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s'Positive Magazin 05.2017

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AUSGABE 5 MAI 2017<br />

Für mehr<br />

Fairness<br />

Sara Stalder<br />

Die Geschäftsführerin der<br />

Stiftung für Konsumentenschutz<br />

spricht im Interview<br />

über ihre Arbeit, Bschiss<br />

und angemessene Preise.<br />

ALGORITHMEN<br />

Sie sind allgegenwärtig<br />

und beeinflussen<br />

unser tägliches Leben.<br />

REISEZIEL FARÖER<br />

Die Inseln im hohen<br />

Norden bieten mehr<br />

als nur Fussball.<br />

MEDIZINGESCHICHTE<br />

Wie Kranke in<br />

früheren Zeiten<br />

geheilt worden sind.


ZU VERMIETEN<br />

Bannwil, Neufeldweg 2<br />

Lager-, Produktions- und Büroräume<br />

Rund 848 m 2 Lager- und Produktionsräume<br />

im 1. OG sowie 282 m 2 Büroräume mit vielseitigen<br />

Nutzungsmöglichkeiten (Atelier,<br />

Büro, Ausstellung etc.) im 2. OG an sehr guter<br />

Lage. Grosser Warenlift und Anpassrampe<br />

vorhanden. Der Autobahnanschluss Niederbipp<br />

ist nur 3 km entfernt.<br />

Infos und Besichtigung: 079 431 56 42<br />

Egerkingen, Widenfeldstrasse 12<br />

5.5-Zimmer-Maisonettewohnung, 153 m 2<br />

• Wohnzimmer, Küche und Nasszellen mit<br />

Plattenboden<br />

• Schlafzimmer mit Laminat<br />

• Bad/WC<br />

• Dusche/Bad/WC<br />

• Balkon<br />

• eigenes Waschabteil im UG<br />

• grosses Kellerabteil<br />

• Einbauschränke<br />

• EHP à CHF 120.00/mt<br />

Mietzins: CHF 1950.00 plus Akonto 200.00<br />

Infos und Besichtigung:<br />

MB Immobilien AG, Langenthal<br />

Telefon 062 919 01 08<br />

Langenthal, Brunnhofstrasse 11<br />

Gewerberäume<br />

Dieses Objekt liegt an zentraler Lage (Lotzwilstrasse,<br />

an der Stadtausfahrt Langenthal<br />

Richtung Lotzwil). In naher Umgebung befinden<br />

sich Restaurant, Bowlingcenter, Fitnesscenter<br />

sowie ein Schwimmbad. Mit dem Bus<br />

ist der Bahnhof Langenthal innert wenigen<br />

Minuten erreichbar.<br />

Im EG und 1. OG Büro- oder Praxisräume ab<br />

220 m 2 . Innen- und Aussenparkplätze können<br />

dazu gemietet werden.<br />

Infos und Besichtigung:<br />

MB Immobilien AG, Langenthal<br />

Telefon 062 919 01 08<br />

Staffelbach, Überbauung Oberfeldpark,<br />

4.5-Zimmerwohnung im Erdgeschoss<br />

(105 m 2 ) – ERSTVERMIETUNG<br />

• Wohnzimmer, Küche und Nasszellen mit<br />

Plattenboden<br />

• Schlafzimmer mit Parkett<br />

• 1x Bad / WC, 1x Dusche / WC<br />

• Loggia<br />

• eigene WM/Tumbler<br />

• grosses Kellerabteil<br />

• Einbauschrank / Reduit<br />

• EHP à CHF 130.00<br />

Mietzins: CHF 1740.00 plus Akonto 190.00<br />

Staffelbach, Überbauung Oberfeldpark,<br />

3.5-Zimmerwohnung im 2. Obergeschoss<br />

(92 m 2 ) – ERSTVERMIETUNG<br />

• Wohnzimmer, Küche und Nasszellen mit<br />

Plattenboden<br />

• Schlafzimmer mit Parkett<br />

• 1x Bad / WC, 1x Dusche / WC<br />

• Balkon<br />

• eigene WM/Tumbler<br />

• grosses Kellerabteil<br />

• Einbauschrank / Reduit<br />

• EHP à CHF 130.00<br />

Mietzins: CHF 1450.00 plus Akonto 170.00<br />

Infos und Besichtigung:<br />

MB Immobilien AG, Langenthal<br />

Telefon 062 919 01 08<br />

Oberbipp, Sägegasse 3<br />

3.5-Zimmer-Maisonettewohnung, 91 m 2<br />

• Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer mit<br />

Parkett<br />

• Nasszellen mit Platten<br />

• Dusche/WC<br />

• Balkon<br />

• eigene Waschmaschine/Tumbler<br />

• Galerie<br />

• Carport à CHF 80.00<br />

Mietzins: CHF 1700.00 plus Akonto 180.00<br />

Infos und Besichtigung:<br />

MB Immobilien AG, Langenthal<br />

Telefon 062 919 01 08<br />

Wiler b. Utzenstorf, Überbauung<br />

Hofacher, 4.5-Zimmer-Duplexwohnungen<br />

(110 m 2 ) – ERSTVERMIETUNG<br />

• Wohnzimmer, Küche und Nasszellen mit<br />

Plattenboden<br />

• Schlafzimmer mit Parkett<br />

• Bad/WC<br />

• Dusche/WC<br />

• Balkon<br />

• eigene Waschmaschine/Tumbler im UG<br />

• grosses Kellerabteil<br />

• Einbauschränke/Reduits<br />

• Carport à CHF 90.00<br />

Mietzins: CHF 1750.00 plus Akonto 230.00<br />

Wiler b. Utzenstorf, Überbauung<br />

Hofacher, 2.5-Zimmer-Parterrewohnungen<br />

(69 m 2 ) – ERSTVERMIETUNG<br />

• Wohnzimmer, Küche und Nasszellen mit<br />

Plattenboden<br />

• Schlafzimmer mit Parkett<br />

• Dusche/WC<br />

• Gartensitzplatz<br />

• eigene Waschmaschine/Tumbler im UG<br />

• grosses Kellerabteil<br />

• Einbauschränke/Reduits<br />

• Carport à CHF 90.00<br />

Mietzins: CHF 1350.00 plus Akonto 180.00<br />

Infos und Besichtigung:<br />

MB Immobilien AG, Langenthal<br />

Telefon 062 919 01 08<br />

Rohrbach, Werkstatt<br />

Rund 250 m 2 Werkstattfläche mit grosser<br />

Raumhöhe.<br />

Infos und Besichtigung: 079 431 56 42<br />

Rohrbach, offene Lagerhalle<br />

Ab 500 m 2 offene, überdachte Lagerhalle.<br />

Infos und Besichtigung: 079 431 56 42<br />

MB Immobilien AG<br />

Bahnhofstrasse 1 I 4914 Roggwil<br />

www.mb-immo.ch<br />

Tel. 062 919 01 08 I Fax 062 919 01 09


EDITORIAL / INHALT<br />

Liebe Leserin,<br />

lieber Leser<br />

4<br />

Zuweilen ärgere ich mich über den<br />

Einkaufstourismus in die Nachbarländer.<br />

Nicht weil überteuerte Importprodukte im<br />

Ausland billig eingekauft werden, sondern<br />

wegen der fehlenden Solidarität zu<br />

Schweizer Firmen und zu unserer Landwirtschaft,<br />

deren Produkte wegen höheren<br />

Lohnkosten und behördlichen Auflagen<br />

mehr kosten als vergleichbare Produkte<br />

aus dem Ausland. Internationale<br />

Konzerne erheben einen «Schweiz-<br />

Zuschlag», ohne einen Mehrwert zu bieten.<br />

Das ist ein Unding, und ich frage<br />

mich, wie unsere Politiker so etwas durchgehen<br />

lassen können. Wie kann es sein,<br />

dass diesen unrühmlichen Machenschaften<br />

nicht der Garaus gemacht wird? Das<br />

grosse Interview mit Sara Stalder macht<br />

Hoffnung. Die Geschäftsführerin der Stiftung<br />

für Konsumentenschutz SKS erzählt<br />

unter anderem, weshalb Einkaufstouristen<br />

keine Landesverräter sind und was die<br />

SKS gegen die Abzockerei tun will.<br />

In seinem historischen Bericht gibt uns<br />

Klaus Zaugg einen Einblick in eine Zeit, als<br />

die Medizin noch vorwiegend Glaubenssache,<br />

aber dafür noch bezahlbar war.<br />

Er zeigt auf, welche Rezepte von damals<br />

heute noch brauchbar sind, und welche<br />

ins Reich des Abstrusen gehören.<br />

Die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft<br />

spielt am 9. Juni im Rahmen der<br />

Qualifikation für die WM 2018 gegen die<br />

Auswahl der Färöer-Inseln. Statt einer<br />

ausführlichen Vorschau stellen wir Ihnen<br />

die Inselgruppe vor.<br />

Viel Spass beim Lesen<br />

Ihr Bruno Wüthrich<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber: one X Services<br />

