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HEINZ Magazin Wuppertal 09-2017

HEINZ Magazin September 2017, Ausgabe für Wuppertal, Solingen, Remscheid

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© WILD BUNCH, PETR NASIC<br />

Grenzgänger zwischen Kriegsrealität<br />

und Balkan-Fantasie: Emir Kusturica<br />

Er ist so etwas wie Aki Kaurismäki und die Leningrad Cowboys<br />

in Personalunion: In den 1980er Jahren brachte der Filmemacher<br />

und Musiker seine Heimat erst auf die cineastische Landkarte Europas.<br />

1954 in Sarajewo in eine muslimisch-serbische Familie geboren,<br />

studierte er an der Filmhochschule in Prag. Mit 24 Jahren<br />

realisierte er seinen ersten Fernsehfilm und mit 27 seinen ersten<br />

Kinofilm. Für den autobiographischen Film „Erinnerst Du dich an<br />

Dolly Bell?“ gewann er 1981 gleich den Goldenen Löwen beim<br />

Festival in Venedig. Für seinen nächsten Film „Papa ist auf Dienstreise“,<br />

ein Rückblick auf die politische Repression im Tito-Staat<br />

der 1950er Jahre, bekam er 1984 die Goldene Palme in Cannes.<br />

Der Durchbruch gelang ihm spätestens mit „Time of the Gypsies“<br />

(1989), in dem er seine typische Mischung aus melancholischer<br />

Perspektive und praller Lebensfreude voll skurriler Details ausbreitete.<br />

Während Anfang der 1990er Jahre der Bürgerkrieg im<br />

zerfallenden Jugoslawien ausbrach, ging Kusturica nach Hollywood<br />

und drehte dort mit Johnny Depp, Jerry Lewis und Faye<br />

Dunaway seine eigene Vision des amerikanischen Traums: „Arizona<br />

Dream“. Diesmal räumte er den Goldenen Bären in Berlin ab.<br />

1995 widmete er sich mit der skurrilen Schelmengeschichte „Underground“<br />

dem Bruderkrieg in seiner Heimat: Eine Partisanengruppe<br />

aus dem Zweiten Weltkrieg stellt im Kanalsystem Belgrads<br />

Waffen her. Da das Ganze für einen Schwarzmarkthändler<br />

ein lukratives Geschäft ist, lässt er die Untergrundkämpfer jahrzehntelang<br />

im Glauben, immer noch gegen die Deutschen zu<br />

kämpfen. Als sie schließlich dem Untergrund entsteigen, bricht<br />

der Bürgerkrieg aus. Erneut gewann Kusturica den Filmpreis in<br />

Cannes, doch es mischte sich auch Kritik unter das Lob. Eine serbisch-nationalistische<br />

Position wurde ihm im pro-bosnisch eingestellten<br />

Westen unterstellt. Angebliche Sympathien mit dem<br />

serbischen Kriegsverbrecher Milosevic dementierte er zwar, dennoch<br />

irritierte er immer wieder mit Sympathien für die serbischen<br />

Separatisten, Vladimir Putin, seine serbisch-orthodoxe Taufe und<br />

die Gründung eines Siedlungsprojektes „Kustendorf“ im traditionell<br />

serbischen Stil.<br />

Doch gegen den Vorwurf des Nationalismus steht Kusturicas Engagement<br />

für die Roma, deren Leben er in „Time of the Gypsies“<br />

und dann in „Schwarze Katze, weißer Kater“ huldigte. „Das Leben<br />

ist ein Wunder“ (2004) griff erneut den Bürgerkrieg auf. Ein<br />

Serbe verliebt sich in eine Muslima, die er eigentlich bei einem<br />

Gefangenenaustausch für seinen Sohn tauschen soll. Seither ist<br />

es stiller geworden um Kusturica, der sich auf Dokumentationen,<br />

Episoden-Beiträge und Schauspielerei konzentrierte. „Versprich<br />

es mir“ (2007) wurde zuletzt von der Kritik zerrissen. Weitere Projekte<br />

wie die Pancho Villa-Biographie „Wild Roses – Tender Roses“<br />

mit Johnny Depp und Salma Hayek scheiterten.<br />

Prägend für Kusturicas Filme wurde auch die Filmmusik von<br />

Goran Bregovic und dem Boban Markovic Orchester. Kusturica<br />

spielt auch selbst im „The No Smoking Orchestra“, das mit dem<br />

Score für „Schwarze Katze, weißer Kater“ bekannt wurde.<br />

Mit „On the Milky Road“<br />

knüpft er zehn Jahre später<br />

wieder an seinen skurrilen<br />

Balkan-Zirkus an. Wie bei<br />

seinem kinomüden Altersgenossen<br />

Kaurismäki warf ihm<br />

die Kritik bereits künstlerischen<br />

Stillstand vor. Aber damit<br />

stecken die beiden „Alt“-<br />

Meister des europäischen<br />

Autorenkinos die meisten<br />

jüngeren Filmemacher noch<br />

locker in die Tasche.<br />

FOTO: MARCEL HARTMANN<br />

16./17.<strong>09</strong>.<br />

23./24.<strong>09</strong>.<br />

<strong>2017</strong><br />

<strong>09</strong>.<strong>2017</strong> | <strong>HEINZ</strong> | 53

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