2010-04
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Inhaltsübersicht / Aus der Redaktion<br />
Aus der Redaktion 3<br />
Nachrichten aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein 6<br />
SeniorenServiceStellen 10<br />
Rückblick 14<br />
Erinnerungen an Weihnachten 16<br />
Unvergessener Heiligabend 18<br />
Novembersonnenstrahl / Weihnachtszeit 18<br />
Heiligabend in der Familie 19<br />
Weihnachtsgedanken 20<br />
Min Hot es net min Hot 21<br />
Zum neuen Jahr 21<br />
Hilfe für Indien 22<br />
Buchbesprechung 23<br />
Zeichen, die zu mir gehören 26<br />
Das Poesiealbum meiner Mutter 29<br />
Liebenswerte „Fetische“ 30<br />
Ewige Liebe 32<br />
Selbstverteidigung für Senioren 33<br />
Mr bedanke os bi osem Meister 34<br />
Die Flaschenpost 36<br />
Linda (68) allein im Haus 37<br />
Schreibferien am Lago Maggiore 38<br />
Romantisch reisen 41<br />
Ein-Wort-Sätze 42<br />
Elisabeth 42<br />
Tango 44<br />
Denkmäler in Siegen 46<br />
Wie uns ein Schwein das Schlachtfest versaute 50<br />
Rechtssicherheit bei Behandlungsabbruch 55<br />
Gedächtnistraining 56<br />
Was kostet ein Leben? 58<br />
Engagement, Mitwirkung und Beteiligung 58<br />
Der Kommentar 60<br />
Essay: Depressionen im Alter 60<br />
Veranstaltungshinweise 67<br />
Leserbriefe 72<br />
Es fiel uns auf … 74<br />
Lösungen 74<br />
Zu guter Letzt 74<br />
Impressum 74<br />
Mit dieser Ausgabe halten Sie den umfangreichsten durchblick seiner 25-jährigen<br />
Geschichte in Händen. Obwohl wir unser letztes Geld „zusammengekratzt“ haben, um<br />
diese Auflage auf 76 Seiten zu erweitern, reichte der Platz für die vielen zugesandten<br />
Beiträge wieder nicht aus! An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich für all Ihre<br />
wunderbaren Texte und Bilder bedanken, die den durchblick im letzten Jahr so bunt<br />
gemacht haben. Wir werten es als Anerkennung unserer Arbeit, so viele gute Artikel<br />
zur Veröffentlichung anvertraut bekommen zu haben. Bedanken möchten wir uns insbesondere<br />
aber bei den Autoren, deren Werke bisher nicht abgedruckt werden konnten.<br />
Soweit es der Platz zulässt, wird das im neuen Jahr nachgeholt.<br />
Ihnen eine schöne Vorweihnachtszeit, frohe Festtage, ein gutes neues Jahr und<br />
natürlich viel Freude beim Lesen des neuen durchblick.<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 3
Fotos Gotfried Klör
Nachrichten aus Siegen-Wittgenstein<br />
Kleidung und Spiele gespendet<br />
Demenzranke profitieren<br />
Neunkirchen. Mit Unterstützung des<br />
Programms „Aktiv im Alter“ vom<br />
Bundesministerium für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend, an dem<br />
auch die Gemeinde Neunkirchen beteiligt<br />
ist, konnten für alle Helferinnen<br />
des Vereins „Hand in Hand“ hellblaue<br />
Polohemden mit dem Vereinslogo angeschafft<br />
werden. Gerade bei Menschen<br />
mit demenziellen Erkrankungen<br />
ist es hilfreich, wenn die Helferinnen<br />
von „Hand in Hand“ schon an ihrer<br />
Kleidung erkannt werden und deshalb<br />
möglicher Unsicherheit begegnet werden<br />
kann. Zusätzlich wurden für die<br />
Betreuung von an Demenz leidenden<br />
Patienten ein besonders geeignetes<br />
„Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel“,<br />
ein tragbarer CD-Spieler sowie verschiedene<br />
geeignete CDs für die Demenzbetreuung<br />
angeschafft.<br />
Begeistert nahmen<br />
die Helferinnen die<br />
Spenden in Empfang.<br />
„Sie werden sehr bald<br />
zum Einsatz kommen“,<br />
versprach die<br />
stellvertretende Vorsitzende<br />
von „Hand in<br />
Hand“ Bettina Großhaus-Lutz<br />
und fügt<br />
hinzu, „damit kann<br />
die Demenzbetreuung<br />
weiterhin abwechselungsreich gestaltet<br />
werden“. Die Anschaffung weiterer<br />
Spiele ist geplant.<br />
Mittlerweile werden von „Hand in<br />
Hand“ 25 hilfebedürftige Menschen<br />
regelmäßig unterstützt und neun Personen<br />
werden im Rahmen der Demenzbetreuung<br />
versorgt.<br />
Seit der Vereinsgründung vor 18<br />
Monaten wird die Arbeit der mittlerweile<br />
19 Helferinnen zunehmend in<br />
Anspruch genommen.<br />
„Die große Zufriedehnheit der betreuten<br />
Kunden spornt die Helferinnen<br />
an“, wie die „Hand in Hand“ – Einsatzleiterin<br />
Sybille Edelmann berichtet,<br />
die vormittags im Büro der Senioren-Service-Stelle<br />
im Neunkirchener<br />
Rathaus, Zimmer 207, 02735 767<br />
207 zu erreichen ist. •<br />
Foto: Bettina Großhaus-Lutz Foto: Archiv HsM<br />
Die Würde<br />
im Heimalltag<br />
Kreuztal. Am 6.10. folgten zweidrittel<br />
aller Bewohnerbeiräte aus dem<br />
Kreisgebiet der Einladung des Vereins<br />
HsM (Handeln statt Misshandeln) zu<br />
einer Informationstagung ins AWO-<br />
Seniorenzentrum nach Kreuztal.<br />
Schwerpunkt der Veranstaltung<br />
war, die besondere Situation im Heimalltag<br />
für den Einzelnen zu erfassen.<br />
Anhand von unterschiedlichen Fallbeispielen<br />
zur Würde des Menschen<br />
wurden spezifische, alltägliche Probleme<br />
aufgezeigt und Lösungen besprochen.<br />
„Das neue Wohn- und Teilhabegesetz<br />
hat vieles verbessert, jedoch ist<br />
der Personalschlüssel schon seit Jahren<br />
nicht mehr ausreichend“, so ein<br />
Sprecher eines Seniorenheimes unter<br />
anhaltendem Beifall. Tenor unter den<br />
Anwesenden war, dass viele Probleme,<br />
die für die Bewohner entstehen, durch<br />
fachlich gut qualifiziertes Personal in<br />
ausreichender Anzahl gelöst werden<br />
könnten bzw. erst gar nicht entstehen<br />
würden. <br />
bla<br />
Seniorenbeirat geht „über die Dörfer“<br />
Stärkere Akzentuierung der Arbeit in den Bezirken<br />
Siegen. Mit einem seniorengerechten<br />
„Kontrastprogramm“ will jetzt der Seniorenbeirat<br />
der Stadt Siegen den älteren<br />
Mitbürgerinnen und Mitbürgern<br />
der Krönchenstadt im wahrsten Sinne<br />
des Wortes „entgegenkommen“. Bei<br />
einer Sitzung des Vorstandes mit den<br />
Sprechern der einzelnen Arbeitskreise<br />
sowie den Leitern der Seniorenbeiratsgruppen<br />
in den fünf städtischen Bezirken<br />
(den sog. „Bezirksfürsten“) kam<br />
man überein, in Zukunft mit Informationsveranstaltungen<br />
stärker und immer<br />
öfter in die Randbezirke der Stadt<br />
Siegen zu gehen. Beiratsvorsitzender<br />
Bernd Alberts: „Viele alte Menschen<br />
sind gehbehindert und können die Angebote<br />
im Weidenauer Rathaus nicht<br />
wahrnehmen. Dem wollen wir jetzt<br />
mit Informationsveranstaltungen auch<br />
in den entlegeneren Gebieten der Stadt<br />
Siegen abhelfen. Wir wollen gleichsam<br />
über und in die Dörfer gehen.<br />
Von Oberschelden bis Dillnütten, von<br />
Meiswinkel bis Obersetzen werden<br />
unsere Beiratsmitglieder über ihre Arbeit<br />
informieren und die zahlreichen<br />
Initiativen des Seniorenbeirates vorstellen.<br />
Nur so können wir erfahren,<br />
wo unseren betagten Mitbürgern der<br />
Schuh drückt. Danach werden sich<br />
sodann unsere Informationsangebote<br />
mit Fachvorträgen namhafter Referenten<br />
richten“, gab der „Stammesälteste“<br />
der Siegener Senioren die neue<br />
Zielrichtung für die beiden letzten<br />
Jahre der laufenden Amtsperiode des<br />
Seniorenbeirats vor. Die erfolgreichen<br />
Aktivitäten im Weidenauer Rathaus<br />
werden nicht eingeschränkt. hoba<br />
6 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Nachrichten aus Siegen-Wittgenstein<br />
Statt Altenheim e.V. wurde 25<br />
Konzept hat sich am Markt behauptet<br />
Siegen. Entstanden ist „Statt Altenheim<br />
e.V.“ aus einer Initiative junger<br />
Menschen, die 1985 den pflegebedürftigen<br />
Senioren eine Alternative zur damals<br />
oft üblichen Heimunterbringung<br />
bieten wollten. Heute noch hebt sich<br />
der Pflegedienst aus dem mittlerweile<br />
vielfältigen Pflegespektrum durch<br />
sein individuelles Angebot ab.<br />
Gustav Rinder, selbst schon seit<br />
1987 dabei, kann sich noch gut erinnern<br />
wie die häusliche Pflege in den 80er-<br />
Jahren, noch lange vor der Einführung<br />
der Pflegeversicherung, ablief: Die MitarbeiterInnen,<br />
voller Idealismus und Tatendrang,<br />
erreichten die zu betreuenden<br />
Senior(inn)en per Bus oder Fahrrad,<br />
sie blieben oft gegen geringes Entgelt<br />
stundenlang und gaben den alten Menschen<br />
Unterstützung und Hilfe bei allen<br />
Anforderungen des täglichen Lebens.<br />
Foto:Archiv Statt Altenheim e.V.<br />
Einmal die Woche traf man sich<br />
zur Mitarbeiterbesprechung, bei<br />
denen alle das gleiche Mitspracherecht<br />
hatten und diskutierte<br />
oft bis in die Nachtstunden über<br />
die Inhalte der Arbeit und organisatorische<br />
und politische Fragen.<br />
Dies, wie auch die tägliche Abdeckung<br />
der Bürosprechzeiten,<br />
geschah ehrenamtlich!<br />
Der Verein „Statt Altenheim e.V.“<br />
war in den 80er-Jahren Teil einer sozialen<br />
Bewegung, die wegwollte von eingefahrenen<br />
Hierarchien und Arbeitsbedingungen,<br />
hin zu mehr Menschlichkeit<br />
und Demokratie, auch im Pflegebereich.<br />
Da einige der damaligen Prinzipien<br />
weiterhin gepflegt und aufrechterhalten<br />
werden, kann der Verein fast als ein<br />
Fossil aus einer Zeit betrachtet<br />
werden, deren Ideen in<br />
Zeiten zunehmender Marktorientierung<br />
leider etwas in<br />
Vergessenheit geraten ist.<br />
Heute beschäftigt der<br />
vom Verein getragene Pflegedienst<br />
14 examinierte Alten-<br />
und Krankenpflegekräfte,<br />
vier Alltagshelferinnen,<br />
eine Sozialarbeiterin, eine<br />
Verwaltungskraft und einen<br />
Zivildienstleistenden. Mittlerweile sind<br />
die MitarbeiterInnen mit Firmenwagen<br />
unterwegs, der Dienstplan ist enger gestaltet,<br />
die Kassen erstatten nur noch<br />
Leistungen nach Katalog.<br />
Dennoch halten die Mitarbeiter-<br />
Innen des Pflegedienstes weitgehend<br />
an ihren Prinzipien fest: Wichtige Entscheidungen<br />
werden immer noch gemeinsam<br />
getroffen, alle ausgebildeten<br />
Fachkräfte erhalten weiterhin den gleichen<br />
Lohn, Einnahmen aus der Pflege<br />
fließen zurück in die Arbeit für die<br />
pflegebedürftigen Menschen. Es gibt<br />
keine Profitorientierung, da der Verein<br />
gemeinnützig tätig ist.<br />
Ziel der Arbeit ist heute wie damals,<br />
alten und kranken Menschen zu<br />
ermöglichen, trotz Pflegebedürftigkeit<br />
so lange wie möglich die Selbstständigkeit<br />
innerhalb der eigenen Wohnung<br />
zu erhalten und Angehörige bei der oft<br />
anstrengenden Pflege zu entlasten. bla<br />
Mitarbeiter und Gäste feierten das Jubiläum im<br />
schön gelegenen Geisweider Hotel Haus Patmos.<br />
Haus Herbstzeitlos<br />
wieder bezogen<br />
Siegen. Erstaunlich schnell sind die<br />
Sanierungsarbeiten in dem städtischen<br />
Senioren-Begegnungszentrum durchgeführt<br />
worden. Lediglich 6 Wochen<br />
benötigten die Handwerker, das Gebäude<br />
von den PCB-Spuren zu beseitigen.<br />
Bereits am 1. September zogen<br />
die ersten Gruppen wieder in ihre angestammten<br />
Räume. Jetzt präsentiert<br />
sich das Haus hell und frisch. Alle<br />
Gruppen, u. a. das Senec@fe mit ihren<br />
Computerkursen, die Malergruppe,<br />
das Trauercafé, Literaturkreis,<br />
Englischkurse, die Seniorenhilfe und<br />
andere können jetzt wieder ihren Aktivitäten<br />
nachgehen. <br />
bla<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 7<br />
Foto:Archiv Statt Altenheim e.V.
Nachrichten aus Siegen-Wittgenstein<br />
KSG-Nachbarschaftscafé<br />
Neue Geisweider Begegnungsstätte im Wenscht<br />
Geisweid. Nach monatelangen Umbauarbeiten<br />
konnte am 9. Oktober die<br />
Nachbarschaftsbegegnungsstätte in<br />
der ehemaligen Wenscht-Apotheke<br />
im Fichtenweg 5 besichtigt werden.<br />
Es kamen Mitarbeiter der KSG (Kreiswohnungsbau-<br />
und Siedlungsgesellschaft<br />
Siegen), Mieter sowie Landrat<br />
Paul Breuer und die stellvertretende<br />
Bürgermeisterin Angelika Flohren<br />
in einer Feierstunde auf dem Hans-<br />
Böckler-Platz zusammen. Vorausgegangen<br />
war nicht nur der Umbau<br />
der Wenscht-Apotheke,<br />
sondern auch der Bau einer<br />
neuen Heizungsanlage.<br />
Besonders die Mieter<br />
im Hause Fichtenweg 5<br />
waren einige Monate ohrenbetäubendem<br />
Lärm,<br />
Dreck, Staub etc. ausgesetzt.<br />
Sie hoffen jetzt (ganz<br />
eigennützig), dass die Begegnungsstätte<br />
ein Erfolg<br />
wird. Das hofft auch Katharina Pokrzywa,<br />
die ortsnah für alle Mieter des<br />
Wenscht Ansprechpartnerin der KSG<br />
ist. Unter dem Leitmotiv „Gemeinsam<br />
statt Einsam“ wurde dann am 3. November<br />
das Café eröffnet. Das neue<br />
Kaffee fand solch regen Zuspruch,<br />
dass bereits nach einer halben Stunde<br />
alle 40 Sitzplätze belegt waren und<br />
die Kuchenplatten bereits nach einer<br />
Stunde leergefegt waren. Mit so viel<br />
Resonanz war nicht gerechnet worden.<br />
Für Unterhaltung sorgte ganz<br />
Foto:Archiv KSG<br />
unge plant ein älterer Nachbar, der auf<br />
seiner Mundharmonika spontan alte<br />
Weisen spielte. Für die musikalische<br />
Unterhaltung ist dem Café ein Harmonium<br />
gespendet worden. Besonders<br />
erfreut waren die Organisatoren, dass<br />
einige ausländischen Mitbürger den<br />
Weg ins Café gefunden haben.<br />
Das Café soll an jedem ersten Mittwoch<br />
im Monat geöffnet werden, in<br />
der dunklen Jahreszeit von 14–18<br />
Uhr.* Die Bewirtschaftung wird an<br />
diesen Tagen das Ehepaar Hübscher<br />
ehrenamtlich übernehmen. Wenn sich<br />
weitere Freiwillige melden, kann die<br />
Begegnungsstätte auch wöchentlich<br />
geöffnet werden. Es kann sich jeder<br />
einbringen und Vorschläge unterbreiten,<br />
welche Aktivitäten in Zukunft<br />
erfolgen können oder sollen. Informationen<br />
erteilt Katharina Pokrzywa<br />
0271/233 78 63, die ihr Büro am<br />
Hans-Böckler-Platz 9 hat. bla<br />
(s.a. Hinweise im Veranstaltungskalender in dieser Ausgabe ab S. 68)<br />
8 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Nachrichten aus Siegen-Wittgenstein<br />
Thementage waren ein voller Erfolg<br />
Seniorinnen und Senioren nutzen die Angebote<br />
Zu den Klängen der Burbacher Seniorenband wurde heftig<br />
das Tanzbein geschwungen.<br />
Burbach. Als voller Erfolg können die<br />
zweiten Burbacher Thementage im September<br />
verbucht werden: Rund 1750<br />
Seniorinnen und Senioren besuchten die<br />
über 30 Veranstaltungen. Der Titel der<br />
Thementage „Angebote für Senioren –<br />
eine runde Sache“ war Programm.<br />
Der Themenschwerpunkt lag auf der<br />
Vorstellung von Angeboten, die in vielfacher<br />
Weise von Vereinen und Institutionen<br />
durchgeführt werden. Mit der<br />
Themensetzung war das Ziel verbunden,<br />
ältere Menschen in die Gemeinschaft<br />
zu integrieren und zum Mitmachen<br />
einzuladen. Soziale Kontakte und<br />
die Mitwirkung in einer Gruppe schützen<br />
vor Einsamkeit und Alleinsein.<br />
Darüber hinaus ging es während<br />
der Woche jedoch auch darum, die<br />
Vielfältigkeit der Gemeinde Burbach<br />
in diesem Bereich vorzustellen, Mitarbeiter<br />
für ein „aktives Alter“ zu<br />
gewinnen und das Miteinander, auch<br />
generationsübergreifend, zu stärken.<br />
Besonderen Zuspruch fand der<br />
Tanznachmittag des TV Holzhausen.<br />
Zum Kontakte pflegen und um<br />
neue Menschen kennenzulernen startete<br />
der von der Frauenhilfe Burbach<br />
organisierte Frühstückstreff. Zukünftig<br />
wird er zweimal im Jahr angeboten.<br />
Die Arbeitsgemeinschaft der Burbacher<br />
Chöre leistete einen stimmgewaltigen<br />
Beitrag.<br />
Das Angebote für Ältere von wachsender<br />
Bedeutung sind, zeigt sich in der<br />
demografischen Entwicklung. „Derzeit<br />
leben in der Gemeinde über 3500 Menschen,<br />
die mindestens 65 Jahre alt sind.<br />
Foto: Archiv SenirenServiceStelle Burbach.<br />
Bis zum Jahr<br />
2025 werden<br />
es noch einmal<br />
gut 1300<br />
mehr sein“, so<br />
B ü rgermeister<br />
Christoph<br />
Ewers.<br />
Von daher<br />
starten bereits<br />
die Vorbereitungen<br />
für die<br />
Thementage<br />
2011. „Der große Zuspruch lässt uns<br />
mit Motivation an die Neuauflage 2011<br />
unter dem Titel Gesundheitsvorsorge,<br />
Prävention und Pflege herangehen“,<br />
freut sich Christine Sahm von der Senioren-Service-Stelle,<br />
die gemeinsam<br />
mit Thomas Leyener und dem Arbeitskreis<br />
„SeniorenAktiv“ die „Burbacher<br />
Thementage“ organisiert hat. <br />
Spenden gewünscht<br />
für die Osterberg-Schule<br />
Freudenberg. Die Osterberg-Schule<br />
in der Büscher Straße 4, – Förderschule<br />
der Stadt Freudenberg – plant die<br />
Einrichtung eines neuen Betreuungsraumes.<br />
Bisher fand die Betreuung in<br />
den Räumlichkeiten der Schulbibliothek<br />
statt. Um zusätzliche Angebote<br />
bieten zu können, bittet die Förderschule<br />
um Sachspenden. Die Schülerinnen<br />
und Schüler würden sich über<br />
jegliche Art von Gesellschaftsspielen<br />
freuen. Darüber hinaus möchte die<br />
Schule ihren Bibliotheksbestand erweitern.<br />
Falls Sie Spielgeräte, Gesellschaftsspiele,<br />
Bastelmaterialien oder<br />
Kinderbücher besitzen, die Sie nicht<br />
mehr benötigen, nimmt die Schule<br />
diese gerne entgegen. Einzelheiten erfahren<br />
Sie unter der Telefonnummer<br />
02734 / 7342. Es holen die Mitarbeiter<br />
der Schule Ihre Sachspende nach<br />
vorheriger Terminvereinbarung auch<br />
bei Ihnen zu Hause ab. bla<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 9
Ihr Ansprechpartner:<br />
Reiner Jakobs<br />
Zukunftsinitiative<br />
Siegen-Wittgenstein 2020<br />
Programmleitung<br />
„Leben und Wohnen im Alter“<br />
Servicezentrum für soziale Beratung,<br />
Betreuung und Prävention<br />
Bismarckstr. 45,<br />
57076 Siegen<br />
0271/333-2720 • E-Mail:<br />
lwa@siegen-wittgenstein.de<br />
Erstmals Beirat gewählt<br />
Seniorenvertretung nun auch in Freudenberg<br />
Freudenberg. Der Rat der Stadt Freudenberg<br />
beschloss auf Antrag der FDP-<br />
Fraktion am 23. September <strong>2010</strong> die<br />