Redaktion: Bruno Wüthrich,<br />

Klaus Zaugg<br />

Layout: tnt-graphics AG,<br />

8305 Dietlikon,<br />

www.tnt-graphics.ch<br />

Auflage: 69 000 Exemplare<br />

Druck: LZ Print,<br />

Luzerner Zeitung AG<br />

Versand: Die Post<br />

Inserate-Annahme und Redaktion:<br />

inserate@spositive.ch<br />

4 INTERVIEW<br />

Seit bald 20 Jahren leitet<br />

Sara Stalder die Stiftung für<br />

Konsumentenschutz und<br />

setzt sich für die Anliegen<br />

von Konsumentinnen und<br />

Konsumenten ein.<br />

12 ALGORITHMEN<br />

Die Handlungsanweisungen<br />

für Software treffen wir im<br />

Alltag in allen Bereichen an:<br />

Von der Verkehrssteuerung<br />

über die Werbung bis zu jeder<br />

Google-Anfrage.<br />

18 WISSENSWERTES<br />

Warum die Füsse des<br />

Blaufusstölpels so knallblau<br />

sind und wie man sich<br />

richtig entschuldigt.<br />

20 MEDIZIN<br />

Von Aderlass bis Wunderheiler:<br />

Mit welchen erstaunlichen<br />

und fortschrittlichen<br />

Methoden Kranke im<br />

Oberaargau in früheren<br />

Zeiten geheilt worden sind.<br />

28 FUSSBALL-INSELN?<br />

Die Faröer sind eine Reise<br />

Wert. Nicht wegen Fussball,<br />

sondern wegen der freundlichen<br />

Menschen und der<br />

prächtigen Natur.<br />

34 DIE SEITE DER LESER<br />

Leserbriefe, Impressum.<br />

12<br />

28<br />

20<br />

18<br />

s’Positive 5 / 2017 3


SARA STALDER<br />

Im Dienst der<br />

Konsumenten<br />

Zu hohe Preise, schlechte Qualität oder<br />

ein Bschiss: Dies ist häufig ein Fall für die<br />

Stiftung für Konsumentenschutz SKS.<br />

Geschäftsführerin Sara Stalder erzählt<br />

im Interview, worum es dabei geht.<br />

TEXT: BRUNO WÜTHRICH, FOTOS: PIUS KOLLER<br />

Wenn von der Wirtschaft die<br />

Rede ist, sprechen wir von<br />

Firmen, Konzernen, Verbänden,<br />

Konjunktur, Bruttosozialprodukt,<br />

Umsätzen<br />

und Gewinnen. Dabei wird ein Faktor<br />

oft übersehen, der im Endeffekt dafür zuständig<br />

ist, dass der Wirtschaftsmotor läuft:<br />

Die Verbraucher oder Konsumenten. Sie sind<br />

jedoch gleichzeitig das schwächste Glied in<br />

der Kette und brauchen deshalb Schutz. Seit<br />

2008 leitet die in Dürrenroth aufgewachsene<br />

und in Sumiswald lebende Sara Stalder die<br />

Stiftung für Konsumentenschutz SKS.<br />

s’Positive: Seit 2008 leiten Sie nun die<br />

Stiftung für Konsumentenschutz (SKS).<br />

Was wussten Sie über die SKS, bevor Sie<br />

sich auf diese Stelle bewarben?<br />

Sara Stalder: Das ist eine gute Frage, die mir<br />

so noch nie gestellt wurde. Damals wusste<br />

ich, dass die heutige Bundesrätin Simonetta<br />

Sommaruga in der Stiftung tätig ist, dass die<br />

Stiftung sich zu diversen Belangen der Konsumenten<br />

pointiert äussert und deshalb viele<br />

Themen zu bearbeiten hat.<br />

Also ungefähr das, was ein normaler Bürger<br />

und Konsument auch weiss.<br />

Ja, so ungefähr. Und ich glaubte damals<br />

fälschlicherweise, die SKS würde hauptsächlich<br />

vom Bund finanziert.<br />

Wie kamen Sie als ausgebildete Pädagogin<br />

dazu, sich für diese Stelle zu interessieren?<br />

Ich war in meinem vorherigen Erwerbsleben<br />

vor allem im Schulbereich tätig, einerseits<br />

als Lehrperson, andererseits als Schulleiterin,<br />

und wollte deshalb auch noch etwas<br />

anderes kennenlernen. Ich wollte mich in<br />

einem ausserschulischen Gebiet beweisen<br />

und bewarb mich zu dieser Zeit auf spannende<br />

Stellen. An der SKS interessierte mich die<br />

Themenvielfalt und dass ich mich für das<br />

schwächste Glied in der Wirtschaftskette,<br />

also die Konsumenten, einsetzen kann.<br />

Was trafen Sie an, als Sie die Stelle antraten?<br />

Die viel grössere Themenpalette, als ich dies<br />

je hätte ahnen können. Angefangen mit der<br />

Ferkelkastration bis hin zur Marktöffnung<br />

beim Strom und zu unlauterem Wettbewerb<br />

ist alles dabei. Ich musste mich unverzüglich<br />

in die vielen Themen einarbeiten und be-<br />

Sara Stalder hat sich<br />

in der SKS in viele<br />

verschiedene Themen<br />

eingearbeitet.<br />

4 s’Positive 5 / 2017


s’Positive 5 / 2017 5


SARA STALDER<br />

«Wir sammeln Fakten, wenn wir von einem<br />

Missstand hören. Wenn tatsächlich etwas<br />

nicht in Ordnung ist, nehmen wir mit dem<br />

Anbieter Kontakt auf. Oft müssen wir mit<br />

der Öffentlichkeit oder mit einer Klage<br />

drohen, bevor sie mit uns sprechen.»<br />

nötigte dazu auch die Hilfe von externen<br />

Experten. Die allergrösste Hilfe war jedoch<br />

von Beginn weg mein topmotiviertes Team.<br />

Sie sind jetzt seit neun Jahren dabei. Die<br />

Aufgabe scheint nicht langweilig zu sein.<br />

Nein, langweilig wurde es bisher tatsächlich<br />

nie. Dafür ist die Themenvielfalt viel zu gross<br />

und die einzelnen Themen und die diversen<br />

Prozesse, beispielsweise bei der Gesetzgebung,<br />

viel zu interessant und unvorhersehbar.<br />

Wir müssen daher immer wieder unsere<br />

Arbeitsweise und Themenplanung an der<br />

Aktualität anpassen.<br />

Sie brachten vorhin die Energiepolitik als<br />

Beispiel, die ja längst nicht nur den Konsumentenschutz<br />

beschäftigt. Besteht<br />

nicht die Gefahr, dass die SKS bei diesen<br />

Themen nicht nur Politik für die Konsumenten<br />

macht?<br />

Wir fokussieren uns auf die Belange der Konsumenten.<br />

Doch es gibt kaum einen Bereich,<br />

der uns als Konsumenten nicht betrifft. Deshalb<br />

müssen wir uns thematisch immer wieder<br />

einschränken: Wir äussern uns nur dort,<br />

wo es aus Konsumentensicht relevant ist. Wir<br />

grenzen uns zudem dort ab, wo sich Organisationen<br />

mit grösserem Fachwissen darum<br />

kümmern – so etwa bei Fragen des Mietrechts<br />

oder bei Patientenfragen. Aber wir<br />

nehmen dort den Faden auf, wo sich niemand<br />

darum kümmert, wie zum Beispiel bei<br />

Versicherungsthemen, dem Anlegerschutz<br />

oder den Energiepreisen.<br />

Bleiben wir doch gleich bei der Energiepolitik.<br />

Die Energiewende wird ja eher<br />

von links gepusht. Auch die SKS ist eine<br />

Organisation, deren Themen eher von<br />

Politikern aus dem linken Spektrum aufgenommen<br />

werden. Wie sieht es mit den<br />

zu erwartenden steigenden Kosten aus?<br />

Diese wären ja nicht im Sinne der Konsumenten.<br />

Müssen Sie da nicht sozusagen<br />

«contre coeur» agieren?<br />

Ob diese Kosten tatsächlich dermassen steigen<br />

werden, ist höchst zweifelhaft. Denn<br />

selbst Wirtschaftskreise attestieren, dass die<br />

Preise von erneuerbarer Energie fallen werden,<br />

im Gegensatz zu der Energie aus grossen<br />

Kraftwerken. Gerade die Atomkraftwerke<br />

arbeiten seit Jahren defizitär, und die Kosten<br />

der Stilllegungen werden uns zusätzlich belasten,<br />

wie in Kürze in Mühleberg. Wir sind<br />

überzeugt, dass die dezentral produzierten,<br />

erneuerbaren Energien in ein paar Jahren<br />

am günstigsten sein werden. Zudem ist es<br />

sinnvoll, hier auch beim Preis eine nachhaltige<br />

Sichtweise zu haben. Denn es gibt nicht<br />

nur die wirtschaftliche, sondern auch noch<br />

eine ökologische und eine soziale Komponente,<br />

die wir berücksichtigen. Dies handhaben<br />

wir übrigens bei den allermeisten<br />

Konsumbereichen so, beispielsweise bei den<br />

Lebensmitteln. Auch hier geht es nicht nur<br />

um den Preis, sondern auch um die Qualität<br />

und die Art der Produktion.<br />

Der Konsumentenschutz bezieht sich also<br />

nicht nur auf den Preis?<br />

In unserem Fokus stehen sowohl die Wirtschaftlichkeit<br />

als auch die Umwelt und soziale<br />

Komponenten.<br />

Wenn es um Konsumentenschutz geht,<br />

kommt uns nicht immer zuerst die SKS in<br />

den Sinn. Da gibt es auch noch den Preisüberwacher<br />

und den Kassensturz. Wie ist<br />

da die Zusammenarbeit?<br />

Diese Vielfalt in der Schweiz erschwert es<br />

zu verstehen, wer wofür zuständig ist. Es<br />

gibt zusätzlich das Büro für Konsumentenfragen.<br />

Dies ist eine relativ unbekannte Verwaltungsstelle,<br />

die aber der Grund sein<br />

könnte, weshalb so viele Leute meinen, die<br />

SKS sei eine Bundesstelle. Wir sind aber nur<br />

zu einem kleinen Teil vom Bund finanziert,<br />

nämlich zu 15 Prozent, und haben dafür<br />

konkrete Vorgaben zu erfüllen. Eine grosse<br />

Rolle spielen die Konsumentenmedien, mit<br />

denen wir insgesamt eine gute Zusammenarbeit<br />

pflegen. Es liegt in der Natur der Sache,<br />

dass sie vor allem an Geschichten interessiert<br />

sind, die möglichst viele Leser interessieren.<br />

Unsere Aufgabe hingegen ist es,<br />

auch über lange Zeit hartnäckig an einem<br />

Thema zu arbeiten, vielfach auch im Hintergrund.<br />

Hinzu kommt, dass es in unserem<br />

Sara Stalder:<br />

«Die Schweiz hinkt<br />

der EU in Sachen<br />

Konsumentenschutz<br />

hinterher.»<br />

Land insgesamt vier Konsumentenorganisationen<br />

gibt, davon je eine im Welschland<br />

und im Tessin. Seit Jahren koordinieren wir<br />

Jahresthemen, was mit drei der vier Organisationen<br />

gelingt.<br />

Wie gehen Sie an ein neues Thema heran?<br />

Zuerst sammeln wir die Fakten, wenn wir<br />

aus den Beratungsanfragen oder über Medien<br />

von einem Missstand hören. Wenn wir<br />

merken, dass tatsächlich etwas nicht in Ordnung<br />

ist, nehmen wir vielfach mit dem Anbieter<br />

Kontakt auf. Nicht immer ist es nötig,<br />

via Öffentlichkeit Druck zu machen. Es gibt<br />

vereinzelt Anbieter, die sofort bereit sind,<br />

Abhilfe zu schaffen.<br />

Aber wenn nötig, arbeiten Sie mit öffentlichem<br />

Druck?<br />

6 s’Positive 5 / 2017


ZUR PERSON<br />

Sara Stalder<br />

Sara Stalder (50) wuchs in Dürrenroth<br />

auf und war von 1987 bis 2001 als<br />

Klassenlehrerin der Primarstufe im<br />

Kanton Bern tätig, davon mehrere<br />

Jahre in der Kurzenei, einem Weiler<br />

in Wasen. Dort unterrichtete sie im<br />

selben Klassenzimmer erst 16, dann<br />

7 Schülerinnen und Schüler auf sechs<br />

Schulstufen. Von 2001 bis 2008 arbeitete<br />

sie als Schulleiterin für Kindergarten<br />

und Primarschule. Seit April 2008<br />

ist Sara Stalder Geschäftsleiterin der<br />

Stiftung für Konsumentenschutz SKS.<br />

Des Weiteren ist sie seit Juni 2010 im<br />

Vorstand der Allianz der Konsumentenschutz-Organisationen<br />

für die operative<br />

Führung der Dachorganisation<br />

zuständig. Sara Stalder lebt in Sumiswald,<br />

ist verheiratet und hat 3 Kinder.<br />

Ja. Oft verstecken sich Anbieter hinter einem<br />

Artikel im Gesetz. Dann zeigen wir ihm auf,<br />

dass es auch noch andere Gesetzesartikel<br />

und Umstände gibt, die es in diesem Fall zu<br />

beachten gibt. Gibt es keine Einigung, beziehen<br />

wir die Öffentlichkeit mit ein.<br />

Sind die fehlbaren Firmen oder Verbände<br />

gerne bereit, mit Ihnen zu sprechen, oder<br />

müssen Sie viel Druck aufsetzen?<br />

Dies ist unterschiedlich und hängt auch vom<br />

Projekt ab. In der Regel herrscht vorerst einmal<br />

grosse Zurückhaltung. Man teilt uns mit,<br />

man habe alles abgeklärt und es habe alles<br />

seine Ordnung. Natürlich suchen die Firmen<br />

für sich den grösstmöglichen Nutzen und<br />

bewegen sich in Grauzonen. Oft müssen wir<br />

deshalb mit der Öffentlichkeit oder mit einer<br />

Klage drohen, bevor sie mit uns sprechen.<br />

Die Stiftung für Konsumentenschutz besteht<br />

seit 1964, also seit 53 Jahren. Was<br />

hätten wir für eine Konsumentenschweiz,<br />

wenn es die Organisation nicht gäbe?<br />

Dann wäre eine andere Organisation in die<br />

Bresche gesprungen. Davon bin ich überzeugt.<br />

Denn es ging damals nicht anders,<br />

europaweit wurden Konsumentenverbände<br />

gegründet. Zu dieser Zeit begann die amerikanische<br />

Mentalität bei uns Einzug zu halten.<br />

Supermärkte lösten die Tante-Emma-<br />

Läden ab. Damit wurden natürlich Tür und<br />

Tor geöffnet, den Leuten Waren anzudrehen,<br />

die mehr versprachen als sie hielten, oder<br />

wo nicht überall drin war, was drauf stand.<br />

Es mussten also Regeln her, und die galt es<br />

zu überwachen. Dies ist ja bis heute so geblieben.<br />

Wo etwas Neues aufkommt, müssen<br />

wir hinschauen.<br />

Werden Sie eigentlich von der Politik gut<br />

unterstützt?<br />

Wir führen mit Politikern jeder Couleur immer<br />

wieder gute und konstruktive Gespräche.<br />

Doch wenn es um die Abstimmung im<br />

Parlament geht, sieht es etwas anders aus.<br />

Gerade Politiker liberaler Parteien sind oft<br />

an das gebunden, was ihnen die Partei- oder<br />

Fraktionsspitze vorgibt, und dies ist dann<br />

mehrheitlich gar nicht in unserem Sinn.<br />

Dabei werden die Volksvertreter ja vom<br />

Volk gewählt.<br />

Ja, das stimmt. Aber gleich nach der Wahl<br />

werden sie von den Wirtschaftsverbänden<br />

und Interessensorganisationen absorbiert<br />

und in Beschlag genommen. Ihnen werden<br />

lukrative Verwaltungsratsmandate oder Beiratssitze<br />

angeboten – dann ist es natürlich<br />

vorbei mit der freien Meinung.<br />

Kurz nach Ihrem Stellenantritt sagten Sie<br />

in einem Interview, dass die Schweiz in<br />

Sachen Konsumentenschutz weit hinter<br />

der EU herhinke. Hat sich dies inzwischen<br />

geändert?<br />

Jede zweite Woche bin ich etwas deprimiert<br />

und neidisch, da ich aus Deutschland regelmässig<br />

einen Newsletter des dortigen Verbraucherschutzes<br />

erhalte. Darin erfahre ich,<br />

was in Europa in Sachen Konsumentenschutz<br />

umgesetzt wird oder in Planung ist. In der EU<br />

