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90 Cent - AWO Dortmund

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Preiskampf bringt<br />

nur Verlierer<br />

Andreas Koch, Vorstandsmitglied der ISB, über die<br />

Ausschreibungspolitik der Bundesagentur für Arbeit<br />

Die Interessengemeinschaft sozialgewerblicherBeschäftigungsinitiativen<br />

(ISB) ist ein Netzwerk<br />

von 16 Trägern. Seit 2002 arbeitet<br />

die Trägerkooperation als eingetragener<br />

Verein in und für<br />

<strong>Dortmund</strong>. Andreas Koch von der<br />

GrünBau GmbH ist Vorstandsmitglied.<br />

Wir sprachen mit ihm über<br />

Dumpingangebote bei den Ausschreibungen<br />

der Agentur für Arbeit.<br />

<strong>AWO</strong> Profil: Die Arbeitsmarktreformen<br />

haben auch den Markt für Beschäftigungs-<br />

und Qualifizierungsmaßnahmen<br />

für Langzeitarbeitslose<br />

und arbeitlose Jugendliche radikal<br />

verändert. Wie ist es den <strong>Dortmund</strong>er<br />

Trägern ergangen?<br />

ISB-Geschäftsführer Andreas Koch: „Wir<br />

stehen unter Druck.“<br />

Andreas Koch: Wir haben zwei unruhige<br />

Jahre hinter uns. Es gab bundesweit<br />

eine Verschiebung zu vorgeblich<br />

preiswerten Maßnahmen,<br />

hin zu Arbeitsgelegenheiten („Ein-<br />

Euro-Jobs“) und weg von geförderten<br />

sozialversicherungspflichtigen<br />

Arbeitsplätzen, die fast auf Null zurückgefahren<br />

wurden. Zur Zeit verfügt<br />

die ARGE Job<strong>Cent</strong>er in <strong>Dortmund</strong><br />

zwar über ausreichende<br />

Mittel, um viele Maßnahmen durchführen<br />

zu können - auch wieder einige<br />

mit Sozialversicherungspflicht -<br />

aber im nächsten Jahr sieht es finanziell<br />

schon schlechter aus. Vor allem<br />

aber können wir uns kaum wehren<br />

gegen die Dumpingangebote überregionaler<br />

Anbieter, die zunehmend<br />

auf den Markt drängen.<br />

<strong>AWO</strong> Profil: Das ist ein Ergebnis<br />

der neuen Ausschreibungspraxis der<br />

Bundesagentur für Arbeit, die eigentlich<br />

den Wettbewerb unter den Anbietern<br />

fördern sollte.<br />

Andreas Koch: Dagegen lässt sich<br />

eigentlich nichts sagen. Aber der<br />

Wettbewerb muss unter fairen Regeln<br />

ablaufen. Alle Mitbewerber sollten<br />

mit gleichen Ausgangspositionen<br />

in die Ausschreibungen gehen können.<br />

Das ist aus unserer Sicht nicht<br />

der Fall. Viele der überregionalen<br />

Träger, die da jetzt auf den Markt<br />

drängen, halten sich nicht an die<br />

ortsüblichen und tariflichen Entloh-<br />

nungen für das Fachpersonal. Sie<br />

unterlaufen Standards. Sie bewerben<br />

sich bundesweit und wissen zu<br />

diesem Zeitpunkt noch gar nicht, wo<br />

sie überhaupt ihre Werkstätten ansiedeln<br />

sollen. Wir vom ISB befürchten,<br />

dass durch diese Praxis die<br />

Qualität der Maßnahmen beeinträchtigt<br />

wird. Man kann vermuten,<br />

dass nicht nur an Lohnkosten, sondern<br />

auch an Unterrichtsmaterialien<br />

und bei der Ausstattung der Räume<br />

gespart wird.<br />

<strong>AWO</strong> Profil: Was müsste man ändern,<br />

um eine Gleichheit der Bewerber<br />

wieder herzustellen?<br />

