wasistlos bad fuessing magazin August 2017
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Alles steht in den Sternen<br />
Maria Werner ist eine starke Frau. Aber leider auch<br />
launisch und oft unerträglich.<br />
Vor einigen Jahren hatte sie als Vollzugsbeamtin<br />
der Haftanstalt Straubing die höchste Stufe der<br />
Gehaltsleiter und in ihrer Freizeit als einsatzfreudige<br />
Greenpeace-Aktivistin einen hundertjährigen Baum<br />
auf Sri Lanka erklommen. In Gipfelnähe wurde sie<br />
jedoch von einem artgeschützten, äußerst undankbaren<br />
Makaken-Affenpaar attackiert und vom Ast<br />
geschüttelt. Das Sicherungsseil hatte erst kurz vor<br />
dem Bodenkontakt gegriffen und ruckartig für alle<br />
Zeiten ihre Hüfte verzerrt. Seitdem ist Frau Werner<br />
frühpensioniert und treuer Stammgast in Bad Füssing.<br />
Sie verbringt viel Zeit in der Therme, wandert in<br />
der Ebene des Inntals, besucht teure Restaurants und<br />
wirft gern ein Auge auf gut aussehende Männer.<br />
Und nun hatte ein Platzregen die robuste Fünfzigjährige<br />
aus dem Freizeitpark in ein Kaffeehaus vertrieben.<br />
An der Eingangstüre schüttelte sie verärgert<br />
die Tropfen aus der nicht sonderlich eleganten<br />
Garderobe und ordnete oberflächlich den zerzausten<br />
grauen Kurzhaarschnitt. Dann ließ sie sich an<br />
einem Zweiertisch auf die Sitzbank nieder und schob<br />
rücksichtslos das nur der Dekoration dienende Kissen<br />
als Polsterung unter ihre verlängerte Rückseite. Man<br />
kannte Frau Werner schon lange und beeilte sich, die<br />
obligatorische Kardinals-Torte mit einem Kännchen<br />
Kaffee zu servieren. Sie griff nach dem Bad Füssing<br />
Magazin <strong>wasistlos</strong> und breitete sich zum Genießen<br />
aus.<br />
Am Nebentisch schräg gegenüber war ein etwa<br />
gleichaltriger Mann in ein Gespräch mit seiner weiblichen<br />
Begleitung vertieft. Er würdigte Frau Werner<br />
keines Blickes und sie seufzte neidisch. So ergeht<br />
es ihr fast immer. Privat nehmen die Männer keine<br />
Notiz von ihr. Eine Maria Werner gibt aber niemals<br />
auf. Eines Tages wird sie Mr. Right begegnen und<br />
zugreifen, ganz egal wo und in welcher Situation er<br />
sich befindet. Da ist sie sich völlig sicher.<br />
Später blätterte sie in der Tageszeitung und stieß<br />
schließlich auf das Horoskop. Für einen Moment war<br />
ihr Interesse geweckt und sie las:<br />
»Steinbock-Frau, 2. Dekade: Mars macht Sie erfolgreich,<br />
auffallend attraktiv und hoch-erotisch. Sie sollten<br />
einen Löwen oder Stier um den Finger wickeln.<br />
Packen Sie´s an!«<br />
Maria tat spontan wie ihr geheißen. Sie straffte den<br />
nach vorne gebeugten Oberkörper und warf einen<br />
durchdringenden Blick auf den immer noch desinteressierten<br />
Mann rechts gegenüber. Da spürte dieser<br />
offenbar plötzlich die Macht der von ihr ausgehenden<br />
Magie, unterbrach sein Gespräch und wandte<br />
sich nach links.<br />
Für einen langen Augenblick sahen sie sich in die Augen<br />
und Maria erkannte auch ohne ihre Brille, dass<br />
sich seine Pupillen weiteten. Irritiert wandte er sich<br />
ab, um nur wenige Sekunden später einen neuen,<br />
ungläubigen Blick zu riskieren.<br />
»Kann er es womöglich nicht fassen, dass er sich<br />
soeben in mich verknallt hat?«, fragte sich Maria<br />
selbstbewusst und von der Treffsicherheit des Horoskops<br />
fasziniert.<br />
Dann lächelte sie den Mann mit dem auffallend<br />
durchtrainierten Body an und ein verlegenes Grinsen<br />