Einführung eines Seniorenbeirates. Der<br />
Rat folgte dabei einer Empfehlung der<br />
durch den Familien-/Sozialausschuss<br />
eingerichteten Vorbereitungsgruppe<br />
und beschloss die Durchführung von<br />
Versammlungswahlen in sechs Bezirken<br />
des Freudenberger Stadtgebietes.<br />
(s.Bild lks.) Nachfolgend die Ergebnisse<br />
aus den Wahlen in der Woche<br />
vom 25. bis 28. Oktober:<br />
In den Seniorenbeirat wurden<br />
Günter Baumhof (Vertreterin Gertrud<br />
Giebeler), Hans-Jürgen-Helmes<br />
(Christiane Jung), Edith Holzapfel<br />
(Dr. Ingrid Leopold), Renate Kamper<br />
(Roswitha Schuhen), Klaus Neumann<br />
(Inge Appel), Paul Schmidt<br />
(Horst Siebel) und Ernst-Wilhelm<br />
Spies (Heinz Bohn) gewählt.<br />
Der Seniorenbeirat kam Ende November<br />
zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen<br />
und hat aus seiner Mitte einen Vorstand<br />
gewählt. Das Ergebnis lag bei Redaktionsschluss<br />
nicht vor.<br />
Olaf Smolny<br />
10 durchblick 4/<strong>2010</strong><br />
WR-Foto: Kuhn
Siegen. „Kinder gibt es immer“, hatte<br />
der greise Reichskanzler Otto von Bismarck<br />
schon im vorletzten Jahrhundert<br />
befunden. Sorgen um seine Untertanen<br />
brauchte sich der Reichsgründer in<br />
dieser Hinsicht auch keine zu machen,<br />
zauberten diese doch in der Regel nicht<br />
selten zweistellige Kinderzahlen aus<br />
dem Hut oder sonstwo her.<br />
In der Stadt Siegen sieht das heute<br />
freilich ganz anders aus. Darauf wies<br />
jetzt Anja Heiden, die Demografiebeauftragte<br />
der Krönchenstadt bei einer<br />
Sitzung des Seniorenbeirates im Rathaus<br />
Geisweid hin. Und die fachkundige<br />
Dame malte ein ganz düsteres Bild<br />
insbesondere von den „Südstaaten“ der<br />
Noch-Großstadt Siegen, namentlich<br />
vom Stadtteil Niederschelden. Dort<br />
geistert nämlich jetzt schon das grausame<br />
und mit den Händen zu greifende<br />
Wort „Leerstände“ durch die Gegend.<br />
Obwohl der Rückgang der Bevölkerungszahlen<br />
in Deutschland eigentlich<br />
schon seit dem 1.Weltkrieg „Konjunktur“<br />
habe und während der Weltwirtschaftskrise,<br />
im Zweiten Weltkrieg und<br />
mit Einführung der „Pille“ („Pillenknick“<br />
im Jahre 1974) besonders markant war,<br />
übertreffe der „Demografie-Schock“ aus<br />
dem Jahre 1992 doch alle Bevölkerungseinbrüche<br />
seit Bismarcks Zeiten, so Anja<br />
Heiden. Denn nur „1,3 Stück Kind“<br />
werden laut Beamtensprache in der deutschen<br />
Durchschnittsfamilie heutzutage<br />
noch aktenkundig gemacht.<br />
Das ist zu wenig, um die immer<br />
stärker zunehmende Zahl von älteren<br />
Menschen per Generationenvertrag zu<br />
„unterhalten“. Aber anscheinend für<br />
viele bedürftige und von Armut bedrohte<br />
Eltern immer noch zu viel, um<br />
mit den Kleinen betriebswirtschaftlich<br />
„über die Runden“ zu kommen.<br />
So wird die Einwohnerzahl Siegens<br />
im Jahre 2026 nur noch 96.000<br />
betragen. Der Nimbus der Großstadt<br />
sei damit futsch, so die Demografiebeauftragte.<br />
Heute seien im Stadtteil<br />
Niederschelden schon fast ein Drittel<br />
aller Häuser (30 %) nur noch von<br />
Menschen im Alter von über 60 Jahren<br />
Nachrichten aus Siegen-Wittgenstein<br />
Damoklessschwert „Leerstände“<br />
Niederschelden auf dem Weg zum „perforierten“ Stadtteil<br />
Foto:Dr. Horst Bach<br />
bewohnt. Anja Heiden: „Hier kommt<br />
nichts mehr nach. Leerstände en masse<br />
sind vorprogrammiert.“ Und die städtische<br />
Bedienstete zeichnete ein ganz<br />
düsteres Zukunftsbild rund um Siegtal<br />
und „Schossi“: „Da lebt vielleicht noch<br />
ein einzelner Mensch in einer Wohnung<br />
und sieht in der Nachbarschaft<br />
links und rechts nur leerstehende Häuser<br />
ohne jegliches Leben. Da kann sich<br />
ein älterer Bewohner über hundert Meter<br />
Entfernung und mehr nur noch per<br />
Megaphon bemerkbar machen.“<br />
Hier müssten sozialplanerische<br />
Konzepte her, so Anja Heiden, um einer<br />
„perforierten“, d.h. durchlöcherten<br />
Stadt entgegenzuwirken.<br />
Wer sehenden Auges durch Niederschelden<br />
und das benachbarte Niederschelderhütte<br />
wandert (manchmal weiß<br />
man gar nicht so genau, in welchem Ort<br />
bzw. in welchem Bundesland man sich<br />
gerade befindet), sieht viele Leerstände,<br />
heruntergelassene Rolläden, Vermietungshinweise<br />
in den Fenstern und<br />
heruntergekommene Bausubstanz.<br />
Dr. Jochen Münch, 73-jähriger<br />
Architekturstudent mit städtebauplanerischem<br />
Weitblick, sieht hier nur<br />
eine Lösung: „In solchen Gebieten<br />
wie Siegen darf einfach kein Bauland<br />
mehr ausgewiesen werden. Hier muss<br />
einzig und allein der Bestand saniert<br />
und modernisiert werden.“ hoba<br />
Herbst an der Sieg in Niederschelden: Nicht nur die Natur,<br />
auch der Ort hat seine Blütezeit hinter sich.<br />
Sie steppten für guten Zweck<br />
Mudersbacher Quiltfrauen tun „Gutes“<br />
Mudersbach. Schon sehnlichst erwartet<br />
wurde die nun schon zur Tradition<br />
gewordene Verkaufsausstellung von<br />
Arbeiten der Mudersbacher „Patchwork-Frauen“.<br />
Auf ihrem Basar war<br />
kein Durchkommen mehr! Die Besucher<br />
drängten sich von Stand zu Stand<br />
und waren sichtlich begeistert von den<br />
z.T. außergewöhnlichen Kunstwerken.<br />
Drei Jahre haben die fleißigen Näherinnen<br />
Stoffe ausgesucht, zugeschnitten,<br />
zusammengenäht, gesäumt und<br />
z.T. gefüttert. Hinter der Gruppe der<br />
„Patchwork-Frauen“ verbergen sich<br />
13 Damen, (derzeit) im Alter von 49<br />
bis 82 Jahren, die sich regelmäßig treffen,<br />
um ihrem gemeinsamen Hobby<br />
„Quilten“ nachzugehen. (Der durchblick<br />
berichtete darüber). Jeweils am<br />
dritten Samstag im Monat trefffen sie<br />
sich von 9–16 Uhr, um gemeinschaftlich<br />
die schönen Werke zu erstellen, die<br />
nun wieder einmal mit großem Erfolg<br />
verkauft wurden. Das ganz Besondere<br />
an ihren Aktivitäten ist aber, dass der<br />
komplette Überschuss von diemal ca.<br />
4.500 Euro an soziale Einrichtungen in<br />
dieser Region gespendet wird! <br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 11
Anzeige<br />
Verschwindend klein<br />
Neues, unsichtbares Hörgerät<br />
Siegen – Es klingt so irrsinnig und doch ist es die<br />
traurige Wahrheit: Trotz stark eingeschränktem<br />
Hörvermögen tragen viele Menschen kein Hörgerät.<br />
Hörgeräte-Akustiker Marcus Brungs aus Siegen berichtet:<br />
„Zu mir kommen immer wieder Menschen, die kaum noch<br />
hören können und deswegen<br />
schon ihr Privat- und<br />
Berufsleben total eingeschränkt<br />
haben – und das<br />
nur aus Scham, ein Hörgerät<br />
zu tragen, das andere sehen<br />
könnten“. Ein neues, unsichtbares Hörgerät macht jetzt<br />
Schluss mit dieser Angst.<br />
OtoLens ist ein neues HörSystem, das so im Gehörgang<br />
sitzt, dass es von außen nicht sichtbar ist. Weil jedes Ohr anders<br />
geformt ist, wird OtoLens wie ein Maßanzug in vielen<br />
Arbeitsgängen nach dem Ohrabdruck des Hörgeräteträgers<br />
handgefertigt. Durch die Positionierung des HörSystems<br />
direkt vor dem Trommelfell ist OtoLens nicht nur unsichtbar,<br />
sondern ermöglicht auch ein ganz natürliches Hörerlebnis<br />
und sehr gutes Richtungshören, was für das Verstehen<br />
von Sprache entscheidend ist. „Lästige Störgeräusche und<br />
Rückkopplungs-Pfeiftöne werden von OtoLens sofort erkannt<br />
und beseitigt“, erklärt Marcus Brungs. „Dieses intel-<br />
ligente HörSystem lernt auch noch Ihren Tagesablauf und<br />
wir können es entsprechend Ihrem individuellen Lebensstil<br />
programmieren“, erläutert Brungs die patentierte Technologie.<br />
Darüber hinaus erkennt OtoLens durch Selbsttests,<br />
wann zum Beispiel ein Batteriewechsel erforderlich ist<br />
und informiert den Hörgeräteträger<br />
darüber per<br />
Sprachansage. Aber nicht<br />
nur das HörSystem selber<br />
ist für andere unsichtbar,<br />
auch die Lautstärke und<br />
Hörprogramme lassen sich bei OtoLens erstmals ganz<br />
diskret per Mobiltelefon fernsteuern.<br />
Das neue, unsichtbare HörSystem OtoLens ist ab<br />
Dezember bei Hörgeräteakustik Marcus Brungs in Siegen<br />
und Kreuztal erhältlich. Weitere Informationen und<br />
kostenlose Beratung und Anpassung:<br />
57076 Si.-Weidenau, Weidenauer Str. 167<br />
Telefon 0271-7411705<br />
57223 Kreuztal, Roonstraße 2<br />
Telefon 02732-553977<br />
www.hoergeraete-brungs.de<br />
12 durchblick 4/<strong>2010</strong>
durchblick 4/<strong>2010</strong> 13
14 durchblick 4/<strong>2010</strong>
durchblick 4/<strong>2010</strong> 15
Erinnerungen an Weihnachten<br />
War Weihnachten früher schöner?<br />
Ich denke noch gerne und jedes Jahr wieder an die<br />
Weihnachtszeit in meiner Kindheit zurück. War<br />
Weihnachten früher schöner oder anders? Aus meiner<br />
heutigen Sicht war es allerdings ruhiger, geheimnisvoller,<br />
feierlicher, und es lag immer Schnee – „weiße<br />
Weihnacht“ – die Weihnachtsnacht war meistens bitterkalt,<br />
der Schnee<br />
knirschte unter den<br />
Schuhen.<br />
Das ist aber alles<br />
schon lange her. Ich<br />
gehe jetzt mal bis ca.<br />
in die Jahre 1941/42<br />
zurück. In der Welt<br />
ging es zu dieser<br />
Zeit nicht friedlich<br />
zu – wir hatten<br />
Krieg. Zu der Zeit<br />
wohnte ich mit Eltern<br />
und Geschwistern<br />
in Neheim-Hüsten.<br />
Wir bewohnten<br />
eine großzügige<br />
Wohnung in einem<br />
Geschäftshaus, direkt<br />
gegenüber dem<br />
großen Dom. Das<br />
Glockenspiel dieser<br />
Kirche hörte ich<br />
jeden Abend, wenn<br />
„Bettzeit“ war, es<br />
läutete mich in den<br />
Schlaf. In den vier<br />
Wochen der Adventszeit<br />
vor Weihnachten<br />
läutete noch<br />
ein Glöckchen mehr,<br />
man konnte es gut<br />
heraushören, denn<br />
es war etwas heller – Mutter machte uns Kinder darauf<br />
aufmerksam. An Heiligabend und den darauffolgenden<br />
Weihnachtstagen war das Geläute dann so kräftig und<br />
in voller Lautstärke, dass es alles übertönte und man<br />
einfach zuhören musste. Von den Bombenangriffen<br />
blieben wir zu dieser Zeit noch verschont.<br />
Die Wochen vor Weihnachten waren sehr geheimnisvoll<br />
in unserer Familie. Das Christkind war immer<br />
und überall – unsichtbar – zugegen. Es beobachtete uns<br />
Kinder den ganzen Tag – im Haus – auf dem Schulweg –<br />
in der Schule. Es war da ja nicht nur das Christkind, sondern<br />
auch der Nikolaus mit dem Knecht Ruprecht hatte<br />
seine Aufgaben, denn der kam ja schon Anfang Dezember<br />
in die Häuser zu den Kindern, hatte das große Buch<br />
in der Hand, in dem alles geschrieben stand – sowohl<br />
die guten als auch die schlechten Taten. Es war wirklich<br />
nicht einfach für mich,<br />
da ich mich doch unbedingt<br />
von Zeit zu Zeit<br />
mit meinem größeren<br />
Bruder zanken musste.<br />
Schon stand Mutter da,<br />
hob den Zeigefinger<br />
und sagte: „Der Nikolaus<br />
und das Christkind<br />
sehen alles!“ Ja, ich hatte<br />
wirklich Angst vor<br />
dem Nikolaus und wir<br />
Kinder glaubten alles,<br />
was Mutter so erzählte.<br />
Foto:Fotolia<br />
Jetzt wurde es<br />
auch endlich Zeit, den<br />
Wunschzettel an das<br />
Christkind zu schreiben<br />
– ich hatte immer<br />
denselben Wunsch,<br />
eine Puppe mit neuen<br />
Kleidern und einen<br />
Puppenwagen. Diesen<br />
Zettel legte ich dann<br />
abends auf die Fensterbank<br />
und morgens war<br />
er weg – und wieder hatte<br />
ich nichts gehört und<br />
gesehen. Dieses lautlose<br />
Christkind!!! Es<br />
kommt geflogen durch<br />
geschlossene Fenster<br />
und verschwindet wieder<br />
mit dem Wunschzettel, um die Wünsche der Kinder<br />
zu erfüllen.<br />
Es wurde jetzt abends immer früher dunkel und der<br />
Monat Dezember nahte, am sechsten Dezember war und<br />
ist auch heute noch Nikolausabend. An dem Tag knisterte<br />
es im ganzen Haus – ob heute wohl wirklich der<br />
Nikolaus kommen wird? Mutter wusste natürlich auch<br />
nichts Genaues. Bei jedem Geräusch und lauten Schritt<br />
zuckten wir Geschwister zusammen. Nein, das war er<br />
wieder nicht. Doch da, auf einmal klingelte es Sturm<br />
und es pochte jemand an der Wohnungstür. Wir Kinder<br />
16 durchblick 4/<strong>2010</strong>
flitzten direkt ins Wohnzimmer und setzten uns vorbildlich<br />
auf die Stühle. Mutter öffnete die Tür, begrüßte<br />
den Nikolaus mit seinem Knecht Ruprecht und führte<br />
beide ins Wohnzimmer. Keiner von uns brachte einen<br />
Laut heraus, nur leise und ängstlich ein „guten Abend,<br />
lieber Nikolaus“. War das ein großer, starker Mann in<br />
einem langen, weißen Mantel und auf dem Kopf eine<br />
große, rote Mütze. Von seinem Gesicht konnte man nur<br />
die großen Augen durch die Brille sehen, alles andere<br />
war mit einem langen, weißen Bart bedeckt. Unter dem<br />
Arm trug er das dicke, Gold umrandete Buch, in dem<br />
alles geschrieben stand. Knecht Ruprecht sah etwas gefährlicher<br />
aus. In langer, schwarzer Hose und Jacke und<br />
mit einer wilden Haarfrisur stand er immer hinter dem<br />
Nikolaus und passte genau auf. Auf dem Rücken trug<br />
er einen braunen Sack und oben guckte die Rute heraus.<br />
Wir hatten eigentlich nichts zu befürchten – doch etwas<br />
war da doch in letzter Zeit öfters gewesen. „Wenn<br />
Mutter euch zu Bett gebracht hat,“ – so sprach der alte<br />
Mann – „wollt ihr nicht schlafen und kommt gerne aus<br />
den Betten zurück, das muss sich ändern, ich werde es<br />
noch eine Woche beobachten“! „Ja, Nikolaus“, versprachen<br />
wir hoch und heilig. Es gab noch ein paar Süßigkeiten<br />
und endlich ging er wieder. Eine ganze Woche<br />
schellte es abends, sobald wir im Bett lagen. Der Nikolaus<br />
machte seinen Kontrollgang, so wurde uns gesagt.<br />
Wir waren nun sehr erleichtert, dass der Nikolaus so<br />
langsam seinen Dienst auf der Erde beendet hatte, sich<br />
wieder auf seinen Schlitten setzte und mit seinem Gehilfen<br />
Richtung Himmel fuhr.<br />
Die Adventszeit war jetzt da. Ein großer aus frischen<br />
Tannenzweigen gebundener Kranz mit vier<br />
dicken, roten Kerzen und einem breiten, roten Band<br />
umbunden wurde unter die Decke im großen Wohnzimmer<br />
aufgehängt. Sobald es dämmerte, wurde erst<br />
eine Kerze und jeden Sonntag eine weitere angezündet.<br />
Eltern und Kinder versammelten sich im Zimmer<br />
und sangen Weihnachtslieder, Vater begleitete uns am<br />
Klavier. Manchmal roch es auch abends nach Weihnachtsgebäck.<br />
Mutter musste dem Christkind helfen -<br />
so hieß es – und über Nacht waren dann alle Plätzchen<br />
verschwunden. Wir Kinder machten uns natürlich auf<br />
die Suche nach all den Dingen, die nach und nach fehlten<br />
– für die Puppe sollte es ein neues Kleid geben - am<br />
Kinder-Dreirad fehlte eine Klingel. Alles das stand auf<br />
dem Wunschzettel - doch Puppe und Dreirad suchten<br />
wir vergebens. Es war Spannung pur. Manchmal verfärbte<br />
sich der Abendhimmel rot und es hieß: „Jetzt<br />
backt das Christkind Plätzchen!“<br />
Endlich war der 24. Dezember da, der „Heilige<br />
Abend“! Mutter hatte am Morgen noch alle Hände voll<br />
zu tun, und wir Kinder standen eigentlich immer im<br />
Weg, da wir ja auch so gespannt und neugierig waren.<br />
„Das Christkind fliegt jetzt durch alle Häuser und bringt<br />
die Gaben“, so hieß es – allerdings wieder mal durch<br />
die fest verriegelten Fenster. Wir hatten keine Chance,<br />
etwas zu sehen. Das Wohnzimmer war nun auch verschlossen.<br />
Endlich dämmerte es draußen. Mutter und<br />
wir Kinder standen frisch gebadet in Sonntagskleidung<br />
vor der Wohnzimmertür. Vater durfte im Zimmer sein<br />
und musste dem Christkind helfen. Da plötzlich, es klingelte<br />
das Weihnachtsglöckchen – wir durften eintreten.<br />
Nun sahen wir zum ersten Mal den mit Wachskerzen,<br />
Lametta und silbernen Kugeln geschmückten Weihnachtsbaum,<br />
der bis unter die Decke reichte. Unsere<br />
Augen strahlten mit dem Lichterbaum um die Wette.<br />
Wo waren denn nur die Geschenke? Unter dem Baum<br />
war alles mit einer weißen Decke zugedeckt. Vater stand<br />
im festlichen dunklen Anzug mit der aufgeschlagenen<br />
Bibel in der Hand vor dem Tannenbaum. Er las uns<br />
die Weihnachtsgeschichte vor, dann sangen wir „Stille<br />
Nacht, Heilige Nacht“, das Weihnachtslied, das um die<br />
Welt gegangen ist – wir Kinder wurden unruhig. Endlich<br />
kam die Erlösung – Vater zog das weiße Tuch von<br />
den Geschenken und da sahen wir nun die Bescherung.<br />
Es war für jeden etwas dabei.<br />
Nach all den Aufregungen versammelten wir uns um<br />
den Esstisch, der mit zwei roten Bändern geschmückt<br />
war. Es gab jedes Jahr „Kartoffelsalat mit Würstchen“,<br />
das war bei uns so Brauch. Als wir dann älter waren, besuchten<br />
wir nachts noch die Christmesse in der großen<br />
Kirche gegenüber. Dort war immer eine Weihnachtskrippe<br />
mit lebensgroßen Figuren aus Holz aufgebaut.<br />
Der Stall von Bethlehem – die Geburtsstätte Jesu – mit<br />
Maria und Joseph, dem Kind in der Krippe, den Tieren<br />
von der Weide und den drei Weisen aus dem Morgenland.<br />
Über allem leuchtete der Stern von Bethlehem, der<br />
allen Menschen den Weg zur Krippe zeigte.<br />
Und jetzt komme ich noch mal an den Anfang<br />
meiner Erinnerungen. War Weihnachten früher anders<br />
oder schöner? Ja, es war anders und schöner.<br />
Ohne Konsumrausch – ohne das Gedudel von Weihnachtsliedern<br />
in allen Kaufhäusern – ohne den bunten<br />
Schmuck an den Weihnachtsbäumen, ohne Girlanden<br />
in den Straßen von Laterne zu Laterne und ohne die<br />
vielen Süßigkeiten an allen Straßenecken, die man<br />
schon ab Oktober kaufen kann und noch vieles mehr,<br />
das die Menschen vergessen lässt, warum Weihnachten<br />
gefeiert wird. Helga Siebel-Achenbach<br />
Foto: Hartmut Reeh<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 17
