bbh 07-08_2017_print
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Berlin-Brandenburgisches Handwerk 7–8 I <strong>2017</strong> I 13<br />
»<br />
Man kann sich nicht<br />
vollständig auf die Fürsorge<br />
des Staates verlassen,<br />
sondern muss<br />
auch seinen eigenen<br />
Beitrag leisten.<br />
«<br />
Foto: T. Bomm<br />
Christine Soltmann-Kamieth,<br />
Geschäftsführerin Akademie<br />
der Konditoren-Innung<br />
eigenen Ausbildung erhalten hat“, ist<br />
sie überzeugt. Von Kindesbeinen an ist<br />
sie in einem Milieu der Arbeit für das<br />
Allgemeinwohl aufgewachsen: Ihr Onkel<br />
war Obermeister, der Vater Sachverständiger<br />
und in verschiedenen Prüfungsausschüssen<br />
tätig. Auch in ihrem eigenen<br />
Unternehmen lebt sie diesen Anspruch.<br />
„Zwar bin ich selbst nicht als Prüferin<br />
tätig, aber sowohl mein Mann als auch<br />
zwei unserer Gesellen bringen ihr Wissen<br />
in Gesellen- und Meisterprüfungsausschüssen<br />
ein. Innerbetrieblich eine Herausforderung,<br />
aber auch die Mitarbeiter<br />
ziehen gemeinsam mit ihr an einem<br />
Strang und nutzen ihre Überstunden für<br />
eine Freistellung, um dann Prüfungen<br />
abzunehmen.<br />
Sie selbst war lange als Kassenprüferin in<br />
ihrer Innung aktiv. Bei dem Versorgungswerk<br />
des Handwerks arbeitet sie heute<br />
gewerkeübergreifend. „Das ist auch mehr<br />
mein Ding: das Handwerk insgesamt<br />
voranbringen. Natürlich ist jedes einzelne<br />
Gewerk wichtig, aber letztlich zählt doch,<br />
was wir gemeinsam entwickeln können.“<br />
Und dafür sei ehrenamtliches Engagement<br />
wie geschaffen. Seit 2014 verstärkt<br />
sie den Vorstand der Handwerkskammer<br />
Berlin – als erste Frau überhaupt in<br />
diesem Amt.<br />
Alexander Strehlow: gutes Team mit<br />
Innung, Kammer und Schule<br />
„Man muss sich etwas zutrauen und<br />
keine Sorge davor haben, überfordert zu<br />
werden”, sagt Raumausstattermeister<br />
Alexander Strehlow, der sich in seiner<br />
Funktion als Vollversammlungsmitglied<br />
der Handwerkskammer Berlin für den<br />
gesamten Wirtschaftszweig Handwerk<br />
einbringen will. Erfahrungen im Ehrenamt<br />
hat der 49-Jährige bereits in mehr<br />
als 23 Jahren, unter anderem auch als<br />
stellvertretender Obermeister in seiner<br />
Innung, gesammelt.<br />
Warum opfert ein Handwerksunternehmer<br />
seine kostbare freie Zeit, die neben<br />
Betriebsführung, Alltag und Ausbildung<br />
noch übrig bleibt? „Opfern ist nicht<br />
richtig, ich investiere Zeit: um die Interessen<br />
meines Berufsstandes zu wahren<br />
und voranzubringen.” Das ist auch ein<br />
Grund, weshalb Alexander Strehlow<br />
von Beginn seiner Selbstständigkeit an<br />
immer ausgebildet hat. „Es gibt viele<br />
Möglichkeiten, sich den Fachkräftebedarf<br />
von morgen zu sichern”, ist er überzeugt.<br />
Und falls ein Betrieb nicht alle Ausbildungsinhalte<br />
lehren könne, sei es kein<br />
Problem, im Verbund auszubilden. Die<br />
Kammer stehe mit Rat und Tat zur Seite.<br />
Auch junge Menschen, die nach der<br />
Schule noch Defizite hätten, könnten<br />
mit Programmen, bei denen auch die<br />
Handwerkskammer unterstützt, für die<br />
Ausbildung fitgemacht werden. „Wichtig<br />
ist vor allem der Austausch und eine<br />
gute Zusammenarbeit zwischen Ausbildungsbetrieb,<br />
Innung, Berufsschule und<br />
Handwerkskammer.” Die großen Lücken,<br />
die bei Schülern bereits in der Schule entstanden<br />
seien, könnten nur durch einen<br />
engmaschigen Austausch zwischen allen<br />
Akteuren behoben werden. Eine frühzeitige<br />
Berufsorientierung, die auch Lehrer<br />
besser schule, müsse zeitiger ansetzen,<br />
betont Strehlow.<br />
Christine Soltmann-Kamieth:<br />
Vertrauen vermitteln<br />
Der süßen Zunft hat sich Christine<br />
Soltmann-Kamieth verschrieben. Die<br />
Geschäftsführerin der Akademie der Konditoren-Innung<br />
Berlin ist seit acht Jahren<br />
Mitglied im Meisterprüfungsausschuss<br />
für ihr Handwerk und nimmt außerdem<br />
seit zwei Jahren Prüfungen für Fachverkäuferinnen<br />
im Konditorenhandwerk ab.<br />
„Man kann sich nicht vollständig auf<br />
die Fürsorge des Staates verlassen“, ist<br />
sich Christine Soltmann-Kamieth sicher.<br />
Besonders die Gewährleistung der Ausbildung<br />
sei wichtig. Denn das bringe auch<br />
eine Gesellschaft voran. „Dazu möchte<br />
ich meinen Teil beisteuern“, betont die<br />
50-Jährige, die selbst drei Kinder hat.<br />
Viele Prüflinge hätten Angst vor der<br />
Prüfungssituation. Dann sei diese besondere<br />
Art der Kommunikation gefragt:<br />
Vertrauen in das Wissen vermitteln und<br />
eigene Erfahrungen weitergeben.<br />
Einmal, so erinnert sie sich, sei eine<br />
gehörlose, junge Frau zur Prüfung gekommen,<br />
jedoch war der Gebärdendolmetscher<br />
nicht erschienen. „Ich konnte sie<br />
davon überzeugen, dass wir gemeinsam<br />
diese Prüfung meistern werden und dass<br />
sie sich das durchaus selbst zutrauen<br />
sollte. Auch ich musste mir das ja zutrauen:<br />
langsamer und deutlicher sprechen,<br />
damit sie mir von den Lippen ablesen<br />
konnte, geduldiger zuhören, nachfragen.<br />
Kurz: Es war ein wichtiges Erlebnis für<br />
uns beide, und die junge Frau war sehr<br />
stolz, als sie die Prüfung ohne Hilfe<br />
bestanden hatte.<br />
Als Prüfer profitiert man auch selbst von<br />
dieser Aufgabe, denn man erhält einen<br />
guten Einblick in die Abläufe. Diese<br />
Erkenntnisse kann ich eins zu eins an<br />
meine Kinder weitergeben und sagen:<br />
Hey, ein Prüfer will auch, dass du gut<br />
durchkommst, hab‘ Vertrauen in dich<br />
und in die Experten. Sie wollen Dich auf<br />
einen guten Weg bringen.” sa