breitete sich auf seinem kantigen, glattrasierten<br />
Gesicht aus.<br />
»Volltreffer!«, jubelte sie in Gedanken und war ganz<br />
perplex. »Der Mars-Einfluss muss gewaltig sein.«<br />
Dreist rückte sie näher an das Paar heran und lauschte.<br />
»Warum starrst du das Weib neben uns so an,<br />
Lion?«, hörte sie die Frau an seiner Seite fragen.<br />
»Lion!! Das englische Wort für »Löwe«! Doch nicht<br />
etwa der aus dem Horoskop?«, murmelte Maria verzückt<br />
und überhörte seine Antwort. Dann erhoben<br />
sich die beiden. Seine Begleiterin bezahlte und sie<br />
verließen das Lokal. Der Mann musterte Maria mit<br />
einem letzten, auffallend eindringlichen Blick und<br />
ließ die gläserne Schwingtüre zufallen.<br />
Marias Herz stand in Flammen. Ihre Stunde war gekommen.<br />
Im ersten Impuls entschloss sie sich, ihrem<br />
herben Äußeren einen femininen Anstrich zu verleihen.<br />
Gleich am nächsten Vormittag eilte sie zum<br />
Friseur, ließ einen blauschwarzen Farbton mischen<br />
und die Haare kräuseln. Der Bogen ihrer Augenbrauen<br />
wurde betont, die Wimpern verlängert und der<br />
Damenbart entfernt. Die Auszubildenden kicherten<br />
und Maria sauste irgendwie entstellt in ein Kaufhaus,<br />
um sich im seelischen Hoch neu einzukleiden.<br />
Am Nachmittag erschien sie aufgekratzt im Kaffeehaus,<br />
nahm erneut auf dem Paradekissen Platz und<br />
wartete. Später las sie, während sie auf ihn wartete.<br />
Schließlich bestellte sie das dritte Kännchen Kaffee,<br />
eine weitere Schoko-Rum-Bombe und wartete noch<br />
immer. Aber nichts geschah. Enttäuscht nahm sie<br />
das Abendessen ein und stöckelte danach in ihre Unterkunft<br />
im BAYERN-Inn. Als sie im Bett lag, dachte<br />
sie intensiv nach. Ihr kriminalistischer Spürsinn war<br />
berufsbedingt sehr gut entwickelt und musste nun<br />
dringend zum Einsatz kommen.<br />
Am Mittwoch-Nachmittag zeigte sie sich im roten,<br />
sehr knappen Badeanzug erwartungsvoll im<br />
Thermal-Warmwasserbecken. Da wurde sie von der<br />
Seite her angesprochen:<br />
»Würden Sie mir bitte nur kurz die Massagedüse<br />
überlassen, die Sie schon seit geraumer Zeit für sich<br />
beanspruchen?«<br />
Maria schreckte aus ihren Phantasien auf und hatte<br />
schon eine scharfe Abweisung auf der Zunge, als sie<br />
in die freundlichen Augen einer rundlichen, untersetzten,<br />
männlichen Gestalt blickte. Sie trat wortlos<br />
zur Seite und der Sechzigjährige, dessen mausgraue<br />
Badehose einen mächtigen, behaarten Bauch<br />
umspannte, rückte nach. Dankbar entschuldigte er<br />
sich: »Selbstverständlich will ich Sie nicht vertreiben.<br />
Geben Sie mir nur zehn Minuten, dann bin ich wieder<br />
weg.«<br />
Na ja, dann lohnte es sich nicht, eine Runde zu<br />
schwimmen. Sie griff haltsuchend nach der am Beckenrand<br />
befestigten Sicherheitsstange und begann<br />
selbstbewusst mit einigen Dehnübungen aus der<br />
Greenpeace-Ära.<br />
Erfreut sah ihr der Dicke dabei zu: »Sie ähneln einer<br />
Person, die ich seit langem sehr verehre.«<br />
»Ach ja?«, höhnte Maria genervt. Dann ging sie in<br />
sich. Grundsätzlich kannte sie nur bekleidete Männer.<br />
Aber die Stimme des Beleibten kam ihr irgendwie<br />
bekannt vor. Sie überlegte scharf:<br />
»Wenn man sich diesen voluminösen Bauch aus der<br />
Badehose wegdenkt und ihn zum Beispiel in eine<br />
Uniformhose stecken würde, dann ...oh mein Gott!<br />
Eine »kriminelle«<br />
Love-Story<br />
