REGIOSWISS - 164
Das Freizeit-Magazin - Ausgabe Zentralschweiz
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Anna Rossinelli<br />
Anna Rossinelli kennt, wird feststellen,<br />
dass sich «Takes Two To Tango» anders<br />
anhört. Der dritte Langspieler geht tiefer.<br />
Konventionen liess man hinter sich.<br />
Die zehn neuen Songs, die sich im Land<br />
der unbegrenzten Möglichkeiten formten<br />
und färbten, präsentieren sich abwechslungsreich.<br />
Aus alt mach neu. Was<br />
einmal war, ist jetzt frischer, zerbrechlicher<br />
und explosiver – aber immer noch<br />
poppig. So treffen auf «Wild Children»<br />
ein vorwärtstreibender Club-Beat und<br />
eine Westerngitarre aufeinander. Bei<br />
«Broken Hearted» singt Anna Rossinelli<br />
mit einem Gospelchor um die Wette und<br />
spendet all den armen Seelen Trost, die<br />
durchs Raster fallen und kein Gehör<br />
finden. Oder sie serviert mit «Forever<br />
Young» eine folkangehauchte Midtempo-Ballade,<br />
die auch aus der Feder von<br />
Norah Jones stammen könnte. Eines der<br />
Highlights ist aber zweifelsohne «King<br />
Mustafa». Die Feelgood-Nummer, die ihren<br />
Ursprung in Marrakesch hatte, versprüht<br />
Wärme und dürfte vor allem eine<br />
MUSIC NEWS<br />
«TAKES TWO TO TANGO»<br />
Bereits nach wenigen Takten des Eröffnungssongs<br />
«Bang Bang Bang» merkt<br />
der Zuhörer, dass bei Anna Rossinelli<br />
etwas geschehen ist. Ohne Pauken und<br />
Trompeten legt die Baslerin ihre Zeilen<br />
über eine feine Gitarre: «Both feel each<br />
other’s breath. Lying side by side.» Dann<br />
setzt sie die bittersüsse, anrüchige Ballade<br />
fort, variiert in Stimme und Tonalität,<br />
lässt verschiedene Facetten durchschimmern,<br />
um alles in einem emotionsgeladenen<br />
Feuerwerk enden zu lassen.<br />
Hier scheint etwas passiert zu sein. Aber<br />
was? Die Antwort ist einfach: Anna Rossinelli<br />
hat sich neu entdeckt. Dies nach<br />
mehr als 10‘000 Kilometern, zahlreichen<br />
Songskizzen und etlichen Begegnungen.<br />
Zusammen mit ihren Bandkollegen<br />
Georg Dillier und Manuel Meisel bereiste<br />
die Schweizerin im Frühjahr 2015 während<br />
drei Monaten die USA. Begleitet<br />
wurden sie von Tontechniker Florens<br />
Meury sowie Filmemacher Milan Büttner,<br />
der die vielen Momentaufnahmen der<br />
Reise für den zum Album dazugehörigen<br />
Kurzfilm festhielt. Auf der abenteuerlichen<br />
Reise machte das Dreiergespann<br />
unter anderem in San Francisco, Texas<br />
und New Orleans mit Endstation New<br />
York Halt, wo es «Takes Two To Tango» mit<br />
Produzent Simon Kistler (Marc Sway) im<br />
Studio letztendlich einspielte. Während<br />
der längeren Exkursion sammelte der<br />
Basler Nomadenzug vor allem Eindrücke,<br />
musikalische Fragmente und eine Menge<br />
Inspiration. Alles, was Anna Rossinelli<br />
und ihre Weggefährten mit im Gepäck<br />
hatten: Zahlreiche Ideen und eine gehörige<br />
Portion Tatendrang. Auf konkrete<br />
Vorhaben verzichtete das Trio bewusst.<br />
Nichts sollte der Planung zum Opfer fallen,<br />
alles musste möglich sein. «Wir hatten<br />
zwar eine Vision aber nur bedingte<br />
Pläne», blickt Anna Rossinelli heute auf<br />
die abenteuerliche Reise zurück. Die Zelte<br />
schlug der Trupp lediglich mit einem<br />
bewussten Ziel auf: Möglichst viel zu musizieren.<br />
Es galt, musikalische Puzzleteile<br />
zu sammeln, die man letztendlich<br />
auf einem neuen Album zusammenführen<br />
wollte. «Die Zeit ging viel zu schnell<br />
vorbei», sagt Anna weiter. Dabei schaut<br />
sie gerne auf die Begegnungen mit gastfreundlichen<br />
Menschen und Musikern zurück.<br />
Denn das neue Songmaterial, das<br />
sie mit Georg und Manuel bereits in der<br />
Schweiz geschrieben hatte, teilte sie in<br />
den Staaten mit zahlreichen Gastmusikern:<br />
Mike Haynes, ein Strassenkünstler<br />
in San Francisco, inspirierte die Schweizer<br />
etwa mit seiner eindrücklichen Art<br />
Schlagzeug zu spielen. Nick Milo, Joe<br />
Cockers ehemaliger musikalischer Leiter<br />
und Keyboarder, lud Anna und ihr Gefolge<br />
ein, bei ihm zuhause zu spielen.<br />
Und in Nashville öffnete Songwriterin<br />
Victoria Shaw, die bereits für Christina<br />
Aguilera Welthits wie «Nobody Wants To<br />
Be Lonely» geschrieben hat, die Türen<br />
zu ihrem Wohnzimmer.<br />
Offenbar haben die Treffen sowie<br />
die dreimonatige Alltagsabstinenz ihre<br />
Pflicht getan. Wer die früheren Alben von<br />
Bereicherung für sommerliche Radiorotationen<br />
sein. Nicht zuletzt besticht vor<br />
allem die Story des Songs: Ein König verlässt<br />
seine gewohnte und vertraute Umgebung,<br />
um dafür das pure Leben spüren<br />
zu können. Der Track könnte also auch<br />
sinnbildlich für die Entstehung des neusten<br />
Rossinelli-Werks verstanden werden.<br />
Tatsächlich sagt Georg Dillier selber:<br />
«Der Fakt, dass wir nicht in einem gewohnten<br />
Umfeld musizierten, hat unsere<br />
Kreativität geweckt. Wir haben uns so<br />
automatisch mehr getraut.» Dann doppelt<br />
er nach: «Ich glaube, wir haben den<br />
Sound gefunden, den wir lange gesucht<br />
haben.» Ein klares Statement, dass darauf<br />
schliessen lässt, wie sehr die drei<br />
Musiker zufrieden sind mit ihrem neusten<br />
Album. Auch Anna Rossinelli steht<br />
die Freude ins Gesicht geschrieben,<br />
wenn sie über ihr neustes Baby sinniert:<br />
«Wir sind echt stolz auf die Scheibe. Ich<br />
selber höre mir die Songs immer wieder<br />
an. Solch ein Gefühl hatte ich noch<br />
selten.» Viel mehr gibt es bei solch einer<br />
Aussage wohl kaum hinzuzufügen.<br />
www.annarossinellimusic.com<br />
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