Arbeit in der Crowd
Die Chancen und insbesondere die Gefahren des Erwerbslebens der Crowdworker – syndicom durchleuchtet diese wachsende Branche von Freischaffenden aus gewerkschaftlicher Sicht.
Die Chancen und insbesondere die Gefahren des Erwerbslebens der Crowdworker – syndicom durchleuchtet diese wachsende Branche von Freischaffenden aus gewerkschaftlicher Sicht.
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6 Die an<strong>der</strong>e<br />
Seite<br />
1<br />
Wor<strong>in</strong> seht ihr die Vorteile<br />
e<strong>in</strong>es Gesamtarbeitsvertrags?<br />
Gut wäre die Allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlichkeit.<br />
O<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest mehr Druck auf<br />
Firmen, die sich Vorteile verschaffen,<br />
<strong>in</strong>dem sie gesetzlichen Graubereiche<br />
bei den <strong>Arbeit</strong>sbed<strong>in</strong>gungen ihres<br />
Personals nutzen. Der GAV ist e<strong>in</strong> Teil<br />
des grossen Ganzen, das sich aus<br />
Politik, Gesetz, Marktentwicklung<br />
usw. zusammensetzt. Zusammen mit<br />
branchenübergreifenden Massnahmen<br />
<strong>in</strong> all diesen Bereichen kann<br />
e<strong>in</strong> GAV zu e<strong>in</strong>em fairen Wettbewerb<br />
beitragen.<br />
4<br />
Wie bewertet ihr das Lohnniveau<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Branche?<br />
Die Anfor<strong>der</strong>ungen an Fahrradkuriere<br />
s<strong>in</strong>d sehr unterschiedlich und<br />
damit auch die Löhne. Beim Lieferdienst<br />
für Restaurants stehen wir oft<br />
<strong>in</strong> Konkurrenz zu Pizzakurieren. Der<br />
Druck ist dort stark, mir s<strong>in</strong>d Firmen<br />
bekannt, die Stundenlöhne unter<br />
20 Franken bezahlen. Unter den<br />
Fahrradkurierfirmen ist <strong>der</strong> Veloblitz<br />
bezüglich Lohn und <strong>Arbeit</strong>sbed<strong>in</strong>gungen<br />
kaum zu überbieten. Geht<br />
es um kompliziertere logistische<br />
Aufgaben, haben wir Leute im<br />
Betrieb, die Stundenlöhne von mehr<br />
als 40 Franken erreichen.<br />
Christian Schutter,<br />
gelernter Geigenbauer, ist Geschäftsleitungsmitglied<br />
bei <strong>der</strong> Genossenschaft Veloblitz Zürich. Er hat an<br />
den Verhandlungen für den neuen Gesamtarbeitsvertrag<br />
<strong>der</strong> Velokuriere mit syndicom teilgenommen.<br />
2<br />
Wie e<strong>in</strong>igt ihr euch im Konfliktfall<br />
mit den Mitarbeitenden?<br />
So, wie unser Unternehmen organisiert<br />
ist, müssen die Beteiligten e<strong>in</strong><br />
lösungsorientiertes Verhalten zeigen,<br />
an<strong>der</strong>enfalls ist die Situation für<br />
alle sehr belastend und schadet dem<br />
Gesamtbetrieb. Unzufriedenheit<br />
braucht Kanäle, um produktiv zu se<strong>in</strong><br />
und nicht <strong>in</strong> Stagnation und Genörgel<br />
abzudriften. Viel Kommunikation<br />
und Transparenz tragen zum nötigen<br />
Bewusstse<strong>in</strong> bei. Sie s<strong>in</strong>d wohl mit<br />
e<strong>in</strong> Grund für den Erfolg von Veloblitz<br />
<strong>in</strong> den letzten Jahren.<br />
5<br />
Wie hoch ist <strong>der</strong> Frauenanteil<br />
im Betrieb und weshalb?<br />
Bei den Kurieren haben wir e<strong>in</strong><br />
Verhältnis von 1:15. An den Personalentscheiden<br />
liegt das def<strong>in</strong>itiv<br />
nicht – wir bekommen e<strong>in</strong>fach viel<br />
seltener Bewerbungen von Frauen.<br />
Die Me<strong>in</strong>ung, Fahrradkuriere<br />
müssten e<strong>in</strong>fach mit e<strong>in</strong>er Sendung<br />
von Kunde zu Kunde bolzen, ist weit<br />
verbreitet. Da hätten Männer eventuell<br />
physische Vorteile. Sie stimmt<br />
aber überhaupt nicht – es geht<br />
vielmehr um e<strong>in</strong>e sehr ausgeklügelte<br />
Logistik.<br />
3<br />
Gibt es im Betrieb e<strong>in</strong>e Personalkommission?<br />
Bei uns ist das Personal auf ganz<br />
unterschiedlichen Ebenen <strong>in</strong> die<br />
Betriebsführung e<strong>in</strong>gebunden –<br />
nicht nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Personalkommission.<br />
Rund die Hälfte <strong>der</strong> Angestellten<br />
s<strong>in</strong>d Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Genossenschaft<br />
und damit Mitbesitzende des<br />
Unternehmens. Es gibt regelmässige<br />
Belegschaftssitzungen, damit sich<br />