Unvergessener<br />
Heiligabend<br />
A<br />
lle Jahre wieder, so auch im Jahre 1959, fuhren<br />
meine Mutter und ich mit dem Zug zur Großmutter<br />
ins Oberhessen, genau nach „Trais-Horloff“.<br />
Ein Dörfchen, was wohl kaum bekannt ist. Wir<br />
machten uns erst gegen Abend auf den Weg in Richtung<br />
Gießen, da ich noch in der Lehre war und auch meine<br />
Mutter bis abends arbeiten musste.<br />
Die Geschenke waren bescheiden, aber liebevoll<br />
verpackt. Man hatte sich Gedanken gemacht, denn in<br />
dieser Zeit schenkte man sich meistens Praktisches.<br />
Die Freude war groß, denn wir wussten, dass uns Oma<br />
sehnlichst erwartete! Es gab bestimmt wieder ihren<br />
hessischen Kartoffelsalat mit Öl – Essig – Speck und<br />
dazu Würstchen. In Gießen mussten wir umsteigen in<br />
den Zug Richtung Gelnhausen. Auf dem Eingleis tuckerte<br />
der Bummelzug seinem Ziel entgegen. Endstation<br />
war „Nidda im Wetteraukreis“. Dazwischen lagen<br />
eine Handvoll Dörfer, so auch „Trais-Horloff“. Da wir<br />
beide schon sehr müde waren, sind wir auch prompt<br />
eingenickt und durch das eintönige Bahngeräusch fest<br />
eingeschlafen.<br />
So spät waren am „Heiligabend“ kaum noch Fahrgäste<br />
unterwegs oder sie waren schon nach und nach<br />
ausgestiegen. Plötzlich wurde einer von uns beiden<br />
hellwach und weckte den anderen geschockt auf. Der<br />
Zug hatte schon längst die Endstation erreicht, und wir<br />
saßen alleine im dunklen und eiskalten Abteil. Draußen<br />
ein unbeleuchteter Bahnhof in einer einsamen Schneelandschaft.<br />
Was nun? Weit und breit keine Menschenseele,<br />
kein Taxistand.<br />
Wir stapften durch den hohen Schnee, und es<br />
schneite auch immer weiter so stark, wie man es sich<br />
an Weihnachten eigentlich wünscht!<br />
Durch die Fenster der kleinen Fachwerkhäuser<br />
leuchteten die Weihnachtsbäume und hier und da klangen<br />
festliche Gesänge durch die winterlichen Gassen.<br />
Ratlos suchten wir eine Lösung. Da entdeckten wir eine<br />
Telefonzelle und meiner Mutter fiel spontan ein, dass<br />
ein früherer Bekannter hier wohnen musste.<br />
Im Telefonbuch fanden wir tatsächlich seine Anschrift.<br />
Fast zwanzig Jahre waren vergangen, und dieser<br />
Mann hatte längst eine Familie! Aber wir waren in<br />
Not, und kein Taxi war erreichbar. Mit Überwindung<br />
und Mut entschloss sich meine Mutter dort anzurufen.<br />
Prompt meldete sich eine Frau, die nach kurzem Gespräch<br />
ihren Mann zum Telefon rief. Er erkannte sofort<br />
unsere Situation, kam und fuhr uns mit seinem Wagen<br />
auf der verschneiten Landstraße ca. 25 km nach „Trais-<br />
Horloff“. Ein Engel in Not! Inzwischen war es schon<br />
22.30 Uhr und alles erschien uns wie ein Weihnachtsmärchen!<br />
Wir waren angekommen und mussten an der Haustüre<br />
klopfen, bis unsere Oma, die inzwischen längst<br />
enttäuscht in ihrem Bett lag, öffnete. Sie hatte doch auf<br />
den letzten Zug gewartet und bestimmt ein paar Tränen<br />
geweint, als wir nicht mitgekommen waren.<br />
Umso größer war nun unsere Weihnachtsfreude!<br />
(wahre Begebenheit)<br />
Helga Düringer<br />
Novembersonnenstrahl<br />
von Inge Göbel<br />
Gestern alles grau und trübe,<br />
matschig, regnerisch und kalt.<br />
Heute steht auf einmal golden<br />
Sonnenstrahl hoch überm Wald.<br />
Herrlich, herrlich, dich begrüß ich,<br />
hat´s im Sommer auch von dir<br />
tausend Sonnenstrahl´n gegeben,<br />
dieser hier gehört nur mir.<br />
Dieser hier soll mich begleiten<br />
durch die dunklen Tage heut,<br />
soll mir meine Wege zeigen,<br />
bis der Frühling mich erfreut.<br />
Weihnachtszeit<br />
von Helga Düringer<br />
Ein Teddybär sitzt schon bereit,<br />
die Puppe trägt ein neues Kleid,<br />
geheimnisvolles Flügelschwingen,<br />
von Ferne hört man Engel singen.<br />
Leise fallen weiße Flocken,<br />
die Stadt erstrahlt im Festtagskleid<br />
und die Weihnachtsmärkte locken<br />
mit Geschenken weit und breit!<br />
Ein Weihnachtsglöckchen in der Nacht,<br />
klingt ganz zart, klingt ganz sacht,<br />
es stimmt uns ein – drum seid bereit,<br />
zu spüren, es ist Weihnachtszeit!<br />
18 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Heiligabend in der Familie<br />
Opas vier verheiratete Kinder und deren Nachwuchs<br />
wohnten in einem Haus. Großfamilie!<br />
Da mein Großvater in unserm Haushalt<br />
lebte, war es selbstverständlich, dass alle seine Kinder<br />
und Enkelkinder zu uns kamen, um an dem Festtag bei<br />
ihm zu sein.<br />
Die Zeit bis zur Bescherung verbrachten wir Kinder<br />
in Opas Zimmer. Opa spielte, wie an vielen anderen<br />
Tagen, auch dann mit uns. Doch wir fanden alle Spiele<br />
langweilig, waren viel zu viel abgelenkt mit Horchen.<br />
Denn sobald das Christkind in einer Wohnung fertig<br />
war, läutete es das Weihnachtsglöckchen. Wir wussten<br />
genau, in welcher Wohnung es geklingelt hatte und die<br />
so gerufenen Kinder verschwanden aus Opas Zimmer.<br />
Zuletzt saßen nur immer noch Opa und ich zusammen.<br />
Dann erzählte er mir die Weihnachtsgeschichte. Opa<br />
konnte prima erzählen und ich hörte ihm auch sonst<br />
gern zu.<br />
Endlich, es kam mir vor wie eine Ewigkeit, klingelte<br />
auch unser Weihnachtsglöckchen und bei dem Lied<br />
„Stille Nacht, Heilige Nacht“ öffnete sich die Tür zum<br />
Wohnzimmer und der Lichterbaum strahlte mir entgegen.<br />
Zu den Geschenken durfte ich jedoch erst, nachdem<br />
alle drei Strophen des Liedes gesungen waren. Ich<br />
sang nicht besonders andächtig.<br />
Es gab damals nicht so viel auszupacken, aber die<br />
Aufregung war bestimmt genauso groß wie heute.<br />
Nach dem Festessen warteten meine Eltern, Opa und<br />
ich auf die anderen Familienmitglieder. Sie trafen auch<br />
bald ein, denn sie wollten auch bei ihrem Vater bzw.<br />
Großvater sein. Die Erwachsenen brachten Stühle mit,<br />
da sie ja wussten, dass unsere für alle nicht reichten.<br />
Die Kinder hatten ihre Geschenke dabei und<br />
führten stolz ihre neuen Schätze vor. Zuerst war auch<br />
alles friedlich, aber Kinder tauschen gern, wollen<br />
manchmal das „fremde“ Spielzeug unbedingt haben.<br />
Trotz des weihnachtlichen guten Willens wurde die<br />
Stimmung dadurch gereizt.<br />
Opa kannte uns gut, rief meistens mich zu sich, legte<br />
den Arm um meine Schulter und fing an zu singen. Ich<br />
drückte dann meine Puppe in ihrem neuen Kleid fest an<br />
mich und half ihm. Die anderen Kinder kamen nach und<br />
nach zu uns und sangen mit. Bald spielte Onkel Heini<br />
auf seiner Mundharmonika und Vetter Willi begleitete<br />
ihn auf einem Kamm mit Silberpapier. Zuerst hörten<br />
die Erwachsenen zu, doch dann sangen sie auch.<br />
Mein Vater dirigierte. Er wünschte, dass sich Alt<br />
und Sopran auf die rechte Seite und Bass und Tenor<br />
auf die linke Seite setzten. Bereitwillig tauschten alle<br />
die Plätze.<br />
Wie in jedem Jahr begann auch diesmal das „Chorkonzert“<br />
mit „Oh Tannenbaum“. Danach kam vom<br />
Himmel hoch der Engel geschwebt und noch etwas später<br />
rieselte leise der Schnee in unserem Wohnzimmer.<br />
Es ging uns gut. Auch Tante Meta, obwohl sie nicht mitsang,<br />
sondern immer nur redete, gegen unseren Gesang<br />
anredete. Eigenartigerweise hörte ihr trotz des Singens<br />
immer jemand zu, lächelte sie an oder nickte zustimmend.<br />
Hätte sie niemand beachtet, wäre sie bestimmt<br />
gegangen und die beiden Cousinen und der Onkel mit<br />
ihr und das wollten alle nicht. Also nahmen wir die<br />
immer laut und gegen unser Singen anredende Tante in<br />
Kauf und ich hoffte jedesmal, dass sie Halsschmerzen<br />
von ihrem Geschrei bekäme.<br />
Wenn unser Repertoire an Weihnachtsliedern erschöpft<br />
war, sangen wir Wanderlieder. Feierlich war<br />
es jetzt nicht mehr, aber gemütlich.<br />
Tannennadeln, die ab und zu in die Kerzenflammen<br />
geworfen wurden, sorgten für Knistern, Flackern und<br />
den kräftigen würzigen Duft.<br />
Die Krippenfiguren schienen sich auch nach wie vor<br />
unter unserem Tannenbaum wohlzufühlen.<br />
Als die große Standuhr die halbe Stunde vor Mitternacht<br />
anzeigte, leerte sich unser Weihnachtszimmer<br />
im Nu. Kurze Zeit später trafen wir uns alle, eingemummelt<br />
gegen die Kälte, draußen vor der Haustür und<br />
gingen zusammen zur Christmette. <br />
Wilma Frohne<br />
Foto: Agnmes Spar<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 19
Weihnachten<br />
Weihnachtsgedanken<br />
von Gottfried Klör und Horst Mahle<br />
Ist so Weihnachten?<br />
Für viele ein vom Kommerz vereinnahmter Brauch nach dem Motto mit<br />
Geld geht alles, ein paar freie Tage, eine wohlverdiente Urlaubsreise,<br />
gutes Essen, eine Gelegenheit sich lang ersehnte Wünsche zu erfüllen<br />
oder erfüllen zu lassen.<br />
Aber auch oder noch mehr ein Tag der Besinnung und Freude. Wenn ein<br />
kleines Mädchen sich über eine Puppe freut, oder der Großvater die lange<br />
ersehnten Kinder und Enkelkinder wiedersieht. Der Trompeter, der an<br />
Weihnachten mit seiner Musik die Menschen erfreut. Die Kerzen, die uns<br />
schon in der Adventszeit mit Ihrem flackernden Licht zur Ruhe ermahnt<br />
haben. Der Schneemann vor der Tür, der uns die Vergänglichkeit zeigt.<br />
Wenn es draußen wieder kälter und<br />
drinnen immer gemütlicher wird, dann<br />
steht Weihnachten vor der Tür. Das<br />
schillerndste Fest des Jahres zieht viele<br />
Menschen in seinen Bann und es hat in<br />
unserer Zeit viele Facetten. Die biblische<br />
Geschichte erzählt, dass sich Josph und<br />
Maria auf die beschwerliche Reise nach<br />
Bethlehem begeben und nicht gewusst<br />
haben, wo sie Unterkunft für sich und<br />
das zu gebärende Kind finden sollten.<br />
So wird der Retter der Welt in einem<br />
Stall geboren.<br />
Weihnachten ist ein christliches Fest,<br />
aber auch ein Fest der Familie und für<br />
die Familie. Die Kinder freuen sich auf<br />
Kerzenschein, den Weihnachtsbaum<br />
und die Geschenke. Für Oma oder Opa<br />
ist es eine Freude, die lange ersehnten<br />
Kinder und Enkelkinder wiederzusehen.<br />
Heutzutage verreisen immer mehr<br />
Menschen zur Weihnachtszeit, um dem<br />
Alltagsstress zu entfliehen und zu relaxen.<br />
Unterkunft und Versorgung?<br />
Längst gebucht im Vier-Sterne Hotel auf<br />
den Kanaren oder sogar in der Südsee.<br />
Aber was hat man aus Weihnachten<br />
gemacht? Spekulatius und Dominosteine<br />
stehen bereits ab September in<br />
den Regalen der Supermärkte, die Werbung<br />
sagt uns, was wir angeblich noch<br />
alles brauchen, um glücklich zu sein.<br />
Alles dreht sich ums Geld, ums Kaufen<br />
und Geschenke.<br />
Hier noch eine Vereinsadventsveranstaltung,<br />
dort eine Firmenweihnachtsfeier.<br />
Hektik und Kommerz soweit man<br />
sieht.<br />
Das alles zeigt unser – auf den ersten<br />
Blick befremdliches – Bild. Vielleicht<br />
regt es ein wenig zum Nachdenken an.<br />
So wünschen wir allen<br />
durchblick-Leserinnen und<br />
-Lesern ein besinnliches<br />
Fest der Freude und<br />
ein möglichst unbeschwertes<br />
Jahr 2011.<br />
20 durchblick 4/<strong>2010</strong><br />
Foto/Collage: Gottfried Klör
Weihnachten<br />
Min Hot es net min Hot<br />
orrer ferweaselt bim Gressdachskaffe<br />
E<br />
ch woar en dr‘ Gressdachszitt engelare fa de Froue<br />
fam Sealbicher katholische Kierchegrais uss zom<br />
Seniorndreffe.<br />
Wann ech no wohin well, main ech emmer – wi fast<br />
all Froue – ech messde e bessje wat foar<br />
mech do. Derwäje hadde ech mr‘ da och<br />
dr‘ Kobb gewäsche. Domet de Fri’suer net<br />
so duerjenanner kemmt, dochde ech m’r,<br />
setzt de net de Metsche of, nemmsde ho<br />
nommo din ale schwarze Hot, häsden och<br />
schoa lang neme ofgehat, on dusse woaret<br />
jo och kalt!<br />
Als ech a’kom, heng ech min Jacke on<br />
d’r Hot a’nen Hoach. De katholische Froue<br />
woarn noch en d’r Messe, on zom Kaffe<br />
drenke kom da d’r Pasdo’ar och met. Hä<br />
konn awer net de ganze Nommedach bliewe,<br />
„Hä hädde noch fel ze do“, wi hä säde.<br />
A däm Nommedach wuer gesonge,<br />
foargeläse on e bessje Dreja’der geschbelt.<br />
Dofoar bruchde en Ma no en<br />
schwarze Hot. „Fa mier uss ka hä dr‘<br />
minne nämme“, säde ech. On da kom<br />
dä Ma merrem schwarze Hot om Kobb. Dat es net min<br />
Hot, dochde ech, dä hät jo en Hearrn-Hot of, dä br’uch<br />
d’r minne jo garnet.<br />
Ech gräjet so schwinn net of de Räjj. Hennerhear heng<br />
och dusse nuer ain Hot. Dä Ma sälwer hadde kän. Ech säde:<br />
„Et hängt nuer en Hearrn-Hot am Hoach, dat es net dr‘ min-<br />
ne. Min Hot es ferduscht woarn!“ Usser d’m Pasdo’ar noch<br />
woar awer och sost kän Ma me dogewäse.<br />
No woar ech abselot net dr‘fa afzebrenge –<br />
dr‘ Pasdoar‘ hadde min Hot, on äm de sinne<br />
heng am Hoach.<br />
Ech gob aifach kän Roj. Da wuer da<br />
dr‘ Pasdoar‘ agerofe. Dr‘earscht woare net<br />
d‘rhaim; doch hennerhear schdallde sech<br />
russ, hä hadde ga kän Hot ofgehat. Merrem<br />
bedribbelde Gesechde geng ech nohaim, en<br />
Hot om Kobb, dä garnet d’r minne woar.<br />
So dochde ech.<br />
D’rhaim kom d’r Hot werrer of so en<br />
Koggel oawe am Glärerschdänner bim Fesder.<br />
Det Lecht schean droff on bi mier geng<br />
da och e Lecht of. Dat woar doch min Hot!<br />
D’r sälwe „Schdaub“ log noch droff, wi,<br />
Foto: Gerda Greis<br />
befoar ech d’r Hot do of.<br />
Min Nochbersch mainde d’rzo: „Mach<br />
doch dat Band met däm Schlobb ab on bejjel<br />
dr‘ dn ‘Kneff russ!“ – Itz es niks me dra. Min Hot sit<br />
neme uss wie‘ Hot fa nem Ma. <br />
Gerda Greis<br />
Zum neuen Jahr<br />
von Helga Düringer<br />
Zeitspiele<br />
Zeit kannst du schenken,<br />
ohne Bedenken.<br />
Zeit kannst du geben<br />
und in ihr leben.<br />
Zeit kannst du teilen,<br />
in ihr verweilen,<br />
Zeit kannst du haben,<br />
dich an ihr laben.<br />
Zeit kannst du messen<br />
und auch vergessen,<br />
Zeit kannst du dosieren<br />
oder verlieren.<br />
Zeit kannst du trennen<br />
oder auch nennen.<br />
Zeit kannst du greifen,<br />
um in ihr zu reifen.<br />
Zeit kannst du kürzen,<br />
um sie zu würzen,<br />
Zeit kann beginnen<br />
und auch zerrinnen.<br />
Zeit kannst du finden<br />
und überwinden,<br />
Zeit kannst du sparen<br />
und sie erfahren.<br />
Zeit kannst du stehlen<br />
und sie befehlen,<br />
Zeit kannst du planen<br />
und sie erahnen.<br />
Zeit kannst du sagen<br />
in Wochen und Tagen,<br />
Zeit kann dich treiben,<br />
nicht länger zu bleiben.<br />
Zeit kann heilen<br />
und dich ereilen,<br />
Zeit lässt dich hoffen,<br />
alles ist offen.<br />
Zeit kann zerrinnen<br />
oder beginnen,<br />
Zeit kann enden<br />
und alles wenden.<br />
Jahreswechsel<br />
Wieder neigt es sich, das Jahr,<br />
mit seinen Freud und Tücken,<br />
nichts ist mehr wie's im „Alten“ war,<br />
ein „Neues“ soll nun glücken!<br />
Gesundheit ist das höchste Gut,<br />
was man sich wünschen kann,<br />
drum geht das neue Jahr<br />
mit Mut und bestem Willen an!<br />
Fangt es an mit Zuversicht<br />
und denkt auch stets daran,<br />
dass manches schwere Schicksal,<br />
sich zum Guten wenden kann!<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 21
Hilfe für Indien<br />
Marcus Brungs sammelt Hörgeräte<br />
E<br />
igentlich war ihm gar nicht wohl, als ihn ein ehemaliger<br />
Ausbildungskollege aus Schwerte fragte, ob er<br />
nicht mal einige Tage, abseits aller Touristenströme<br />
in Indien verbringen wolle? Nicht um Urlaub zu machen<br />
wohlgemerkt, sondern um den ärmsten Bedürftigen einer<br />
dortigen Region Hörgeräte anzupassen. Mit von der Partie<br />
sollten ein weiterer Hörgeräteakustiker und ein Ohrenarzt sein.<br />
Marcus Brungs bat sich Bedenkzeit aus, besprach sein Vorhaben<br />
mit Familie und Mitarbeitern, und entschied sich schnell!<br />
Am 26. März <strong>2010</strong> ging es dann<br />
los, von Düsseldorf mit dem Flugzeug<br />
über Dubai bis Kochi. Nach 14<br />
Stunden Flugzeit, dann noch weiteren<br />
vier Stunden („gefühlte 8 Stunden“<br />
so Marcus Brungs) mit dem Bus zum<br />
Zielort, dem Krankenhaus in Adimali,<br />
einem kleinen Ort im Südwesten<br />
Indiens. Der Empfang war überwältigend,<br />
eine Begrüßungsfeier durch<br />
Ankündigung der<br />
den dortigen Bürgermeister konnte<br />
Hilfsmaßnahme<br />
gerade noch abgewendet werden.<br />
Man hatte ja nur 10 Tage Zeit für seine<br />
neuen Patienten, und die warteten schon geduldig auf ihre<br />
Behandlung. Aus einem Umkreis von ca. 300 km kamen hörgeschädigte,<br />
vorwiegend Kinder und Jugendliche, mit ihren<br />
Eltern in die Klinik. Das Personal des Krankenhauses freute<br />
sich auf die Hilfe des deutschen Teams.<br />
Noch am Ankunftstag wurden die Behandlungsräume<br />
eingerichtet, um am nächsten Morgen sofort richtig loslegen<br />
zu können! Über 30 Patienten<br />
wurden in 12 Stunden<br />
untersucht, Hörgeräte für sie<br />
ausgewählt, Ohrstücke angepasst<br />
und die individuell eingemessenen<br />
Hörgeräte aufgesetzt.<br />
Obwohl die kostenlosen<br />
Behandlungen durch das deutsche<br />
Team den einheimischen<br />
Ärzten und Krankenschwestern<br />
ihren Verdienst nahm, haben<br />
sie vorbildlich die Arbeit<br />
der Gäste unterstützt. Während<br />
der gesamten Zeit war der indische<br />
HNO-Arzt in die Behandlungen<br />
eingebunden, ständig<br />
waren mehrere Schwestern<br />
und Schwesternschülerinnen<br />
hilfreich zugegen. Großes Ziel<br />
war ja auch, die einheimischen<br />
medizinischen Kräfte für die<br />
Marcus Brungs passt gespendete<br />
Hörgeräte an.<br />
Gesellschaft<br />
Weiterbehandlung<br />
der Patienten fit zu<br />
machen.<br />
Die Kosten für<br />
Flug und Unterkunft<br />
musste jeder<br />
Helfer selbst<br />
tragen. „Dafür<br />
werden von dem<br />
Organisationsverein<br />
‚Hilfe für<br />
4 Fotos: Marcus Brungs<br />
Die Weiterbehandlung der<br />
Patienten muss gewährleistet sein.<br />
Adimali‘ keine<br />
Spendengelder<br />
