HEINZ Magazin Wuppertal 09-2017
HEINZ Magazin September 2017, Ausgabe für Wuppertal, Solingen, Remscheid
HEINZ Magazin September 2017, Ausgabe für Wuppertal, Solingen, Remscheid
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KINO<br />
ÜBERSICHT<br />
<strong>HEINZ</strong>-AUTOR<br />
WEYDEMANN BROS., JUAN SARMIENTO G.<br />
KONKRETES FLÜCHTLINGSSCHICKSAL<br />
Als Paul über das Meer kam<br />
■ Ein Gesicht zur „Flüchtlingskrise“. Dokumentarfilmer<br />
Jakob Preuss lernte seinen „Titelhelden“<br />
bei der Recherche für einen Film<br />
über die Außengrenzen Europas kennen. Bis<br />
zur marokkanischen Grenze war der Mann<br />
aus Kamerun bereits gekommen. Die Sahara<br />
hatte Paul schon hinter sich, aber die gefährliche<br />
Überfahrt im Schlauchboot nach Spanien<br />
lag noch vor ihm. Preuss griff Pauls Reise<br />
wieder auf, nachdem er im TV die Bilder seiner<br />
knappen Rettung sah. Nun begleitete er<br />
die Odyssee des jungen Mannes mit Stationen<br />
in Paris bis nach Berlin, wo er mittlerweile<br />
arbeitet und immer noch mit der Abschiebung<br />
rechnen muss. Preuss‘ Film ist neben<br />
der konkreten Schilderung dessen, was ein<br />
Flüchtlingsschicksal bedeutet, auch eine Reflexion<br />
über sich und seine zwiespältige Rolle<br />
als Dokumentarfilmer zwischen sachlicher<br />
Darstellung und persönlichem Engagement.<br />
pk<br />
❚ ALS PAUL ÜBER DAS MEER KAM D <strong>2017</strong>, 97 Min.,<br />
Regie u. Buch: Jakob Preuss; Start: 31.8.<br />
ANKLAGE GEGEN SOZIALDARWINISMUS<br />
Jugend ohne Gott<br />
■ 1937 verfasste Ödön von Horváth mit dem<br />
Roman ein Plädoyer für die Menschlichkeit<br />
und gegen die unmenschlichen Erziehungsziele<br />
der Nazis. Die etwas angestaubte Anklage<br />
gegen den Sozialdarwinismus übertrug<br />
der Schweizer Regisseur Alain Gsponer („Das<br />
kleine Gespenst“) in eine mäßig originelle<br />
Dystopie über eine Kaderschule des Raubtierkapitalismus.<br />
Die private Rowald-Universität<br />
nimmt nur die Besten der Besten. Die ehrgeizige<br />
Nadesh hat einen der Plätze in einem<br />
Education Camp ergattert. In einem Zeltlager<br />
in den Bergen sollen mit einem Survival-Training<br />
die Kandidaten für einen der wenigen<br />
Elite-Studienplätze ermittelt werden. Abgeschreckt<br />
vom aalglatten Karrieristen Titus<br />
interessiert sich Nadesh für den Sonderling<br />
Zach, der wenig Interesse am Erfolg zeigt.<br />
Auch ihr gutwilliger Lehrer gerät in ein Dilemma...<br />
pk<br />
❚ JUGEND OHNE GOTT D <strong>2017</strong>, Regie: Alain Gsponer,<br />
mit: Jannis Niewöhner, Fahri Yardim, Emilia Schüle, Alicia<br />
von Rittberg, Anna Maria Mühe, Iris Berben; Start: 31.8.<br />
CONSTANTIN FILM VERLEIH/ DIE FILM GMBH/ M. REIMANN<br />
PHILIPP KOEP<br />
Auf Wiedersehen!<br />
Der September bietet jede<br />
Menge Wiedersehensfreude,<br />
zumindest für den älteren<br />
Cineasten. Emir Kusturica<br />
ist nach gut 10 Jahren mit<br />
„On the Milky Road“ wieder<br />
im Kino unterwegs (Start:<br />
7.9., s. Filmstory). Ildikó Enyedi<br />
ist drei Jahrzehnte nach<br />
„Mein 20. Jahrhundert“<br />
wieder da: „Körper und<br />
Seele“ (21.9.). Jim Jarmusch<br />
hat fast 40 Jahre nach<br />
seinem Debüt so etwas wie<br />
ein portugiesisches „Permanent<br />
Vacation“ produziert<br />
(„Porto“, (14.9.). Und auch Al<br />
Gore ist in Sachen Klimawandel<br />
,Trump sei dank‘<br />
weiter unterwegs („Eine<br />
immer noch unbequeme<br />
Wahrheit“, 7.9.). Und ich<br />
sage nach gut 25 „heinzigartigen“<br />
Jahren und rund<br />
3.000 Filmrezensionen: Auf<br />
Wiedersehen! Nicht mehr<br />
im HEiNZ, aber vielleicht im<br />
Kino... Philipp Koep<br />
UNIVERSUM FILM<br />
SUPER-GAU UND ERMUTIGENDE BEISPIELE<br />