hat man begriffen, dass die grösste Stütze der<br />

Volkswirtschaft der kleine Konsument ist, und<br />

dass der umso mehr kauft, umso grösser sein<br />

Vertrauen in die Anbieter ist. In der Schweiz<br />

hinken wir da völlig hinterher. Wir öffnen<br />

Märkte um Märkte, und der Konsument<br />

s’Positive 5 / 2017 7


SARA STALDER<br />

bleibt dabei auf der Strecke, denn seine Rechte<br />

werden nicht in gleichem Mass verstärkt.<br />

Um Ihre Frage zu beantworten: Es hat sich<br />

insofern verändert, als dass der Abstand leider<br />

noch grösser geworden ist.<br />

Müssen wir in der Schweiz nicht automatisch<br />

die EU-Standards übernehmen?<br />

Doch, das müssen wir vielfach, damit keine<br />

Handelshemmnisse entstehen. Aber beim<br />

Konsumentenschutz tun die Politiker dies<br />

immer auf dem kleinstmöglichen Level. Dies<br />

ist ein Armutszeugnis für die Schweiz, denn<br />

die Wichtigsten, aber gleichzeitig die<br />

Schwächsten in der Wertschöpfungskette<br />

werden systematisch vernachlässigt. Der<br />

ehemals Vorzeige-Rechtsstaat Schweiz hat<br />

seine Rolle längst verspielt, wie uns Rechtsprofessoren<br />

immer wieder bestätigen.<br />

Können Sie uns ein paar Beispiele nennen<br />

von Standards, die in der EU gelten, und<br />

die Sie sich in der Schweiz ebenfalls wünschen?<br />

Zum Beispiel das Widerrufsrecht im Online-<br />

Handel. Die EU kennt dies seit 15 Jahren.<br />

Die Konsumenten in der Schweiz gehen<br />

ebenfalls davon aus, dass ihnen dieses Recht<br />

zusteht. Aber dies stimmt so nicht. Vor anderthalb<br />

Jahren scheiterte diese Vorlage im<br />

Parlament aus Gründen, die ich nicht nachvollziehen<br />

kann. Wünschenswert wäre auch<br />

das Kleinanlegergesetz, das in der EU gilt.<br />

In der Schweiz ist man jetzt daran, sich dies<br />

ebenfalls zu überlegen – leider in deutlich<br />

abgeschwächter Form. Auch bei den Versicherungsdienstleistungen<br />

existieren in der<br />

EU Vorschriften, die bei uns ebenfalls wünschenswert<br />

wären. Und schliesslich wäre da<br />

noch die Aufhebung der Roaming-Gebühren,<br />

welche Mitte Juni in den europäischen Ländern<br />

Wirklichkeit wird.<br />

Aber eigentlich wäre es doch einfach: Ist<br />

ein Produkt nicht gut genug, zu teuer oder<br />

hält nicht, was sich die KonsumentInnen<br />

davon versprechen, verschwindet es doch<br />

von selbst vom Markt, weil es nicht mehr<br />

gekauft wird.<br />

Dies ist eben die reine Theorie. Würde Wirtschaft<br />

in einem Vakuum stattfinden, könnte<br />

dies so funktionieren. Wie ich schon erwähnte,<br />

bewegen sich Firmen immer wieder in<br />

Grauzonen. Selbst seriöse! Zum Beispiel die<br />

Swisscom, die jetzt die persönlichen Kundendaten<br />

weitergeben und damit eine neue<br />

Einnahmequelle schaffen will. Zwar erhalten<br />

die Kunden ein beschönigendes Schreiben<br />

und es gäbe sogar eine Möglichkeit für jeden<br />

Einzelnen, dies zu unterbinden. Aber der<br />

Weg dahin wird äusserst kompliziert und<br />

langwierig gestaltet: Das ist deshalb überhaupt<br />

nicht konsumentenfreundlich!<br />

Beschäftigen dürfte Sie auch die Hochpreisinsel<br />

Schweiz.<br />

«Wären bereits alle<br />

Importprodukte in<br />

der Schweiz zu fairen<br />

Preisen zu haben,<br />

würde sich die Fahrt<br />

über die Grenze deutlich<br />

weniger lohnen»<br />

Das stimmt. Deswegen haben wir unsere<br />

Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel –<br />

Für faire Preise» eingereicht. Diese richtet<br />

sich gegen überteuerte Importprodukte, also<br />

gegen Produkte, die im Ausland billig hergestellt<br />

und dort auch zu niedrigen Preisen<br />

verkauft werden. In der Schweiz kosten diese<br />

aber wesentlich mehr, weil die Preise für<br />

den Verkauf in unserem Land künstlich massiv<br />

heraufgesetzt werden, also grundlos ein<br />

«Zuschlag Schweiz» draufgeschlagen wird.<br />

Bei Preisvergleichen stellen wir immer wieder<br />

fest, dass Schweizer für das genau gleiche<br />

Produkt zwischen 30 und 200 Prozent<br />

mehr bezahlen als Konsumenten im Ausland.<br />

Sie erhalten für den deutlich höheren Preis<br />

jedoch keinerlei Mehrwert.<br />

Treffen Sie mit dieser Initiative, wenn sie<br />

denn angenommen wird, nicht auch die<br />

einheimische Landwirtschaft? Die Schweizer<br />

Konsumenten, die im benachbarten<br />

Ausland einkaufen, tun dies ja nicht nur<br />

wegen der Importprodukte, sondern weil<br />

sie auch die Lebensmittel ennet der Grenze<br />

deutlich günstiger erhalten.<br />

Unsere Initiative richtet sich nicht gegen<br />

Produkte, die im Inland hergestellt werden,<br />

also auch nicht gegen die Produkte, die unsere<br />

Landwirte produzieren, und auch nicht<br />

gegen die Preise, die sie dafür haben müssen.<br />

Dieser Punkt ist sehr wichtig!<br />

Die Preise für landwirtschaftliche Produkte<br />

sind aber in der Schweiz ebenfalls höher<br />

als im benachbarten Ausland.<br />

Ja, aber die Schweiz auferlegt ihren Bauern<br />

deutlich höhere Auflagen als dies im Ausland<br />

der Fall ist. Dies verursacht auch höhere Kosten.<br />

Ausserdem leidet unsere Landwirtschaft<br />

Sara Stalder geht<br />

gegen überteuerte<br />

Importprodukte vor.<br />

8 s’Positive 5 / 2017


ebenfalls unter künstlich erhöhten Preisen.<br />

Dünge- und Futtermittel, Maschinen und<br />

Saatgut stammen aus dem Ausland, und die<br />

Preise dafür werden für Schweizer Landwirte<br />

ebenfalls künstlich heraufgesetzt. Unter<br />

dem gleichen Umstand leidet übrigens auch<br />

unser Gewerbe, die Gastronomie und die<br />

Hotellerie. Die Preise für Rohstoffe, Maschinenteile<br />

und Hilfsmittel werden auch hier<br />

für die Schweiz künstlich erhöht. Das erzeugt<br />

einen Wettbewerbsnachteil, der nicht<br />

aufzuholen ist, verglichen mit der Konkurrenz<br />

in den angrenzenden Ländern.<br />

Welche Rolle spielen die in der Schweiz<br />

ebenfalls höheren Löhne?<br />

Bei in der Schweiz hergestellten Produkten<br />

spielen die Löhne eine grosse Rolle. Doch bei<br />

allen anderen Produkten spielen die Löhne<br />

insofern keine Rolle, als dass diese nicht davon<br />

abhängig sind, wo das Produkt verkauft<br />

wird. Der Arbeiter in einem Billiglohnland<br />

verdient nicht mehr, nur weil das Produkt,<br />

das er gerade fertigt, später in der Schweiz,<br />

und nicht in Deutschland verkauft wird.<br />

Was versprechen Sie sich von der Initiative?<br />

Da die in der Schweiz produzierten<br />

Güter davon nicht betroffen sind, würden<br />

landwirtschaftliche Produkte aus der EU<br />

trotzdem deutlich billiger bleiben, und<br />

viele Menschen in den Grenzgebieten<br />

würden trotzdem über die Grenze fahren,<br />

um einzukaufen.<br />

Wir sind überzeugt, dass deutlich weniger<br />

Personen ins Ausland reisen würden, um<br />

einzukaufen. Denn wären bereits alle Importprodukte<br />

in der Schweiz zu fairen Preisen<br />

zu haben, würde sich die Fahrt über die<br />

Grenze deutlich weniger lohnen. Es sind ja<br />

«Bei Preisvergleichen stellen wir immer<br />

wieder fest, dass Schweizer für das<br />

genau gleiche Produkt zwischen 30 und<br />

200 Prozent mehr bezahlen.»<br />

gerade die Importprodukte wie Kleider,<br />

Schuhe, Sportartikel, Haushaltgeräte, Kosmetik<br />

und Pflegeprodukte, auf denen die<br />

höchsten Preisunterschiede bestehen.<br />

Sie unterscheiden also bei den Preisen<br />

zwischen den Produkten aus der Schweiz,<br />

die wegen der hohen Auflagen und Kosten<br />

in unserem Land unausweichlich sind,<br />

und den im Ausland produzierten Gütern,<br />

deren Preise künstlich erhöht werden.<br />

Richtig!<br />

Eine grosse Schweizer Tageszeitung beschimpfte<br />

Konsumenten, die ennet der<br />

Grenze einkaufen, auch schon als Landesverräter.<br />

Ich wehre mich gegen diese Moralkeule. Wer<br />

über die Grenze fährt, um künstlich verteuerte<br />

Produkte günstiger einzukaufen, ist deswegen<br />

noch lange kein Landesverräter. Verräter<br />

sind für mich all die Konzerne, welche<br />

die Produkte für Schweizer künstlich verteuern<br />

und satte Gewinne abschöpfen. Sie schädigen<br />

unsere Volkswirtschaft doppelt! Dagegen<br />

wollen wir vorgehen. Es ist doch klar,<br />

dass die Leute über die Grenze fahren, wenn<br />

sie dort viel mehr für ihr Geld erhalten. Ebenso<br />

klar ist, dass, wer schon mal drüben ist,<br />

gleich auch noch in die Gestelle für Nahrungsmittel<br />

greift, die dort ebenfalls billiger<br />

sind. Der Drang, im Ausland einzukaufen,<br />

würde bei fairen Preisen für Importprodukte<br />

jedoch deutlich abnehmen. Dagegen muss<br />

jetzt endlich etwas unternommen werden,<br />

denn die Politik schaut seit Jahren tatenlos<br />

zu. Es muss gelingen, die gierigen Konzerne<br />

in Schranken zu weisen, damit in der Schweiz<br />

ein anständiges Preisniveau herrscht.<br />

Das Verbot für Parallelimporte ist doch<br />

inzwischen gefallen. Versprochen hat<br />

man sich davon deutlich günstigere Preise<br />

für im Ausland produzierte Waren.<br />

Weshalb ist dies nicht in gewünschtem<br />

Masse eingetreten?<br />

Das stimmt. Mit Ausnahme der Pharmaindustrie<br />

ist das Parallelimportverbot überall<br />

gefallen. Doch jetzt verhindern Absprachen<br />

im Hintergrund die alternative Einfuhr.<br />

Absprachen im Hintergrund?<br />

Ja. Wer Waren nicht über den Generalimporteur,<br />

sondern auf anderen Wegen einzuführen<br />

versucht, wird vom Mutterhaus abgestraft.<br />

Dieses hat sich vielfältige Kontrollmechanismen<br />

ausgedacht, um Parallelimporte sofort<br />

zu erkennen und zu blockieren. Passiert solches,<br />

wäre dies eigentlich ein Fall für die Wettbewerbskommission<br />

(WEKO). Doch die momentane<br />

Gesetzgebung erlaubt es ihr nicht,<br />

hier tätig zu werden. Deshalb ist die Kartellgesetzrevision<br />

dringend notwendig, für die<br />

sich die SKS mit der Volks initiative «Stop der<br />

Hochpreisinsel – Für faire Preise» einsetzt.<br />

Die SKS beschäftigt – Sie eingerechnet – 12<br />

Mitarbeitende in etwas über 8 Vollzeitstellen<br />

und hat über ein Budget von 1,7 Millionen<br />

Franken. Die Behörden, die sich um<br />

das Ähnliches bemühen, benötigen ein<br />

Vielfaches. Wie schaffen Sie den ganzen<br />

Aufwand mit so wenig Personal?<br />

Dies ist tatsächlich ein Riesenspagat. Allein<br />

die Pharmabranche betreibt ein Lobbybüro,<br />

das über die doppelte Anzahl an Stellenprozenten<br />

verfügt als die SKS. Auch die Banken<br />

sind gut bestückt. Es ist immer ein Kampf von<br />

David gegen Goliath. Wir sind deshalb gezwungen,<br />

flink, agil und effizient zu arbeiten.<br />

Zudem nehmen wir zuweilen auch die Hilfe<br />

von externen Experten in Anspruch. Trotzdem:<br />

Um alle Bereiche so gut wie nötig bearbeiten<br />

zu können, würden wir ungefähr das<br />

Zehnfache an Personal benötigen. Ein Vorteil<br />

sind jedoch die kurzen Entscheidungswege.<br />

Grosse Organisationen neigen dazu, träge zu<br />

werden. Dies ist bei uns definitiv nicht der Fall.<br />

Wie kommen die 1,7 Millionen zusammen?<br />

Diese erwirtschaften wir zum grössten Teil<br />

selbst. Dabei handelt es sich vorwiegend um<br />

Kleinstspenden und Produktverkäufe. Die<br />

Stiftung erfreut sich über eine stattliche Anzahl<br />

von Mitgliedern, die jährlich 60 Franken<br />

bezahlen. Hinzu kommen projektbezogene<br />

Kleinstspenden von zufriedenen Konsumenten<br />

und Verkaufseinnahmen von unseren<br />

Ratgebern. Diese Einnahmen machen 85<br />

Prozent unseres Budgets aus. Die restlichen<br />

15 Prozent steuert der Bund bei. Diese sind<br />

allerdings rückläufig und zudem mit klaren<br />

Auflagen verbunden.<br />

Kommen keine grösseren Spenden? Zum<br />

Beispiel von Firmen, die damit verhindern<br />

wollen, dass Sie sich um sie kümmern?<br />

Die Versuchung besteht. Doch alle Spendenbescheinigungen<br />

von mehr als 100 Franken<br />

wandern über meinen Tisch. Da will ich persönlich<br />

wissen, was dahintersteckt. Wir<br />

s’Positive 5 / 2017 9


SARA STALDER<br />

Sara Stalder kann mit negativen Reaktionen leben.<br />

haben auch schon Geld von zweifelhafter<br />

Herkunft wieder zurück überwiesen.<br />

Die SKS existiert seit nunmehr 53 Jahren.<br />

Wie hat sich das Tätigkeitsfeld seither<br />

verändert?<br />

1964 gab es noch kein Internet und keine<br />

Mobiltelefone. Die Stiftung für Konsumentenschutz<br />

machte damals Produktetests und<br />

überprüfte beispielsweise, ob sich die angegebene<br />

Menge in den Verpackungen befand,<br />

was nicht immer der Fall war. Heute leben<br />

wir in einer globalisierten Welt, in der wir<br />

online von überall her Waren bestellen können.<br />

Was früher überschaubar war und für<br />

nur die Schweiz galt, gilt heute für die ganze<br />

Welt. Alles ist zudem viel schneller geworden.<br />

Produkttests sind sehr aufwändig und<br />

teuer geworden.<br />

Der wohl berühmteste Beitrag des Kassensturz<br />

war der Ravioli-Test von 1978, an<br />

den sich auch heute noch viele Zuschauer<br />

erinnern können. «Kassensturz-Agenten»<br />

hatten aufgedeckt, woraus Ravioli damals<br />

wirklich bestanden. Was kommt Ihnen<br />

dazu in den Sinn?<br />

Dass dies tatsächlich die berühmteste Sendung<br />

des Kassensturz war. Aber dass nicht<br />

«Kassensturz-Agenten» hinter den Tests<br />

steckten, sondern die SKS.<br />

Wenn man Ihren Namen googelt, erscheint<br />

zuoberst ein Artikel von «20 Minuten»<br />

mit dem Titel: «Sara Stalder verblödet<br />

