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HEINZ Magazin Wuppertal 09-2017

HEINZ Magazin September 2017, Ausgabe für Wuppertal, Solingen, Remscheid

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„SPARK“ AUS DER SERIE MASKIROVKA, <strong>2017</strong> © TOBIAS ZIELONY UND KOW, BERLIN<br />

M<br />

askirovka (russisch: verdeckte Kriegsführung), bezieht sich<br />

hier auf die Verschleierung des russischen Militäreinsatzes in<br />

der Ostukraine. Verbergende und schützende Maskierungen<br />

sind Gasmasken auf dem Euro-Maidan, vermummte Spezialeinheiten<br />

auf der Krim, in der Technoszene und beim Spiel sexueller Identitäten.<br />

Konsequent thematisiert Tobias Zielony von Anfang an in seiner dokumentarisch-künstlerischen<br />

Fotografie das Phänomen einer Jugendkultur<br />

in so genannten „No-go-areas“ und sozialen Brennpunkten. In<br />

Plattenbauten in Halle, in der verödeten Bergarbeiterstadt Trona, in<br />

Marseille lässt er seine Protagonisten sich so inszenieren, wie sie gesehen<br />

werden wollen. Ihr Dresscode und ihre Gesten orientieren sich –<br />

mehr oder weniger beabsichtigt – an kulturellen und kommerziellen<br />

Idolen. Dadurch, dass Bilder überall stets verfügbar sind, verändern sie<br />

unser Sehen und unsere Vorstellung von uns. Identität wird fast zu einer<br />

Art Marke, die in der Pop-Community international ähnlich und<br />

überall verständlich ist.<br />

In einer ersten Bilderauswahl zur Schau sind Zielonys Porträts weit<br />

entfernt von den Reisebeschreibungen der goldenen Kuppeln der Kathedralen<br />

in Kiew. Er lenkt den Blick auf die in der Folge der Euro-Maidan-<br />

Proteste 2014 zunehmend groß gewordene alternative Kulturszene. In<br />

seiner eigenwilligen „Streetart-Fotografie“ fotografiert Zielony die Menschen,<br />

die er eine Zeit lang begleitet, als eigenständige Akteure und politische<br />

Subjekte. Er wolle sie – schreibt er in einem Interview mit Marion<br />

Meyer – in einem größeren politischen Zusammenhang verorten. „Zu<br />

den Partys kommen sehr viele verschiedene junge Menschen, Künstler,<br />

Sprayer, politische Aktivisten. Für die queere Szene sind die Clubs<br />

und Partys die wenigen öffentlichen Orte, an denen sie sich sicher fühlen<br />

können.“ Dabei geht er über gängige Klischees wie Tätowierungen<br />

und Kapuzenpullover hinaus. Bekannte Orte werden zur Bühne mit anderen,<br />

vielschichtigen Aussagen. Alles ist inszeniert und real, auf den<br />

ersten Blick wie beiläufig notiert.<br />

In „Spark“ (= der Funke) steht eine Gruppe Jugendlicher vor einer mit<br />

Graffiti beschriebenen Mauer. Die meisten Personen des Szene-Treffs haben<br />

sich von der Kamera abgewendet. Im Gebüsch vor der Mauer brennt<br />

ein Feuer. Entziffert man an der Wand die kyrillischen Großbuchstaben<br />

als „Euthanesia“, wird das Foto hochpolitisch. Eingegrenzt von Wänden<br />

und Ecken blicken die „Kids“ wie abwesend oder stolz meist an der Kamera<br />

vorbei, tragen Masken oder kehren dem Betrachter den Rücken<br />

zu. Warten sie? Leisten sie Widerstand?<br />

Aufnahmen, die bei nächtlicher, künstlicher Beleuchtung entstanden,<br />

lösen Personen fast aus der Umgebung heraus. In „Away“ fokussiert<br />

Zielony Jugendliche, denen ein Zaun Sicht und Weg versperrt. In „Line“<br />

warten Jugendliche vor dem Eingang zu einer Techno-Party in bläulichem<br />

Licht. Ein Gesicht wird von nur einem Handy-Display beleuchtet.<br />

Was verbindet andere, die sich in Zimmern und auf Sofas inszenieren<br />

(„Apartment“, „Velvet“)? Wie mit einer zweiten Haut tätowiert steht „Andrej“<br />

vor einer leeren Wand. Inszeniert er sich als Rebell, der gleich erschossen<br />

wird? Oder ist es ein Remake auf Fotografien des nächtlichen<br />

Paris und der „Unterwelt“ des Franzosen Brassai (1899-1984).<br />

Zielony lernte sein Handwerk an der University of Wales und in der<br />

Fotoklasse von Timm Rautert in Leipzig. In der Tradition der Kunst- und<br />

Dokumentarfotografie, die eigene Methoden der Gesellschaftsanalyse<br />

entwickeln will, hinterfragt Zielony die Grenze zwischen Wirklichkeit,<br />

Illusion und subjektiver Interpretation. Er gilt als Nachfolger von Fotografen<br />

wie Wolfgang Tillmans, Larry Clark, Nan Goldin, Man Ray und August<br />

Sander (1876-1964).<br />

Kuratorin Beate Eickhoff gelingt eine klug konzipierte Schau vor dem<br />

Hintergrund, dass die jüngsten politischen Entwicklungen sowie die Einmischung<br />

der Russen in die inneren Angelegenheiten der Ukraine als<br />

traurige Travestie gesehen werden können, „bei der alles möglich ist,<br />

aber nichts wirklich zu sein scheint. Bei der es kein Richtig oder Falsch<br />

mehr gibt.“ Deutlich wird dies auch durch eine Stop-Motion-Animation<br />

mit Bildern, die Zielony in der Ukraine aufgenommen hat, und Texten<br />

aus Interviews mit Protagonistinnen der Revolution.<br />

Dr. Barbara Wucherer-Staar<br />

❚ TOBIAS ZIELONY – Haus der Jugend, Fotografie und Video Von der Heydt-Kunsthalle, Geschwister-<br />

Scholl-Platz 4-6, 42275 <strong>Wuppertal</strong>-Barmen, Dauer: 10.9.-14.1.2018, Di-So 11-18 Uhr; Künstlergespräch mit<br />

Tobias Zielony am 23.11., 19 Uhr; www.von-der-heydt-kunsthalle.de<br />

SKULPTUREN-<br />

PARK<br />

WALDFRIEDEN<br />

in WUPPERTAL<br />

Imi Knoebel 15.7. – 3.12. <strong>2017</strong><br />

www. skulpturenpark-waldfrieden.de<br />

Hirschstraße 12 · 42285 <strong>Wuppertal</strong> · 0202 47898120<br />

17.dortmunder<br />

museums<br />

Nacht der klugen Köpfe!<br />

23. September <strong>2017</strong><br />

Dortmunds beliebteste Kulturveranstaltung!<br />

500 Veranstaltungen an 50 Orten:<br />

Alles mit nur einem Ticket!<br />

Tickets: 14,50 € / 11,00 € / 3,00 €<br />

www.dortmunderdewmuseumsnacht<br />

Henry Moore, Large Interior Form, 1981-82<br />

© Reproduced by permisson of The Henry Moore Foundation

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