ISK Ratgeber als PDF downloaden - Medical Service
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SPZ Nottwil<br />
22 INKONTINENZ NEuE TrENDS BEI DEr BEHANDLuNG DEr BLASENFuNKTIONSSTöruNG 23<br />
Die Harninkontinenz, <strong>als</strong>o der ungewollte, nicht kon-<br />
trollierbare Abgang von Urin, stellt ein medizinisches<br />
und soziales Problem dar. Eine Inkontinenz<br />
kann zu Hautveränderungen (Pilzbefall, Entzündung)<br />
führen und Druckstellen verursachen; zudem wirken<br />
sich Geruchsbelästigung, die Notwendigkeit, In-<br />
kontinenzhilfsmittel benutzen zu müssen und die<br />
daraus entstehende Unsicherheit extrem negativ<br />
auf die Lebensqualität aus. Viele Betroffene ziehen<br />
sich wegen der Inkontinenz aus dem sozialen<br />
Leben zurück.<br />
Inkontinenz kann einmal <strong>als</strong> Folge einer überaktiven<br />
Blase auftreten, die den Urin durch den eigentlich<br />
intakten Schließmuskel presst. Diese Form der Inkonti-<br />
nenz bezeichnet man <strong>als</strong> Dranginkontinenz bzw.<br />
bei Querschnittgelähmten <strong>als</strong> Reflexinkontinenz.<br />
Sie lässt sich durch eine Ruhigstellung der Blasenspastik<br />
behandeln.<br />
Eine weitere Form ist die<br />
Belastungsinkontinenz.<br />
Ursache ist ein zu schwacher<br />
Schließmuskel. Auch bei<br />
völlig ruhiger Blase kann es<br />
beim Husten, Niesen, beim<br />
Transfer oder beim Sport<br />
zum Urinverlust kommen,<br />
weil der schlaffe Schließmus-<br />
kel die zusätzliche Belastung<br />
nicht bewältigen kann.<br />
Eine Belastungsinkontinenz<br />
lässt sich oft nur operativ,<br />
z. B. durch das Einbringen<br />
eines künstlichen Schließmuskels<br />
oder durch die Ein-<br />
lage eines spannungsfreien<br />
Bands unter die Harnröhre<br />
behandeln.<br />
Bei einem künstlichen Schließmuskel wird eine Plastik-<br />
manschette um den Blasenausgang gelegt, die<br />
Reservoir<br />
iNKoNtiNeNZ Neue treNds Bei der BeHaNdluNG der<br />
Blase<br />
BlaseNfuNKtioNsstöruNG<br />
Künstl. Schließmuskel <strong>als</strong><br />
Röntgenaufnahme<br />
Künstlicher Schließmuskel nach Scott<br />
Schließmuskelmanschette<br />
Pumpballon<br />
mit einem Ballon und einer Pumpe verbunden sind.<br />
Alle Anteile werden in den Körper eingebracht; die<br />
Pumpe liegt in dem Hodenfach bzw. in den großen<br />
Schamlippen, um von außen bedienbar zu sein. Die<br />
mit Flüssigkeit gefüllte Manschette sorgt dafür, dass<br />
kein Urinverlust auftritt. Bei der Blasenentleerung<br />
wird die Manschette mit der Pumpe entleert; nach ei-<br />
nigen Minuten füllt sich die Manschette automatisch<br />
wieder mit Flüssigkeit, die Blase ist wieder »dicht«.<br />
Risiken der Operation sind die typischen Komplikationen<br />
jedes Eingriffs, bei dem Fremdkörper eingebracht<br />
werden: ein Materialdefekt sowie die Infektion<br />
des Implantats. Bei etwa 30 % der Patienten muss<br />
innerhalb von 5 Jahren ein zweites Mal operiert werden.<br />
Die spannungsfreien Bänder werden über einen kleinen<br />
Hautschnitt um den unteren Teil der Harnröhre ge-<br />
legt und unterstützen die Funktion des Schließmuskels.<br />
Die Operation ist wesentlich kleiner, aber der Eingriff<br />
ist seltener erfolgreich <strong>als</strong> der künstliche Schließmuskel.<br />
Zudem gibt es das Verfahren erst kurze Zeit;<br />
Erfahrungen bei Querschnittgelähmten gibt es kaum.<br />
Da beide Inkontinenzformen auch gemeinsam auftreten<br />
können, ist unbedingte Voraussetzung einer erfolgreichen<br />
Behandlung, zunächst genau zu prüfen, welche<br />
Form der Inkontinenz vorliegt. Eine f<strong>als</strong>che Therapie<br />
ist nicht nur frustrierend, sondern birgt auch medizinische<br />
Risiken bis zur Nierenfunktionsschädigung.<br />
In den letzen Jahren sind viele Versuche unternommen<br />
worden, die Querschnittlähmung zu beseitigen.<br />
Trotz aller Bemühungen sind weder Stammzell-<br />
therapien noch Transplantationen von Nerven (z. B.<br />
von der Nasenschleimhaut) oder medikamentöse<br />
Therapien (z. B. Anti-NOGO A) so erfolgreich gewesen,<br />
dass sie in absehbarer Zeit eine klinische<br />
Behandlungsmöglichkeit darstellen werden.<br />
Daher hat sich die Forschung auf die Wiederherstellung<br />
der Blasenfunktion konzentriert. Eine Zeit lang machte<br />
ein Verfahren Furore, bei dem Nerven aus dem Brustkorbbereich<br />
auf die Blasennerven aufgenäht wurden,<br />
um so die verletzten Nerven zu »überbrücken«. Die sehr<br />
guten Resultate des Erfinders dieser Technik haben<br />
einer kritischen Überprüfung nicht standgehalten, so<br />
dass diese Technik sich nicht durchgesetzt hat.<br />
Eine frühzeitige elektrische Reizung durch die Implan-<br />
tation von Elektroden im Kreuzbeinbereich, wie bei<br />
der sakralen Neuromodulation, hat bei einer sehr klei-<br />
nen Gruppe von Betroffenen die Ausbildung einer<br />
Blasenspastik verhindern können. Diese Ergebnisse<br />
sind jedoch bisher noch von keiner anderen Forscher-<br />
gruppe bestätigt worden.<br />
In den letzten Monaten konnte eine Arbeitsgruppe<br />
durch die laparoskopische (Bauchspiegelung) Einbringung<br />
von Elektroden die Blasenspastik unterdrücken<br />
und zusätzlich bei voller Blase die Entleerung<br />
unterstützen. Bis heute sind erst 6 Patienten nach dieser<br />
Technik operiert worden, so dass erst weitere Ergebnisse<br />
abgewartet werden müssen, bevor man dieses<br />
Verfahren beurteilen kann.<br />
Erfreulich ist jedoch in jedem Fall, dass nach einer<br />
langen Zeit ohne Weiterentwicklungen nun neue<br />
Verfahren zur Behandlung der Blasenfunktionsstörung<br />
bei Querschnittlähmung entwickelt und getestet<br />
werden, die das Potential besitzen, die Situation der<br />
Betroffenen wesentlich zu verbessern.