langsam.» Werden Sie eigentlich<br />

öfters angefeindet?<br />

Mit dem Herrn, der sich so geäussert hat,<br />

führte ich ein Gespräch hinter geschlossener<br />

Tür. So lässt sich solches besser klären als im<br />

Scheinwerferlicht. Er hat sich auch entschuldigt.<br />

Aber es ist schon so: Manchmal bleiben<br />

negative Reaktionen von Verantwortlichen<br />

von durch uns aufgedeckten Machenschaften<br />

nicht aus. Doch damit kann und muss<br />

ich leben.<br />

ZUSATZINFOS<br />

Stiftung für Konsumentenschutz SKS<br />

Die privatrechtliche Stiftung<br />

für Konsumentenschutz wurde<br />

1964 von vier Arbeitnehmerund<br />

Konsum-Organisationen<br />

gegründet und hat ihren Sitz<br />

in Bern. Sie beschäftigt 12 Mitarbeitende<br />

in 8 Vollzeitstellen.<br />

Die SKS setzt sich in den Bereichen<br />

Lebensmittel und Ernährung,<br />

Mobilität und Freizeit,<br />

Gesundheit und Prävention,<br />

Energie und Umwelt,<br />

Kommunikation und digitale<br />

Welt, Finanzen und Versicherungen,<br />

Konsumentenrechte<br />

und Wirtschaftspolitik für die<br />

Interessen der Konsumenten in<br />

der Schweiz ein.<br />

Ein zentrales Anliegen ist die<br />

Information der Konsumenten.<br />

Die SKS stellt dazu auf ihrer<br />

Website kostenlose Merkblätter<br />

zur Verfügung, verkauft<br />

Ratgeber und gibt viermal<br />

jährlich die Zeitschrift Blickpunkt<br />

heraus. Zudem bietet<br />

sie Beratung per Telefon und<br />

E-Mail an. Die Stiftung ist an<br />

den Preisvergleichsportalen<br />

preisbarometer.ch und dschungelkompass.ch<br />

beteiligt. Die<br />

Stiftung setzt sich dafür ein,<br />

dass Anbieter und Händler<br />

die Konsumentenanliegen<br />

berücksichtigen. Gelingt dies<br />

nicht im direkten Dialog, beschreitet<br />

sie in Musterfällen<br />

den Rechtsweg.<br />

Mit der Teilnahme an Vernehmlassungsverfahren<br />

und<br />

parlamentarischem Lobbying<br />

ist die SKS auch in der Politik<br />

aktiv. Sie äussert sich regelmässig<br />

zu konsumrelevanten<br />

Themen in den Medien.<br />

Die Stiftung wird von rund<br />

16 000 Gönnern und 14 000<br />

Spendern unterstützt. Damit<br />

finanziert sie rund drei Viertel<br />

ihres Jahresbudgets von<br />

1,7 Millionen Franken. Weitere<br />

10 % werden durch Beratungstätigkeit<br />

und den Verkauf<br />

von Produkten erwirtschaftet.<br />

Rund 15 % steuern Bundessubventionen<br />

bei. Um ihre<br />

Unabhängigkeit zu wahren,<br />

nimmt die SKS keine Gelder<br />

von Unternehmen oder politischen<br />

Parteien an.<br />

10 s’Positive 5 / 2017


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eine saubere<br />

Sache!<br />

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WISSEN<br />

Algorithmen<br />

Wie sie unser Leben steuern<br />

Sie lenken den Strassenverkehr, steuern Flugzeuge,<br />

Atomkraftwerke und Bankomaten. Und sie bestimmen,<br />

welcher Link zuoberst steht, wenn wir einen Begriff<br />

googeln. Algorithmen sind unsere Entscheider.<br />

TEXT: BRUNO WÜTHRICH<br />

Roboter werden<br />

von Algorithmen<br />

gesteuert.<br />

12 s’Positive 5 / 2017


Fotos: shutterstock.com/asharkyu/Naypong<br />

Folgende Geschichte war in der<br />

renommierten «New York Times»<br />

zu lesen: Ein Mann stürmt in die<br />

Filiale einer Discounterkette. Erbost<br />

beschwert er sich darüber,<br />

dass seine Tochter ständig Rabattmarken<br />

für Schwangerschaftsmode und Babyartikel<br />

zugesandt erhalte. «Sie ist noch in der Highschool.<br />

Wollen Sie sie ermuntern, schwanger<br />

zu werden?» Der Filialleiter entschuldigte<br />

sich für das Missverständnis. Doch kurz darauf<br />

stellte sich heraus, dass die Tochter tatsächlich<br />

in Erwartung war. Doch woher<br />

wusste die Marketingabteilung des Unternehmens<br />

von dieser Schwangerschaft? Ganz<br />

einfach: Es analysierte Daten. Da die junge<br />

Frau mit Kundenkarte zahlte, war jeder ihrer<br />

Einkäufe gespeichert. Anhand der eingekauften<br />

Produkte erkannte der Algorithmus<br />

des Discounters zweifelsfrei Hinweise auf<br />

eine Schwangerschaft. Die werdende Mutter<br />

kaufte plötzlich unparfümierte Körperlotion,<br />

eine neue Umhängetasche, die sich auch als<br />

Wickeltasche verwenden liess, sowie Zinkund<br />

Magnesiumtabletten. Für den Computer<br />

ergaben sich aus diesen Einkäufen genügend<br />

Hinweise, um die Werbung für Babybedarf<br />

auszulösen.<br />

IM ALLTAG VERWURZELT<br />

«Algorithmen sind präzise Handlungsanweisungen,<br />

um Probleme, die innerhalb verschiedener<br />

Kontexte auftauchen, mit Hilfe<br />

allgemeiner Schemata zu lösen.» So weit die<br />

Definition. Üblicherweise verbinden wir mit<br />

dem Begriff vor allem mathematische oder<br />

informatische Herausforderungen, die nur<br />

für Ingenieure und Softwareentwickler von<br />

Bedeutung sind. Informatiker betonen aber<br />

gerne, dass Situationen, die nach algorithmischen<br />

Lösungen verlangen, durchaus auch<br />

im Alltag zu finden sind. Die unter Informatikern<br />

beliebten Beispiele, wie wir einen<br />

Kuchen fair teilen können, den Ausgang aus<br />

einem Labyrinth finden, das Bücherregal am<br />

schnellsten nach einem bestimmten Buch<br />

durchsuchen oder wie wir Umzugskartons<br />

möglichst platzsparend packen, wecken<br />

zwar tatsächlich unsere Neugier. Sie sind<br />

aber nicht besonders geeignet, die Wich-<br />

Woher wusste<br />

die Marketingabteilung<br />

des<br />

Unternehmens<br />

von dieser<br />

Schwangerschaft?<br />

Ganz einfach:<br />

Es analysierte<br />

die Daten der<br />

Kundenkarte.<br />

Bei der<br />

medizinischen<br />

Überwachung<br />

helfen<br />

Algorithmen.<br />

s’Positive 5 / 2017 13


WISSEN<br />

tigkeit der algorithmischen Welt für unsere<br />

Gesellschaft deutlich zu machen. Wir kommen<br />

in der Regel auch gut durchs Leben,<br />

ohne solche Verfahren zu kennen oder gar<br />

selbst anzuwenden. Die Brisanz von Algorithmen<br />

wird jedoch eindringlicher, wenn<br />

wir uns daran erinnern, dass sie zum Beispiel<br />

Flugzeuge, Atomkraftwerke und Bankautomaten<br />

steuern. Doch gerade hier sind in<br />

erster Linie die Fachleute gefragt, die sich<br />

kompetent um deren Sicherheit und Funktionstüchtigkeit<br />

zu kümmern haben.<br />

Dank Algorithmen<br />

können vernetzte<br />

Autos effizienter<br />

durch den Verkehr<br />

geleitet werden.<br />

DER GOOGLE-ALGORITHMUS<br />

Eine Ahnung von der versteckten Macht der<br />

Algorithmen in Alltagssituationen erhalten<br />

wir, wenn wir darüber nachdenken, wie der<br />

geheime PageRank-Algorithmus bei Google<br />

funktioniert. Dieser legt fest, welche Quellen<br />

bei der Suche an oberster Stelle gelistet werden.<br />

In einem in seiner Gesamtheit nicht mehr<br />

überschaubaren Informationsnetz existiert<br />

nur noch, was an möglichst hoher Stelle der<br />

Suchergebnisse gefunden wird. Die Entscheidung<br />

darüber, was wir oben gelistet finden,<br />

treffen Algorithmen. Nur die wenigsten Nutzer<br />

kennen das Prinzip, nach welchem die<br />

Links gelistet werden. Unzählige weitere Beispiele<br />

liessen sich nennen, die in ihrer Gesamtheit<br />

belegen, dass wir zunehmend Entscheidungen<br />

an Maschinen delegieren. Programme<br />

treffen Entscheidungen über Aktienkäufe und<br />

-verkäufe, steuern Produktionsabläufe und<br />

bewerten medizinische Daten. Computerprogramme<br />

sind deshalb nicht mehr nur die billigen<br />

Hilfsarbeiter der Gesellschaft. Viel mehr<br />

sitzen sie in den Entscheidungsgremien.<br />

NICHT MEHR WEGZUDENKEN<br />

Online-Angebote wie Suchmaschinen, Social<br />

Media oder Online-Shops sind die Bereiche,<br />

bei welchen uns das Wirken von Algorithmen<br />

in unserem Alltag am ehesten auffallen.<br />

Doch in der Welt der Algorithmen ist dies<br />

nur die Spitze des Eisberges. Sie steuern Verkehrsregelungssysteme,<br />

überwachen Geldüberweisungen<br />

oder regeln die Automatik<br />

in Fahrzeugen. Algorithmen machen bereits<br />

einen grundlegenden Bestandteil unseres<br />

täglichen Lebens aus.<br />

Algorithmen<br />

erkennen ungewöhnliche<br />

Atemgeräusche<br />

und warnen Asthma-<br />

Patienten so vor<br />

einem Anfall.<br />

Ein Beispiel, wie gross der Einfluss von Algorithmen<br />

sein kann, liefert die moderne<br />

Gebäudetechnik. Vernetzte Sensoren, die<br />

Temperatur und Luftfeuchtigkeit über den<br />

Tag hinweg messen und die Ergebnisse mit<br />

dem Heizverhalten abgleichen, können eine<br />

optimale automatische Wärmeversorgung<br />

bereitstellen. Noch effizienter wird das Energiemanagement,<br />

wenn zusätzliche Komponenten<br />

wie thermodynamische Eigenschaften<br />

des Gebäudes, Wettervorhersagen, der<br />

Energiebedarf und Strompreise in die Berechnungen<br />

einfliessen. Mithilfe von Algorithmen<br />

wird die Temperatur in Gebäuden<br />

bei unterschiedlichen Wetterbedingungen<br />

simuliert. Auf diese Weise können der Energiebedarf<br />

und die Energiekosten um 10 bis<br />

25 Prozent gesenkt und gleichzeitig kann das<br />

Wohlbefinden der Menschen im Gebäude<br />

verbessert werden.<br />

Ein völlig anderes Beispiel kommt aus der<br />

Medizin. So ist der sogenannte Wheezometer<br />

eine App, die per Smartphone-Mikrofon<br />

die Atmung von Asthma-Patienten überwacht<br />

und schon im frühen Stadium eines<br />

Asthma-Anfalls vorwarnen kann. Um verlässliche<br />

Ergebnisse zu liefern, werteten die<br />

Entwickler 40 000 Audiodateien unterschiedlicher<br />

Personen aus und erstellten<br />

14 s’Positive 5 / 2017


Vor dem Bau<br />

neuer Brücken<br />

simulieren<br />

Algorithmen,<br />

wie sich die<br />

Materialien bei<br />

Temperaturschwankungen,<br />

Wettereinflüssen<br />

und Belastungen<br />

verhalten.<br />

Fotos: shutterstock.com/Oscity/bubutu<br />

anhand dieser Informationen einen Algorithmus,<br />

der asthmabedingte, pfeifende oder<br />

brummende Atemgeräusche – das Giemen<br />

– erkennt. So können bedrohliche Situationen<br />

schnell abgewendet und bisweilen Leben<br />

gerettet werden.<br />

Diese konkreten Beispiele zeigen, wie<br />

Algorithmen den Alltag der Menschen positiv<br />

verändern können. Autos nutzen Algorithmen<br />

als Einparkassistenten oder Navigationssysteme<br />

und für viele weitere Funktionen.<br />

70 Prozent aller Finanztransaktionen<br />

werden von Algorithmen gesteuert. Sämtliche<br />

industriell gefertigten Produkte und<br />

Lebensmittel entstehen mithilfe von Maschinen,<br />

die Algorithmen nutzen. Vor dem Bau<br />

neuer Brücken simulieren Algorithmen, wie<br />

sich die Materialien bei Temperaturschwankungen,<br />

Wettereinflüssen und Belastungen<br />

durch Fahrzeuge verhalten. Der breite Einsatz<br />

von Algorithmen ist möglich, weil in den<br />

letzten Jahrzehnten die Rechenleistung der<br />

Computer um ein Vielfaches gestiegen ist.<br />

Erst die Verbreitung von Hardware, die in<br />

der Lage ist, mit komplexen Algorithmen auf<br />

grossen Datensätzen zu arbeiten, hat ihren<br />

Siegeszug eingeläutet.<br />

In den letzten Jahren kam ein weiterer<br />

wichtiger Faktor hinzu: Die einzelnen Gerä-<br />

te wurden miteinander vernetzt. In kleinem<br />

Rahmen etwa in Autos, in denen bis zu 100<br />

Steuergeräte (Electronic Control Units, ECU)<br />

eingebaut sind, die miteinander interagieren.<br />

Das Beispiel Auto eignet sich aber auch für<br />

den grösseren Rahmen: Einzelne Autos werden<br />

mit Verkehrsanlagen, der Strassenbeleuchtung<br />

und Überwachungsanlagen verbunden.<br />

Um den Verkehr effizient durch die<br />

vernetzten Strassen zu leiten, sind wiederum<br />

neue Algorithmen nötig. So treiben sich diese<br />

Entwicklungen gegenseitig voran und sind<br />

gleichzeitig voneinander abhängig.<br />

Wir Menschen gewöhnen uns schnell an<br />

Fortschritt. Was früher aussergewöhnlich<br />

und aufregend war, ist heute Alltag. Mit zunehmender<br />

Rechenleistung und Datenverarbeitungskapazität<br />

werden wir immer<br />

schneller und einfacher in der Lage sein,<br />

grosse Mengen an Daten zu nutzen und komplexe<br />

Probleme zu lösen.<br />

MASSGESCHNEIDERTE WERBUNG<br />

Doch steuern und überwachen Algorithmen<br />

nicht nur Maschinen, Roboter und Systeme,<br />

sondern beeinflussen auch uns Menschen<br />

massiv. So wie Algorithmen zuverlässig im<br />

Marketing arbeiten, werden sie auch beim<br />

Onlinehändler Amazon eingesetzt. Das eigene<br />

Kaufverhalten wird mit dem Verhalten<br />

anderer Kunden verglichen, die ähnliche<br />

Artikel anklickten. Durch den geschickten<br />

Einsatz von Algorithmen hat es der Konzern<br />

geschafft, seine Kunden digital zu «beraten»<br />

(«Kunden, die diesen Artikel gekauft haben,<br />

kauften auch ...»). Im Angebot von Amazon<br />

finden wir mehrere Millionen Bücher. Apples<br />

Musikdienst iTunes stellt über 30 Millionen<br />

Songs zur Verfügung. Bei Netflix wählen wir<br />

mittlerweile zwischen Tausenden Filmen,<br />

Serien und Shows. Damit wir unser Online-<br />

Leben nicht nur mit Suchen verbringen, verfügen<br />

alle grossen Streamingdienste und<br />

Internetkaufhäuser über Empfehlungs-Algorithmen.<br />

Sie schlagen uns Waren, Lieder und<br />

Filme vor, die uns mit grosser Wahrscheinlichkeit<br />

gefallen.<br />

INFORMATIONEN FÜR ALGORITHMEN<br />

«Tagger» sind professionelle Zuschauer, die<br />

jeden Film nach Mikrogenres analysieren.<br />

Diese wiederum sind in einem 36-seitigen<br />