eingesetzt, die sind<br />
ausschließlich für Medikamente und Hilfsmittel!“ so Marcus<br />
Brungs und trotzdem: „Wenn nichts dazwischen kommt,<br />
werde ich im Herbst 2011 wieder fahren!“ Im Gespräch mit<br />
dem durchblick ist sehr deutlich geworden, dass der Hilfseinsatz<br />
zwar ehrenamtlich, aber nicht selbstlos war! Marcus<br />
Brungs spricht immer wieder davon, welch reiche Erfahrung<br />
der Einsatz in Indien ihm ganz persönlich gebracht hat!<br />
Heute schon sammelt Brungs Hörgeräte und entsprechendes<br />
Zubehör für seinen nächsten Aufenthalt in Adimali.<br />
Geld braucht er nicht, Flug und Unterkunft finanziert er, wie<br />
alle anderen Teilnehmer auch, wieder selbst. Möchte jemand<br />
aber Geld spenden, nimmt das die zuständige Hilfsorganisation<br />
„Hilfe für Adimali“ gerne an. Kontakt findet man im Internet<br />
unter: www.adimali-help.com.. Informationen senden<br />
wir Ihnen auf Anfrage aber auch gerne zu. Eugen Werner<br />
In seinen Werkstätten in Siegen und Kreuztal werden die<br />
gespendeten Geräte für den nächsten Einsatz vorbereitet.<br />
22 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Buchbesprechung<br />
Die Taube<br />
Ich las Patrick Süskind 1985, als sein Roman „Das Parfum“<br />
veröffentlicht wurde, ein Buch das Furore machte<br />
und seinem Autor zum internationalen Durchbruch verhalf.<br />
In dieser Erzählung bedient er sich sowohl bei der<br />
schwarzen Romantik als auch bei dem Motiv-Kreis aus<br />
„Die Schöne und das Biest“, Nietzsches Einfluss ist ebenfalls<br />
unverkennbar.<br />
Mit dem Protagonisten in „Der Kontrabaß“, herausgegeben<br />
1984, hat er sich nach eigenen Angaben selbst ein<br />
Denkmal gesetzt. Auch er verbringt Zeiten seines Lebens<br />
in immer kleiner werdenden Zimmern, die zu verlassen ihm<br />
von Tag zu Tag schwerer fällt. Er wird sicherlich nicht enttäuscht<br />
in der Hoffnung, eines Tages einen Raum zu finden,<br />
der so klein ist und ihn so eng umschließt, dass er sich beim<br />
Verlassen selbst mitnimmt.<br />
Sein Roman „Die Taube“ hat mich überrascht. Ob er<br />
darin autobiografische Spuren hinterlässt, möge der Leser<br />
selbst entscheiden. Es bedarf vielleicht des Hinweises,<br />
dass Patrick Süskind, geboren 1949, zugespitzt formuliert,<br />
ein scheues Ich zu pflegen scheint. Als sensibler exzentrischer<br />
Mensch lebt er heute zurückgezogen in München<br />
und Paris. Er ist jeglichem Interview abhold und stellt<br />
sich keinem Kameraauge, er hat sogar den Literaturpreis<br />
abgelehnt.<br />
Die erstaunliche, zuerst gar etwas befremdlich anmutende<br />
Erzählung erschien 1987. Sie besticht durch wunderbare<br />
Poesie, ist atmosphärisch dicht gesponnen und psychologisch<br />
raffiniert unterfüttert. Sie ist sprachlich fein orchestriert<br />
und brillant formuliert, stellt ein verschwundenes verarmtes<br />
Leben in großer innerer Dramatik dar.<br />
Jonathan Noel ist die zentrale Figur in diesem Roman.<br />
Zwei weitere bemerkenswerte Charaktere treten auf, auch<br />
wenn ich sie nur kurz streife, welche da sind: Madame Rocard,<br />
die Concierge und ein namenloser Clochard. Jonathan<br />
Noel ist absoluter Minimalist, nimmt sich vom Leben<br />
mit all seinen Facetten nur das Allernötigste. Vielleicht ist<br />
so ein Leben leichter, die Bürde geringer, wenn man nur<br />
Zaungast ist. Kaum Kontakt zur Umwelt erspart einem<br />
das Gefangensein in seinen eigenen Befindlichkeiten. Er<br />
ist dennoch kein Lebensverweigerer, bis zu dem surrealen<br />
fast absurden Ereignis, welches den fatalistischen Ablauf<br />
seines Daseins in Frage stellt. Es ist die Konfrontation<br />
mit einer Taube, die für ihn fast zur Apokalypse wird.<br />
(das erinnert an Hitchcocks „Die Vögel“) Eine Taube,<br />
mag man einwerfen, Symbol des Friedens, für ein vereinsamtes<br />
überspanntes Gehirn, eine Ausgeburt der Hölle.<br />
Man kennt die Angst vieler Menschen vor Spinnen und<br />
Mäusen. Ich selbst bin der Auflösung nahe, wenn sich<br />
eine Schnecke durch das Metallgitter vor meinem Badezimmerfenster<br />
gequetscht hat und mir nun in der Dusche<br />
begegnet. Doch die Taube steht nur als Metapher für jedwedes,<br />
von außen kommendes Ereignis<br />
Ereignisreich waren bis jetzt nur seine Kindheit und Jugend.<br />
Wir begegnen ihm an einem Sommertag in Charenton<br />
1942, als er vom Angeln nach Hause kommt. Es hat ein Gewitter<br />
gegeben und es regnet. Auf dem Heimweg zieht er<br />
die Schuhe aus und läuft barfuß auf dem nassen Asphalt. Er<br />
patscht mit unwahrscheinlichem Vergnügen durch die Pfützen.<br />
Als er das Haus betritt, ist die Mutter nicht mehr da, auch<br />
der Vater verschwindet kurze Zeit später, deportiert. <br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 23
Buchbesprechung<br />
Ein Onkel hält ihn und seine Schwester auf einem Bauernhof<br />
in Puget bis zum Ende des Krieges versteckt. Danach<br />
arbeiten sie auf den Gemüsefeldern. Ihm gefällt diese Tätigkeit.<br />
Jedoch der Onkel besteht darauf, dass er sich zum<br />
Militärdienst meldet. Als er 1954 aus dem Lazarett zurückkehrt,<br />
ist seine Schwester nach Kanada ausgewandert. Der<br />
Onkel sucht für ihn eine Frau aus, die vier Monate später<br />
einem Knaben das Leben schenkt und kurz darauf mit einem<br />
tunesischen Obsthändler aus Marseille durchbrennt. Jonathan<br />
wird zum Gespött der Dorfbewohner. Er kommt zu dem<br />
Schluss, dass auf Menschen kein Verlass ist und trifft zum<br />
ersten Mal in seinem Leben selbst eine Entscheidung. Wir<br />
begleiten diese flüchtige Existenz nach Paris, wohin er nur<br />
sich selbst, seine Ersparnisse und einen Koffer mitnimmt.<br />
Er findet Arbeit als Wachmann bei einer Bank und eine<br />
bescheidene Bleibe in einem Mietshaus. Das Zimmer bietet<br />
ein Bett, einen Tisch, einen Stuhl, eine nackte Glühbirne<br />
und einen Kleiderhaken. In dem einzigen Waschbecken neben<br />
der Gemeinschaftstoilette auf dem Flur waschen alle<br />
Bewohner des Dachgeschosses ihre Socken, ihr Geschirr<br />
und sich selbst. Die sichere Bleibe streichelt seine Seele. So<br />
lebt er, glücklich und zufrieden, jahraus, jahrein, Jahrzehnt<br />
um Jahrzehnt. Seine Behausung verwandelt sich mit der<br />
Zeit in eine Luxuskabine, ausgestattet mit einem Teppich,<br />
einem neuen Bett, einer eigenen Koch- und Waschnische,<br />
mit Radio, Fernseher und einem Kühlschrank. Sie bleibt für<br />
ihn der innere Halt, ja, seine Geliebte, da sie ihn abends<br />
zärtlich umfängt. Er beschließt, sie käuflich zu erwerben.<br />
Das ist seine Situation bis zu einem Freitagmorgen im<br />
Jahre 1984. Ein einziges Mal, und zwar vor 25 Jahren, ist er<br />
auf seinem morgendlichen Gang zur Toilette einem Mitbewohner<br />
begegnet. Das war ihm schon peinlich. Und nun, an<br />
besagtem Morgen hält das Schicksal Schlimmeres für ihn<br />
bereit. Er hat das Bein schon gehoben, um den ersten Schritt<br />
vor seine Zimmertür zu setzen. Da sieht er sie. Im blassen<br />
Widerschein des Morgenlichtes hockt sie mit roten kralligen<br />
Füßen auf den ochsenblutroten Fliesen des Ganges,<br />
in bleichem glatten Gefieder: Die Taube. Sie glotzt Jonathan<br />
mit ihrem linken Auge an. Dieses Auge, eine kreisrunde<br />
Scheibe, ist fürchterlich anzusehen, ganz nackt, ganz<br />
schamlos, ein Auge ohne Blick. Er ist zu Tode erstaunt,<br />
verharrt wie gelähmt, fürchtet einen Herzinfarkt oder einen<br />
Schlaganfall. Er stürzt ins Zimmer zurück, verkriecht sich<br />
im Bett und harrt der Dinge, die da kommen sollen. Aber<br />
nichts geschieht. Trotzdem findet er sein Los hoffnungslos.<br />
Er faltet in seiner Not die Hände zum Gebet.<br />
Es krächzt und schreit in seinem Kopf. Er ruft sich<br />
ins Gedächtnis, dass er Situationen im Indochina-Krieg<br />
gemeistert hat. Das Verlassen des Raumes könnte er sich<br />
ja vielleicht noch vorstellen, aber die Rückkehr in denselben<br />
keinesfalls. Er entwirft einen Notfallplan, packt das<br />
Nötigste in einen Pappkoffer, nimmt sogar seine Preziosen<br />
mit, einen schmalen Armreif seiner Mutter, einen silbernen<br />
Kugelschreiber, Weihnachtsgeschenk seiner Firma, und das<br />
Transistorradio. Er wird im Hotel übernachten. Der Gedanke<br />
an einen möglichen Kontakt mit der Taube lässt ihn<br />
schaudern und zwingt ihn dazu dicke Handschuhe, Winterstiefel<br />
und den Wintermantel anzuziehen. Der Auszug<br />
gelingt. Die Taube sitzt abseits in einer Ecke. Er stürmt<br />
durch das Treppenhaus. Das nächste Hindernis türmt sich<br />
vor ihm auf in Gestalt von Madame Rocard, der Concierge.<br />
Diesem Zerberus* entkommt er nicht so ohne Weiteres. In<br />
weiser Voraussicht hat er sich der winterlichen Kleidung<br />
schon entledigt und schafft es sogar ihr zu berichten, dass<br />
ein Bewohner im sechsten Stock das Fenster aufgelassen<br />
und somit der Taube Einlass ermöglicht hat.<br />
Seine Tätigkeit als Wachmann besteht darin, gemeinsam<br />
mit Monsieur Vilman die Alarmanlage<br />
auszuschalten und dann<br />
die Angestellten einzulassen.<br />
Danach bezieht er auf den Marmorstufen<br />
vor dem Hauptportal<br />
seinen Posten. Die einzige Unterbrechung:<br />
Zweimal am Tag muss<br />
er für den Direktor das Stahlgitter<br />
im Hinterhof aufschieben.<br />
An diesem speziellen Tag ist<br />
er unkonzentriert, das Stehen<br />
strengt ihn an und das kurze Hupen<br />
der Limousine des Direktors<br />
dringt nicht in sein Bewusstsein.<br />
Er ist verzweifelt und in Schweiß<br />
gebadet ob seiner Verfehlung. Er<br />
muss sich, zum ersten Mal in seiner<br />
dreißigjährigen Tätigkeit, an<br />
eine Säule anlehnen und schämt<br />
sich. In der Mittagspause trifft<br />
er auf den Clochard, der sich<br />
24 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Buchbesprechung<br />
schon ebenso lange in dem Viertel herumtreibt wie Jonathan<br />
selbst. Er ist ein Störfaktor. Als er ihn zum ersten Mal<br />
wahrnahm, beneidete er ihn um seine Freiheit und Unbekümmertheit,<br />
bis zu dem Tag, an dem er sah, wie dieser<br />
in aller Öffentlichkeit seine Notdurft verrichten musste.<br />
Ekelerregend. Von Stund an war in Jonathans Seele jedes<br />
Gefühl von Neid erloschen. Für ihn konkretisiert sich die<br />
menschliche Freiheit im Besitz einer Etagentoilette. Wie<br />
war es nur möglich, dass dieser verwilderte Mensch nach<br />
50 Jahren noch lebte und er selbst, der immer strebend sich<br />
bemüht, in eine Krise gestürzt war, die seinen fein ausgetüftelten<br />
Lebensplan erschütterte. Er hat Angst. So enden<br />
zu müssen, wie der verlotterte Mensch auf dieser Bank. Zu<br />
allem Unglück reißt er sich an einem Nagel auch noch ein<br />
Loch in die Hose, und nun bricht die Welt endgültig über<br />
ihm zusammen. Er findet den Weg zu einer Schneiderin, die<br />
seine Bedürftigkeit aber erst in ein paar Wochen befriedigen<br />
kann. So klebt er den Riss mit Tesafilm zu. Wieder auf<br />
Posten, kommt er sich wie ein verkrüppelter Wachtmeister<br />
vor, der irgendwie immer versuchen muss, seine Blöße zu<br />
verdecken. Er hätte aus der Haut fahren können, denn sie<br />
juckte ihn am ganzen Körper. Er leidet, das Wasser tropft<br />
aus den Nackenhaaren und er entwickelt einen Hass auf die<br />
ganze Welt. Er hätte sie in Schutt und Asche legen mögen<br />
wegen eines Loches in seiner Hose. Jedoch die Macht, die<br />
ihm seine Waffe gibt, lähmt ihn gleichzeitig. Er ist kein<br />
Täter, er ist ein Dulder. Er fühlt sich um zwanzig Jahre<br />
gealtert, würde hier zu Staub zerbröseln und vom Wind<br />
weggefegt werden, nicht enden als respektabler Rentner.<br />
Er wünscht sich, dass es sofort geschehen möge. Der letzte<br />
eigene Impuls lässt ihn die Stufen nehmen, um dem Direktor<br />
das Tor zu öffnen, dann erlischt sein Blick, er fühlt sich<br />
gefangen im riesigen Gebäude einer viel zu komplizierten<br />
Menschenmaschine.<br />
Er reiht sich in den Strom der Passanten ein. Gehen beschwichtigt<br />
ihn, lässt die Seele wachsen und sich weiten.<br />
Er marschiert lange. Es ist Abend geworden und ganz still<br />
in Paris. Die Stadt speist. Er kauft eine Dose Ölsardinen,<br />
einen kleinen Ziegenkäse, eine Birne, eine Flasche Rotwein<br />
und ein arabisches Brot. Just die Dinge, die er zuletzt den<br />
Clochard speisen sah. Das Hotelzimmer hat den Grundriss<br />
eines Sarges und ist auch nicht viel größer. Trotzdem speist<br />
Jonathan mit großem Appetit und vermeint, noch nie in seinem<br />
Leben so gut gegessen zu haben, auch weil er glaubt,<br />
dass dies seine letzte Mahlzeit sein würde. Er begibt sich<br />
zu Bett. Es ist sehr schwül im Raum. „Morgen bringe ich<br />
mich um“, sagt er, dann schläft er ein.<br />
In der Nacht gibt es ein Gewitter. Dieses nimmt sich Zeit.<br />
Die Stadt zittert unter der lähmenden Spannung. Endlich,<br />
gegen Morgen gibt es einen Knall, die Stadt explodiert. Jonathan<br />
schnellt hoch, der Knall ist ihm als Todesschreck durch<br />
die Glieder gefahren. Danach wird es totenstill. Er hat das<br />
Gefühl, ganz alleine übrig geblieben zu sein. Er krallt sich<br />
an der Matratze fest, um nicht den letzten Halt zu verlieren.<br />
Ein winzig kleiner Lichtschimmer fällt durch die Luke in ein<br />
Zimmer, die Öffnung markiert eine Grenze zwischen innen<br />
und außen. Aber in welchem Zimmer? Es ist nie und nimmer<br />
sein Zimmer. Es ist auch nicht das Zimmer im Hause des Onkels,<br />
nicht das Zimmer im Hause der Eltern. Es ist der Keller<br />
im Hause der Eltern. „Du hast nur geträumt, du seist erwachsen,<br />
seist ein ekelhafter, alter Wachmann in Paris. Draußen ist<br />
Krieg. Du bist verschüttet, vergessen. Warum retten dich die<br />
anderen Menschen nicht? Wo sind sie? Ich kann doch ohne<br />
die anderen Menschen nicht leben.“ Das greise Kind Jonathan<br />
will schreien in seiner Verlassenheit. Plötzlich vernimmt<br />
er ein Geräusch. Es wird stärker. Er erkennt das Rauschen<br />
des Regens. Jetzt fällt der Raum in seine Ordnung zurück. Er<br />
sitzt eine halbe Stunde und lauscht. Dann steht er auf, kleidet<br />
sich an und tritt hinaus ins Freie.<br />
Er geht nach Haus. Die nassen Sohlen prasseln gegen<br />
den Asphalt. Es ist wie barfuß gehen. Am liebsten würde er<br />
Schuhe und Strümpfe ausziehen. Er wechselt die Straßenseite,<br />
um durch die größeren Pfützen zu platschen. Es ist wie<br />
eine Choreografie. Die Loge von Madame Rocard ist noch<br />
verschlossen. Als er den letzten Treppenabsatz erreicht hat,<br />
wird ihm bange wegen der Taube. Er hält inne. Das Morgenlicht<br />
ist wärmer und gelber geworden, der vertraute Duft des<br />
Kaffees aus der Loge von Madame Rocard dringt in seine<br />
Nase. Er hat keine Angst mehr. Der Gang ist vollkommen<br />
leer. Die Taube ist verschwunden. <br />
Erika Krumm<br />
* Zerberus – Dämon der Grube; Höllenhund und Torhüter<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 25
Kunst<br />
„Zeichen, die zu mir gehören“<br />
Prof. Dr. Ursula Blanchebarbe zum 70. Geburtstag von Uwe Pieper<br />
Selbstbildnis aus 1965<br />
vielerlei Hinsicht so anders ist als die<br />
späteren Arbeiten und in die Reihe<br />
der „blauen“ Phase gehört.<br />
Uwe Pieper gehört zum künstlerischen<br />
Leben der Region, er ist<br />
der Primus inter pares der Siegener<br />
Kunstszene, er weiß und hat am<br />
eigenen Leib erfahren, dass künstlerisches<br />
Schaffen härteste Arbeit<br />
bedeutet, um damit nicht nur die materielle<br />
Existenz sichern zu können.<br />
Die von Magdalena Kaiser-Pieper<br />
liebevoll zusammengestellte<br />
Retrospektive macht bei aller Unterschiedlichkeit<br />
in den Werkphasen<br />
eine Tatsache augenfällig: Die mit<br />
zeitgenössischer Kunst verbundene<br />
Vorstellung, das kann mein Kind<br />
auch, kommt bei Uwe Pieper erst<br />
gar auf. Aber wo gehört er hin, wie<br />
sollte man seinen Ort in der Kunstgeschichte<br />
bezeichnen? Aber solche<br />
Fragen erscheinen, gerade erst ausgesprochen,<br />
bereits wieder sinnlos,<br />
schlechthin widersinnig. Denn sie<br />
dienen eigentlich nur dazu, ein Werk<br />
Von der Stadt Siegen wurde der Künstler Uwe Pieper<br />
zu seinem „runden“ Geburtstag mit einer Retrospektive<br />
gewürdigt, die bis zum 21. November im Haus<br />
Oranienstraße, dem Ausstellungsforum des Siegerlandmuseums,<br />
zu sehen war.<br />
Uwe Pieper – siebzig,<br />
Das bedeutet<br />
konkret einen<br />
Überblick über seine jahrzehntelange<br />
künstlerische<br />
Arbeit. Zum ersten Mal<br />
gezeigt wurde eine Auswahl<br />
von Arbeiten aus den<br />
Akademiezeiten in München,<br />
Wien und Paris, die<br />
weit mehr als die handwerklichen<br />
Fähigkeiten<br />
des zukünftigen Malers und<br />
Zeichners erkennen lassen.<br />
Bewusst ausgewählt wurde<br />
auch das Hauptmotiv der<br />
Retrospektive, ein in Paris<br />
entstandenes Selbstbildnis<br />
aus dem Jahre 1965, das in<br />
in irgendeine Schublade zu stecken. Und der Überblick<br />
über das Werk zeigt, es gibt keine. Uwe Pieper in seiner<br />
Gänze ist immer wieder neu zu entdecken, in seiner Eigenart,<br />
seiner Bedeutung.<br />
Es beginnt damit, dass<br />
man Uwe Pieper mit keinem<br />
anderen Maler, nicht<br />
nur hier vor Ort, stilistisch<br />
vergleichen kann. Alle Verwandtschaften<br />
erweisen sich<br />
bei näherer Betrachtung als<br />
vordergründig. Keine der<br />
denkbaren Parallelen berührt<br />
die tieferen Schichten seiner<br />
Werke. Er ist kein Künstler<br />
der Neuen Sachlichkeit, er ist<br />
kein magischer Realist, kein<br />
Neo-Romantiker, kein Vertreter<br />
der Pop-Art und noch<br />
weniger ein Surrealist. Alle<br />
oberflächlichen Berührungspunkte,<br />
die man zur Charakterisierung<br />
heranziehen kann, Ein Lieblingsmotiv Piepers ist<br />
führen den Betrachter nicht Michelangelos David,<br />
weiter, enden<br />
in einer Sackgasse.<br />
Uwe Piepers Bildwelt wurzelt in der Vergangenheit<br />
und zeugt von seiner umfassenden<br />
