ISK Ratgeber als PDF downloaden - Medical Service
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10 BEHANDLuNG DEr BLASENFuNKTIONSSTöruNG BEHANDLuNG DEr BLASENFuNKTIONSSTöruNG 11<br />
BeHaNdluNG der BlaseNfuNKtioNsstöruNG<br />
spastisch<br />
schlaff/areflexiv<br />
Formen der neurogenen Blasenfunktionsstörung<br />
Durch die neuro-urologische Untersuchung lassen<br />
sich die Blasenfunktionsstörungen genau erfassen<br />
und in Risikogruppen einteilen. Grundsätzlich kann<br />
man zwischen »schlaffer« und »spastischer« Blasenfunktionsstörung<br />
unterscheiden. Bei der schlaffen<br />
Blasenfunktionsstörung sind Blasenmuskel und<br />
Schließmuskel funktionslos, bei der spastischen Form<br />
sind beide Muskel überaktiv und arbeiten unkon-<br />
trolliert gegeneinander. Eine Gefährdung der Nieren<br />
besteht immer dann, wenn bereits während der<br />
Füllung der Harnblase ein hoher Innendruck in der<br />
Harnblase besteht. Daher stellt die »spastische«<br />
Blasenfunktionsstörung ein größeres Risiko für die<br />
Nierenfunktion dar <strong>als</strong> die »schlaffe« Lähmung.<br />
Weitere Risikofaktoren für die Nierenfunktion sind<br />
ein Zurückfließen von Urin zu den Nieren (Reflux),<br />
eine Abflussbehinderung des Urins in die Blase (wenn<br />
Blase<br />
Schließmuskel<br />
der Druck in der Blase höher ist <strong>als</strong> in den Nieren,<br />
kann der Urin nicht abfließen und staut sich in den<br />
Nieren) und ein Verlust der Blasenelastizität. Hoher<br />
Blutdruck und dadurch ausgelöste Kopfschmerzen<br />
(»autonome Dysregulation«) können ebenfalls ein<br />
Warnsignal sein, das seine Ursache im Harntrakt hat.<br />
Zudem kann eine Blasenüberaktivität auch zur In-<br />
kontinenz führen.<br />
Um die genannten Komplikationen zu vermeiden,<br />
wäre eine komplette Wiederherstellung der Nervensteuerung<br />
der Harnblase ideal. Leider ist dies bis<br />
heute nicht möglich. Daher beschränkt sich die urologische<br />
Behandlung darauf, die Nieren dadurch zu<br />
schützen, indem die Drucke in der Blase ausreichend<br />
gesenkt werden.<br />
drucKseNKuNG iN der<br />
HarNBlase<br />
mediKameNtöse BeHaNdluNG<br />
Wenn die Blasenmuskulatur überaktiv ist, kommt<br />
es bereits bei geringer Füllmenge zu unwillkürlichen,<br />
nicht steuerbaren Kontraktionen, auch <strong>als</strong><br />
Blasenspastik bezeichnet.<br />
Eine medikamentöse Behandlung mit sogenannten<br />
Anticholinergika, auch <strong>als</strong> Antimuskarinika bezeich-<br />
net, kann diese Blasenaktivität unterdrücken, indem<br />
die Nervenenden direkt an der Blasenmuskulatur<br />
blockiert werden. Aktuell stehen verschiedene Medi-<br />
kamente zur Verfügung, z. B. das Darifenacin<br />
(Handelsname: Emselex ® ), Fesoterodin (Handelsname:<br />
Toviaz ® ), Oxybutynin (Handelsname: Dridase ® , Lyrinel ® ;<br />
<strong>als</strong> Pflaster: Kentera ® ), Propiverin (Handelsname:<br />
Mictonorm ® ), Solifenacin (Handelsname: Vesikur ® ),<br />
Tolterodin (Handelsname: Detrusitol ® ) und das Tro-<br />
spiumchlorid (Handelsname: z. B. Spasmex ® , Urivesc ® ).<br />
Diese Medikamente wirken nach demselben Prinzip,<br />
sind jedoch chemisch unterschiedlich aufgebaut.<br />
Weil diese Medikamente nicht nur in der Blase, sondern<br />
auch an anderen Organen Nervenenden blockieren,<br />
können sie unerwünschte Wirkungen hervorrufen (z. B.<br />
Mundtrockenheit, Darmträgheit). Da Menschen unter-<br />
schiedlich auf Medikamente reagieren, muss daher<br />
für jeden Betroffenen das Präparat mit der individuell<br />
besten Wirkung und Verträglichkeit sorg-<br />
fältig bestimmt werden.<br />
BotuliNumtoXiN a<br />
Falls die Medikamente nicht ausreichend wirken oder<br />
nicht vertragen werden, besteht die Möglichkeit einer<br />
Injektion von Botulinumtoxin A (z. B. Botox ® ) in die<br />
Harnblasenmuskulatur. Dieses Medikament wird über<br />
eine Blasenspiegelung direkt in die Blasenmusku-<br />
Botulinumtoxin-Injektion<br />
latur injiziert und wirkt fast ausschließlich in der Blase.<br />
Daher sind Nebenwirkungen extrem selten, zudem<br />
wirkt das Mittel sehr stark und kann bessere Effekte<br />
<strong>als</strong> die Medikamentengabe erzielen. Die Wirkung<br />
ist zeitlich begrenzt, so dass die Behandlung alle 6-9<br />
Monate wiederholt werden muss. Da die Behandlung<br />
über eine Blasenspiegelung erfolgt, kann eine lokale<br />
Betäubung oder Narkose notwendig werden. Das Medi-<br />
kament wird zwar seit mehr <strong>als</strong> 10 Jahren eingesetzt,<br />
ist aber bis heute für die Behandlung der Blasenfunktionsstörung<br />
nicht zugelassen, was Probleme mit<br />
der Kostenerstattung machen kann.<br />
operatiVe tHerapie<br />
Wenn bereits eine starke Vernarbung der Blasenmuskulatur<br />
oder ein Verlust der Dehnfähigkeit des<br />
Blasenmuskels eingetreten ist, kann durch die oben<br />
genannten Maßnahmen keine Drucksenkung in der<br />
Blase mehr erreicht werden. In diesen Fällen muss<br />
die Blase mittels Dünndarmanteilen vergrößert werden.<br />
Dabei wird über einen Bauchschnitt ein Teil der<br />
geschädigten Harnblase entfernt und ein Stück Dünndarm<br />
auf den verbleibenden Teil der Blase aufgesetzt.<br />
Dünndarm ist sehr elastisch und führt daher zu<br />
einer Vergrößerung, aber auch zu einer verbesserten<br />
Dehnfähigkeit der Blase.<br />
Bildquelle: SPZ Nottwil