Handbuch vermerkt und umfassen nicht nur<br />

den Grad der Gewalt oder die Jahreszeit im<br />

Film, sondern auch den Beruf der Hauptfigur.<br />

Dabei ist wichtig, dass alle Angaben<br />

nach einer fünf- bis zehnstelligen Skala bewertet<br />

werden. So wird ein Film nicht nur<br />

s’Positive 5 / 2017 15


Online-Shops<br />

unterbreiten uns<br />

gezielt Produke, die<br />

dank Algorithmen<br />

ausgesucht<br />

werden.<br />

Die Autocomplete-<br />

Funktion bei<br />

Google eignet sich<br />

als Verleumdungsmaschine.<br />

Wo früher getuschelt<br />

wurde,<br />

spuckt heute der<br />

Computer ein<br />

Gerücht aus.<br />

danach taxiert, ob, sondern auch wie romantisch<br />

er ist. Daraus ergeben sich eine Vielzahl<br />

von Feinabstufungen und Kombinationsmöglichkeiten.<br />

Diese sind die Basis für den<br />

wichtigen Empfehlungsalgorithmus, der die<br />

Daten der Tagger mit den Kundendaten kombiniert<br />

und basierend auf diesen Ergenissen<br />

den Kunden weitere Filme vorschlägt.<br />

Das Wirken der Algorithmen ist für Laien<br />

kaum erkennbar, deshalb rufen sie Vorbehalte<br />

und Ängste hervor. Nicht ganz zu Unrecht.<br />

Sie bestimmen so sehr unseren Alltag,<br />

dass sie ein Synonym für Allmacht geworden<br />

sind. Sie entscheiden, welche Geschichten<br />

wir auf Facebook lesen, welche Leute wir auf<br />

Tinder treffen oder welche Suchergebnisse<br />

uns Google anzeigt. Doch wie objektiv sind<br />

diese Informationen? Wissenschaftler der<br />

Carnegie Mellon University und des International<br />

Computer Science Institute in Berkeley<br />

entwickelten ein Werkzeug namens Ad-<br />

Fisher, welches die Suche im Netz simuliert,<br />

und führten damit ein Experiment durch. Die<br />

fiktiven Dummys starteten ohne Suchhistorie<br />

und besuchten eine Jobbörse. Als sie<br />

später eine Nachrichtenseite aufriefen, zeigte<br />

Google ihnen Stellenanzeigen. Dies war<br />

zu erwarten. Erstaunlich war jedoch, dass<br />

männliche Nutzer – oder solche, die Google<br />

für männlich hielt – häufig Annoncen für<br />

Jobs mit hohem Einkommen angezeigt bekamen.<br />

Wie war das möglich? Für die Wissenschaftler<br />

sind zwei Ansätze denkbar:<br />

Entweder verlangten die Anzeigenkunden,<br />

dass die Werbung auf Männer zugeschnitten<br />

wird. Oder die Algorithmen bestimmten,<br />

dass Männer eher auf die Anzeige klickten.<br />

DISKRIMINIERNDE WERTUNGEN<br />

Können Algorithmen diskriminieren? Algorithmen<br />

werden von Entwicklern gerne als<br />

objektiv gepriesen, sie basieren auf Gleichungen<br />

und Zahlen. Doch sie werden, wie<br />

jede Software, von Menschen geschrieben.<br />

Und die haben Vorurteile. Anna Lauren Hoffmann,<br />

Forscherin an der School of Information<br />

der University of California in Berkeley,<br />

vertritt die These, dass Algorithmen per Definition<br />

diskriminierend seien. «Sie verarbeiten<br />

Instruktionen und Kalkulationen, um<br />

spezifische Inputs in Outputs zu verwandeln.<br />

Online-Algorithmen müssen zwischen relevanten<br />

und nicht relevanten Informationen<br />

differenzieren.» Darin liege eine diskriminierende<br />

Wertung. Weil wir mit unseren Anfragen<br />

die Algorithmen füttern, stellt sich die<br />

Frage, ob und wie wir mit unseren Anfragen<br />

unsere eigenen Vorurteile perpetuieren.<br />

KRUDE UNTERSTELLUNGEN<br />

Als die Harvard-Professorin Latanya Sweeney<br />

ihren Namen googelte, tauchte eine Anzeige<br />

mit dem Titel «Latanya Sweeney, Arrested?»<br />

auf: Doch die Dozentin wurde weder verhaftet<br />

noch hatte sie sich etwas zuschulden kommen<br />

lassen. Die Vermutung, die Algorithmen<br />

könnten aus ihrer afroamerikanischen Herkunft<br />

eine kriminelle Neigung abgeleitet<br />

haben, konnte nicht ausgeschlossen werden.<br />

Sweeney nahm dies zum Anlass, eine Studie<br />

über rassistische Hintergründe durchzuführen.<br />

Sie suchte 2100 Namen lebender Personen<br />

auf Google. Namen wie Travon, Rasheed<br />

oder Tamika, die einen afroamerikanischen<br />

Hintergrund vermuten lassen, riefen signifikant<br />

mehr Haftanzeigen hervor als «weiss<br />

klingende» Namen. Googles neue Foto-App<br />

Photos kategorisierte dunkelhäutige Menschen<br />

– versehentlich – als «Gorillas». Die<br />

App verschlagwortet Bilder automatisch. Das<br />

System soll helfen, sich in einer Fotosammlung<br />

besser zurechtzufinden, etwa indem<br />

Bildern eines Bergpanoramas der Begriff<br />

«Berge» zugeordnet wird. Dem Programmierer<br />

Jack Alciné fiel ein Fotoalbum von ihm<br />

und seiner Freundin auf, das die Google-App<br />

automatisch mit «Gorillas» überschrieben<br />

hatte. Die Foto-App setzte einen Menschen<br />

mit einem Gorilla gleich. Mit dem Problem<br />

ist Google nicht allein. Auch das Fotoportal<br />

Flickr ist wegen ähnlich falscher Zuordnungen<br />

in die Kritik geraten. Dort hatten die<br />

Algorithmen dunkelhäutige Menschen mit<br />

«Affe» oder «Tier» gekennzeichnet.<br />

Das Problem ist, dass Google die Wirklichkeit<br />

verquer konstruiert. Wenn wir googeln,<br />

machen wir uns im Kopf ein Bild davon,<br />

wie die Welt da draussen aussieht. Die Suchmaschine<br />

prägt Präferenzen und Wahrnehmungen.<br />

Die Computerwissenschaftlerin<br />

Cynthia Matuszek, die eine Studie zu diesem<br />

Phänomen durchführte, sagt: «Wenn die<br />

Leute nach ‹CEO› suchen und nur Männer<br />

sehen, denken sie unterschwellig an Männer<br />

als Chefs und klicken eher auf Bilder, die<br />

diesem Vorurteil entsprechen. Der Algorithmus<br />

lernt, dass das Bild ein vermeintlich<br />

besseres Ergebnis ist, und zeigt mehr solche<br />

Ergebnisse. Es ist ein sich selbst reproduzierender<br />

Zyklus.»<br />

Die Autocomplete-Funktion bei Google<br />

eignet sich als Verleumdungsmaschine – sie<br />

nimmt die seltsamsten Behauptungen auf.<br />

Wo früher getuschelt wurde, spuckt heute<br />

der Computer das Gerücht aus. Google sagt,<br />

es handle sich bei den Algorithmen um nicht<br />

moralisch wertende Maschinen. Das Motto:<br />

Wir geben nur wieder.<br />

Doch das Problem besteht. Ob die Wiedergabe<br />

wertend ist oder nicht, spielt keine<br />

Rolle. Wesentlich ist, dass Wertungen vorgenommen<br />

werden. Und zwar durch die User.<br />

Ob bewusst oder unbewusst, bleibt offen.<br />

Foto: shutterstock.com/PeoGeo<br />

16 s’Positive 5 / 2017


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WUSSTEN SIE SCHON<br />

WO LIEGT DER UNTERSCHIED?<br />

Grossbritannien oder «UK »<br />

Viele verwechseln es. Oder sie wissen gar<br />

nicht, dass es da einen Unterschied gibt. Korrekt<br />

ist, dass der Begriff «Vereinigtes Königreich»<br />

für den Staat steht, der sich aus den<br />

vier Ländern England, Schottland, Wales<br />

und Nordirland zusammensetzt. Der für uns<br />

gebräuchlichere Begriff «Grossbritannien»<br />

dagegen steht nur für die drei Länder auf der<br />

Hauptinsel – also für England, Schottland<br />

und Wales.<br />

Das auf der Insel nebenan liegende Nordirland<br />

hingegen gehört nicht dazu. Zur Verwirrung<br />

trägt bei, dass das Autokennzeichen<br />

«GB» auch für Nordirland gilt. Sowohl die<br />

Nordiren als auch die Schotten haben übrigens<br />

gegen den Brexit gestimmt und würden<br />

eigentlich gerne in der EU bleiben.<br />

In den genannten vier Ländern spricht<br />

man immer, wenn es um das staatliche Gebilde<br />

geht, von «UK», also von United Kingdom,<br />

aber nie von «Great Britain». Kanadier<br />

und Amerikaner sprechen aber ebenso von<br />

»Brits« oder «Britons», wie wir Schweizer<br />

und die Deutschen von den «Briten».<br />

Dabei ist der Lokalpatriotismus so gross,<br />

dass sich niemand als »Brite« bezeichnen<br />

würde, sondern immer als Engländer, Schotte,<br />

Waliser oder Nordire.<br />

WUSSTEN<br />

SIE SCHON?<br />

1<br />

18 s’Positive 5 / 2017


BLAUFUSSTÖLPEL<br />

Sexy Füsse<br />

Er ist eigentlich gar kein Tölpel. Biologen<br />

kennen den Blaufusstölpel als sehr geschickt<br />

sowohl beim Fliegen als auch bei der Jagd.<br />

Während sein Gefieder in unauffälligem<br />

Weiss und Braun gehalten ist, leuchten seine<br />

Füsse in Türkisblau. Was für die Menschen<br />

eine Laune der Natur ist, findet Frau Blaufusstölpel<br />

ungeheuer sexy. Denn je intensiver<br />

das Blau beim Männchen, desto besser ist<br />

sein allgemeiner Zustand, und desto besser<br />

ist es geeignet, die Rolle des Ernährers zu<br />

übernehmen.<br />

Bei den komplizierten Balzritualen der<br />

Vögel stolziert das Männchen engagiert vor<br />

dem auserwählten Weibchen herum. Gern<br />

wird die am Boden sitzende Blaufusstölpel-<br />

Dame auch von oben angeflogen, damit die<br />

im Licht aufblitzenden Füsse optimal zur Geltung<br />

kommen. Ist das Männchen erfolgreich<br />

und kommt es zu Nachwuchs, legt das Weibchen<br />

bis zu drei Eier.<br />

Auch für die Aufzucht der Jungen spielen<br />

die blauen Füsse eine Rolle: Wenn das Männchen<br />

bei der Jagd nach Fischen nicht erfolgreich<br />

war und folglich nicht ausreichend gefressen<br />

hat, lässt die Färbung der Füsse schon<br />

nach etwa 48 Stunden nach. In diesem Fall<br />

konzentriert das Weibchen seine Fürsorge auf<br />

das kräftigste Jungtier und beginnt, den Rest<br />

zu vernachlässigen. Damit will es wenigstens<br />

ein Junges sicher ans Ziel bringen.<br />

2<br />

ERFOLGREICH ODER NICHT:<br />

Wie entschuldigt man sich richtig?<br />

3<br />

Fotos: shutterstock.com/Anton Balazh/javarman/stickerama<br />

Bei welcher Form der Entschuldigung sind<br />

wir am ehesten bereit, zu vergeben? Klar ist:<br />

Mit einem schnellen «Tut mir leid» ist es oft<br />

nicht getan. Nach einem schlimmen Fehltritt<br />

oder einem Betrug hilft oft nur eine ernst<br />

gemeinte Entschuldigung. Wissenschaftler<br />

der Ohio State University haben im Rahmen<br />

zweier Studien mit insgesamt 755 Versuchsteilnehmern<br />

verschiedene Testsituationen<br />

durchgespielt, bei denen es zum Beispiel um<br />

finanzielle Übervorteilung oder sexuelle Untreue<br />

ging. Gemäss der Studienresultate<br />

spielten beim Vergeben sechs Vorgehensweisen<br />

eine Rolle:<br />

1. Man muss deutlich aussprechen, dass man<br />

um Verzeihung bittet.<br />

2. Man sagt dem anderen, was aus der eigenen<br />

Sicht schiefgelaufen ist.<br />

3. Man übernimmt für sein Handeln die volle<br />

Verantwortung.<br />

4. Man spricht deutlich aus, dass man bereut,<br />

was passiert ist.<br />

5. Man bietet an, den entstandenen Schaden<br />

wiedergutzumachen.<br />

6. Man bittet um Vergebung.<br />

Nicht alle Faktoren sind gleich wichtig. Als<br />

unverzichtbar hatte sich erwiesen, dass der<br />

Schuldige die volle Verantwortung übernimmt<br />

und dem Gegenüber nicht eine Teilschuld zuschiebt.<br />

Das Angebot der Wiedergutmachung<br />

stellte sich als zweitwichtigstes Element heraus.<br />

Am wenigsten effektiv war für sich allein<br />

genommen die Bitte um Vergebung.<br />

Keinen Unterschied macht übrigens, ob<br />

das Vergehen absichtlich oder unwissentlich<br />

begangen wurde. Wohl aber, ob mangelnde<br />

Kompetenz oder mangelnder Anstand Grund<br />

für das Fehlverhalten war. Im letzten Fall<br />

verziehen die Probanden nur widerwillig.<br />

s’Positive 5 / 2017 19


HISTORY<br />

Der Aderlass<br />

war eine<br />

sehr beliebte<br />

Behandlungsmethode.<br />

Bader, Scherer<br />

und andere<br />

Heilkundige<br />

Die technischen Fortschritte der letzten 250 Jahre sind<br />

uns bewusst. Doch noch viel erstaunlicher sind die<br />

Entwicklungen in der Medizin. Ein Blick zurück in eine Zeit,<br />

als auch im Oberaargau noch niemand etwas von Blutgruppen,<br />

Narkose, Bluttransfusionen oder Bakterien wusste.<br />

20 s’Positive 5 / 2017


Micheli<br />

Schüppach hatte<br />

viele vornehme<br />

Patienten.<br />

TEXT: KLAUS ZAUGG<br />

Zwar zählte die Schweiz in den<br />

1700er-Jahren manchen gelehrten<br />

Arzt. Aber das, was wir heute unter<br />

einem Arzt verstehen, waren<br />

vor bald 300 Jahren sogenannte<br />

Bader und Scherer. Bader waren Bademeister,<br />

denen das Recht zustand, ihre Kunden<br />

zu bewirten und zu schröpfen. Nicht in<br />

Schwimmbädern. Sondern in den zahlreichen<br />

Heilbädern, die eher Wirts- und Lusthäuser<br />

waren. Die beliebten Badekuren, das<br />

einst blühende «Bädergeschäft», dürfte dem<br />

heutigen «Wellness-Business» recht nahegekommen<br />

sein. Die Scherer waren von Haus<br />

aus Friseure. Da beim Rasieren Schnittwunden<br />

nicht immer zu vermeiden waren, durften<br />

sie ihre Kunden auch verbinden und<br />

pflegen. Mit der Zeit gestand man ihnen<br />

überdies die Behandlung anderer Verletzungen<br />

zu und nannte sie Wundärzte.<br />

Nichts hinderte die Gäste, ihnen manch<br />

kleinen Eingriff anzuvertrauen. Wie Schröpfen,<br />

Zähneziehen, Bruchschneiden und den<br />

unvermeidlichen Aderlass. So gab es einst<br />

zwischen einem gewöhnlichen Scherer und<br />

einem Chirurgen kaum einen Unterschied.<br />

Später erst wurden die Chirurgen in Examen<br />

und Ansehen den Ärzten gleichgestellt.<br />

Zu den gesuchtesten Medizinpersonen<br />

gehörte bis in die 1700er-Jahre ausgerechnet<br />

der Scharfrichter. Blut, Haut und Fett von<br />

Hingerichteten galten als äusserst wirksame<br />

Heilmittel. Ihr Blut mehrte den Mut unternehmungslustiger<br />

Burschen (so ungefähr<br />

wie heute Kokain…), die Haut half gegen<br />

Gliederreissen und das Fett gegen alles Erdenkliche.<br />

