Hamm, Unna, Hagen - coolibri Dezember 2017
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INTERVIEW<br />
„ B e l a n g l o s e<br />
B i l d e r w u r d e n<br />
e x t r e m<br />
i n t e r e s s a n t “<br />
Das Ruhrgebiet. Die 80er-Jahre. Noch als Schüler ging der damals 19-jährige Reinhard Krause mit Kamera auf Fotopirsch<br />
und hat 2500 Filme durch die Kamera gejagt. Daraus ist jetzt der Bildband „Woanders is auch scheiße!“ entstanden – ein<br />
nostalgisches Zeitzeugnis in Schwarz-Weiß. Sebastian Ritscher hat mit Reinhard Krause über das Ruhrgebiet früher und<br />
heute, die beste Kamera und sein Lieblingsbild gesprochen.<br />
200 Fotos haben es in Ihren Bildband geschafft. Wie viele Fotos<br />
haben Sie überhaupt aus dem Ruhrgebiet der 80er-Jahre?<br />
Ich habe jetzt alle Bilder dem Ruhrmuseum geschenkt und dabei<br />
haben wir durchgezählt. Es sind 2500 Filme und 3000 Dias.<br />
2500 Filme? Das klingt nach einem teuren Hobby.<br />
Ein Film hat damals vier oder fünf Mark gekostet, da kam einiges<br />
zusammen. Aber ich habe das auch nicht als Hobby verstanden.<br />
Ich habe mich schon in der Schule sehr für Fotografie interessiert<br />
und hatte damals schon vor, das beruflich zu machen und Fotografie<br />
zu studieren. Es hat allerdings gedauert, bis ich einen Platz bekommen<br />
habe.<br />
Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?<br />
Ich hatte viele Gelegenheitsjobs. Ich habe zum Beispiel bei einer Versicherung<br />
Akten vernichtet oder über eine Zeitarbeitsfirma bei Krupp als Anschläger<br />
gearbeitet. Dabei habe ich schwere Metallteile an einen Kran gehängt.<br />
Einer meiner Jobs war auch als Laborant bei einem Fotografen in<br />
der Messe Essen. Dort habe ich dann Kontakt zu Zeitungen aufgebaut und<br />
kleinere Aufträge bekommen und ich konnte als Fotograf für die Messe<br />
Essen fotografieren. So kam ich auf meine Kosten.<br />
Und die Fotos im Bildband? Waren das Auftragsarbeiten oder reine Privataufnahmen?<br />
Einige Fotos sind im Auftrag auf Terminen für Zeitungen entstanden. Viele<br />
Fotos habe ich aber aufgenommen<br />
und anschließend an die Redaktionen<br />
rumgeschickt. Ich habe schon fotografiert,<br />
um die Bilder zu publizieren. Ich<br />
habe mir immer ein Thema gesucht,<br />
um die Bilder als Illustrationsfotos anbieten<br />
zu können. Für die taz habe ich<br />
etwa auf skurrile Fotos geachtet, für<br />
die Rubrik „Augenblicke“.<br />
Haben Sie denn ein Lieblingsfoto?<br />
Puh, schwierige Frage. Wenn, dann ist<br />
das wohl das Bild des Arbeiters, der vor<br />
der Schicht bei Krupp ein Nickerchen<br />
macht. Das ist eines der Bilder, die ich<br />
6<br />
Reinhard Krause<br />
Krauses Lieblingsfoto. Ein Nickerchen nach der Krupp-Schicht.<br />
besonders mag, weil es das erste ist, welches ich veröffentlicht<br />
habe. Es hing im Folkwang-Museum bei einer Ausstellung zum<br />
Thema „Wie lebt man im Ruhrgebiet?“. Es kam in den Katalog<br />
und wurde auch bei Aspekte gezeigt. Das hat mich motiviert,<br />
weiter in Richtung Fotografie was zu machen. Sonst wäre ich<br />
wohl immer noch bei einer Zeitarbeitsfirma (lacht).<br />
Mit was für einer Kamera ist die Aufnahme denn entstanden?<br />
Die Kamera die ich hatte, habe ich von meinen Eltern geschenkt bekommen.<br />
Damals dachte ich zwar noch, ich bräuchte eine Profikamera, aber<br />
mit der einfachen Kamera konnte man die besten Fotos machen.<br />
Warum?<br />
Die hatte ich schließlich immer dabei und das war damals gar nicht so normal.<br />
Dadurch, dass ich sie ständig dabei hatte, sind die interessantesten<br />
Bilder entstanden.<br />
Was war ihnen damals beim Fotografieren wichtig?<br />
Ich wollte Situationen haben, die so authentisch wie möglich sind. Ich<br />
wollte als Fotograf keinen Einfluss nehmen und die Leute sollten nicht auf<br />
meine Kamera reagieren.<br />
Haben Sie auf eine bestimmte Technik geachtet? Die Fotos wirken nicht<br />
gerade verspielt, sondern relativ klar in ihrer Gestaltung und Aussage.<br />
Die Idee war, zu versuchen, nicht zu überästhetisieren, sonst kommt man<br />
schnell dazu, zu verfremden. Es sollte<br />
authentisch sein.<br />
Die meisten Fotos sind schwarz-weiß.<br />
War das ein gestalterisches Mittel?<br />
Nein. Schwarzweißfilme waren günstiger<br />
und außerdem hat man im Profibereich<br />
schwarz-weiß fotografiert. Ich<br />
habe die Fotos ja an die Zeitungen geschickt<br />
und die wollten keine Farbbilder.<br />
Ich weiß auch nicht unbedingt, ob<br />
die Fotos in Farbe besser gewesen<br />
wären. Trotzdem habe ich zum Glück<br />
auch mit Farbe experimentiert. So habe<br />
ich auch ein paar Stimmungsbilder