Kenntnis der Geschichte der Kunst. Ein Lieblingsmotiv<br />
ist Michelangelos David, der um<br />
1500 entstandene, in Natura etwa 5 Meter<br />
hohe Koloss, der Kraft und gerechten Zorn<br />
symbolisieren sollte, Eigenschaften, die während<br />
der Renaissance als besondere Tugenden<br />
galten. Angriffsbereit schaut er nach links, ein<br />
Nachhall des mittelalterlichen Glaubens, dass<br />
die rechte Seite von Gott geschützt wird, während<br />
die linke dem Bösen ausgesetzt ist. Mit<br />
dem Kopf eines Apoll und dem Körper eines<br />
Herkules stellt er eine Apotheose der heldenhaftesten<br />
Eigenschaften aller Heroen dar, eine<br />
übermenschliche Vervollkommnung von<br />
Geist, Körper und Seele in menschlicher Gestalt.<br />
Dieser David ist das Porträt eines Ideals,<br />
für das der biblische David nur ein gängiges<br />
Symbol ist. Aber Uwe Piepers David trägt eine<br />
rote kurze Krawatte, den Schriftzug Coca-<br />
Cola und Armani, auf der anderen Seite ist<br />
4 Fotos: Gottfried Klör<br />
er mit Marlene Dietrich zusammengebracht<br />
– welch eine Zusammenstellung.<br />
26 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Immer wieder taucht auch Laokoon auf, eine für Kaiser<br />
Tiberius geschaffene Kopie nach hellenistischem Vorbild.<br />
Er, der Priester des Apollon in Troja, warnte seine<br />
Landsleute vergeblich vor dem Trojanischen Pferd. Die auf<br />
Seiten der Griechen stehenden Götter schickten ihm zwei<br />
riesige Schlangen, die ihn selbst und seine beiden Söhne<br />
erdrosselten. Für Uwe Pieper wird der nach oben gereckte<br />
Kopf dieser Gestalt zum Inbegriff des Schmerzes. Wahrscheinlich<br />
zählt für den belesenen Künstler auch, dass diese<br />
berühmte Marmorgruppe im 18. Jahrhundert eine Diskussion<br />
über die Unterschiede von Malerei und Dichtung ausgelöst<br />
haben soll.<br />
Zitate der Kunstgeschichte sind Uwe Pieper wichtig. Da<br />
ist Leonardos Mona Lisa – aber auch als Putzfrau, Ingres<br />
Mademoiselle Rivière von 1806, oder der Journalist und<br />
Schriftsteller Max Hermann-Neise, 1925 von George Grosz<br />
im Bild festgehalten. Über ihn, den „Grünen Heinrich“<br />
schreibt Else Lasker-Schüler: „Seine Augen sind grün, sein<br />
Haar ein geschorener Wiesenfleck. Der ist ganz klein, trägt<br />
einen Hügel auf dem Rücken, sodass man ihn erst, wenn<br />
man mit ihm reden will, besteigen muss und es schwieriger<br />
fällt, zu ihm zu gelangen wie zu<br />
Uwe Pieper<br />
1940 geboren in Siegen<br />
1960–1962 München bei Prof. Blocherer<br />
1963–1963 Akademie der Künste in Wien,<br />
Meisterschüler von Prof. Dobrowsky<br />
1964–1965 École Supérieeure Nationale<br />
des Beaux Arts in Paris<br />
1966–1968 Studienaufenthalte in<br />
Spanien (Altea) und Berlin<br />
Gasthörer an der Academia de<br />
Bellas Artes in Valencia<br />
1969 Stipendium am Royal College of Art<br />
in London und Atelier im Abbey Centre<br />
and Museum in New Barnet<br />
Seit 1970 freischaffend in Siegen und Altea<br />
Viele Einzel- und Gruppenausstellungen<br />
Pieper hat heute seinen Lebensmittelpunkt<br />
wieder in Siegen<br />
Menschen, die alltäglich in die<br />
Höhe, manche nach unten aufgeschossen<br />
sind.“<br />
Auch wenn Ausflüge in andere<br />
Kunstepochen nicht ausbleiben,<br />
Uwe Pieper liebt die Renaissance,<br />
die Epoche der Wiedergeburt der<br />
Kunst aus dem Geiste der Antike<br />
und das Fundament für jede weitere<br />
Entwicklungsform europäischer<br />
Kultur. Beide, die Renaissance-<br />
Künstler wie Uwe Pieper beabsichtigen<br />
einen logischen Raum zu<br />
beherrschen, der in jedem Detail<br />
rationell vollendet ist. Außerdem<br />
streben beide nach Ordnung und<br />
Ausgewogenheit durch Vergleich<br />
und Verhältnismäßigkeit.<br />
Aber was haben Kermit, der<br />
hüpfende grüne Frosch, Blechspielzeuge,<br />
der Schriftzug Coca-Cola, Botticellis Venus<br />
mit rotem Rock, Pink Panther, Donald Duck und<br />
andere alltägliche Banalitäten damit zu tun?<br />
Für mich ist Uwe Pieper ein Symbolist ohne Symbole,<br />
denn er bleibt immer darauf bedacht, alles zu<br />
vermeiden, was als bewusst gesetztes Zeichen, als allegorischer<br />
Entwurf oder als Verbildlichung einer Idee<br />
gedeutet werden könnte. Und doch malt er alle zentralen<br />
Einheiten eines Bildes so, als ob ihm eine ungeheure<br />
Bedeutung zukäme. Er malt seine Gegenstände,<br />
so banal sie manchmal auch sein mögen, als wüsste<br />
er um ihre Rätselhaftigkeit und als wolle er diese lösen.<br />
Auch deshalb konfrontiert er uns mit oft absurd<br />
erscheinenden<br />
Kombinationen<br />
gänzlich unterschiedlicher<br />
Motive,<br />
die aber gleichwohl den<br />
Eindruck der Legitimität,<br />
des So-Richtigen<br />
vermitteln. Nirgendwo<br />
kommt Beklemmung<br />
auf, immer scheint der<br />
Schalk im Nacken zu<br />
sitzen. Es vermittelt<br />
sich das Gefühl eines<br />
intuitiven Verstehens,<br />
ohne dass man jedoch<br />
sagen könnte, wie<br />
es dazu kommt und<br />
welchen eigentlichen<br />
Sinngehalt dieses Verstehen<br />
hat. Oft entziehen sich die Bilder, besonders beim<br />
ersten oberflächlichen Betrachten unseren gedanklichen Erklärungsmustern.<br />
Das so offensichtlich Unwahrscheinliche<br />
in den Bildern nimmt uns für sich gefangen.<br />
Ein Symbolismus ohne Symbole – ein Paradoxon.<br />
Und doch liegt hier vielleicht der<br />
Schlüssel zum Werk von Uwe<br />
Pieper. Auch die Symbolisten<br />
des Fin du siècle waren den<br />
Welträtseln auf der Spur. Aber<br />
bei aller Liebe zu esoterischem<br />
Geheimwissen, konnten sie ihre<br />
Symbole rational steuern. Pieper<br />
dagegen lässt die Ratio ganz aus<br />
dem Spiel. Darin ist er eher ein<br />
Nachfolger der Surrealisten. So<br />
entstehen Bilder, die er in der realen<br />
Welt gesehen hat, die dann<br />
durch das Sieb der Erinnerung<br />
gesunken sind und die nun, als<br />
wären ihre Details wie aus einem<br />
Kaleidoskop durcheinandergeschüttelt<br />
worden, wieder sichtbar<br />
werden. Was da aus der Versenkung<br />
auftaucht und wieder ans<br />
Licht drängt, ist eine bunt <br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 27
Kunst<br />
gemischte Bildwelt starker Typen, wie u. a. die Serie der<br />
Objekte im Sieg-Carré heißt.<br />
Ein Symbolist ohne Symbole und eine Klassizist ohne<br />
Klassik – das zweite Paradoxon auf das<br />
man stößt. Uwe Pieper – ein Klassizist,<br />
dem von den Elementen der Klassik -<br />
Geist und Natur, die sich in Harmonie<br />
verbinden, die Natur verloren gegangen<br />
ist. So bekommt die Bildwelt des<br />
Uwe Pieper etwas Unwirkliches, oder<br />
um es mit dem Terminus der Kunstgeschichte<br />
zu beschreiben, etwas Surreales.<br />
Wobei er dadurch keineswegs<br />
zum Surrealisten wird, höchsten zum<br />
Surrealisten wider Willen.<br />
Eigentlich ist Uwe Pieper gar kein<br />
Maler, sondern ein Vertreter der konkreten<br />
Poesie. Wie seine Kollegen<br />
in der Literatur spielt er nämlich mit<br />
Details, lässt den übergreifenden Zusammenhang<br />
außer acht und fördert<br />
so, eine Formulierung von Max Bense<br />
aufgreifend, die „Hirndurchblutung“.<br />
In seinen Bildern spiegelt sich die Welt, sie enthalten das,<br />
was Menschen aufnehmen, was sie erleben und was sie<br />
daraus machen. Sie sind beladen mit Bedeutungen, die<br />
jedoch niemandem aufgezwungen werden, sondern ganz<br />
individuell bleiben. Jeder versteht beim Betrachten ganz<br />
gleich aus welchem Blickwinkel, dass da noch ein Geheimnis<br />
verborgen sein muss, das nur jeder<br />
für sich selbst finden kann. Denn erst<br />
im Betrachter selbst vollendet sich jedes<br />
Kunstwerk.<br />
Uwe Pieper: Ein Symbolist ohne<br />
Symbole, ein Klassizist ohne Klassik<br />
und ein Maler der Vergangenheit, dem<br />
die Vergangenheit abhanden gekommen<br />
ist. In dem Uwe Pieper nach den Visionen<br />
einer vergangenen Epoche greift,<br />
schafft er eine Bildwelt, die für immer<br />
mit seinem Namen verbunden sein wird<br />
– die Bildwelt des Uwe Pieper. Und es<br />
gibt nach wie vor viel zu entdecken.<br />
Wer zu Hause auf Entdeckungsreise gehen<br />
will, dem sei die limitierte Sonderedition<br />
„von A–Z“ ans Herz gelegt, die<br />
Foto: Hartmut Reeh<br />
drei mal dreizehn Musikgeschichten sowie<br />
Kunstgeschichten zeigt, aber auch<br />
starke Typen – eben wie Uwe Pieper,<br />
dem ich zusammen mit seiner Frau für die wunderbare Zusammenarbeit<br />
und die in fast 20 Jahren stetig gewachsene<br />
Freundschaft danken darf. <br />
<br />
28 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Erinnerungen<br />
Das Poesiealbum meiner Mutter<br />
Da liegt es nun vor mir. Schwarz-braun geprägtes<br />
Leder. Auf der gepolsterten Vorderseite in Großbuchstaben<br />
– POESIE – vorsichtig, fast liebevoll<br />
streiche ich darüber. Dann schlage ich die erste Seite auf.<br />
Strenge, steile Buchstaben in Sütterlinschrift springen mir<br />
entgegen. Ein warmherziger Spruch. Zur steten Erinnerung<br />
an deinen dich liebenden Vater, lese ich. Ich sehe ihn vor<br />
mir, meinen Großvater. Als er das schrieb, zitterten seine<br />
Hände noch nicht. Später immer. Ich kannte ihn gar nicht<br />
anders. Bestimmt hat er seine einzige Tochter sehr geliebt.<br />
Er war ein Immerliebender. Auch ich habe noch viel von<br />
seiner Liebe gespürt. Ich blättere weiter. „Beklage nie den<br />
Morgen der Müh und Arbeit gibt, es ist so schön zu sorgen<br />
für Menschen die man liebt.“ In ewiger Liebe Deine Mutter.<br />
Januar 1918. Ja, Müh und Arbeit, zwei Worte welche<br />
die Oma richtig beschrieben. Sie kannte nichts anderes.<br />
Sie arbeitete immer und sorgte für alle. Sie war sich für<br />
nichts zu schade und alles, was sie tat, war für die Ihren.<br />
Sie war gewiss eine gute Mutter, für mich die beste Oma<br />
und für meine Kinder eine liebevolle, stolze Urgroßmutter.<br />
Ich liebte sie sehr. Ich blättere um. Ein lustiger Spruch von<br />
Mutters Onkel Otto. Als er das schrieb, war er noch jung<br />
und lebte zu Hause. Später wurde er ein Weitgereister. Unter<br />
anderem war er in Indien und hat dort beim Aufbau des<br />
großen Stahlwerkes in Rurkela mitgewirkt. Nächste Seite.<br />
Eine eindrucksvolle Schrift. Groß, aufwendig, genau. Genau<br />
wie sie selbst. Tante Martha. Unverheiratet. Sie war<br />
Verkäuferin im Schreibwarengeschäft Louis Thomas in der<br />
Kölner Straße. Wie gesagt, sie war groß, schlank, immer gut<br />
gekleidet. Ihre Sprache war gewählt. Mir kam sie immer<br />
etwas gestelzt vor. Nicht nur ihre Sprache, nein, die ganze<br />
Frau. Ihr Spruch im Album ermahnte an Arbeitsamkeit und<br />
Sparsamkeit. Es passte zu ihr. Nächstes Blatt. Fast die gleiche<br />
Schrift. Tante Hedwig, Schwester von Martha. Sie hatte<br />
eine gute Partie gemacht. Reich geheiratet. Sie gönnte sich<br />
was, und so war auch ihr Spruch. Lebe das Leben, stand da,<br />
denn wenn du tot bist kannst du nichts mehr nachholen. Interessant,<br />
wie die Verse, die da standen, auch immer etwas<br />
über den Schreiber aussagten. Jetzt folgten viele Seiten, in<br />
denen sich Nachbarn, Lehrer und Mitschüler verewigten.<br />
Alle drückten den gleichen Sinn aus. Liebe und Treue, Arbeit<br />
und Sparen, Beten und ganz viel Gottvertrauen. Oft sah<br />
ich aufgeklebte Blümchen und bunt ausgemalte Herzchen.<br />
In steter Erinnerung, in ewiger Freundschaft, in inniger Verbundenheit.<br />
Seite um Seite.<br />
Als Mutter das Album von ihrer Tante Martha zu Weihnachten<br />
bekommen hatte, war sie sieben Jahre alt. Mit jeder<br />
beschriebenen Seite wuchsen die Daten. Aus dem Kind<br />
war inzwischen eine junge Frau geworden, doch das Album<br />
ging weiter. Jetzt hatte – sehr ungewohnt – ein Schreiber<br />
gleich mehrere Seiten für sich in Anspruch genommen. Ich<br />
Foto: Inge Göbel<br />
lese und bin erstaunt. Diese Zeilen waren nicht von der<br />
gleichen, meist kindlichen Naivität wie die vorigen. – Nein<br />
– der Schreiber sprach eine andere Sprache.<br />
Und wenn die Nacht sich niedersenkt<br />
dann denk an mich<br />
Wird dir ein neuer Tag geschenkt<br />
dann denk an mich<br />
Auf allen deinen Wegen<br />
kommt dir mein Herz entgegen<br />
und flüstert inniglich<br />
„Oh, denk an mich!“<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 29<br />
Oder:<br />
Das Leben ist Liebe<br />
aus Liebe entsteht es<br />
Liebe ist sein Inhalt<br />
in Liebe vergeht es<br />
Das ist kein Leben<br />
das keine Liebe kennt.<br />
Ich bin fasziniert. – Wer ist der Schreiber? –<br />
Es ist mein Vater! – Mutters erste und einzige Liebe.<br />
Hier endet das Album, obwohl noch viele leere Seiten zu<br />
beschreiben gewesen wären. Hier war die Kindheit vorbei.<br />
Jetzt begann eine andere Zeit. Fortan beschrieb das Leben<br />
die Seiten.<br />
Inge Göbel
Unterhaltung<br />
Liebenswerte „Fetische“<br />
Ja, mit der Liebe hat es schon eine besondere Bewandtnis,<br />
ich denke hier jetzt nicht an die Liebe, die zwischen<br />
Menschen entstehen kann. Ich denke unter anderem an<br />
die vielen Kuscheltiere, die von Kindern bis zur strapazierten<br />
Unkenntlichkeit immer noch und wieder geliebt werden.<br />
Heutzutage tummeln sich in Kinderzimmern Stofftiere aller<br />
Gattungen; doch meistens wird nur eines davon zum kuscheligen<br />
Liebling auserwählt, die anderen sind nur Statisten.<br />
Auch wir Erwachsenen haben unsere kleinen, liebenswerten<br />
Schwächen zu unseren „Fetischen“, die uns am Herzen<br />
liegen. Es sind Erinnerungsstücke aus vergangenen Zeiträumen,<br />
die wir einfach nicht missen möchten. Es hilft uns aber,<br />
das, was wir einmal liebten, in unseren Gedanken zu erhalten.<br />
Manchmal suchen wir aber auch an verlorengegangenen Dingen,<br />
die uns auf irgendeine Weise abhanden gekommen sind.<br />
Und das, was man nicht mehr hat, ist einem dann besonders<br />
wertvoll, obwohl es meist nur ideellen Wert besitzt.<br />
Kinder und Jugendliche bekommen in der heutigen<br />
Zeit auch nicht immer das, was sie so gerne haben, besitzen<br />
möchten. Wenn man älter wird, oft erst im fortgeschrittenen<br />
Alter, erfüllt man sich manchmal Wünsche<br />
aus vergangenen Kindheitstagen. So etwa Väter, die ihren<br />
Söhnen, sobald sie „Papa“ sagen und Sätze formulieren<br />
können, zum Geburtstag oder zu Weihnachten die Eisenbahn<br />
schenken, die sie sich selbst immer gewünscht und<br />
nie bekommen haben. Ja, und nun freut sich darüber Klein-<br />
Sohnemann „ganz toll”. Wer aber spielt damit?: „Papa“!<br />
Und der Sohn heult: „Papa, lass mich auch mal damit spielen,<br />
das ist doch mein Geschenk.“– Und Mama ist genervt!<br />
Und bei mir „ticken“ die Uhren in der Schatzkiste.<br />
Melodischer<br />
Stundenanzeiger<br />
Ich habe manchmal<br />
einen Hang fürs<br />
Komische oder sagen<br />
wir einfach für kleine,<br />
eigenartige Dinge,<br />
und dabei kam<br />
mir mal wieder der<br />
„Krimskrams-Katalog“<br />
zu Hilfe. Schon<br />
gleich nach dem Umblättern wusste ich: Da ist sie, meine<br />
„Neue Uhr“. Sie ist eine Wanduhr und meine jetzige, dreieckige,<br />
bebilderte mit „Dalis fallender Uhr“, braucht schon<br />
seit Jahren ein neues Batteriewerk.<br />
Foto: Gerda Greis<br />
Der Postbote brachte nur ein kleines Päckchen und ich<br />
war noch nicht einmal enttäuscht. Meine „Neue Uhr“ ist<br />
rund, hat einen leicht matt-silbrig glänzenden, rundgeformten<br />
ca. zwei cm breiten Rahmen mit einem Durchmesser<br />
von auch ca. zwei cm. Stunden-, Minuten- und Sekundenanzeiger<br />
sind gut sichtbar – auch für altersschwache<br />
Sehverhältnisse. Ob die Zahlen groß genug sind? Meine<br />
„Neue Uhr“ hat weder Zahlen noch Striche anstatt. Sie hat<br />
aber auch nicht „Nichts“, dafür sind über das ganze sogenannte<br />
Ziffernblatt zwölf gut sichtbare, verschiedene Musikinstrumente,<br />
den Stunden entsprechend, verteilt. Ich bin<br />
begeistert von meiner neuen „Spiel-Uhr“. Jede volle Stunde<br />
erklingt ein Musikinstrument mit einer kurzen Melodie –<br />
hier nachempfunden im Dreistundentakt:<br />
Freudig lockt die Klarinette<br />
morgens um sechs Frühaufsteher aus dem Bette.<br />
Jazz zu hören ist um neun<br />
aus einem Saxophon in sonorem Ton.<br />
Mittags um zwölf spielt leise<br />
die Violine eine altbekannte Weise.<br />
Keine leisen Töne schlägt rhythmisch<br />
an der Tambourin – die Uhr steht jetzt auf fünfzehn.<br />
Von der Mundharmonika ein lustiges Tralala gebracht<br />
sechs Stunden vor Mitternacht.<br />
Im nächsten Viertel der Zeitenrunde schlagen kleine<br />
Klöppel das Xylofon zur abendlich neunten Stunde.<br />
Um Mitternacht, drei Stunden später, bläst in sein<br />
Horn der Trompeter.<br />
Und kein Ohr hört mehr zur Schlafenszeit<br />
um drei die Klimperei.<br />
Eine Vorrichtung zum Ein- und Ausschalten wurde nicht<br />
vergessen; doch ein schriller Weckruf vergebens gesucht.<br />
30 durchblick 4/<strong>2010</strong>
2 Fotos: Gottfried Klör<br />
Dampflokgeräusche<br />
A<br />
ls unser jüngster Sohn seine Lehrzeit begann,<br />
muss te er zeitweise morgens um halb sechs Uhr<br />
aufstehen um rechtzeitig an seinem Arbeitsplatz zu<br />
sein. „Wohl, Mama, du weckst mich?“<br />
Keine Frage! Ich latschte dann schlaftrunken ins Obergeschoss<br />
und hatte meine liebe Not, den jungen Mann aus<br />
seinem Tiefschlaf ins Arbeitsleben zu nötigen. Das dauerte;<br />
doch nur meine müden Geister wurden dabei erweckt. Und<br />
die Weckuhr, in Reichweite zum Schläfer, bekam, wenn sie<br />
morgens zum „Aufstand“ rappelte, einen gezielt kräftigen<br />
Klaps – und – aus!<br />
Ich wollte dann irgendwann nicht mehr die liebe Mama<br />
sein. Ein Weihnachtsgeschenk fiel auch dementsprechend<br />
aus. „He, ich hab' doch einen Wecker!“, sagte unser Sprössling.<br />
Ja, das ist aber ein ganz Besonderes, interessantes<br />
Prachtstück, das holt dich aus tiefsten Träumen. „Lass hören!“<br />
Zuerst das Geräusch eines stampfenden, langsam anfahrenden<br />