In einem französischen Lehrbuch<br />

wird gar noch 1818 Menschenfett zur Behandlung<br />

von Gicht empfohlen. 1707 erhielt<br />

in Luzern der Scharfrichter die Erlaubnis,<br />

Hingerichteten «Schmalz aus dem Rücken<br />

geheim ausschneiden zu dürfen». Willisau<br />

gestand 1718 dem Wasenmeister, dem Totengräber,<br />

die gleichen Freiheiten zu und in<br />

Zürich war der Scharfrichter bis in die Mitte<br />

des 18. Jahrhundert ein gesuchter «Arzt».<br />

Sein Beruf verlieh ihm Kenntnisse des<br />

menschlichen Körpers, um die ihn mancher<br />

Mediziner beneiden konnte. Er wusste aus<br />

seiner Berufstätigkeit nicht nur Glieder auszurenken<br />

und zu brechen, was er ja tun<br />

musste, wenn er einen Verurteilten aufs Rad<br />

zu flechten hatte. Er verstand es auch, Glieder<br />

und Knochen wieder zu richten.<br />

KURPFUSCHER IN SCHAREN<br />

Viel konnte die Regierung zur Besserung und<br />

Regulierung der Heilkunde nicht vorkehren.<br />

Es blieb ihr nur, Missständen zu begegnen.<br />

Der Kampf galt vor allem den Kurpfuschern,<br />

die auch den Oberaargau in Scharen überschwemmten.<br />

Man fand gar nicht genug<br />

Namen, sie zu brandmarken. Kurpfuscher,<br />

Scharlatane, Winkelärzte, Stümper, Büsser,<br />

Zahnbrecher, Gütterlischreier sind einige<br />

davon. Man zählte zu ihnen alle, die medizinisches<br />

Wissen und Können vortäuschten.<br />

Meist waren es fahrende Leute. Marktschreierisch<br />

lockten sie die Kundschaft an und<br />

keine Prahlerei war ihnen zu grob. Einer soll<br />

einmal in Langenthal geprahlt haben, seinen<br />

Patienten eben von einem Herzpolypen geheilt<br />

und das «Tier» durch den Stuhl abgetrieben<br />

zu haben. Ärgerlich war den von der<br />

Regierung anerkannten Heilkundigen,<br />

s’Positive 5 / 2017 21


HISTORY<br />

Schröpfen war<br />

eine beliebte<br />

Behandlung<br />

in den Badehäusern.<br />

«Arzt und Volk vertrauten<br />

noch vor 200<br />

Jahren fragwürdigen<br />

Überlieferungen und<br />

kümmerlichen Erfahrungen.<br />

Es fehlten die<br />

elementarste Kenntnis<br />

vom Wesen der<br />

Krankheiten.»<br />

dass die Scharlatane sie mit der Höhe ihrer<br />

Rechnungen zu überbieten verstanden.<br />

Noch in den 1800er-Jahren empfahlen<br />

Ärzte und Volk in unserer Gegend mehr als<br />

30 Heilbäder, die es heute alle nicht mehr<br />

gibt. Erst gegen Ende der 1800er-Jahre nahm<br />

die Inanspruchnahme der Mineralquellen<br />

ab. Durch die Erfindung neuer Medikamente<br />

konnten manche Krankheiten, denen man<br />

zuvor mit einer Badekur begegnet war, nun<br />

vom Arzt behandelt werden.<br />

Arzt und Volk vertrauten noch vor 200<br />

Jahren fragwürdigen Überlieferungen und<br />

kümmerlichen Erfahrungen. Es fehlte das<br />

Experiment, die elementarste Kenntnis vom<br />

Wesen der Krankheiten, ja der Natur des<br />

menschlichen Körpers überhaupt.<br />

In vielen Gegenden wurden die überlieferten<br />

Rezepte gesammelt und es herrschte<br />

im Volk damals die Überzeugung, dass die<br />

Krankheit als etwas von aussen Kommendes,<br />

Fremdes, den Menschen befällt und vertrieben<br />

werden kann, wenn ihr etwas Gleichartiges<br />

entgegengesetzt wird. Man suchte daher<br />

etwas, das dem kranken Organ an Farbe,<br />

Geruch, Form oder auch nur dem Namen<br />

nach ähnlich erschien.<br />

So glaubte man, Gämsenblut helfe gegen<br />

Schwindel, weil die Gämsen schwindelfrei<br />

sind. Hundefett gegen Lungenleiden, weil<br />

die Hunde gute Lungen haben. Holunder<br />

gegen Gliedersucht, weil seine Zweige den<br />

menschlichen Knochen ähnlich sind. Waldschnecken<br />

in Sirup zerstampft gegen Katarrh,<br />

weil sie eine schleimige Spur hinterlassen.<br />

Rote Beeren gegen Blutarmut. Die<br />

weissen Mistelbeeren gegen Bleichsucht.<br />

Zerquetschte Weinbergschnecken gegen<br />

Augenleiden, weil ihr Gehäuse Ähnlichkeit<br />

mit der Iris hat. Rebenabsud gegen Katarrh,<br />

weil seine Zubereitung ein schnarchendes<br />

Geräusch erzeugt. Oft ging die Vorstellung<br />

ganz ins Abstruse und kaum mehr Nachzuprüfende<br />

über. Bei Vereiterungen halfen<br />

Mist und Glas. Weil Mist, wie Eiter, befreiend<br />

einem Lebewesen entfliesst und Glas,<br />

weil durchsichtig, als rein und daher reinigend<br />

galt.<br />

ALLHEILMITTEL ADERLASS<br />

Das populärste Allheilmittel war jedoch auch<br />

im Oberaargau der Aderlass. Noch zu Beginn<br />

der 1800er-Jahre war es für Personen mittleren<br />

Alters üblich, sich in gewissen Jahreszeiten<br />

zur Ader zu lassen, um allfälligen Krankheiten<br />

vorzubeugen. Man bereitete sich durch<br />

Fasten, Beten und Almosengeben auf den<br />

grossen Tag vor. Der Operateur vollzog die<br />

Prozedur mit der galanten Umständlichkeit<br />

der Zeit. Er unterband den Arm mit einer roten<br />

Binde, rieb mit der flachen Hand die Stelle,<br />

an der er die Wunde zu schlagen gedachte,<br />

und hiess den Patienten feierlich mit ausgestrecktem<br />

Arm einen langen Stab senkrecht<br />

auf Boden zu stemmen. Das Blut sprang zwei<br />

Handbreit hoch. Dann legte der Operateur<br />

gewichtig seinen Daumen auf die Wunde,<br />

anschliessend etwas Watte, ein Fünfbatzenstück,<br />

wieder Watte und verband das Ganze.<br />

Mit tiefer Verneigung zog er sich zurück, «Ihr<br />

ganz gehorsamer Diener» flüsternd.<br />

Zu Ader gelassen wurde damals bei jeder<br />

erfassbaren Gelegenheit. «Vorbeugend» vor<br />

22 s’Positive 5 / 2017


Ueli Zürcher, der<br />

Wasendoktor,<br />

begutachtet<br />

den Urin eines<br />

Patienten.<br />

einer Geburt, nach einer Geburt, bei Bleichsucht,<br />

aber auch dann, wenn die Krankheit<br />

den Leidenden schon zu Tode geschwächt<br />

hatte. Im Aderlass sahen viele wohl auch ein<br />

Opfer, ein Blutopfer, den höheren Mächten<br />

dargebracht.<br />

Es gab einen starken Bund zwischen Medizin<br />

und Religion. Das hatte durchaus seine<br />

Logik. Die ersten Mediziner waren nicht<br />

Ärzte, sondern Medizinmänner, Priester,<br />

Bewahrer geheimen Wissens. Sie gingen<br />

nicht die Natur um Heilung an, sondern die<br />

Überirdischen, die Geister. Jahrtausende, bis<br />

in die 1800er-Jahre hinein war auch bei uns<br />

die Medizin eher Magie, Zauber und Religion.<br />

Die Leidenden vertrauten sich den Priestern<br />

oder den Medizinmännern an, die böse<br />

Geister zu vertreiben und gute zum Beistand<br />

heranzuziehen vermochten. Waren diese<br />

«Heilkundigen» klug, versäumten sie es<br />

nicht, den höheren Mächten und den Geistern<br />

mit Salben, Kräutern, Tränken und rituellen<br />

Handlungen beizustehen. Die Medizin<br />

als Wissenschaft, so wie wir sie heute<br />

kennen, gibt es in ländlichen Gebieten des<br />

Alpenraumes erst seit den späten 1800er-<br />

Jahren.<br />

Die Kirche sah noch um 1800 herum in<br />

der Krankheit Strafe und Prüfung, sie war<br />

von Gott verfügt und daher hinzunehmen.<br />

Wenn früher in vielen Kapellen Birkenzweige<br />

und Binsengarben von Gläubigen niedergelegt<br />

wurden, ist an einer religiösen Absicht<br />

nicht zu zweifeln. Birkenzweige und Binsensträusse<br />

wurden als Besen verwendet, Besen<br />

zum Reinigen. Nach dem Volksglauben<br />

wischten Birken und Binsen Ausschläge und<br />

Geschwüre fort, nur muss der Segen der Höheren<br />

dazu kommen, und diesen erlangt<br />

man durch Darbringung der Symbole an<br />

geweihter, bewährter Stätte.<br />

HEILSAME WALLFAHRT<br />

Vorzeitliche Glaubensreste finden und halten<br />

sich bis heute in der Volksmedizin. Uralt<br />

ist der Brauch der Menschen, an bestimmte<br />

Stätten zu wallfahren. Dem gelehrten Glauben<br />

entspräche es eigentlich anzunehmen,<br />

dass ein allwissender, allgegenwärtiger Gott,<br />

Schöpfer des Himmels und der Erde ein Gebet<br />

von überall her mit gleicher Huld entgegennähme.<br />

Aber Heiden wie Christen erwarteten<br />

(und erwarten noch heute) an bestimmten<br />

Gnadenstätten raschere Erhörung<br />

und besondere Berücksichtigung bestimmter<br />

Anliegen. Noch heute gibt es Dutzende Wallfahrtsstätten,<br />

um deren Wirkung das Volk<br />

schon zu alten Zeiten wusste. Die Vorbereitungen<br />

zur Reise, die Wanderung, die Gesellschaft<br />

in hochgestimmter Schar, die Feierlichkeit<br />

der Gnadenstätte, das Wissen um<br />

frühere Wunder steigern nicht nur die Inbrunst<br />

des Gebetes, sondern auch die eigene<br />

Heilsbereitschaft und der Einfluss der Seele<br />

auf die Genesung wird gefördert.<br />

So alt wie Wallfahrten und Zaubergebete<br />

ist der Glaube, dass bestimmte Mächte sich<br />

bestimmter Anliegen annehmen. Grosszügig<br />

duldet die Kirche noch heute den Glauben,<br />

dass einzelne Heilige sich um besondere Beschwerden<br />

kümmern: Ottilie um die der<br />

Augen, Agatha um die der Brust, Blasius<br />

s’Positive 5 / 2017 23


HISTORY<br />

um die des Halses, Rochus um die Pest, Wendelin,<br />

wenn es dem lieben Vieh zu helfen<br />

gilt. Lange mussten die Heiligen alleine heilen.<br />

Erst im Laufe der 1800er-Jahre gesellten<br />

sich ihnen nach und nach auch bei uns die<br />

Ärzte zu. Kein anderer Berufsstand hat solche<br />

himmlischen Helfer. Die Griechen gingen<br />

noch einen Schritt weiter und erhoben<br />

tüchtige Ärzte in den Stand der Heroen und<br />

Halbgötter. Noch heute werden die Ärzte oft<br />

als «Halbgötter in Weiss» verehrt.<br />

Literatur: u.a. «Innerschweiz – Volk und<br />

Medizin um 1800» von Kuno Müller. –<br />

«Langnau» – Berner Heimtabücher. –<br />

Geschichte der Medizin im Emmental von<br />

Marta Meyer-Salzmann.<br />

ZUSATZINFOS<br />

Wenn altes Wissen<br />

heute noch hilft<br />

Ueli Zürcher (1801–1876) – genannt der<br />

Wasendoktor – dürfte in unserer Gegend<br />

einer der besten Mediziner seiner Zeit<br />

gewesen sein.<br />

Das Wissen von Ueli Zürcher – zu seiner<br />

Zeit der «Wasendoktor» genannt – ist uns<br />

durch eine Verkettung von glücklichen<br />

Zufällen bis in die Gegenwart erhalten<br />

geblieben.<br />

Ueli Zürcher war Bauer und Viehinspektor<br />

aus dem Wasen. Daher der<br />

Namen «Wasendoktor». Ein intelligenter,<br />

strebsamer und lernbegieriger Mann.<br />

Er kam in den Besitz der alten, reichhaltigen<br />

Aufzeichnungen von Andreas Sommer<br />

aus dem Hornbachgraben. Er studierte<br />

sie und bald war er ein vielgefragter,<br />

über unsere Gegend hinaus bekannter<br />

Mann. Er behandelte Arm- und Beinbrüche,<br />

Verrenkungen und Schnittwunden<br />

und auch innere Krankheiten. Wie bei<br />

Micheli Schüppach (siehe Seite 26) gehörte<br />

das «Wasserschauen» zu seiner Diagnostik.<br />

Für die inneren Krankheiten verwendete<br />

er Kräuter und Salben, die wohl<br />

eher Heilkraft hatten als die Mixturen des<br />

Langnauer Wunderdoktors. Uli Zürcher<br />

war so erfolgreich, dass viele bei ihm geheimnisvolle,<br />

hellseherische Fähigkeiten<br />

vermuteten und ihn auch in ganz praktischen<br />

Dingen um Rat fragten – wenn beispielsweise<br />

etwas verlorengegangen war.<br />

Er kam zu Ansehen und Reichtum und erregte<br />

den Unmut der Obrigkeit. Mehrmals<br />

wurde er wegen unbefugten «Arznens»<br />

empfindlich gebüsst und im Jahre 1856<br />

sass er deswegen gar sechs Wochen lang<br />

im Schloss Trachselwald.<br />

Der Wasendoktor<br />

vermochte aus<br />

dem Urin seiner<br />

Patienten deren<br />

Krankheiten zu<br />

lesen.<br />

METZGERMEISTER ERBT NACHLASS<br />

Der berühmte Micheli Schüppach hat der<br />

Nachwelt keine medizinischen Erkenntnisse<br />

hinterlassen, die noch heute angewendet<br />

werden können. Ueli Zürcher hingegen<br />

schon.<br />

Sein Nachlass ist in den 1980er Jahren<br />

von Otto Mühle (1927–2003) übernommen<br />

worden. Der Eriswiler Metzgermeister<br />

war ein erfolgreicher Heilpraktiker,<br />

der unter anderem vom Schweizer Fernsehen<br />

in einem Dokumentarfilm gewürdigt<br />

worden ist. Weil ihn seit Jahren ein<br />

schmerzhaftes Gefässleiden plagte, hatte<br />

der ehemalige Gemeinderats- und Bankpräsident<br />

Otto Mühle 1986 seinen Metzgereibetrieb<br />

einem geeigneten Nachfolger<br />

übergeben. Fortan widmete sich «Mühli<br />

Otti» den Nachforschungen über Leben<br />

und Werk Uli Zürchers. Er war mit einer<br />

Urenkelin des «Wasendoktors» verheiratet<br />

und durch Erbgang in den Besitz seiner<br />

Schriften und Rezepturen gekommen.<br />

Er baute auf überlieferten Rezepten eine<br />

Naturheilmittel-Apotheke auf und war<br />

Mitglied Nummer 13 des Schweizerischen<br />

Verbandes für natürliches Heilen. Auch<br />

«studierte» Schulmediziner schickten Patienten<br />

zu ihm, wenn sie am Ende ihres<br />

Lateins waren.<br />

NOCH HEUTE GÜLTIGE REZEPTE<br />

Otto Mühles Apotheke befindet sich auch<br />

heute noch in Eriswil. In Jürg Dutlys<br />

«Gotthelfhaus» auf der Spissachen hat<br />

sie ihre neue Heimat gefunden. Auch die<br />

Rezeptbücher, nach denen «Otti» die Salben<br />

und Tropfen von Ueli Zürcher herstellen<br />

liess, sind nach wie vor vorhanden.<br />

Sie sind auch heute noch teilweise<br />

aktuell und werden von der Huttwiler<br />

Dropa Drogerie Fries verwendet.<br />

24 s’Positive 5 / 2017


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HISTORY<br />

ZUSATZINFOS<br />

Micheli Schüppach – Popstar der Medizin<br />

In der zweiten Hälfte der 1700er-Jahre hatten die Oberaargauer nicht weit, wenn sie<br />

Heilung von ihren Leiden bei einem berühmten Arzt suchten. Sie reisten nach Langnau.<br />

