aber<br />

nicht, dass ich nicht eine sehr präzise Vorstellung davon hätte, wie man<br />

etwas machen sollte. Aber der eigene Horizont erweitert sich ständig,<br />

indem man Erfahrungen macht. Wäre ich so vermessen, zu behaupten<br />

man habe eine Formel gefunden und diese Formel gelte bis ans Ende<br />

meiner Tätigkeit, wäre das eine Armut sondergleichen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!