Zuges, dann das immer schneller werdende Rattern<br />
der Räder auf den Schienen in einer Lautstärke, als ob ein<br />
langer Eisenbahnzug direkt neben dem Haus vorbeifahren<br />
würde, dazu kam dann auch noch das wiederholte Achtung-<br />
Pfeifen einer unter starkem Druck stehenden Dampflok. Es<br />
war fürchterlich – und so schön – laut.<br />
„Mit mir nicht, Mama, das Monstrum gehört eingestampft!“<br />
Er sieht zwar harmlos aus, hat's aber in sich, der<br />
neue Wecker, und nun soll er nur noch ticken? – bis zu<br />
Sylvester!<br />
Die Jungs feierten außer Haus, wir verbrachten das Jahresende<br />
bei Verwandten. Heimlich nahm ich den Wecker<br />
mit, fand ein günstiges Versteck und freute mich auf Mitternacht.<br />
Zeitgenau zum Jahreswechsel fuhr dröhnend, stampfend,<br />
ratternd und schrill pfeifend der imaginäre Zug vorbei,<br />
dazu das Gelächter der Party-Gesellschaft ob solcher<br />
„Spielerei“.<br />
Hühnerhofklänge<br />
Zu der Zeit, als ich morgens noch früh aufstehen<br />
wollte, aber meine Schwierigkeiten hatte, mich aus<br />
dem warmen Bett zu trollen, besorgte ich mir eine<br />
lustige „Weck-Uhr“. Für meinen kleinen, knapp zwei Jahre<br />
alten Enkel war das das tollste Spielzeug. Er schaffte es<br />
mit seinen kleinen pummeligen Fingerchen den Weckmechanismus<br />
immer und immer wieder neu einzustellen und<br />
hatte dann seine helle Freude daran, wenn der lange, laute<br />
Weckruf als schrilles „Kickeriki“ in Folge zu hören war.<br />
Die Vorstellung, auf einem Hühnerhof nur krähende Hähne<br />
anstatt Hühner vorzufinden, war nicht schwer. Mein kleiner<br />
Bengel saß dabei vergnüglich in Oma's Bett und wurde<br />
nicht müde, am laufenden Band den Hahn krähen zu lassen.<br />
Nach einiger Zeit aber war der Weckmechanismus überfordert,<br />
trotz neuer Batterien tat sich nichts mehr. „Oma<br />
Gerda, Kickeriki muss schlafen.“ So ein Schlingel! Kickeriki<br />
wurde nicht mehr wach. <br />
Gerda Greis<br />
Und irgendwann hat Sohnemann – die Mama geweckt.<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 31
Gesellschaft<br />
Ewige Liebe<br />
2 Fotos: Tessie Reeh<br />
Liebesschlösser,<br />
jetzt auch am Rhein.<br />
Aufgerufen von der<br />
Band „Die Höhner“,<br />
„beschließen“<br />
viele Kölner ihre<br />
Verbindung. Die<br />
Schlüssel werden im<br />
Rhein versengt.<br />
Inzwischen wurde<br />
dieser Brauch auch<br />
vom WDR „geadelt“.<br />
Er gehört zu den 50<br />
Dingen, die nach Ansicht<br />
des Senders ein<br />
Nordrhein-Westfale<br />
in seinem Leben getan<br />
haben muss.<br />
Mein Mann hatte auf der Photokina in Köln-Deutz<br />
zu tun. Ich hatte nun einen freien Tag in der<br />
Domstadt und ging zu Fuß von der Messe über<br />
den Deutzer Bahnhof zur Hohenzollernbrücke. Diesen<br />
Weg bin ich schon oft gegangen, zuletzt vor zwei Jahren.<br />
Diesmal war es anders. Rechts sah ich wie immer die alte<br />
Messe und den Tanzbrunnen, drüben am Ufer des Rheins<br />
das Musical-Theater, daneben den Bahnhof und den Dom.<br />
Rheinaufwärts fuhren gemächlich Lastkähne und über den<br />
Strom ein Boot als Messezubringer vom Hauptbahnhof.<br />
Neben mir hinter den Gittern fuhren, jetzt schon gebremst,<br />
ICE und sonstige Züge langsam, aber mit vollem Getöse<br />
in den Hauptbahnhof ein. Ja, die Gitter irritierten mich.<br />
Denn da hatte sich einiges geändert. Da hingen vereinzelt<br />
Schlösser. Die waren neu und bunt und graviert. Erst wenig,<br />
dann wurden es immer mehr und ein dichtes Meer von<br />
Schlössern flinkerte in der Morgensonne. Was war das?<br />
Was bedeutet das? Aber ich konnte nicht in Ruhe schauen,<br />
immer klingelten Radfahrer und forderten mich auf,<br />
Platz zu machen. Und Gruppen von Japanern, Afrikanern<br />
und Menschen aus aller Herren Länder in dunklen Anzügen<br />
mit Rollkoffern kamen von der Bahnhofseite<br />
in Richtung Messe auf mich zu. Was waren das für<br />
Schlösser? Hier auf der klassizistischen Eisenbahnund<br />
Fußgängerbrücke, die um 1910 errichtet wurde<br />
und von vier Reiterstandbildern preußischer Könige<br />
flankiert wird.<br />
Erst im Café am Bahnhof konnte ich erfahren, das<br />
habe was mit Henning Krautmacher zu tun, mit den<br />
Höhnern. Die hätten die verliebten Kölner aufgefordert,<br />
ein Vorhängeschloss mit ihren Namen oder<br />
Initialen auf der Hohenzollernbrücke zu befestigen, sich<br />
ewige Liebe zu versprechen und dann den Schlüssel in<br />
den Rhein zu werfen: Mit dem Versprechen „für immer“.<br />
Eigentlich unglaublich in unserer Zeit der schnellen Trennungen,<br />
Scheidungen, Pachtworkfamilien, der Schnelllebigkeit,<br />
der Beliebigkeit, der Wegwerfbeziehungen. Die<br />
Sehnsucht nach ewiger Liebe ist geblieben. Freund und<br />
Freundin, Mutter und Tochter, Freund und Freund, Mann<br />
und Frau, allen Unkenrufen zum Trotz glauben sie an<br />
die Liebe, die es zu bewahren gilt. Hier wird sie für alle<br />
sichtbar und als Ziel für die Zukunft des Paares manifestiert<br />
und angestrebt. Als Symbol. Erst zusammengefügt<br />
– also Schlüssel und Schloss – gibt die Zusammengehörigkeit<br />
der Personen bekannt. Das Symbol ist sichtbares<br />
Zeichen einer unsichtbaren Wirklichkeit (hier: die Liebe).<br />
Der typisch kölsche Hit „Schenk mir dein Herz“ von den<br />
Höhnern befeuerte diesen für Köln neuen Brauch vom<br />
„Schloss am Rhein“, doch war er wirklich so neu?<br />
Ursprung des Brauches der Liebesschlösser ist wohl<br />
Italien. Die Absolventen der Sanitätsakademie San Giorgio<br />
in Florenz befestigten am Ende ihrer Ausbildung die<br />
Liebesschlösser,<br />
jetzt auch am<br />
Rhein. Aufgerufen<br />
von der Band<br />
„Die Höhner",<br />
„beschließen"<br />
viele Kölner ihre<br />
Verbindung. Die<br />
Schlüssel werden<br />
im Rhein versengt.<br />
32 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Gesellschaft<br />
Vorhängeschlösser ihrer Spinde an der Brückenlaterne auf<br />
der Milvischen Brücke, die in Rom über den Tiber führt<br />
(Wikipedia). Oder liegt der Ursprung bei einem Ritual<br />
beim italienischen Militär, wie die Volkskundlerin Hänel<br />
vom Bonner Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte<br />
des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR)<br />
vermutet? Am Ende der Militärzeit hängen die Soldaten<br />
z. B. in Florenz die Vorhängeschlösser ihrer Spinde an<br />
Brückengeländern an, werfen den Schlüssel in den Fluss.<br />
Hier symbolisiert das Ritual die Freiheit. Dieser Brauch<br />
wurde dann von den Liebespaaren in Rom übernommen.<br />
Sie schworen und schwören sich ewige Liebe und werfen<br />
die Schlüssel der „Lucchetti dell'amore“ in den Fluss mit<br />
den Worten „per sempre“ (für immer). Federico Moccia<br />
hat diesen Brauch mit seinen Liebesromanen „Drei Meter<br />
über dem Himmel“ (1992) und „Ich steh auf dich“ (2006)<br />
und deren Verfilmung populär gemacht.<br />
Natürlich hat dieser neue romantische Brauch nicht nur<br />
Freunde. Die Deutsche Bahn ist Eigentümerin der Hohenzollernbrücke<br />
in Köln und kündigte schon öfters die Entfernung<br />
der Liebesschlösser mit dem Seitenschneider an.<br />
Doch vorerst werden sie noch geduldet, der allgemeine<br />
Protest hat erst einmal Wirkung gezeigt.<br />
Inzwischen gibt es diesen Brauch z. B. im ungarischen<br />
Pécs, in Moskau, in Deutschland in Dresden am „Blauen<br />
Wunder“, der Loschwitzer Brücke, in Berlin und Hamburg.<br />
Ob dieser Brauch wohl eines Tages vom Rhein auch<br />
an die Sieg finden wird?<br />
Tessie Reeh<br />
Quellen: Manfred Lurker „Wörterbuch der Symbolik“, Stuttgart 1985; Wikipedia, die freie Enzyklopädie; LVR-<br />
Fachbereich Kommunikation, Neuer Liebesschlösser-Hit der Höhner, 2009; Welt am Sonntag vom 01.03.09.<br />
Aktivitäten<br />
Selbstverteidigung für Senioren<br />
Sinngemäß hieß es in der Ausgabe 3/2009 des durchblick:<br />
„Fünf gutgelaunte Seniorinnen und Senioren,<br />
sportlich bequem gekleidet, beginnen nach Aufwärm-,<br />
Dehnungs- und Gleichgewichtsübungen mit gezielten<br />
Techniken zur Abwehr von körperlichen Angriffen<br />
und zu wirksamer Gegenwehr. ‚Combat‘, so heißt der Kurs<br />
unter Leitung von Schwarzgurt-Trainer Andreas Holz“.<br />
Das große Interesse an Abwehrtechniken und leicht erlernbaren<br />
Verteidigungsmaßnahmen lässt uns noch einmal über<br />
dieses Thema berichten und soll gleichzeitig Mut machen sich<br />
in Zukunft für einen derartigen Kurs anzumelden. Wer denkt,<br />
dass die mutigen Senioren nach dem ersten Kurs „Combat –<br />
moderne Selbstverteidigung“ aufgegeben oder gar schon alles<br />
gelernt hätten, der irrt sich gewaltig. Aus der anfänglich recht<br />
kleinen Gruppe ist inzwischen eine zweistellige<br />
Teilnehmerzahl geworden. Alle sind mit<br />
Eifer und Elan dabei. Übung und Ausdauer<br />
haben Abwehrverhalten und Reaktionsvermögen<br />
kontinuierlich weiter verbessert.<br />
Dass Neueinsteiger ohne Vorkenntnisse<br />
hinzukommen können, ist kein Problem<br />
für Andreas Holz. „Die Mischung macht<br />
es, wir alle können voneinander lernen<br />
und unterstützen uns gegenseitig“, so lautet<br />
seine Devise. Was an manchen Schulen<br />
erfolgreich praktiziert wird, trägt auch hier<br />
seine Früchte: Neue Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmer lernen von den Fortgeschrittenen<br />
und diese verbessern, verfeinern und<br />
vertiefen ihre bisherigen Kenntnisse und<br />
Foto: Ernst Göckus<br />
Fertigkeiten. Kein Wunder, dass weitere Interessierte herzlich<br />
willkommen sind.<br />
Auch der gesellige Teil soll neben getaner erfolgreicher<br />
Arbeit nicht zu kurz kommen. So trafen sich die Teilnehmer<br />
neulich mit ihrem Trainer zu einem gemeinsamen<br />
Abendessen in stilvoller Atmosphäre. Trainingskleidung<br />
wurde mit dem feinen Zwirn getauscht, silbernes Besteck<br />
und geschliffene Gläser ersetzten Kampfhandschuhe und<br />
Übungsmaterial.<br />
Bekanntlich löst ein Gedicht oft mehr Freude aus als lange<br />
Reden. Und genau deswegen wurde Andreas Holz an diesem<br />
Abend mit den nachfolgenden Versen geehrt, welche mögliche<br />
Gefahrensituationen, Kampftechniken und wöchentliche<br />
Trainingserfahrungen zum Gegenstand hatten <br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 33
Aktivitäten<br />
Mr bedanke os bi osem Meister<br />
Well du go secher op dr Stroase,<br />
dich nett zesame haue loase,<br />
da bruchste dir ken Knipp ze kaufe<br />
on och nett einfach wechzelaufe –<br />
du mosst nom Schwarzgurt-Andy go,<br />
da lehrst du nämlich schwinn verstoh,<br />
watt sich so op dr Stroase doht.<br />
Göb acht und nie verlier dr Moht.<br />
Go awer nie dörch donkle Ecke,<br />
wo sech manch kromme Hönn verstecke<br />
versoch dänn us dm Wäch ze go.<br />
Wenn dat da net meh klappt, verstoh<br />
Postier dich so, dat hä döt wesse<br />
Med demm is net god Kirsche esse.<br />
Kopp hoch on schwätz mit harter Stömm,<br />
vellechts kehrt da dä Klonk glich ömm.<br />
Stell dich strack op, guck watt hä well,<br />
3 Meter va’nem op dr Stell<br />
Sä em glich, ech will känn Krach,<br />
alles kloar on goare Dach.<br />
Behaal dän Driewes kloar em Bleck<br />
On hoff datt hä glich giert zereck,<br />
sich datt noch einmo öwerläht<br />
on da en annern Wäch ischläht.<br />
Grifft hä dich awer a, nett wahrde<br />
Da mosst schwinn op Agreff starde<br />
Behr em nie de breire Brost<br />
nur de Sidde – on dä Dost<br />
dä weiß net, dat du kahst Combat<br />
on eh hä sich verguckt noch hätt<br />
mit flacher Hand en op de Nas’<br />
da waggelt och det deckste Fass<br />
Da en Fußstoars, Trett mem Knee<br />
da döt dä ganz viel Sterne seh<br />
Scholler ronner, kömmt en Hoach<br />
gärt se rob, dat weiß mr doch,<br />
da schlährt dä Mäckes meistens strack<br />
on denkt hä hätt dich glich im Sack<br />
Ganz wechtich is dr erste Schlaach<br />
Datt präricht Andy jeder Daach.<br />
On wat for Denger eh’s gedoacht<br />
Hät os dr Andy bigebroacht:<br />
De Hän brosthoch on abgewarded,<br />
ob dä vellichts op Agreff started<br />
Lieh dr Schlach öm mit lechter Hand,<br />
trainier de Bein, dat macht gewandt.<br />
Dr Hals do ronner, stech de Aue<br />
Wovor de Fenger net all daue.<br />
Trett wie e Pard mem Kne en Stoaß<br />
ganz feste e dem Lomp sinn Schoaß.<br />
Ob Koppstoaß wie en Zejebock,<br />
Elleboje, Abwehrblock, zwiefach<br />
Nelson, Upper Cut<br />
va däm on meh hä Ahning hätt.<br />
On dat hätt hä och obgeschreewe<br />
E sinnem Booch, do döt dat blewe.<br />
Sinn Fach dat ka hä wahne rechdich<br />
on god verkleckern, dat is wechdich.<br />
On klappt et moa net ganz so god,<br />
macht hä os werer frescher Mod:<br />
„Dat is net schlimm, dot au net schänne<br />
Dat wird sich mit dr Zitt schoar finne.<br />
Klappt dat noch besser, sinn mr froh<br />
Dat woar schoar fröher so wie hoh.“<br />
Sinn Onnerecht es interessant<br />
hä hät die Zöjell eh dr Hand<br />
zeiht veel Gedold, kah god erklärn,<br />
domet mr ömmer bessern wärn.<br />
Nur ei, dat ka hä garnet liere<br />
Wenn Lü sich babbelnd verlustiere.<br />
„Ahl Surermull nu sie mo stell<br />
Du häst zemache wat ich well<br />
Sall ech ou noch e Kaffi kreje?<br />
Nu brängt de Fiste moa zom fleje!<br />
Ihr sid net he zom Schwadroniern<br />
Combat – dat sollt ihr trainiern.“<br />
So döht hä manchmoa luthals prätsche<br />
On meint domit dr meist de Mädche<br />
Dat Beste wat de Mädcher mache,<br />
Es, dat se stell doröwer lache.<br />
Zom Enn da loasst os all noch hoffe,<br />
dat Combat-Kurse bliewe offe<br />
for Lü, die sowat gern wonn mache<br />
weil dat is so en goore Sache.<br />
Dat Sensei jedem wat ka bere,<br />
ob Afänger ob Fortgeschrere,<br />
dat jeder he wat lehrn noch ka,<br />
ob Jong, ob Mädche, Frau or Mah.<br />
Itz häwe mir erstmoa det Glass<br />
On wönsche os noch hoo veel Spass.<br />
Gisela Rauch und Ernst Göckus<br />
Foto: Gottfried Klör<br />
Es geht nichts über Mund-zu-Mund Propaganda. Nachdem vorab genannter<br />
Kurs einen derart großen Zulauf hatte, gibt es nunmehr eine weitere Gruppe<br />
im Haus Herbstzeitlos, welche neben Strategien der Deeskalation nun auch<br />
die Fäuste fliegen lässt! Veranstalter des neuen Kurses ist die „Regiestelle<br />
Leben im Alter“ der Stadt Siegen, die auch weitere Informationen bereithält.<br />
34 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Unterhaltung<br />
Die Flaschenpost<br />
M<br />
eine älteste Tochter Christiane (63) lebt seit ein<br />
paar Jahren in Irland. Als sie noch in Deutschland<br />
war, wohnte sie in der Nähe von Darmstadt.<br />
Dort betreute sie viele Jahre zwei kleine Kinder, damals<br />
zwei und vier Jahre alt. Maike war die Kleine und Uwe der<br />
Ältere. Er war ruhig, verschmust und liebebedürftig, Maike,<br />
seine kleine Schwester, genau das Gegenteil – flott,<br />
selbstständig und eine wilde Hummel. Die beiden liebten<br />
meine Tochter über alles und das war gegenseitig. Meine<br />
Tochter, die selbst zwei Kinder großgezogen hatte, sah<br />
in den beiden die Wiederkehr ihrer eigenen und so war<br />
auch das Verhältnis. Die Kinder machten ihre Christiane<br />
einfach zur „Omi“. Die Liebe ging sogar so weit, dass ich,<br />
die schon mal zu Besuch dort war, kurzerhand die „Oma<br />
Siegen“ wurde. Es war einfach eine wunderbare Zeit mit<br />
den Kindern, aber auch die Eltern der beiden wurden<br />
unsere Freunde.<br />
So hätte es weitergehen können bis ans Ende<br />
der Tage, aber das Schicksal wollte es anders.<br />
Meine Tochter musste mit ihrem Mann nach<br />
Irland gehen. Trauer über Trauer und Tränen<br />
auf beiden Seiten. „Omi, wir besuchen dich<br />
ganz bald“, und so wurde es gemacht. Die<br />
Zeit verging. Mit ständigen Telefonaten<br />
wurde die „Omi“ über alles in der<br />
Schule informiert. Uwe ging jetzt bereits<br />
auf das Gymnasium und auch<br />
Maike war eine gute Schülerin.<br />
Dann kamen die ersten großen<br />
Ferien und was lag da näher<br />
als die Reise nach Irland<br />
zu „Omi“. Es waren wunderschöne<br />
Tage. Viel gab<br />
es zu sehen und die<br />
Kinder staunten darüber,<br />
dass die Menschen<br />
dort wirklich alle<br />
englisch sprachen, allerdings<br />
anders, als sie es in der Schule<br />
lernten und sie konnten die Iren nicht<br />
verstehen.<br />
Foto: Gottfried Klör<br />
Natürlich fuhren sie auch an das Meer. Genau dafür<br />
hatten sich die Kinder etwas Besonderes ausgedacht: eine<br />
Flaschenpost! An einem schönen, sonnigen Tag warfen<br />
die beiden ihre verschlossenen Flaschen so weit sie konnten<br />
hinaus. Liebe Grüße und natürlich die Anschriften waren<br />
der Inhalt der Briefe, die sie mit Herzchen und Blumen<br />
bemalt hatten.<br />
Ganz langsam wabbelten die Flaschen los. Die Kinder<br />
waren enttäuscht, sie hatten es sich wohl stürmischer<br />
vorgestellt. „In dem Tempo brauchen sie bestimmt Jahre,<br />
bis die irgendwo ankommen!“, meinte Maike und auch<br />
Uwe ließ die Schultern hängen. So freudig und euphorisch<br />
wie auf der Hinfahrt verlief die Heimfahrt nicht. Nur die<br />
Aussicht auf das irische Konzert am Abend machte sie<br />
wieder fröhlich.<br />
Die Ferien gingen vorbei, sie waren wieder zu Hause<br />
und der Alltag ließ sie bald die Flaschenpost vergessen,<br />
bis zu jenem Tag. Das Telefon klingelte bei meiner<br />
Tochter in Irland. Am anderen Ende war eine<br />
total aufgelöste und erregte Maike.<br />
„Omi, Omi!“, rief sie, ihre Stimme<br />
überschlug sich. „Stell<br />
dir vor, meine Flasche ist gelandet.<br />
Heute habe ich einen<br />
Brief bekommen von einem<br />
Mädchen aus England. Maggi<br />
ist etwas älter als ich und lernt<br />
in der Schule Deutsch. Ihre Oma<br />
hatte die Flasche gefunden und weil<br />
sie kein Deutsch konnte, brachte sie<br />
die Flasche ihrer Enkelin Maggi mit.<br />
Omi, Omi, ist das nicht toll! Es ist das<br />
Tollste, was ich je erlebt habe. Ich bin so<br />
froh! Wie gut, Omi, dass wir immer mit dir<br />
Englisch gepaukt haben. Ich schreibe heute<br />
