Komplett - DAS Sauerlandmagazin Ausgabe Mai/Juni 2017
Themen u.a.: Hier wird Familien geholfen - Keine Angst vorm Jugendamt, So geht Karriere - Ausbildung in Industrie und Handwerk, Blaues Blut und eine Vision - Der Schlossherr von Bamenohl
Themen u.a.: Hier wird Familien geholfen - Keine Angst vorm Jugendamt, So geht Karriere - Ausbildung in Industrie und Handwerk, Blaues Blut und eine Vision - Der Schlossherr von Bamenohl
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zu einem unbefristeten Arbeitsvertrag beim Land NRW.<br />
Ich bin seitdem als Lehr- und Integrationskraft tätig. Es<br />
war eine unglaubliche Erfahrung, als „Türkin“ in der<br />
deutschen Gesellschaft etwas erreicht zu haben. Denn<br />
die „Türken“ oder „Muslime“ müssen sich leider zehnfach<br />
mehr beweisen als die Europäer. Nach der Schließung<br />
der Hauptschule wechselte ich im letzten Schuljahr<br />
zur Realschule.<br />
Warum ist das so?, habe ich mich damals oft gefragt.<br />
Schließlich waren unsere Kinder schon die dritte Generation<br />
in Deutschland und diese Generation hatte viel<br />
bessere Voraussetzungen als wir damals. Für mich war<br />
klar, dass die Integration leider verschlafen wurde, und<br />
das sowohl vom türkischen als auch vom deutschen<br />
Staat.<br />
Nun hatten wir das Glück, in der Grundschule auf eine<br />
aufgeschlossene Schulleiterin und Klassenlehrerin zu<br />
treffen. Das betone ich bewusst, denn Aufgeschlossenheit<br />
auf beiden Seiten ist die Voraussetzung dafür,<br />
dass Integration gelingt. Diese positive Erfahrung motivierte<br />
mich, selber aktiv für Integration einzutreten.<br />
Durch mein ehrenamtliches Engagement brachte mich<br />
die damalige Grundschulleiterin auf die Idee, im pädagogischen<br />
Bereich zu studieren. Sie meinte, ich hätte<br />
eine soziale Ader und Geschick im Umgang mit Kindern<br />
und Erwachsenen. Mit 30 Jahren entschied ich mich daher<br />
für diesen Ausbildungsweg. Mein Mann<br />
stand ganz stark hinter mir und hat das alles<br />
mitgetragen.<br />
2007 absolvierte ich ein Semesterpraktikum<br />
an der Hauptschule in Werdohl. Dank<br />
der Initiative der damaligen Schulleiterin,<br />
Frau Neubeck, bekam ich zunächst befristete<br />
Arbeitsverträge bei der Stadt und beim<br />
Land NRW. Bei einen bundesweiten Integrationsschulwettbewerb<br />
unter dem Motto<br />
„Alle Kids sind VIPs“ im Jahre 2009, den<br />
ich geleitet habe, gewann unsere Schule<br />
einen Preis. Dieser Erfolg führte dann 2010<br />
Welche Werte möchten Sie den Schülern mit<br />
auf ihren Lebensweg geben?<br />
Im Rahmen des sozialen Lernens versuche ich meinen<br />
Schülern vor allem zu vermitteln, „menschlich“ miteinander<br />
umzugehen und Menschen nicht pauschal in eine<br />
Schublade zu stecken. Auch Empathie, Dankbarkeit, Geduld<br />
und Respekt sind wichtige Werte. Als Minderheit<br />
in der Mehrheitsgesellschaft erfahren viele von ihnen<br />
Diskriminierung. Damit gewaltfrei umzugehen, möchte<br />
ich ihnen ebenfalls vermitteln.<br />
Worin besteht Ihre Integrationsarbeit?<br />
Im Fach soziales Lernen steht die Darstellung der Vielfalt<br />
der unterschiedlichen Sprachen, Kulturen und Religionen<br />
im Vordergrund. Wir schauen über den Tellerrand<br />
und erweitern unsern Horizont, ohne jemanden<br />
aufgrund seiner Herkunft, Religion oder Sprache auszuschließen.<br />
Gemeinsam mit den Religionslehrern organisiere<br />
ich Exkursionen in eine Moschee und eine<br />
Kirche. Hier geht ebenfalls um die Gemeinsamkeiten in<br />
beiden Religionen. Die Zuwanderungsgeschichte ist ein<br />
weiterer wichtiger Bestandteil der Integrationsarbeit.<br />
Darüber hinaus unterrichte ich gemeinsam mit einer erfahrenen<br />
Lehrerin das Fach Deutsch für Flüchtlinge aus<br />
Syrien und Schüler aus europäischen Ländern (Polen,<br />
Bulgarien, Griechenland, Armenien), die ohne Deutschkenntnisse<br />
zu uns nach Deutschland kommen.<br />
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