Dort praktizierte der «Berg- und Wunderdoktor»<br />

Micheli Schüppach. Er war charismatisch<br />

und populär, ein Popstar der<br />

Medizin seiner Zeit. Sein Ruf als «Michel<br />

Schüppach, le Médecin de la montagne»<br />

reichte bis nach Paris und St. Petersburg,<br />

Hamburg und Rom. Die Chirurgische Societät<br />

der Gnädigen Herren und Oberen der<br />

Stadt Bern (der Ärzteverband) ernannte<br />

ihn 1747 im Alter von 49 Jahren zum<br />

«Kunsterfahrenen Medicinae et Chirirgiae<br />

Practico», die höchste offizielle Auszeichnung,<br />

die es in diesen Zeiten gab. Zu ihm<br />

strömten die Kranken und Bresthaften,<br />

die Gwundrigen, Reich und Arm, Gläubig<br />

und Ungläubig, um sich aus dem «Wasser»<br />

Art und Ursache ihrer Übel lesen zu<br />

lassen und aus seiner Hand das heilende<br />

Mittel zu empfangen.<br />

Alte Stiche zeigen, wie er auf bequemem<br />

Sessel, auf dem Kopfe eine rotgelbe Kappe,<br />

in einer Weste ohne Ärmel, dickleibig,<br />

einem pfiffigen Dorfmagistraten, einem<br />

wohlbeleibten Geistlichen nicht unähnlich,<br />

in der Hand die halb gefüllte Flasche<br />

mit dem Wässerchen, und vor ihm in<br />

wartender Stille der Kranke. Er las die<br />

Diagnosen aus dem Urin und erkannte<br />

aus dessen Färbung alles, «unnatürliche<br />

Hitze» oder «baldigen Tod». Er durchschaute<br />

seine Patienten und soll immer<br />

gemerkt haben, wenn ihm Männer das<br />

Wässerchen einer Frau oder wenn ihm<br />

gar Pferde urin dargereicht wurde.<br />

NACH DEM BAUERN KAM DER PRINZ<br />

Michel Schüppach wirkte vorerst in seinem<br />

Hause unweit des «Bären» zu Langnau.<br />

1758 liess er sich auf dem Dorfberg<br />

nieder. Sein Haus wurde zum Mittelpunkt<br />

für Gäste aus der halben Welt, ja zu einem<br />

Wallfahrtort. Er führte über seine<br />

Patienten sorgfältig Buch und seine Aufzeichnungen<br />

lagern heute im Berner<br />

Staatsarchiv. Ohne Ansehen der Person<br />

kam einer nach dem anderen dran.<br />

Schliesslich ist es im Emmental Brauch,<br />

dass alle gleich sind und alle mit «Du»<br />

angesprochen werden. Das soll Kaiser<br />

Josef II von Österreich, als er das erfuhr,<br />

so verärgert haben, dass er kurz vor<br />

Langnau wieder kehrt machte. Bei Micheli<br />

Schüppach sassen alle in der gleichen<br />

Wartestube beisammen. Handwerker,<br />

Mägde, Landvögte, Fürsten und Bauern.<br />

Jeden Tag untersuchte er 25 bis 40 Personen.<br />

Einem Prinzen aus dem russischen<br />

St. Petersburg folgt Frau Hofstetter aus<br />

Entlebuch, dann kam Madame la Duchesse<br />

de Rochefort aus Paris an die Reihe,<br />

sodann folgte das Babetli von Rohrbach,<br />

der «Bur aus der Oberen Matte», anschliessend<br />

Prince Camille de Soubise aus<br />

Venedig, Karl Grütter aus Langenthal und<br />

Fürst Lubomirski aus Krakau. Auch der<br />

grosse Dichterfürst Johann Wolfgang<br />

Goethe suchte den berühmten Doktor auf.<br />

ZWISCHENTITEL ZUR AUFLOCKERUNG<br />

Die Büchsen und Salbenschachteln in seiner<br />

Apotheke versah er mit den drolligsten<br />

Namen. Freudenöl, Profetenbeere,<br />

Blüemlihärz oder grünes, liebreichsüsses<br />

Himmelstau. Er kochte Kräuter und Wurzeln,<br />

verwendete Fette von Hunden,<br />

Bären, Füchsen, Dachsen und Schweinen,<br />

mixte Heilmittel aus Butter, Honig, Ochsengalle,<br />

Eselsmilch, Schneckenhäuschen,<br />

Eierschalen, Hirschhorn. Er soll auch<br />

Kröten, Frösche, Blindschleichen, Ameisen,<br />

Regenwürmer, Spinnen und Skorpione<br />

«beigezogen» haben. Er besass eine<br />

wunderliche Elektrisiermaschine, die, aufgeladen,<br />

kräftige Schläge austeilen konnte<br />

und die er angeblich auch zum «Teufelsaustreiben»<br />

einsetzte.<br />

Er hatte zweifelsfrei Heilerfolge. Aber<br />

wahrscheinlich weniger wegen der heilenden<br />

Kräfte seiner wunderlichen Salben und<br />

Micheli Schüppach<br />

behandelt<br />

einfache Bürger<br />

und Adlige. Er las<br />

die Krankheiten<br />

aus dem Urin der<br />

Patienten.<br />

Säfte. Sie waren eher seinem unbestreitbaren<br />

psychologischen Geschick, seiner<br />

Schlauheit und seiner Klugheit geschuldet<br />

– er vermittelte den Glauben an Heilung.<br />

DER PATIENT BESTIMMTE DEN LOHN<br />

Die Heilkunst brachte ihm Wohlstand.<br />

Es wird überliefert, er habe meist keinen<br />

Preis für seine Bemühungen verlangt<br />

und es den Patienten offengelassen,<br />

wieviel seine Dienste ihnen wert waren.<br />

Wer mochte da durch Knausrigkeit und<br />

Geiz die Heilkraft des Wunderdoktors<br />

schwächen?<br />

Aber auch an Micheli Schüppach trat der<br />

Tod unversehens heran, noch mitten in<br />

aller Tätigkeit im Alter von 74 Jahren.<br />

Kurz war sein Leiden. Am 5. März 1781<br />

schloss sich das Grab auf dem Friedhof<br />

zu Langnau. Die Stätte wurde vergessen,<br />

nicht aber sein Wirken. Ein Zeitgenosse<br />

sprach das Wort: «Mit seinem Tode fiel<br />

das Dorf Langnau seiner früheren Stille<br />

anheim.» Es erwache daraus erst 180<br />

Jahre später im Frühjahr 1961 durch den<br />

ersten Aufstieg des SC Langnau (heute<br />

SCL Tigers) in die NLA. Seither ist es im<br />

Dorf nie mehr ruhig geworden.<br />

26 s’Positive 5 / 2017


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FÄRÖER<br />

Punkte und Tore<br />

am Ende der Welt<br />

Dank dem Fussball wissen wir, dass es die Färöer-<br />

Inseln gibt. Bald spielen unsere kurzbehosten<br />

Eidgenossen dort um die WM-Qualifikation. Es<br />

ist eine Reise ans freundliche Ende der Welt.<br />

TEXT: KLAUS ZAUGG<br />

28 s’Positive 5 / 2017


Der Gasadalur-<br />

Wasserfall auf<br />

der Färöer-Insel<br />

Vagar.<br />

Die Fussball-Nationalmannschaft<br />

von den 18 Inseln im Nordatlantik<br />

spielt in der gleichen WM-Qualifikationsgruppe<br />

wie die Schweiz.<br />

Fussball ist ein Stück der nationalen Identität<br />

und Kultur. Die Namen der Spieler, die<br />

am 12. September 1990 im Rahmen der EM-<br />

Qualifikation Österreich 1:0 besiegt haben,<br />

kennt praktisch jeder Einwohner auswendig.<br />

Die Färöer sind erst 1988 Mitglied der<br />

FIFA und danach 1990 der UEFA geworden.<br />

Das Spiel gegen Österreich war das erste<br />

Pflicht-Länderspiel in der Geschichte des<br />

Inselstaates. Die Partie fand in Schweden<br />

statt, da es auf den Färöern damals nur<br />

Kunst rasenplätze gab. Allgemein wurde eine<br />

himmelhohe Niederlage erwartet. Der österreichische<br />

Nationaltrainer dachte an ein<br />

10:0, und auch die Färinger rechneten mit<br />

einer vernichtenden Niederlage. Ein 0:5 wäre<br />

als Erfolg gewertet worden.<br />

Bloss 1265 Fans waren ins Stadion von<br />

Landskrona (Fassungsvermögen 14 000) gekommen,<br />

die meisten waren Färinger. Etwa<br />

100 Journalisten waren anwesend. Es war<br />

das Ereignis mit der bislang grössten internationalen<br />

Aufmerksamkeit für die Färöer.<br />

Kurz vor Anpfiff des Spiels brach die<br />

Übertragungsleitung des färöischen Radios<br />

zusammen. Die beiden färöischen Fussballreporter<br />

berichteten während der ersten<br />

Halbzeit telefonisch. Zur Pause stand es 0:0.<br />

In der 62. Minute fiel der entscheidende<br />

Treffer durch Torkil Nielsen, der drei Abwehrspieler<br />

umspielte und den Ball aus etwa<br />

16 Metern Entfernung mit dem linken Fuss<br />

hart und flach mitten ins Tor schoss. Die Siegermannschaft<br />

wurde bei ihrer Ankunft in<br />

Torshavn von etwa 20 000 Menschen begrüsst,<br />

fast der Hälfte der Bevölkerung. Die<br />

Spieler gelten seitdem als Nationalhelden.<br />

Auf dieses Spiel gibt es eine Hymne. Reytt<br />

og blátt og hvítt («Rot und blau und weiss»<br />

in Anlehnung an die färöischen Landesfarben).<br />

Im Refrain heisst es:<br />

Merkið reytt og blátt og hvítt,<br />

veittrar frítt um heimin vítt.<br />

Fjøllini, fólkini stolt standa rætt,<br />

Dávid her feldi Goliat.<br />

Dávid her feldi Goliat.<br />

Koyrið á…<br />

Koyr á Føroyar…<br />

Die Flagge rot und blau und weiss,<br />

weht frei um die weite Welt.<br />

Die Berge und das Volk stolz stehen sie da,<br />

David stürzte Goliath.<br />

David stürzte Goliath.<br />

Vorwärts…<br />

Vorwärts Färöer…<br />

Foto: shutterstock.com/Marat Dupri s’Positive 5 / 2017 29


FÄRÖER<br />

Klaksvik ist die<br />

zweitgrösste Stadt<br />

der Färöer und<br />

hat einen natürlichen<br />

Hafen.<br />

Fussballinseln also. Als Feriendestination<br />

sind die Färöer hingegen nahezu unbekannt<br />

– und das war für mich erst recht ein Grund,<br />

dort auszuspannen. Schliesslich war es einst<br />

das Privileg der Reichen, der Sommerhitze<br />

in kühlere Gefilde zu entfliehen. Nun ist auch<br />

uns Proleten eine Reise in sommerliche Frische<br />

gegönnt.<br />

JEDEN TAG JEDES WETTER<br />

Von Kopenhagen aus sind es noch zwei Flugstunden<br />

Richtung Nordwesten. Nur die «Atlanic<br />

Airways» fliegt von Kopenhagen aus<br />

dieses wunderliche Inselreich an. Die Firma<br />

besitzt lediglich drei Flugzeuge und der Flughafen<br />

Vagar in der Nähe von Torshavn zählt<br />

weniger Flugbewegungen als Belp. Die Güter<br />

werden in erster Linie mit Schiffen zu den<br />

Inseln transportiert und im Hafen von Torshavn<br />

abgeladen. Im Dezember übrigens auch<br />

eine Schiffsladung Tannenbäume. Auf den<br />

praktisch baumlosen Inseln mag niemand auf<br />

den Weihnachtsbaum verzichten. Die Hauptstadt<br />

ist nicht ganz so gross wie Langenthal.<br />

Die Konzentration auf den Schiffstransport<br />

hat seinen Grund. Der Anflug ist wegen<br />

schräg einfallender Winde und der kurzen<br />

Landebahn so heikel, dass nur speziell ausgebildete<br />

Piloten hier landen sollten. Die französische<br />

Fussballnationalmannschaft pflegt<br />

mit einem eigenen Jet zu reisen. Man hatte<br />

den Franzosen angeboten, einen Piloten der<br />

heimischen Fluggesellschaft zur Verfügung<br />

zu stellen. Die Hilfe wurde abgelehnt und<br />

beim Anflug wäre es um ein Haar zu einer<br />

Katastrophe gekommen. Das Flugzeug kam<br />

ZUSATZINFOS<br />

Färöer<br />

Die Färöer (die<br />

Schafsinseln) sind<br />

eine autonome, zur<br />

dänischen Krone<br />

gehörende Inselgruppe im Nordatlantik<br />

zwischen Schottland, Norwegen<br />

und Island. Die 18 Inseln sind bis auf<br />

die kleinste alle permanent bewohnt.<br />

Die knapp 50 000 Bewohner, die Färinger,<br />

betrachten sich nicht als Dänen,<br />

sondern als eigenständiges Volk. Sie<br />

sprechen die färöische Sprache, die mit<br />

norwegisch verwandt ist. Die Färöer<br />

bilden zusammen mit Grönland eine<br />

sog. «gleichberechtigte Nation» innerhalb<br />

des Königreiches Dänemark und<br />

damit weitgehende Autonomie. Torshavn<br />

mit knapp 13 000 Einwohnern<br />

ist die Hauptstadt. Die Färöer sind<br />

anders als Dänemark nicht Teil der EU.<br />

Seit dem 1. November 2006 bilden<br />

