KuS 2017-3
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Verbände / Branchen-Info<br />
NATURSTEIN-SEMINAR BRUNNEN<br />
Am 20./21. April fand im Waldstätterhof<br />
in Brunnen die jährliche Tagung des Verbands<br />
Schweizerischer Pflästerermeister<br />
statt. Auf die Teilnehmer wartete ein<br />
vielgestaltiges Programm. Thematischer<br />
Schwerpunkt des ersten Tages war die<br />
Rolle, die das Pflästererhandwerk in der<br />
Denkmalpflege spielt – oder spielen sollte.<br />
Gastreferent Michael P. Fritz, Kunsthistoriker<br />
und Dozent für Architektur an der<br />
Hochschule für Technik und Architektur in<br />
Fribourg, wies in seinem Vortrag auf die<br />
grosse Bedeutung hin, die der Pflästerer<br />
für den Erhalt denkmalpflegerisch sensibler<br />
Zonen des öffentlichen Raums hat.<br />
Der Pflästerer, zuständig für die Strassendecke,<br />
für die Zwischenräume, für «das<br />
Leere zwischen den Denkmälern» und damit<br />
für einen Bereich, über den Denkmalpfleger<br />
wie Architekten in der Regel nur<br />
rudimentär, wenn überhaupt, Bescheid<br />
wissen, könne mit seinem Fachwissen<br />
entscheidend dazu beitragen, dass eine<br />
Sanierung in einer qualitativen Aufwertung<br />
mündet. Damit er hierzu in der Lage<br />
sei, müsse er aber nicht nur sein Handwerk<br />
gut verstehen, sondern sich auch<br />
einbringen können. «Wenn ein Architekt<br />
eine Idee hat, und der Pflästerer für sich<br />
denkt, das ist Quatsch, aber ich mache es,<br />
ich werde bezahlt – das ist nicht die richtige<br />
Einstellung. Der Pflästerer sollte mitdenken,<br />
den Architekten auf Widersprüche<br />
hinweisen und seine Argumente mit<br />
Referenzbeispielen belegen können.» Das<br />
nötige Hintergrundwissen in Theorie und<br />
Praxis vermittle der interdisziplinär angelegte<br />
Lehrgang «Handwerker/in in der<br />
Denkmalpflege». Anhand von Fallbeispielen<br />
erläuterte Michael P. Fritz mögliche<br />
Tagungszentrum Seehotel Waldstätterhof<br />
in Brunnen. (Foto: Franziska Mitterecker)<br />
Einsatzgebiete für als Handwerker in der<br />
Denkmalpflege ausgebildete Pflästerer:<br />
Schadensanalysen, Beratungen, Erarbeitung<br />
von Sanierungskonzepten sowie deren<br />
Umsetzung, Erstellen von Dokumentationen,<br />
Unterhalts- und Pflegeplänen.<br />
Kapuzinerkloster Altdorf<br />
Auf die Theorie folgte die Praxis: Christian<br />
Bauer, der erste und bis anhin einzige<br />
Pflästerer, der den Lehrgang «Handwerker/in<br />
in der Denkmalpflege» erfolgreich<br />
abgeschlossen hat, legte anhand seiner<br />
Abschlussarbeit anschaulich dar, wie sich<br />
für ihn der Umgang mit einem historisch<br />
bedeutungsvollen Objekt, von der ersten<br />
Ortsbegehung bis zum abschliessenden<br />
Unterhaltsplan, im Einzelnen gestaltet.<br />
Sein Untersuchungsobjekt war der gepflästerte<br />
Vorplatz des ehemaligen Kapuzinerklosters<br />
in Altdorf. Das Kloster, 1581<br />
erbaut, war das erste Kapuzinerkloster<br />
nördlich der Alpen und bis zum Auszug<br />
der letzten Mönche im Jahr 2009 als solches<br />
aktiv. Heute wird es für Hochzeiten<br />
und kulturelle Anlässe genutzt. Der Verbindungsweg<br />
zwischen Kloster und Kirche<br />
Altdorf war bereits Ende des 16. Jahrhunderts<br />
gepflästert und ist im Inventar<br />
historischer Verkehrswege der Schweiz<br />
als Objekt von nationaler Bedeutung aufgeführt.<br />
Der Klostervorplatz ist integraler<br />
Teil dieses gepflästerten Weges – und er<br />
trägt deutliche Spuren seiner langen Geschichte:<br />
Lose, gekippte und kaputte Steine,<br />
Kluften, Senkungen, ausgewaschene<br />
Vorplatz des Kapuzinerklosters<br />
in Altdorf.<br />
Überwiegend Wildpflästerung<br />
aus regionalem<br />
Quarzsandstein<br />
(Altdorfer Sandstein).<br />
(Foto: Christian Bauer)<br />
Fugen und stark humoses Bettungsmaterial<br />
gefährden nicht nur die Pflästerung in<br />
ihrem Bestand, sondern auch nicht mehr<br />
ganz trittfeste Wanderer oder die Knöchel<br />
absatzbewehrter Hochzeitsgäste. Christian<br />
Bauer schilderte das anspruchsvolle<br />
Vorgehen beim Ausarbeiten eines Sanierungskonzepts,<br />
welches sowohl den historischen<br />
Bestand möglichst umfassend<br />
bewahrt als auch heutigen Ansprüchen<br />
an Sicherheit und Komfort Genüge tut.<br />
Workshop, Justitia und Gestaltung<br />
Nach dem Mittagessen wurden die Themen<br />
des Vormittags in einem Workshop<br />
verarbeitet: In Kleingruppen entwarfen<br />
die Teilnehmer ihre eigenen Sanierungskonzepte<br />
für die Altstadt von St. Ursanne<br />
(JU), wo im Rahmen der notwendigen<br />
Erneuerung von Abwasser- und Kanalisationsanlagen<br />
mehr als 9000m 2 alte<br />
Pflästerungen zerstört werden müssen.<br />
Die grosse Bandbreite der präsentierten<br />
Vorschläge ebenso wie die resultierende<br />
lebhafte Diskussion widerspiegelte die<br />
Komplexität der Problemstellung.<br />
Weitere Referate der Tagung behandelten<br />
rechtliche Fragen – wie geht man<br />
vor beim Inkasso von Forderungen? –,<br />
stellten die überarbeitete NPK 222 vor –<br />
welche Vorteile bieten die Neuerungen?<br />
–, und befassten sich mit der Auswahl<br />
von Steinen und gestalterischen Themen.<br />
Berufsleute wie Gäste traten den Heimweg<br />
am Freitag-Nachmittag um viele Anregungen<br />
bereichert an. (fmi)<br />
03/17<br />
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