...dann ähnelt oder gehört er dem Adam Brettlschneider,<br />
dem harmlosesten Oberaufseher der<br />
Haftanstalt Straubing! Ein Ex-Kollege sozusagen.«<br />
Maria Werner türmte und der Verlassene blickte ihr<br />
bedauernd nach. Diese Frau interessierte ihn. Er musste<br />
sie wieder sehen. Sein kriminalistischer Spürsinn<br />
war zum Glück auch recht gut entwickelt und musste<br />
nun ebenfalls ganz dringend zum Einsatz kommen.<br />
Am Donnerstag wählte Maria den Abend-Badetag.<br />
Sie zog im Warmwasserbecken ihre Kreise und beobachtete<br />
das Publikum. Da vernahm sie hinter sich<br />
eine helle Stimme: »Starre doch nicht immer dieses<br />
merkwürdige Frauenzimmer an, das aussieht wie die<br />
Gundel Gaukeley! Lass uns ins Hotel zurückkehren,<br />
damit sich deine Nerven beruhigen, Lion.«<br />
Maria drehte sich abrupt um und sah den vom<br />
Schicksal für sie bestimmten Mann aus dem Becken<br />
steigen, ein Badetuch überwerfen und im Ausgang<br />
der Badehalle verschwinden.<br />
Enttäuscht watete sie ebenfalls aus dem Wasser und<br />
zupfte am verrutschten Oberteil des Badeanzugs.<br />
Aus ihren dunkel geschminkten Augenwinkeln heraus<br />
erkannte sie in der Nähe den schwergewichtigen<br />
Ex-Kollegen, der bei ihrem Anblick aus dem Liegestuhl<br />
schnellte. Da verließ auch sie ziemlich rasch<br />
den Ort des Geschehens.<br />
Der schwarze Freitag brach an.<br />
Maria hatte erneut den abendlichen Badespaß<br />
gewählt und beobachtete von ihrer Liege aus das<br />
Treiben im Hallen<strong>bad</strong>. Da erstarrte sie. Ganz knapp<br />
neben ihr schlenderte der »Löwe« allein die Treppe<br />
in das Wasserbecken hinab. Er hatte sich ein wenig<br />
verändert. Die Haare schienen kürzer und heller zu<br />
sein. Eine optische Täuschung? Aber der dunkle,<br />
sehr rassig wirkende Dreitagebart war real. Und<br />
die durchtrainierte Figur sowieso. Diese hatte sich<br />
in ihr Gedächtnis eingebrannt. Da war ein Irrtum<br />
ausgeschlossen. Ob er sich vielleicht nur für Maria<br />
aufgepeppt hat – so wie sie sich für ihn?<br />
Sie war aufgesprungen und stand aufgewühlt am<br />
Beckenrand. Gebannt starrte sie auf das Bild von<br />
Mann..... und der Blick des unbemerkt neben sie<br />
getretenen Ex-Kollegen folgte dem ihren.<br />
Dann flog ein Herren-Bademantel durch die Luft und<br />
senkte sich wie ein rostbraunes Zelt über eine Dame.<br />
Maria sah noch ein mausgraues Hinterteil in die Fluten<br />
hechten und hörte das Geschrei der Badenden,<br />
die entsetzt aus dem Becken flohen.<br />
In diesem fand ein Kampf der Giganten statt. Ein<br />
Grauwal und ein Tümmler – bildlich gesprochen –<br />
rangen miteinander und versuchten, sich gegenseitig<br />
unter die schäumende Gischt zu drücken.<br />
Der Bademeister lief neben dem Becken mit einer<br />
Rettungsstange auf und ab und sah sich außerstande,<br />
zwischen Gut und Böse zu unterscheiden.<br />
Schließlich warf er einen Rettungsring und hoffte,<br />
dass ihn der Richtige ergattern möge. Sein Wunsch<br />
wurde erhört. Nur wenige Sekunden später zog<br />
das Schwergewicht den bewegungsunfähigen, im<br />
Rettungsring fixierten Gegner an Land und keuchte:<br />
»Verständigen Sie die Polizei! Ich habe den Straubinger<br />
Ausbrecherkönig Lionel Lauskopf an der Angel!«<br />
Am nächsten Tag, einem wunderschönen Samstag-<br />
Abend, war Maria der Einladung Adam Brettlschneiders<br />
in ein nobles Lokal gefolgt.<br />
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