noch zurück. Stell dir vor, wir können voneinander<br />
die Sprache lernen. Besuchen werden<br />
wir uns dann bestimmt eines Tages auch. Stell<br />
dir vor, ich werde international!!. Eine Omi in<br />
Irland und eine Freundin in England!“ Maike war<br />
außer sich vor Freude. Es sprudelte nur so aus ihr<br />
heraus.<br />
Dann kam die Mutti an das Telefon und auf die Frage,<br />
wie es Uwe denn ginge, wurde ihre Stimme so traurig,<br />
wie es Uwe im Augenblick war. Zu meiner Tochter hatte<br />
Uwe dann gesagt: „Siehst du, Omi, wie ungerecht alles im<br />
Leben ist. Ich habe die besseren Noten in Englisch, aber<br />
Maike bekommt die englische Post!“ Obwohl ich selbst<br />
nicht an meine Worte glaubte, tröstete ich ihn zu warten,<br />
vielleicht käme ja seine Flasche auch noch irgendwo an,<br />
vielleicht viel weiter weg. „Gut“, sagte er, „Omi, wenn<br />
ich in den nächsten Ferien wieder zu dir komme, werfe<br />
ich noch einmal eine Flasche ins Meer!“ „So machen wir<br />
es Uwe“, antwortete meine Tochter und hörte im Hintergrund<br />
die immer noch jubelnde Maike, die jetzt gerade die<br />
Neuigkeit von der geglückten Flaschenpost ihrer Freundin<br />
erzählte.<br />
Inge Göbel<br />
36 durchblick 4/<strong>2010</strong>
„<br />
Kommt<br />
Linda (68) allein im Haus<br />
Hüttentalschule sucht Lesepaten<br />
die Linda heute nicht?“, fragt der kleine<br />
Abdull in der Geisweider Hüttentalschule seine<br />
Lehrerin Monika Becker nach der großen<br />
Pause. Der Junge mit<br />
türkischem Migrationshintergrund<br />
wartet<br />
mit einigen Mitschülern<br />
ein wenig ungeduldig<br />
in der kleinen<br />
Schulbücherei auf die<br />
„Lesepatin“. Doch Linda<br />
kommt. Und wenn<br />
sie kommt, kommt sie<br />
prompt, könnte man<br />
sagen. Denn Linda<br />
zieht es einmal in der<br />
Woche förmlich zu<br />
„ihren“ Kindern in die<br />
Hüttentalschule. Da<br />
eilt sie schnurstracks<br />
vom Schulhof durch<br />
die Flure vorbei an<br />
Schulleiter- und Lehrerzimmer<br />
direkt in die<br />
Lesestube im Erdgeschoss<br />
der Schule. Linda<br />
sucht den Direktkontakt, macht keine langen Umwege.<br />
Nicht alle Kinder nennen sie bei ihrem Vornamen, manche<br />
Foto: Dr. Horst Bach<br />
Ehrenamt<br />
Wahrverwandschaften: Linda Löser mit „ihren“<br />
Kinden am Vorlesetisch.<br />
sagen auch ganz einfach „Oma“ zu ihr, Kinder mit Siegerländer<br />
Migrationshintergrund eher „Omma“. Denn Linda<br />
Löser ist bereits 68 Jahre alt. Ihr Arbeitsgerät ist die Lesebrille.<br />
Mehr braucht<br />
sie nicht, um glücklich<br />
zu sein und ihre<br />
kleinen Leseratten<br />
glücklich zu machen.<br />
Sie berät die Kinder<br />
bei der Auswahl der<br />
Bücher, liest mit ihnen<br />
kleine Texte, erklärt<br />
Fremdwörter. Und für<br />
die Abdull, Mehmet,<br />
Hasan & Co. sind natürlich<br />
viele deutsche<br />
Begriffe zunächst<br />
einmal Fremdwörter.<br />
Als es zum Beispiel<br />
um den „Panzer“ der<br />
Schildkröte geht, da<br />
hat Linda alle Mühe,<br />
insbesondere die Jungen<br />
vom vermeintlichen<br />
Kriegspfade<br />
abzubringen.<br />
Leider ist Linda als Lesepatin im Augenblick allein im<br />
Haus. Denn Lesepaten werden zurzeit gesucht in der Hüttentalschule,<br />
deren Schulleiterin Müller-Jüngst<br />
ansonsten auf eine engagierte „Elternreserve“<br />
zurückgreifen kann. Eigentlich sollen immer<br />
nur ein oder zwei Kinder von einer Lesepatin<br />
betreut werden, doch mangels Masse an Patenschaften<br />
schart Linda auch schon einmal<br />
mehrere Kinder um sich.<br />
Zwei Söhne (40 und 42 Jahre alt) hat die<br />
rüstige Seniorin großgezogen. Die fünf Enkelkinder<br />
im Alter zwischen 10 und 13 Jahren<br />
wohnen weit weg, kommen nur selten zu<br />
Besuch ins Geisweider Wiesental 67, wo die<br />
Oma wohnt. So freut sich Linda über die kindlichen<br />
„Wahlverwandschaften“ in der Hüttentalschule.<br />
Zwei Studenten der Universität Siegen<br />
hatten im vergangenen Jahr in Kooperation<br />
mit Schulleitung und Kollegium das Leseprojekt<br />
gegründet. Sechs Lesepatinnen standen<br />
damals zur Verfügung. Jetzt lautet die Frage:<br />
„Wie lange ist Linda noch allein im Haus?“ <br />
Dr. Horst Bach<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 37
Reisen / Aktivitäten<br />
Schreibferien am Lago Maggiore<br />
Texte aus dem Kreativkurs mit Crauss<br />
4 Fotos: Archiv Crauss<br />
Die beiden Siegenerinnen Hedwig Jung (*1932) und<br />
Lotte Thiemann (*1931) machten sich im Mai <strong>2010</strong><br />
auf den Weg nach Oberitalien, um am südlichen<br />
Ende des Lago Maggiore an einem vom Siegener Dichter<br />
Crauss (*1971) geführten Schreibkurs teilzunehmen, aber<br />
auch, um die wunderschöne Landschaft rund um den See<br />
zu genießen: die dicht bewaldeten Berge der Voralpen, die<br />
beschaulichen Hafenstädtchen Luino und Laveno sowie<br />
die Preziosità da Vivere – die Kostbarkeit des Lebens – in<br />
einem alten, ganz liebevoll restaurierten Gästehaus.<br />
Während der Schreibwoche in Casalzuigno entstanden<br />
romantische, sehr poetische, aber auch ein wenig verrückte<br />
Texte, die den beiden Damen Lust auf mehr gemacht haben.<br />
Hier folgen einige Beispiele.<br />
in der ferne<br />
von Hedwig Jung<br />
in der ferne blauer himmel,<br />
die bäume bringen schatten<br />
über die grüne wiese.<br />
zwischen büschen ein bett<br />
zum ausruhen. es ist eine<br />
wohltuende ruhe, die mir<br />
da entgegenstrahlt.<br />
Das versteckte Gespenst<br />
von Lotte Thiemann<br />
Ein Sommertag, ein Garten in Oberitalien, 12 Uhr. Der<br />
Kirchtum hinter der Mauer ist halb verdeckt durch einen<br />
düster und unheimlich wirkenden Schlangenbaum. Ein Ton<br />
durchreißt die Mittagsstille: nicht ein Ton, jetzt mehrere, so<br />
unmelodisch und unrhythmisch wie es nur geht. Glocken,<br />
die eigentlich die Mittagsruhe einläuten sollen. Sie reißen<br />
mich aus meinen Gedanken, ich kann keine mehr fassen.<br />
Naja, das Gebimmel, nein, das Geläute beruhigt sich auch<br />
wieder.<br />
Ich durchstreife den Garten, entdecke Sträucher, Büsche<br />
und Blumenbeete, die verzaubernd auf mich wirken, dieser<br />
Duft, diese Farben! Mein heimatlicher Garten kommt mir<br />
in den Sinn. Kümmerlich wachsen dort die Pflanzen vor<br />
sich hin. Die Wurzeln müssen auf felsigem Boden nach<br />
Nahrung suchen. Der nahe Wald streut Schatten aus, nur<br />
kurz genießen sie die Sonne.<br />
Hier gedeihen sie in einer üppigen Pracht, die Rosen,<br />
Weigelien, Pfingstrosen, Schwertlilien und der von mir so<br />
geliebte Hartriegelstrauch. Natürlich auch Kamelienbäume<br />
entdecke ich. Zu Hause muss ich mir Mühe geben, wenn ich<br />
sie über den Winter bringen will! Eine komplizierte Pflanze<br />
in unseren heimatlichen Breiten. Ich habe die Hoffnung<br />
noch nicht aufgegeben.<br />
38 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Reisen / Aktivitäten<br />
Unter einem hohen Walnussbaum finde ich eine Bank.<br />
Gelegentlich macht es „pong“. Eine unreife, grüne Nussfrucht<br />
hat sich vom Ast gelöst und knallt auf den Tisch.<br />
Automatisch ziehe ich den Kopf ein. — Da entdecke ich<br />
es, das kleine weiße Gespenst.<br />
Hat mich der Jasminduft<br />
betört, oder sehe<br />
ich richtig? Ein Gespenst<br />
am helllichten Tag? Klein,<br />
weiß, kaum kniehoch steht<br />
es zwischen Efeublättern,<br />
die über den Zaun ranken.<br />
Es schaut mich an mit kleinen<br />
schwarzen, schräg stehenden<br />
Augen. Beobachtet<br />
es mich? Nein, ich habe<br />
nicht vor, Pfingstrosen abzupflücken,<br />
auch keine der<br />
wunderschön blühenden<br />
Ein Gespenst<br />
am hellichten Tag?<br />
Schwertlilien! Vielleicht<br />
wacht es nur darüber, dass<br />
keine Schnecken oder Karnickel<br />
sich über den nahen Gemüsegarten hermachen. Gibt<br />
es hier auch Maulwürfe? Ziemlich sicher ist, es sagt den<br />
Knospen der Blumen im rechten Moment, sie sollen sich<br />
öffnen. Einer muss ja schließlich den Garten über Nacht<br />
verzaubern! Ich atme! Ich genieße!<br />
Der Garten, der vom Hausherrn bearbeitet wird, ist<br />
ebenfalls eine herrliche Anlage. Die meisten Kräuter und<br />
Gemüse, die den Gästen serviert werden, wachsen hier, außerdem<br />
strahlen einem viele Blumen und blühende Büsche<br />
entgegen. Ein Walnussbaum, unter dem eine Bank steht,<br />
lädt zur Ruhe ein. Der gepflegte Rasen ist eine Augenweide.<br />
Das Haus ist mit Blauregen und anderen blühenden Blumen<br />
umrankt und geschmückt. Im Weinkeller liegt mancher<br />
gute Wein aus der Umgebung, der den Gästen mundet.<br />
Sie sind in „Il Cortile“ gut aufgehoben.<br />
Sprechendes Gemäuer<br />
von Lotte Thiemann<br />
Antonio und Veronika kannten sich schon aus der Kinderzeit.<br />
Je älter sie wurden, desto mehr wuchs ihre Zuneigung.<br />
Besonders Antonio dachte an die Zukunft. Veronika erbte<br />
Felder in der Lombardei, ihre Großeltern lebten in einem Dorf<br />
dort, in Casalzuigno, nicht weit vom Lago Maggiore. Die Besitzer<br />
der Villen in der Lombardei mussten, um an den Lago,<br />
an die Orte dort zu kommen, durch diese kleine Ansammlung<br />
von Häusern, damals natürlich mit ihren Kutschen.<br />
Antonios Gedanken kreisten immer wieder um eine Osteria.<br />
Sie war aber dort eben noch nicht vorhanden. War das<br />
eine Idee? Eine Veronika und eine Osteria? Wie konnte er<br />
ohne viel Geld diesen Plan verwirklichen? Er hatte einmal<br />
in den Keller solch einer Osteria geschaut: die großen <br />
Die Abendsonne<br />
von Hedwig Jung<br />
Die Abendsonne spiegelt sich im<br />
Bachlauf neben einer Bank wider.<br />
Eine herrliche Stimmung in der Natur.<br />
Am Rande zwischen Felsen und<br />
kleinen Steinen blühen Blumen,<br />
die dem Wanderer Ruhe geben.<br />
Garten der Ruhe<br />
von Hedwig Jung<br />
Die Gastgeber des Bed & Breakfast „Il Cortile“ in<br />
Casalzuigno wohnen in einer wunderschönen Heimstadt.<br />
Das Haus wird liebevoll gepflegt und mit vielen von der<br />
Besitzerin Elisabetta Borsari gearbeiteten Glaskunstarbeiten<br />
eingerichtet. So wird die rustikale Schlafstätte besonders<br />
gemütlich. Auch das Frühstück die Mittagsmahlzeit<br />
und das Abendgericht sind mit Liebe- und gefühlvoll<br />
hergerichtet, Elisabettas ideenreiche Kochkünste regen<br />
den Appetit an.<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 39
Reisen / Aktivitäten<br />
Weinfässer, dickbauchigen Glasflaschen und eine richtige<br />
Weinpresse. Er hatte alles gesehen, das Gewölbe aus Feldsteinen<br />
und den Boden aus Flusskieseln; der war besser zu<br />
reinigen als Lehmboden. Für seinen Plan brauchte er Steine,<br />
Steine, Steine. Ohne Arbeit und viel Schweiß würde es nicht<br />
gehen, und Steine gabs ja genug. Wo, war keine Frage.<br />
Bei seinen Streifzügen durch die Felder bis an die nahen<br />
Berge zuckte ihm einmal beim Überspringen eines Bergbachs<br />
der Gedanke an die Flusskiesel durch den Kopf. Jede Menge,<br />
alle Größen sammelten sich in kleinen Buchten. Sie hatten<br />
einen jahrtausendelangen Weg von den Bergen hinunter zur<br />
Ebene hinter sich. Sie rieben sich und scheuerten aneinander,<br />
weiße, graue, schwarze und rötliche, sogar gesprenkelte<br />
Granitsteine, im Frühling vom Frost von den Felswänden<br />
abgesprengt und von der Schneeschmelze mitgerissen. Ohne<br />
Rast und Ruhe vorangetrieben, umgedreht, an Felsbrocken<br />
entlanggescheuert und mit anderen Steinen übereinandergewälzt<br />
und gerieben, veränderten sie ihre Form und wurden<br />
immer runder. Ein lustiges Poltern und Klackern! In den<br />
Buchten kamen sie dann, große und kleine, zur Ruhe.<br />
Hier entdeckte Antonio sie. Er sah den Boden schon vor<br />
sich, die Kugeln in Reih und Glied nebeneinander oder schräg<br />
versetzt. Er brauchte sie eigentlich nur aufzusammeln. Der<br />
Transport würde nicht einfach sein, in einer stabilen Kiepe<br />
vielleicht? Die Steine für das Kellergewölbe zu finden<br />
war schon schwieriger, abgesprengt von den Felswänden als<br />
Bruchsteine oder im Gelände. Sie sollten möglichst ähnlich<br />
in der Größe sein. Er wird eine Zeit lang suchen und sammeln<br />
müssen und sie zu Haufen aufstapeln. Später würde er sich<br />
Ochsenkarren leihen, denn das Material sollte ja in Casalzuigno<br />
verarbeitet werden.<br />
Veronika war von der Idee der Osteria auch angetan. Sie<br />
sah sich schon als freundliche, Wein ausschenkende Frau.<br />
Antonio machte sich voll Eifer ans Werk. Seine kameradschaftliche<br />
Art fand bald Helfer im Dorf, die sich natürlich<br />
schon auf ein Gläschen Wein nach getaner Arbeit freuten.<br />
Selbst Generationen nach Antonio und Veronika kehren<br />
Gäste ein, wenn auch heute als Autofahrer, und genießen die<br />
Gastfreundschaft der Besitzer bei einem Gläschen Wein.<br />
Mulinexgedicht<br />
von Lotte Thiemann<br />
Hilfe, der Affenhund hat am Brillenmus genascht!<br />
Haben die Hasenhörner ihn verpiept?<br />
Nein, nein, der Dampfkopf hat's gesehen.<br />
Seine Schwester, die Zitronenbirne,<br />
beschnulzt in ihren Kuchenschuhen<br />
mit der Rasenflöte pausenlos alles weiter.<br />
So kommt Wasserlicht in die Angelegenheit.<br />
Und wo bleibt in dem Gedicht das Hühnersofa?<br />
Unterwegs<br />
von Lotte Thiemann<br />
Kilometerstein, Kilometerstein<br />
weiter, Durst<br />
Kilometerstein, Kilometerstein<br />
weiter, Durst, Wasser<br />
Kilometerstein, Kilometerstein<br />
weiter, Durst, Wasser, Bach<br />
Kilometerstein, Kilometerstein<br />
weiter, Durst, Wasser, Bach, Quelle<br />
Kilometerstein, Kilometerstein<br />
weiter, Durst, Wasser, Bach<br />
Kilometerstein, Kilometerstein<br />
weiter, Durst, Wasser<br />
Kilometerstein, Kilometerstein<br />
weiter, Durst<br />
Kilometerstein, Kilometerstein<br />
Kneipe<br />
Wasser, Wasser, Wasser<br />
Weitere Informationen über den Kurs unter:<br />
www.schreibferien.crauss.de<br />
40 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Buchbesprechung<br />
Romantisch reisen – Typisch speisen<br />
E<br />
rlebnisse mit<br />
Hoteliers, Prominenten,<br />
Touristen<br />
und ganz gewöhnlichen<br />
Menschen<br />
erzählt das Buch „Romantisch<br />
reisen – typisch<br />
speisen“ von Gerd<br />
Marianczyk. Der Autor<br />
wohnt im Siegerland<br />
und war viele Jahre als<br />
Reiseleiter vorwiegend<br />
im spanischen Sprachraum<br />
tätig. Er berichtet<br />
Erstaunliches und Unbekanntes,<br />
was man oft<br />
in einem gängigen Reiseführer<br />
nicht findet.<br />
Die Stärke des Buches<br />
Erschienen im Verlag<br />
„Books on Demand GmbH“,<br />
Norderstedt<br />
machen die Schilderungen der persönlichen Begegnungen<br />
aus sowie das Schauen hinter die Kulissen, abseits von den<br />
gewöhnlichen touristischen Trampelpfaden.<br />
Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Granada mit seiner<br />
weltberühmten Alhambra. Marianczyk gibt Informationen<br />
über Name, Baustil, Entstehung und Geschichte (wie andere<br />
Reiseführer auch), aber hier gibt es weitere Informationen<br />
wie die Geschichte mit dem Flüsterkeller, der bei normalen<br />
Führungen nicht gezeigt wird. Wenn sich in diesem Keller<br />
zwei Personen unter dem gewaltigen Kreuzgewölbe in<br />
einem Abstand von 17 Metern gegenüberstehen und Sätze<br />
in die ausgefugten Rillen flüstern, so sind die Worte deutlich<br />
zu verstehen. Oder er erzählt von der Begegnung mit der<br />
Zigeunerkönigin „Maria la Canastera“ (Korbflechterin). Sie<br />
thronte am Ende einer großen Höhle auf einem kunstvoll<br />
geflochtenen Korbsessel mit hoher Lehne und ließ sich von<br />
den Besuchern über das Leben der Zigeuner befragen.<br />
Seine profunde Kenntnis von Land und Leuten zeigt<br />
der Autor an vielen Beispielen. Im Kapitel „Caballero –<br />
eine Anrede und ihre Bedeutung“ führt er aus, dass diese<br />
freundliche Anredeform bei Kellnern, Hoteldirektoren,<br />
Taxifahrern und Bankern gleichermaßen gut ankommt,<br />
während die Anrede Señor eher unpersönlich und etwas<br />
steif rüberkommt.<br />
Das Buch ist leicht zu lesen und bietet viele Informationen<br />
und die Schilderung interessanter Begegnungen aus<br />
den Jahren der Tätigkeit des Reiseleiters in diesen Gebieten.<br />
Ärgerlich an dem Buch sind seine vielen Rechtschreibfehler,<br />
besonders bei der Kommasetzung. Horst Mahle<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 41
Ein-Wort-Sätze<br />
V<br />
or einiger Zeit, wieder einmal angeregt durch einen<br />
„Guten Morgen“ – Artikel von Florian Adam in der<br />
Westfälischen Rundschau über „Ein-Wort-Sätze“,<br />
erinnerte ich mich an eine Busfahrt mit meinem gerade zwei<br />
Jahre alt gewordenen Enkel Yannik, der zu der Zeit die bunte<br />
Farbenwelt in seinen Sprachschatz aufgenommen hatte.<br />
Kinder plappern unentwegt, sobald sie sprechen können.<br />
Sie haben so viel zu sagen und zu fragen, dass es für sie viel<br />
zu lange dauert, in vollständigen Sätzen zu kommunizieren.<br />
Sie denken schneller, als sie sich mitteilen können und nehmen<br />
ihr Umfeld anders wahr als Erwachsene.<br />
An der Bushaltestelle:<br />
„Oma guck, weißer Bus kommt! Bus hält! Türe auf!<br />
Einsteigen! Oma komm, setzen! Türe zu! Bus fährt!“ Alles<br />
genauestens kommentiert und während er neben Oma<br />
am Fenster sitzt, entgeht nichts seinen wachsamen Augen.<br />
„Oma!“ „Ja!“ „Stuhl blau.“ „Ja-a!“ „Frau Haare rot, Mann<br />
Schuhe schwarz!“ „Ja-a-a!“, und ein ständiges Kopfnicken<br />
von Oma dazu.<br />
Kurz darauf: „Bus hält! Ampel rot!“ Während der Fahrer<br />
auf der Busspur warten muss, bis für ihn die Ampel wieder auf<br />
Grün umschaltet, fahren Autos langsam am Bus vorbei. Plötzlich<br />
klatscht der Kleine mit seinen pummeligen Händen auf die<br />
Fensterscheibe und jubelt lauthals: „Da! Da! Pobel Golf! Pobel<br />
Golf! Pobel Golf!“ Er war so begeistert von dem Opel, dass die<br />
Farbe für ihn wohl unwichtig zu sein schien. Er war weiß!<br />
Vor der nächsten Haltestelle: „Oma, guck, da! Grüner<br />
