2017-07-06 CHPS Working Paper No 7 Amnog_ mit ISSN
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1 Einleitung<br />
Der Zugang zur Erstattungsfähigkeit für neue Arznei<strong>mit</strong>tel ist in Gesundheitssystemen üblicherweise<br />
in Form einer „Vierten Hürde“ 1 – nach den drei für die Zulassung zu überwindenden Hürden der<br />
Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit – gestaltet. Dies impliziert, dass neue Therapien in der<br />
Regel erst nach Durchlauf von gesundheitsökonomischen Bewertungen und Preisverhandlungen voll<br />
zulasten eines Gesundheitssystems erstattungsfähig sind, wobei dieser Prozess je nach Land einige<br />
Jahren in Anspruch nehmen kann. 2 Im Gegensatz hierzu zeichnet sich das deutsche System der<br />
Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) seit dem Inkrafttreten des AMNOG im Jahr 2011 dadurch<br />
aus, dass neue Arznei<strong>mit</strong>tel ab dem ersten Tag am Markt für einen Zeitraum von bis zu zwölf<br />
Monaten zunächst zum vom pharmazeutischen Unternehmen gewählten Preis erstattungsfähig sind,<br />
die tatsächliche Erstattungsfähigkeit jedoch erst nach Markteintritt evaluiert wird und<br />
Verhandlungen über den späteren Erstattungsbetrag wiederum nachfolgend stattfinden.<br />
Für in der GKV praktizierende Ärzte ist diese nachträgliche Evaluierung neuer Arznei<strong>mit</strong>tel<br />
dahingehend problematisch, dass bei Markteintritt noch keine Informationen zum erst später<br />
evaluierten Nutzen im Versorgungskonzept der deutschen GKV vorliegen. Die Niedergelassenen<br />
befürchten regressiert zu werden, weil ihnen zur Last gelegt wird, unwirtschaftlich zu handeln, indem<br />
sie Arznei<strong>mit</strong>tel verordnen, denen im Zuge der Nutzenbewertung kein Zusatznutzen zugesprochen<br />
wird. 3 Ebenso besteht die Gefahr, dass ein Hersteller aufgrund einer nicht zufriedenstellenden<br />
Nutzenbewertung oder eines unzureichenden Erstattungsbetrags ein neues Arznei<strong>mit</strong>tel nach<br />
Abschluss der Nutzenbewertung oder der Preisverhandlungen in Deutschland vom Markt nimmt.<br />
Studien zu den Auswirkungen der AMNOG-Nutzenbewertung auf den ärztlichen Versorgungsalltag<br />
befassen sich bisher vor allem <strong>mit</strong> Analysen zur Durchdringung bzw. Aufnahme neuer Arznei<strong>mit</strong>tel<br />
nach erfolgter Nutzenbewertung. Eine im Rahmen des AMNOG-Report 2016 durchgeführte<br />
Hausärztebefragung, die sich <strong>mit</strong> der wirtschaftlichen Verordnungsweise neuer Arznei<strong>mit</strong>tel befasst,<br />
fragt nach der Berücksichtigung von möglichen Marktrücknahmen bei der Verordnung. 4 Die<br />
weiterführenden Aspekte zum Verordnungsverhalten und den daraus resultierenden Auswirkungen<br />
für Arzt und Patient bleiben jedoch unbeleuchtet.<br />
Ziel dieser Studie ist es, <strong>mit</strong> Hilfe empirischer Untersuchungen darzulegen, ob und wie sich die<br />
Marktrücknahmen von Arznei<strong>mit</strong>teln aus wirtschaftlichen Gründen auf das Verordnungsverhalten<br />
der Ärzte auswirken. Dabei soll auch untersucht werden, wie Ärzte die Marktrücknahmen in ihrem<br />
Behandlungsalltag wahrnehmen und welche Konsequenzen und Kosten <strong>mit</strong> den Marktrücknahmen<br />
verbunden sind. Außerdem wird darauf eingegangen, welche Bedeutung Ärzte den<br />
Marktrücknahmen in Bezug auf die Versorgungsqualität zuschreiben und wie sie die Zukunft des<br />
AMNOG einschätzen. Im Verlauf der Studie werden zunächst die theoretischen Grundlagen zum<br />
Verordnungsverhalten von Ärzten gelegt. Anschließend werden neue Erkenntnisse, welche durch<br />
1 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2001), o.S.<br />
2 Vgl. Swilling N., Altier J. (2015), S. 220<br />
3 Vgl. Ärzteblatt (<strong>2017</strong>b), o.S.<br />
4 Vgl. Greiner W., Witte J. (2016), S.300<br />
CHSP WORKING PAPER NO. 7<br />
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