Mitarbeitende, Geschäftsleitung und<br />
Verwaltung austauschen können.<br />
Und wir haben auch e<strong>in</strong>e paritätische<br />
Personalvorsorgekommission.<br />
6<br />
Was regt euch an den Gewerkschaften<br />
richtig auf?<br />
Manchmal sche<strong>in</strong>t es, als hätten sie<br />
sich noch nicht an die Gegebenheiten<br />
<strong>der</strong> aktuellen, temporeichen Zeit<br />
angepasst. Aus me<strong>in</strong>er Position, als<br />
Geschäftsführer e<strong>in</strong>es per Def<strong>in</strong>ition<br />
sehr schnellen und flexiblen Betriebs,<br />
ist es schwierig, wenn sich<br />
Gewerkschaften an den vergangenen<br />
Zeiten ausrichten.<br />
Text: S<strong>in</strong>a Bühler<br />
Bild: Tom Kawara<br />
Gastautor<br />
Begeistert war ich, als die ersten<br />
Mobility-Autos bereitstanden. Man teilt Ressourcen,<br />
schont den Planeten. Geme<strong>in</strong>s<strong>in</strong>n nicht<br />
nur als <strong>in</strong>tellektuelles, politisches Konzept, son<strong>der</strong>n<br />
als gelebter Alltag. Ich war unter den ersten,<br />
die sich e<strong>in</strong>e Airbnb-Unterkunft buchten.<br />
Auch Uber fand ich toll. Konnte man doch das<br />
Taximonopol brechen und die Kontrolle wie<strong>der</strong><br />
den Bürgern zurückgeben. Euphorisch blickte<br />
ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zukunft, <strong>in</strong> <strong>der</strong> wir <strong>Arbeit</strong>, Zeit und<br />
Eigentum teilen und so Gier und Verschwendung<br />
überw<strong>in</strong>den können. «Shared economy rulez!».<br />
Vor Kurzem wurde das UberPOP-Angebot <strong>in</strong> Zürich<br />
e<strong>in</strong>gestellt. Gut. Ich freue mich über jedes<br />
Uber-Verbot <strong>in</strong> je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Stadt. Ich nehme<br />
mit Genugtuung die Aktionen von Anwohnern<br />
<strong>in</strong> Palma de Mallorca und an<strong>der</strong>en Städten gegen<br />
Airbnb wahr. Ich reagiere mit Befriedigung<br />
auf die Reglementierung <strong>der</strong> «gelben Pest», <strong>der</strong><br />
«shared bicycles», aus S<strong>in</strong>gapur. Was ist geschehen?<br />
Die Idee traf auf Menschen. Und Menschen<br />
f<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>en Weg, mit guten, <strong>in</strong>novativen<br />
Konzepten alte, schlechte Gewohnheiten weiterzuführen.<br />
Gier trifft Innovation. Uber machte<br />
aus <strong>der</strong> «shar<strong>in</strong>g economy» e<strong>in</strong>en mult<strong>in</strong>ationalen<br />
Konzern, <strong>der</strong> die Fahrer ausnutzt und ohne<br />
Versicherung fahren lässt. Unternehmen mieten<br />
massenhaft Wohnungen <strong>in</strong> Innenstädten, um<br />
per Airbnb die Hotelreglemente zu unterlaufen.<br />
oBike benutzt die «geschärten» Velos, um per<br />
App Benutzerdaten zu erheben und zu verhökern.<br />
Peer-to-Bus<strong>in</strong>ess-Plattformen verkommen<br />
zu mo<strong>der</strong>nen Sklavenmärkten, auf denen Menschen<br />
ihre <strong>Arbeit</strong> für 5 Dollar pro Stunde anbieten,<br />
da global ke<strong>in</strong> Schutz o<strong>der</strong> M<strong>in</strong>destlohn<br />
e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>bar ist. Und natürlich brauchts Regeln,<br />
die M<strong>in</strong>deststandards <strong>in</strong> <strong>Arbeit</strong>srecht, Datenschutz,<br />
Urheberrecht und Sozialversicherung<br />
garantieren. Doch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er globalen Wirtschaft<br />
ist das kaum ganzheitlich umzusetzen. Deshalb<br />
s<strong>in</strong>d die Branchenverbände gefor<strong>der</strong>t, unter<br />
Druck <strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong>nehmer, Regeln aufzustellen,<br />
verb<strong>in</strong>dlich umzusetzen und e<strong>in</strong>zuhalten.<br />
Geteiltes Leid,<br />
ungeteilter Profit<br />
Réda Philippe El Arbi<br />
Freier Journalist, Blogger, Texter,<br />
Kommunikatiönler – Pr<strong>in</strong>t, Onl<strong>in</strong>e, Social<br />
Media, Beratung, Mediation. Kaffee,<br />
Zigaretten: «Me<strong>in</strong>e professionelle<br />
Identität f<strong>in</strong>det sich irgendwo zwischen<br />
wan<strong>der</strong>nden arabischen Geschichtenerzählern,<br />
italienischen Marktschreiern<br />
und e<strong>in</strong>em altmodischen Telegrafen.»<br />
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