Andreas Koch: Wir fordern, dass<br />

man sich nicht hauptsächlich am<br />

Preis orientieren soll. Qualitätskriterien<br />

müssen eine gleichwertige<br />

Rolle spielen. Bei vielen Maßnahmen<br />

für Jugendliche ist es z.B. unverzichtbar,<br />

dass die Mitarbeiter spezielle<br />

sozialräumliche Erfahrungen haben.<br />

Wenn ein Träger aus Sachsen<br />

kommt, fehlen diese Kontakte.<br />

<strong>AWO</strong> Profil: Sind Arbeitsplätze bedroht?<br />

Andreas Koch: Letztlich wird das alles<br />

auf dem Rücken der Beschäftigten<br />

ausgetragen. Es ist mir schon zu Ohren<br />

gekommen, dass Träger Mitarbeiter<br />

entlassen mussten, weil sie gegen<br />

den billigen Mitbewerber nicht<br />

mithalten konnten. Von der Arbeitslosigkeit<br />

bedroht, waren diese Mitarbeiter<br />

gezwungen, sich zu wesentlich<br />

schlechteren Konditionen vom Billiganbieter<br />

anstellen zu lassen.<br />

<strong>AWO</strong> Profil: Wie sieht die Zukunft<br />

aus?<br />

Andreas Koch: Wir stehen unter<br />

Druck. Der ist auch noch nicht zu<br />

Ende. Aber es gibt auch Dinge, die<br />

uns Mut machen. So gibt es eine<br />

gute Zusammenarbeit mit der örtlichen<br />

Agentur für Arbeit und der<br />

ARGE Jobcenter. Wir sind im Beirat<br />

des Job<strong>Cent</strong>ers vertreten. Die Träger,<br />

die im ISB zusammengeschlossen<br />

sind, schließen sich zu Bietergemeinschaften<br />

zusammen, um den<br />

Wettbewerb besser meistern zu können.<br />

Die meisten Träger haben diese<br />

schwere Zeit auch dank unserer Zusammenarbeit<br />

im ISB überstanden.<br />

<strong>AWO</strong> Profil: Alle reden vom Vorrang<br />

für die Bildung in Deutschland.<br />

Gilt das nicht für den Bereich der<br />

beruflichen Bildung?<br />

Andreas Koch: Ich würde gerne sehen,<br />

was geschehen würde, wenn<br />

sich andere Bildungsbereiche so wie<br />

wir nur an der finanziellen Effizienz<br />

messen lassen müssten. Aber es<br />

kommt ja kein Mensch auf die Idee,<br />

im Schulsystem Ausschreibungen<br />

nach dem Motto zu veranstalten:<br />

Unterrichten darf der, der den billigsten<br />

Unterricht bietet. Nur in dem<br />

Segment der Arbeitslosen, der<br />

„Schmuddelecke“, wird oft ohne Bedenken<br />

hauptsächlich auf den Preis<br />

geguckt. Würde jemand sein Kind in<br />

einer Grundschule anmelden, weil<br />

sie die billigste ist? Das ist unvorstellbar.<br />

Was wir erleben ist eine Verschiebung<br />

von fundamentalen Werten<br />

unserer Gesellschaft.<br />

Interview: Karl-Martin Flüter<br />

<strong>AWO</strong> Profil Spezial<br />

„Hartz“ ist das Stichwort der Bundestagswahl 2005. Nichts bewegt die Menschen mehr als die Reform des<br />

Arbeitsmarktes. Die Arbeiterwohlfahrt in <strong>Dortmund</strong> und die dobeq haben es geschafft, auf den umfas-senden<br />

Umbau des Arbeitsmarktes mit kommunalen Initiativen zu reagieren. Im Kleinen wächst eine durchaus erfolgreich<br />

arbeitende Infrastruktur. Auf dieser Seite stellen wir Angebote von dobeq und <strong>AWO</strong> vor: JOBlokal, STARegio,<br />

Personal Service Agentur und die „Arbeitsgelegenheiten“. Trotz der positiven Ergebnisse ist die Arbeit jetzt durch<br />