die Färöer eine Wirtschaftsunion mit<br />

Island, das ebenfalls nicht zur EU gehört.<br />

FÄRÖER-INSELN<br />

ISLAND<br />

SCHOTTLAND<br />

NORWEGEN<br />

DÄNEMARK<br />

Zentimeter vor dem Ende der Piste, dort, wo<br />

es steil runter geht, doch noch zum Stillstand.<br />

Was kann der Fremde hier unternehmen?<br />

Wandern – und sonst nichts. Zwei Wochen<br />

verbrachten wir in einem Haus auf Suðuroy,<br />

der südlichsten Insel. Am Ende der Welt.<br />

Oder vielleicht war die Welt ja am Anfang<br />

so. Ohne Zeit. Mit richtigem Wetter. Ohne<br />

Eile. Der Golfstrom sorgt dafür, dass es hier<br />

nie richtig kalt wird. Nirgendwo ist es im<br />

Winter so hoch im Norden so mild. Dank der<br />

Lage so weit «oben» wird es auch nie richtig<br />

warm. Im Hochsommer sind es in der Regel<br />

10 Grad. Das Wetter bietet täglich alles. Regen,<br />

Wind, Sonne und Nebel. Die Nächte<br />

sind hell, tiefe, finstere Dunkelheit gibt es im<br />

Sommer nicht – im Winter hingegen schon.<br />

DIE BEIZ IST ZUHAUSE<br />

Die Färöer-Inseln sind eine Oase ohne Kriminalität,<br />

mit offenen Türen (niemand<br />

schliesst sein Auto oder sein Haus ab), bewohnt<br />

von freundlichen, eigenwilligen Menschen<br />

und unzähligen Schafen. 80 000 Schafe<br />

für 50 000 Menschen. Schafsinseln werden<br />

sie daher auch genannt. Überall auf den<br />

baumlosen, grünen Hügeln weiden einzelne<br />

Schafe. Nicht Herden. Geschoren werden sie<br />

nie, das Fell ist lang und zottelig. Gehalten<br />

werden die Tiere meistens nur als Hobby und<br />

zum Eigenbedarf. Betrieben wird also mehr<br />

oder weniger eine «Hobby-Schafwirtschaft»<br />

um nebenbei an die staatlichen Schafsubventionen<br />

heranzukommen.<br />

Wer gut essen will, muss selber kochen.<br />

Die Restaurants auf den Inseln lassen sich<br />

Foto: shutterstock.com/MarcAndreLeTourneux<br />

30 s’Positive 5 / 2017


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FÄRÖER<br />

«Eile, Stress und<br />

unfreundliches Hasten<br />

sind auf der Inselgruppe<br />

unbekannt, Die<br />

meisten Arbeitsplätze<br />

bietet die staatliche<br />

Administration.»<br />

Die Halbinsel Tinganes in Thors haven<br />

mit den Parlamentsgebäuden.<br />

ZUSATZINFOS<br />

Die Schweiz braucht viele Tore<br />

Am 9. Juni spielt die Schweizer Fussball-<br />

Nationalmannschaft in Torshavn in der<br />

Qualifikation zur Fussballweltmeisterschaft<br />

gegen die Färöer Inseln. Für die<br />

noch verlustpunktlosen Schweizer gilt<br />

es, ein ähnliches Debakel wie jenes der<br />

Österricher von 1990 zu verhindern und<br />

gleichzeitig etwas für ihr Torverhältnis<br />

zu tun. Das Team von Vladimir Petkovic<br />

an einer Hand abzählen. In den 17 Ortschaften<br />

auf Suðuroy gibt es gar keines. Gute Restaurants,<br />

wie wir sie kennen, findet man<br />

eigentlich nur in Torshavn. Was jedoch nicht<br />

als Zeichen für fehlendes Sozialleben oder<br />

Geselligkeit gewertet werden kann. Gefeiert<br />

wird viel und getrunken auch. Aber nicht in<br />

der «Beiz». Sondern bei gegenseitigen Einladungen<br />

zu Hause. Es gibt auch eine ganz<br />

eigene Volksmusik mit schwermütigen, melancholischen<br />

Liedern.<br />

Eile, Stress und unfreundliches Hasten<br />

sind auf der Inselgruppe unbekannt. Die<br />

meisten Arbeitsplätze bietet die staatliche<br />

Administration, dazu gibt es ein paar Jobs in<br />

der Ölsuch-Industrie, im Transportwesen<br />

und in der Fischerei. In den Buchten wird in<br />

riesigen Netzen Lachs gemästet. Es soll der<br />

beste Lachs der Welt sein. Dänemark subventioniert<br />

sein Inselreich grosszügig, investiert,<br />

wie es in Skandinavien der Brauch ist, viel in<br />

Bildung und Allgemeinwohl. Zwischen den<br />

Inseln verkehren Fährschiffe, günstig und<br />

schneller sind jedoch die subventionierten<br />

Verbindungen per Helikopter. Auf die kleinste<br />

Insel wird für zwei Schüler regelmässig ein<br />

Lehrer mit dem Helikopter eingeflogen.<br />

Die Färöer-Inseln geniessen innerhalb des<br />

Dänischen Königreiches Autonomie (aber<br />

keine vollständige), haben deshalb ihren<br />

eigenen Fussballverband und ihre Fussballnationalmannschaft.<br />

Sie sind, anders als<br />

Dänemark, nicht in der EU. Die Demokratie<br />

ist direkt wie bei uns und die EU wird, so ist<br />

hier zu erfahren, als Hort der Kontrolle und<br />

Korruption abgelehnt.<br />

Wer als Fremder kommt, wird neugierig<br />

und freundlich ausgefragt. Woher? Warum<br />

hierher? Mit einer Geschichte aus der Heimat<br />

habe ich ungläubiges Staunen geerntet.<br />

Ja, ich habe gespürt, dass man mir eigentlich<br />

nicht recht geglaubt hat und wohl mancher<br />

zu sich gesagt haben mag, was einst der<br />

Dichterfürst Johann Wolfgang Goethe seinen<br />

Doktor Faust sagen liess: «Die Botschaft hör<br />

ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.»<br />

Diese kleine Geschichte – eigentlich mehr<br />

eine Episode aus dem Alltag – ist wohl bekannt<br />

in unserem Land und im Oberaargau.<br />

Sie hat, wie ich damals doch recht überrascht<br />

festgestellt habe, auch draussen in der Welt<br />

Verwunderung geweckt. Und damit sind wir<br />

doch noch beim Thema Politik und Kultur<br />

und einer Geschichte aus dem Oberaargau.<br />

Auf den Färöer-Inseln gibt es unendlich<br />

viel Zeit und Raum. Es gibt wohl nur wenige<br />

Gegenden auf dieser Welt (von Wüsten, Sibirien,<br />

Australien und weiten Gegenden Amerikas<br />

vielleicht abgesehen), wo es so einfach<br />

wäre, sich gleich den Schafen irgendwo ungestört<br />

zu erleichtern. Einfach spontan am<br />

Rand der gut ausgebauten Strassen anhalten.<br />

liegt derzeit drei Punkte vor dem gefährlichsten<br />

Gruppengegner Portugal,<br />

der im Hinspiel 2:0 geschlagen wurde.<br />

Gewinnt Portugal das Rückspiel vom<br />

10. Oktober mit dem gleichen Resultat<br />

(was gewiss nicht auszuschliessen ist),<br />

könnte die Tordifferenz den Ausschlag<br />

geben. Da haben die Portugiesen klar<br />

die Nase vorn.<br />

WUNDERN ÜBER DIE SCHWEIZ<br />

Trotzdem gibt es auf den Färöer in jedem<br />

noch so kleinen Kaff (und deren sind hier<br />

viele, manche nur aus zehn oder zwanzig<br />

Häuser bestehend) eine schöne, geräumige,<br />

saubere, öffentliche Toilette mit Brünnlein<br />

zum Waschen der Hände und ausreichend<br />

Papier. Fast so, als sei es ein Zeichen einer<br />

hoch entwickelten Kultur, dass sich der<br />

Mensch in anständiger Umgebung ungestört<br />

erleichtern kann. Toiletten-Kultur. In dieser<br />

direkten Demokratie der Färöer-Inseln kümmern<br />

sich die Politikerinnen und Politiker<br />

um die ganz elementaren Bedürfnisse der<br />

Menschen.<br />

Und so kommt es, dass ich mit meiner<br />

Geschichte allenthalben Verwunderung erregte<br />

wie wohl einst die Seefahrer, wenn sie<br />

nach ihrer Heimkehr von wunderlichen Kreaturen<br />

auf fremden Kontinenten erzählten.<br />

Von Einhörnern, Seeungeheuern und Menschenfressern.<br />

Dabei ist meine Geschichte so<br />

einfach, so banal. Ich erzähle sie so: Es gab<br />

im Herzen der Schweiz (eines der reichsten<br />

Länder der Erde, das ist auch auf den Färöer-<br />

Inseln bekannt) ein kleines, wohlhabendes,<br />

schönes Städtchen mit knapp 5000 Einwohnerinnen<br />

und Einwohnern in einer Gegend,<br />

die Oberaargau heisst. Ein richtiges Städtchen,<br />

nicht einfach ein Phantom wie Seldwyla.<br />

Und dort wurde für viele Millionen ein<br />

neuer Bahnhof gebaut. Aber man vergass die<br />

Toilette, ignorierte das Wohl der Reisenden<br />

und daraus wurde eine Geschichte, die landesweit<br />

durch die Medien gegangen ist.<br />

Aber das sei doch ganz und gar unmöglich,<br />

wurde mir auf Färöer entgegnet. Wohin<br />

muss dann, wer muss?<br />

Auf diese naheliegende Frage hatte ich<br />

keine Antwort gefunden und war umso<br />

glücklicher, als ich einige Zeit nach meiner<br />

Heimkehr feststellte, dass das Versäumnis<br />

erkannt und beim Bahnhof Huttwil doch<br />

noch ein schmuckes Urinarium gebaut worden<br />

ist.<br />

Foto: shutterstock.com/Fexel<br />

32 s’Positive 5 / 2017


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2., 3. und 5. Juni 2017<br />

Oberaargauisches Schwingfest<br />

Ort: Niederbipp<br />

Zeit: Freitag ab 18 Uhr, Samstag und<br />

Montag Kassenöffnung ab 6 Uhr.<br />

6. Juni 2017<br />

Tag der Tracht<br />

Alphornbläsergruppe Oberaargau<br />

in der Grossformation<br />

Ort: Kornhaus Park,<br />

Herzogenbuchsee<br />

Zeit: ab ca. 17.00 Uhr<br />

24. Juni 2017<br />

100 Jahre Motorex Langenthal –<br />

Jubiläumsfeier und grosses Fest<br />

für alle<br />

Tag der offenen Tür – Strassenkünstler,<br />

Funpark und Alphorn-<br />

Trio ARTix<br />

Ort: Motorex-Gelände, Langenthal<br />

Zeit: vormittags<br />

Ihre Meinung<br />

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Haben Sie Fragen, die auch andere Leser<br />

interessieren könnten? Oder haben Sie eine<br />

Ergänzung zu einem Artikel? Dann schreiben<br />

Sie uns. Ab der kommenden Ausgabe<br />

reservieren wir Platz für Sie.<br />

Oder möchten Sie über ein Thema, das wir<br />

noch nicht gebracht haben, mehr erfahren?<br />

Wir können Ihnen zwar keinen Artikel darüber<br />

garantieren. Aber prüfen werden wir<br />

Ihren Vorschlag ganz bestimmt.<br />

Wir wissen noch nicht, was auf uns zukommt,<br />

wenn wir die Möglichkeit zu Leserreaktionen<br />

bieten. Möglich, dass keine<br />

einzige kommt. Ebenfalls möglich, dass wir<br />

nicht alle Ihre E-Mails und Briefe publizieren<br />

können, und deshalb eine Auswahl treffen<br />

müssen. Werden Sie bitte nicht zu lang.<br />

Sonst müssten wir Ihren Beitrag eventuell<br />

kürzen.<br />

Beiträge mit beleidigenden, diffamierenden,<br />

rassistischen und sexistischen Inhalt werden<br />

nicht veröffentlicht.<br />

Wir freuen uns auf Ihr Feedback.<br />

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redaktor@spositive.ch<br />

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Foto: ZVG<br />

34 s’Positive 5 / 2017


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2.0t 3-RAD ELEKTROSTAPLER<br />

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kompakter Bauweise, wartungsarme<br />

AC-Drehstromtechnologie von CURTIS,<br />

Synchron-Frontantrieb, Standard Triplexmast<br />

mit Vollfreihub und 450cm<br />

Hubhöhe, integrierter Seitenschub,<br />

Superelastic-Bereifung, Traktionsbatterie<br />

48 V / 500 Ah, inkl. Ladegerät<br />

und Auto-Waterfilling-System für<br />

Batterie, Gabelzinken 120cm, mit<br />

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Dienstag bis Samstag 11.30 bis 14.00 Uhr und 18.00 bis 23.00 Uhr<br />

Sonntag und Montag geschlossen<br />

Bowlingcenter AG Langenthal, Lotzwilstrasse 11, 4900 Langenthal

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