... unbequeme Wahrheit<br />
■ Elf Jahre nach Al Gores Oscar-prämiertem<br />
Klimaschutz-Appell „Eine unbequeme Wahrheit“<br />
war es Zeit, Bilanz zu ziehen – dann kam<br />
mit Trumps Kündigung des Pariser Abkommens<br />
der Super-GAU für alle Bemühungen<br />
des einstigen US-Vizepräsidenten. Ein Rückschlag,<br />
der nachträglich in den neuen Film<br />
aufgenommen wurde und die Dringlichkeit<br />
der Mission nur unterstreicht. Viele gute<br />
Nachrichten kann die Produktion, die sich<br />
von der Machart des Vorgängers (auf die<br />
Galionsfigur Gore zugeschnittenes Edutainment)<br />
wenig unterscheidet, nicht bieten. Mit<br />
seinen Prognosen hat der Film in deprimierender<br />
Weise Recht behalten, dennoch zeigt<br />
Gore auch ermutigende Beispiele von nachhaltiger<br />
Energiewirtschaft selbst aus dem republikanischen<br />
Homeland, vor allem jedoch<br />
aus Indien, das sich lernfähiger als Trumps<br />
skrupellose Karbon-Clique erweist. pk<br />
❚ IMMER NOCH EINE UNBEQUEME WAHRHEIT (An<br />
Inconvenient Sequel: Truth to Power) USA <strong>2017</strong>, Regie:<br />
Bonni Cohen, Jon Shenk, mit: Al Gore; Start: 7.9.<br />
TOTAL ÖFFENTLICH<br />
The Circle<br />
■ Dass die schöne neue Welt der sozialen<br />
Medien mit der Aufgabe der Privatsphäre<br />
teuer erkauft wird, hat sich wohl von Facebook<br />
bis Google längst herumgetwittert. Da<br />
kommt die Verfilmung des gleichnamigen<br />
Bestsellers von Dave Eggers mit ihrer Silicon-<br />
Valley-Dystopie nicht unbedingt originell<br />
daher. Noch dubioser erscheint da die affirmative<br />
Strategie der totalen Offenheit gegen<br />
die Datenkraken. Für Mae geht ein Traum in<br />
Erfüllung. Nach deprimierendem Praktikum<br />
bei einer Versicherung bietet die Internet-Firma<br />
„The Circle“ alles, was das Herz der jungen<br />
Frau begehrt. Auf dem coolen, campusartigen<br />
Firmengelände sind Party, Wellness und<br />
Hobby angesagt, die Karrierechancen sind<br />
toll und alle scheinen eine große Familie von<br />
Gleichaltrigen zu sein. Doch dann kommen<br />
Mae erste Zweifel an den Zielen des Guru-<br />
Chefs Bailey (Tom Hanks), der auf totale Vernetzung<br />
setzt...<br />
pk<br />
❚ (THE CIRCLE) USA <strong>2017</strong>, 119 Min., Regie: James Ponsoldt,<br />
mit: Emma Watson, Tom Hanks, John Boyega,<br />
Karen Gillan, Bill Paxtob; Start: 7.9.<br />
<strong>2017</strong> PARAMOUNT PICTURES<br />
HAARIGE SCHÖNHEIT<br />
Das Löwenmädchen<br />
TOM TRAMBOW<br />
■ Die Zeichen der Geburt sind düster: Die<br />
Mutter stirbt, noch ehe sie das Kind sehen<br />
kann, das am ganzen Körper mit Fell bedeckt<br />
ist. Im Jahr 1912 hält man diesen Gendefekt<br />
namens Hypertrichosis lanuginosa für ein<br />
böses Omen. Um die Tochter Eva vor Gespött<br />
und abergläubischen Ängsten zu schützen,<br />
versteckt der Bahnhofsvorsteher eines kleinen<br />
norwegischen Städtchens das Kind. In<br />
Einsamkeit wächst das Mädchen auf und entdeckt<br />
bei einer Wander-Freakshow ihr Talent<br />
für Zahlen. Sie schließt sich dem Monstrositäten-Kabinett<br />
aus Zwergen, Riesen, Siamesischen<br />
Zwillingen an und bereist Europa.<br />
Schließlich kann sie ihren Traum erfüllen und<br />
wird Mathematik-Professorin an der Pariser<br />
Sorbonne... Eine Verfilmung des gleichnamigen<br />
Romans von Erik Fosnes Hansen. Unter<br />
der Regie von Vibeke Idsøe wirkt der Appell<br />
an Toleranz jedoch sehr gefällig.<br />
pk<br />
❚ DAS LÖWENMÄDCHEN (Løvekvinnen) N/SW/D <strong>2017</strong>, 118<br />
Min., Regie: Vibeke Idsøe, mit: Aurora Lindseth Løkka,<br />
Rolf Lassgård, Kjersti Tveteras, Ken Duken; Start: 14.9.<br />
50 | <strong>HEINZ</strong> | <strong>09</strong>.<strong>2017</strong>