die Ausschreibungspolitik der Bundesagentur für Arbeit bedroht.<br />

Der Projektorraum der „Schaubühne“<br />

ist ein Ort, an dem sich<br />

Bernhard Paul Krupke (50) wohlfühlt.<br />

Man sieht ihm das an, wenn er<br />

neben dem großen Vorführgerät<br />

steht. Zehn Jahre seines Lebens hat<br />

er schon als Filmvorführer gearbeitet;<br />

das ist nun schon über zwei Jahrzehnte<br />

her. Es folgte der Absturz aus<br />

der bürgerlichen Existenz.<br />

Bernhard Paul Krupke hat wieder<br />

Arbeit. Und seitdem er in <strong>Dortmund</strong>s<br />

ältestem und traditionsreichstem Kino<br />

die Chance bekam, in seinem Traumjob<br />

zu arbeiten, hat sich der abgerissene<br />

Lebensfilm von Bernhard Paul<br />

Krupke zusammengefügt.<br />

Die dobeq-Agentur JOBlokal hat<br />

in dieser Geschichte eine wichtige<br />

Rolle gespielt. Bernhard Paul Krupke<br />

hatte lange Zeit Probleme mit dem<br />

Alkohol. Hätte er nicht irgendwann<br />

das Büro von JOBlokal in der<br />

Münsterstraße aufgesucht, dann hätte<br />

sein Leben wahrscheinlich nicht<br />

diese Wendung genommen.<br />

Sigrid Pettrup, Mitarbeiterin bei<br />

JOBlokal, hat ihn auf seinem Weg<br />

zurück ins Berufsleben begleitet. Kurz<br />

nach Beginn seiner Projektteilnahme<br />

vermittelte ihn das Büro in den L-<br />

Shop, ein Projekt der Arbeiterwohlfahrt.<br />

Diese Beschäftigung stabilisierte<br />

ihn in seiner alten Zuverlässigund<br />

Leistungsfähigkeit. JOBlokal<br />

stellte den Kontakt mit der Schaubühne<br />

her, überarbeitete die Bewerbung<br />

und machte Krupke fit für das Vor-<br />

Der Film läuft weiter<br />

Dank JOBlokal schaffte Bernhard Paul Krupke den Rückkehr in seine Beruf<br />

stellungsgespräch. Auch jetzt noch ist<br />

das Büro stets zur Stelle, wenn der<br />

Filmvorführer Unterstützung braucht -<br />

oder wenn Oliver Steier, der Assistent<br />

der Theaterleitung, das Gespräch<br />

sucht. „Wir sollen Arbeitsuchende<br />

passgenau vermitteln“, sagt<br />

der JOBlokal Projektleiter Oliver<br />

Schröter, „in diesem Fall ist das wirklich<br />

sehr gut gelungen.“<br />

Als sich Bernhard Paul Krupke bei<br />

der Schaubühne bewarb, rechnete er<br />

sich eigentlich nicht viele Chancen<br />

aus, wieder in seinem alten Lieblingsjob<br />

arbeiten zu können. 70 Bewerbungen<br />

lagen dem Kinobesitzer<br />

Hans Pioch vor. Nach dem persönlichen<br />

Vorstellungsgespräch entschied<br />

sich der Kinobetreiber jedoch für<br />

Bernhard Paul Krupke, weil der ihn<br />

durch sein fachliches Knowhow überzeugt<br />

hatte. Beide waren sich auf Anhieb<br />

sympathisch<br />

Nach einem erfolgreichen Praktikum<br />

folgte die Beschäftigungsaufnahme;<br />

zunächst als Minijob während<br />

der alljährlichen Sommerflaute.<br />

Doch schon ab Herbst soll sich die<br />

Beschäftigung in eine reguläre sozial-<br />

versicherungspflichtige verändern.<br />

Krupke hat in der Schaubühne eine<br />

Zukunft. Er wird jetzt den „Aufbaukurs<br />

zum Servicetechniker“ bei der Filmstiftung<br />

NRW besuchen. So bald wie<br />

möglich soll das noch auf teilzeit befristete<br />

Arbeitsverhältnis ausgedehnt<br />

werden, sagt Oliver Steier.<br />

Steier ist der wichtigste Ansprechpartner<br />

für Bernhard Paul Krupke,<br />

nachdem Hans Pioch, mit dem er sich<br />

so gut verstanden hatte, völlig überraschend<br />

verstarb.<br />

Dieses traurige Ereignis hätte<br />

Krupke ja eventuell erneut aus der<br />

Bahn werfen können. Doch auch mit<br />

Oliver Steier versteht er sich bestens<br />

und die neue Inhaberin, Edith Pioch-<br />

Vogt, steht ebenfalls hinter ihm. Es<br />

sieht so aus, als hätte sich das Glück<br />

endgültig wieder auf Krupkes Seite<br />

geschlagen. Für Oliver Steier ist die<br />

Sache klar. Er ist zufrieden, einen zuverlässigen<br />

und engagierten Mitarbeiter<br />

wie Bernhard Paul Krupke zur<br />

Seite zu haben: „Der Filmvorführer ist<br />

der wichtigste Mann im Kino, auf ihn<br />

kommt es an.“<br />

(flü)<br />

DIE DOBEQ-VERMITTLUNGSAGENTUR JOBLOKAL, die ein Teilprojekt<br />

der europäischen Gemeinschaftsinitiative URBAN II ist, stärkt den Wirtschaftsstandort<br />

<strong>Dortmund</strong>er Nordstadt, indem sie Arbeit suchende Menschen an<br />

kleine und mittlere Unternehmen vermittelt. Der Vorteil für die Mittelständler<br />

liegt in der erleichterten Personalauswahl. Außerdem qualifiziert und coacht<br />

JOBlokal die Bewerber. Etwa 1000 Unternehmen stehen in der Kartei von<br />

JOBlokal, auf der anderen Seite stehen fast 700 Arbeit suchende Klienten. Sie<br />

werden von sechs dobeq-Mitarbeitern beraten und betreut.<br />

Zurück im Vorführraum:<br />

Bernhard Paul Krupke<br />

(rechts), Oliver Steier<br />

und Sigrid Pettrup

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