Mann! Bus hält! Türe auf! Grüner Mann steigt ein! Türe<br />
zu! Grüner Mann kommt! Grüner Mann sitzt!“ War das eine<br />
Aufregung für den Kleinen.<br />
Eine kunterbunte Busfahrt, die den Ablauf eines Geschehens<br />
präzise wiedergab, kurz, knapp, mit wenigen Worten<br />
verständlich, wenn auch nicht ganz dem Titel entsprechend.<br />
Übrigens, kein Alien, kein grünes Marsmännchen, nur ein<br />
netter älterer Herr in einem tollen grünen Outfit war zugestiegen<br />
– ein Förster in seiner Weidmannstracht.<br />
Und wie Florian Adam sagt: „Eine großartige Erfindung:<br />
Ein-Wort-Sätze. Einfach – Gut – Punktgenau. Bei Erwachsenen<br />
sind diese Perlen des Satzbaus allerdings anders<br />
als bei Kindern nur mäßig beliebt. Kinder wissen genau,<br />
worum es geht und was der Satz soll. Irgendwie ein Zeichen<br />
dafür, dass Erwachsene manchmal zu kompliziert denken.<br />
Schade eigentlich.“ Ich stimme dem zu. Gerda Greis<br />
Elisabeth<br />
Noch recht früh schlendert das Mädchen die Straße<br />
an diesem Morgen hinab.<br />
Kalt ist es, dämmrig und der missmutig gelaunten<br />
Mantelträger, die so wenig für Montage übrig haben,<br />
sind zahlreich. Das Mädchen hat noch etwas Zeit, muss<br />
nicht hetzen wie die Mantelträger. Für sie scheint die Zeit<br />
stehengeblieben zu sein. Die umliegenden Häuser und deren<br />
Gärten streichelt ein grauer, kühler, nebeliger Morgenwind.<br />
Manch einen der Mantelträger würde er erschauern<br />
lassen, da er zu Hause oft diese Zärtlichkeit vermisst.<br />
Elisabeth empfindet den dünnen Morgennebel, der das<br />
Licht der langsam aufgehenden Sonne bricht, in abertausende<br />
kleine Glitzerkristalle spaltet und dem Betrachter wie<br />
ein vom Himmel herabhängendes Seidentuch erscheint, als<br />
angenehm.<br />
Die heller werdenden Strahlen der Sonne, die durch die<br />
leeren Äste der knorrigen Bäume rundum nach Halt und<br />
Schatten greifen, lassen sie fasziniert stehen bleiben und<br />
nach Umrissen gucken, die der junge, im Osten noch rötlich<br />
schimmernde Feuerball nun schon werfen könnte.<br />
Vorsichtig tastet Elisabeth sich weiter, Angst habend,<br />
die Stille um sie herum durch eine unbedachte Bewegung<br />
brechen zu können. Ihr stierer Blick wandert langsam nach<br />
Norden zwischen den grauen Wänden der umliegenden<br />
Häuser hindurch. Dort kann sie die sanften, grünen Hügel<br />
auf der anderen Seite des Tales sehn, wo das Lager einst<br />
lag. Fünf Jahre. Fünf lange Jahre für sie ein Zuhause:<br />
Bistro rabotu i skoro domoi!<br />
Dann wünscht sie sich nichts mehr, als dort auf einem<br />
dieser Hügel zu sein, durch das von Tau feuchte Gras zu<br />
streifen und zuzusehen, wie die Sonne die dünnen, fast<br />
durchsichtigen Fäden eines Spinnennetzes in silbern schimmernde<br />
Seide webt und den Tau, der auf ihnen liegt, in<br />
strahlenden Perlen glitzern lässt.<br />
Die Vögel möchte sie sehen und hören ihren leisen Gesang,<br />
wenn der Tag anbricht und Wassertropfen Licht in<br />
Spektralfarben wandeln. Auch Bäume und Äste und Blätter<br />
ringsum gehören dazu.<br />
Noch einmal schaut Elisabeth sehnsüchtig nach Norden,<br />
schließt ihre Augen, nimmt Abschied. Dann verhärtet sich<br />
ihr Blick. Ihre Gesichtszüge werden prägnant und die sie so<br />
auf ihrem weiteren Leben begleiten. Jetzt lässt sie keinen<br />
mehr an ihre Gefühle heran, ist für alle unerreichbar.<br />
Für die Sonne bleibt sie empfänglich … gefühlvoll.<br />
Für die Welt ein gebrochener Haufen Mensch.<br />
PS: Um 10 Uhr 27 bestieg die 24-jährige Elisabeth den Zug,<br />
um dahin zu fahren, wo es für sie – genau wie für Hunderttausende<br />
andere – kein Zuhause mehr gab.<br />
Uwe Engelmann<br />
42 durchblick 4/<strong>2010</strong>
durchblick 4/<strong>2010</strong> 43
Aktivitäten<br />
Tango –<br />
ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann<br />
3 Fotos: Gottfried Klör<br />
Tango Milonga im Siegener Lÿz. Wer Tango hören oder tanzen möchte, kann sich beim Veranstalter, dem<br />
Tanzverein Krönchen Siegen e.V. informieren: 0271-371431, www.krönchen-siegen.de<br />
A<br />
ls ich vor einigen Monaten montagsabends am<br />
Lÿz vorbeiging, bemerkte ich staunend die Beleuchtung,<br />
die das Foyer in schummriges rotes<br />
Licht tauchte. Meine Assoziationen: Rotes Licht, Rotlicht,<br />
Hafenkneipenatmosphäre. Ich wurde neugierig und näherte<br />
mich dem Eingang. Was für eine Veranstaltung erforderte<br />
ein derartiges Ambiente?<br />
Noch bevor ich das Lÿz betrat, sah ich durch die großen<br />
Glasscheiben tanzende Paare. Frauen in engen Kleidern<br />
und Stöckelschuhen. Die Tanzhaltung der Paare erinnerte<br />
mehr an eine Umarmung als an die von den üblichen<br />
Tanzveranstaltungen gewohnten Bilder.<br />
Nachdem sich meine Augen an das dämmerige Licht<br />
angepasst hatten und ich die Personen näher betrachten<br />
konnte, bemerkte ich, dass Tanzende jeglichen Alters anwesend<br />
waren. Neben jungen Paaren und Einzelpersonen<br />
auch ältere Tänzer. Die Ältesten waren, wie ich später erfuhr,<br />
über siebzig Jahre alt.<br />
„Wir treffen uns hier seit einigen Jahren regelmäßig zum<br />
Tangotanz, einer Milonga, wie die Tanzabende, bei denen<br />
Tango Argentino getanzt wird, genannt werden“, erfuhr ich<br />
im Gespräch von einem der Anwesenden. Seit etwa zehn<br />
Jahren existiert nämlich auch im Siegerland eine Fangemeinde.<br />
Im weiteren Verlauf der Gespräche erfuhr ich, dass der<br />
Tanz, geboren Anfang des vorigen Jahrhunderts in den<br />
Hafenvierteln, Kneipen und Bordellen von Buenos Aires,<br />
in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts die Bühnen<br />
eroberte. Er wurde dann auch in Europa zur Modeerscheinung<br />
und pendelt seither zwischen Südamerika und Europa.<br />
Dabei entwickelt er sich durch neue musikalische Einflüsse<br />
stetig weiter, erneuert sich und bleibt auch für nachfolgende<br />
Generationen interessant. So nahm der Tango Elemente des<br />
Jazz und anderer Musikrichtungen in sich auf, ohne seinen<br />
ursprünglichen Charakter zu verlieren. Darauf beruht seine<br />
Faszination, die ihn hat alt werden lassen, ohne dass er<br />
seine Jugend verloren hat.<br />
In diesem Sinne ist der Tango auch Vorbild und Wegweiser<br />
für alle, die zwar in die Jahre gekommen, im Herzen<br />
aber jung geblieben sind.<br />
Während der Unterhaltung mit den Anwesenden lausche<br />
ich der Musik. Was gibt ihr den unverwechselbaren<br />
Charakter? Schwermütig sei die Musik, eben ein trauriger<br />
Gedanke, den man tanzen könne. Das erkläre sich daraus,<br />
dass in der Musik und dem Tanz die schwarzen Sklaven und<br />
Einwanderer aus Europa ihre Erinnerung an die Musik der<br />
Heimat, aber auch ihre Verzweiflung und Heimatlosigkeit<br />
ausgedrückt hätten. Argentinien habe ihnen und den vielen<br />
44 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Aktivitäten<br />
www.Fotolia.de<br />
Einheimischen, die vom Land in die Metropole strömten,<br />
nämlich nicht das geboten, was es versprochen habe. Statt<br />
Arbeit und Wohlstand erwartete diese Unglücklichen nur<br />
ein Leben in Hinterhofkasernen in bitterster Armut.<br />
Während sich wieder Paare auf der Tanzfläche finden,<br />
erfahre ich, dass vor allem das von dem Deutschen Heinrich<br />
Band gebaute Bandoneon der Musik ihren ganz eigenen<br />
Klang verleiht.<br />
Plötzlich ändert sich jedoch der Charakter der Musik.<br />
Zwar wird immer noch Tango gespielt, aber jetzt sind andere<br />
Instrumente beteiligt, erfordern schnellere Tanzbewegungen.<br />
Die umarmende Haltung wird aufgelöst, zwischen<br />
den tanzenden Paaren bleibt mehr Raum. Tango nuevo oder<br />
Elektrotango ist angesagt.<br />
Das, so höre ich, seien jedoch nur einige Zwischenstücke.<br />
Bald kehre man wieder zur klassischen Tangomusik zurück,<br />
der sogenannte Salontango prägt wieder die Tanzfläche.<br />
Einer der Großen des argentinischen Tango hat einmal<br />
gesagt: „Ich kann dir die Schritte beibringen. Das Licht musst<br />
du selbst anzünden.“ Das weist<br />
auf die Philosophie des Tanzes<br />
hin. Mit ihm sollen Gefühle in<br />
Bewegung umgesetzt und im<br />
tanzenden Paar eine gemeinsame<br />
Harmonie erreicht werden. Deshalb<br />
besteht der Tanz auch nicht<br />
aus einer Aneinanderreihung<br />
von Schrittfolgen, sondern die<br />
Paare improvisieren. Leidenschaft<br />
gepaart mit Einsamkeit,<br />
Erinnerungen, Sehnsucht, aber<br />
auch die Hoffnung auf bessere<br />
Zeiten, Fantasien und Träume<br />
sind die „Gedanken“ des Tangotanzes.<br />
Nach einem Abend in zwar<br />
eigentümlicher, aber gemütlicher<br />
Atmosphäre verlasse ich das Lÿz<br />
und gebe mir das Versprechen<br />
wiederzukommen. ramk<br />
Was wäre der Tango ohne das Bandoneon?<br />
W<br />
er ahnt schon, dass dieses Instrument seinen<br />
Weg vom Niederrhein zum südamerikanischen<br />
Kontinent fand?<br />
Heinrich Band wurde 1821 in Krefeld geboren, übernahm<br />
das kleine Musikaliengeschäft seines Vaters und<br />
war ebenfalls als Musiklehrer tätig. Es ist unstrittig, dass<br />
er Instrumente aus Sachsen bezog, daran Veränderungen<br />
vornahm, was den Absatz sprunghaft steigerte.<br />
Das Bandoneon entstand aus einer „Concertina“, an der<br />
Heinrich Band – jene kleinen, aber entscheidenden Änderungen<br />
zu diesem – entstandenen „Erfolgsinstrument“<br />
hinzufügte.<br />
Der Name Bandonion oder Bandoneon wurde zu<br />
einer Qualitätsbezeichnung innerhalb der Harmonika-<br />
Instrumente. In Argentinien wird Heinrich Band heute<br />
noch verehrt, denn er schuf die Grundlage für den melancholischen<br />
Tango.<br />
Eva Herrmann<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 45
Historisches<br />
Denkmäler in Siegen<br />
Ein Leben ohne Kunst ist wie eine Landschaft ohne<br />
Blumen. Würde es keine geben, wäre unser Dasein nicht<br />
nur leer, auch aggressiver. Heiderose Elisabeth Nolde, Schriftstellerin<br />
Siegen ist eine Stadt von herber Schönheit. Verschiedene<br />
Kulturepochen – Gotik, Barock, verschnörkeltes<br />
Rokoko – haben hierzulande kaum Spuren<br />
hinterlassen. Vielleicht ist es darauf zurückzuführen, dass<br />
Siegen ein bescheiden-beschauliches Dasein abseits der<br />
großen Kunstzentren des Mittelalters und des 17. und 18.<br />
Jahrhunderts führte, und auf die sachliche, nüchterne, erdverbundene<br />
Einstellung der Siegener zum Arbeits- und<br />
Alltagsleben in der ehemaligen Bergstadt. Der Bergbau<br />
und das Verhüttungswesen waren in früherer Zeit prägend<br />
für Mensch und Landschaft. Dennoch hat die Stadt ein bemerkenswertes<br />
Erbe an Baudenkmälern wie Schlössern,<br />
Kirchen, Fachwerkbauten und anderen Kulturdenkmälern.<br />
In diesem Beitrag möchte ich Sie, liebe Leserinnen und Leser,<br />
zu einem Spaziergang durch die Stadt einladen, um die<br />
Kunstwerke, die in freier Natur stehen, neu zu entdecken,<br />
ihnen zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen und Sie zum<br />
Nachdenken anregen. Standbilder, Brunnenfiguren, Kriegerdenkmäler,<br />
Prachtbauten, Gedenksteine und Gedenktafeln,<br />
wir gehen an ihnen vorüber, immer wieder, bisweilen<br />
achtlos, gedankenversunken, geschäftig und nehmen uns<br />
kaum Zeit sie zu betrachten. Denkmäler sind Spuren der<br />
Geschichte in der Gegenwart, sie sind Ausdruck unserer<br />
Kultur.<br />
Beginnen wir unseren Spaziergang am Bahnhof, vorbei<br />
am Kugelbrunnen zur Siegbrücke. Hier steht wohl das<br />
bekannteste Siegener Denkmal, der Bergmann und der<br />
Hüttenmann von den Siegenern „Henner“ und „Frieder“<br />
getauft. Sie sind Schöpfungen des in der Siegener Poststraße<br />
geborenen Friedrich Reusch, der sich zu seiner Zeit<br />
einen außerordentlich guten Ruf als Bildhauer erwarb.<br />
Viele Auszeichnungen und Ehrungen wurden ihm zuteil.<br />
Henner und Frieder sind Symbolfiguren der jetzt nicht mehr<br />
vorhandenen Industriezweige, die den wirtschaftlichen guten<br />
Ruf des Siegerlandes gründeten. Sie stehen auch als schöne<br />
Sinnbilder fleißiger, redlicher Arbeitserfüllung. Auf dem Sockel<br />
des Hüttenmanns steht ein Wort von Friedrich Schiller<br />
„Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis“.<br />
Wir gehen weiter über die Siegbrücke und kommen zum<br />
Kölner Tor. Da steht ein Bär aus Stahlbeton. Zwei Meter<br />
ist er groß. Am Sockel hat er zwei kaum erkennbare Wappen<br />
– das Siegener Stadtwappen und das Spandauer Bezirkswappen.<br />
Er wurde der Stadt Siegen anlässlich ihrer<br />
750-Jahr-Feier vom Bezirk Spandau Berlin geschenkt, als<br />
Dank für eine Hilfsaktion des Landkreises Siegen für Berliner<br />
Kinder, die nach dem Krieg in wirtschaftlicher Not<br />
waren. Die Plastik wurde am 7. Mai 1974 enthüllt.<br />
Vom Kölner Tor gehen wir die Treppen hoch zur Martinikirche.<br />
Sie war die Keimzelle der Stadt Siegen. Dieser bedeutendste<br />
Sakralbau des Siegerlandes, im spätromanischen<br />
Stil errichtet, ist der älteste und ehrwürdigste Zeuge der Vergangenheit.<br />
Vermutlich ist die Kirche um das 9. Jahrhundert<br />
entstanden, wurde aber erst 1311 urkundlich erwähnt. In<br />
ihrer heutigen äußeren Gestalt besteht sie unverändert seit<br />
den Umbauarbeiten in der Zeit von 1511 bis 1516.<br />
Im Park der Martinikirche steht das Diesterweg-<br />
Denkmal, enthüllt am 29. Oktober 1890. Adolf Diesterweg<br />
wurde am 29. 10. 1790 in Siegen geboren. Er war<br />
damals der führende Pädagoge Deutschlands und auch<br />
als Sozialreformer, Politiker und Publizist international<br />
bekannt. Er kämpfte für die Volksschule und ihre Lehrerschaft<br />
in Deutschland, für eine einheitliche nationale<br />
liberale Erziehung. Er starb in Berlin am 7. 7. 1866.<br />
Schöpfer des Denkmals ist der Meister Eduard Reusch,<br />
der Bruder des Bildhauers Friedrich Reusch. Die von dem<br />
Siegerländer Künstler Adolf Saenger geschaffene Gedenktafel,<br />
die in der Kölner Straße an dem wiedererrichteten<br />
Geburtshaus Diesterwegs angebracht wurde, erinnert an<br />
ihn als eine der bedeutendsten Siegerländer Persönlichkeit.<br />
Ein überdachter Durchgang führt uns vom Park der<br />
Martinikirche zum Unteren Schloss, ein markantes und<br />
monumentales Bauwerk im Siegener Stadtbild. Die evangelische<br />
Landesherrschaft, welche 1743 in der männlichen<br />
Henner und Frieder<br />
Adolf Diesterweg<br />
4 Fotos: Tessie Reeh<br />
46 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Historisches<br />
Linie ausstarb, bewohnte bis 1781 das Untere Schloss.<br />
Danach wurde es Behördensitz und Wohnung der nassauoranischen<br />
Beamtenschaft und ist heute Sitz von Landesbehörden.<br />
Fürst Johann Moritz (16<strong>04</strong> –1679) entwickelte<br />
die Baupläne für das Schloss. 1668 begann er zunächst mit<br />
dem Bau einer Begräbnisstätte mit Gruft und zwei Seitenflügeln.<br />
Die zweiflügelige, gusseiserne Tür der Gruft<br />
ist mit dem Wappen des Erbauers, (Johanniter-Kreuz und<br />
dänischer Elefantenorden), Symbole von Tod und Vergänglichkeit<br />
und der Jahreszahl 1669 versehen. Sie ist<br />
ein Kunstwerk und ein Beispiel dafür, zu welch meisterhaftem<br />
Können die Siegerländer Eisengießer fähig waren.<br />
Johann Moritz starb 1679 und wurde seinem Wunsch<br />
entsprechend hier beigesetzt. Seine Nachfolger verwirklichten<br />
erst ab 1680 die weitergehenden Baupläne des<br />
Fürsten zur Errichtung eines prachtvollen Schlosses, das<br />
1721 fertiggestellt wurde. Der Dicke Turm, in dem sich<br />
eine Ehrenstätte für die Gefallenen beider Weltkriege befindet,<br />
überragt den ganzen Gebäudekomplex des Unteren<br />
Schlosses und prägt in besonderer Weise das Bild der Stadt<br />
mit. Die Turmkrone trägt ein Glockenspiel, das heute noch<br />
mehrfach täglich zu hören ist. Am Tag des „Offenen Denkmals“<br />
kann die Gedenkstätte von innen besichtigt werden<br />
und ermöglicht den Besuchern einen Einblick in das Gedenkbuch,<br />
das mit großer Sorgfalt zusammengestellt ist.<br />
Auch die von unserem heimischen Bildhauer Hermann<br />
Kuhmichel geschaffene Plastik die „Ausschauende“, die<br />
an der Gedenkstätte beim Dicken Turm 1959 ihren endgültigen<br />
Platz fand, soll als Symbol des Erinnerns gelten.<br />
Sie sollte erinnern an das harte Los der Menschen, die nach<br />
Kriegsende in Gefangenschaft lebten. Heute steht sie als<br />
Symbol für die Sehnsucht nach Frieden in unserer Welt.<br />
Verlassen wir den Hof des Schlosses, kommen wir zur<br />
Alten Poststraße. Eine Brunnenanlage, bestehend aus drei<br />
Kühen, einem Kalb und einem Hirten mit Hund, gegossen<br />
aus Bronze, spiegelt eine typische Siegerländer Szene<br />
vergangener Zeiten wieder. Die offizielle Einweihung des<br />
20 Meter langen „Kuhdamms“ fand am 24. November 1983<br />
statt. Es ist ein Kunstwerk des Bildhauers Wolfgang Kreutter.<br />
Am Ende der Poststraße beginnt die Löhrstraße mit der<br />
Marienkirche. Sie wurde 1702 bis 1725 erbaut und ist der<br />
einzige Sakralbau aus der Barockzeit in Siegen. Zu beachten<br />
ist der schöne Platz neben der Marienkirche, umstanden von<br />
Fachwerkhäusern und mit einem Brunnen versehen. Ein Gedenkstein<br />
erinnert an den katholischen Pfarrer Wilhelm Ochse<br />
(1878–1960), der ähnlich wie sein protestantischer Amtsbruder<br />
Theodor Noa gegen den Nationalsozialismus gekämpft<br />
hat.<br />
Wir gehen die Löhrstraße hoch und kommen zum Marktplatz.<br />
Der Marktplatz als Urzelle der Stadtgründung war<br />
und ist heute noch der Mittelpunkt der Stadt. Hier stehen<br />
jahrhundertealte Baudenkmäler – die Nikolaikirche, das<br />
Rathaus – das Kriegerdenkmal „Germania“ und ein Brunnen,<br />
der heutzutage als Kunst eine Definitionssache ist.<br />
Die Nikolaikirche wurde wahrscheinlich im 13. Jahrhundert<br />
gebaut, aber erst 1317 urkundlich erwähnt. Seit<br />
der Reformation ist die Nikolaikirche Hauptpfarrkirche<br />
der Stadt. Bis zum Bau der Fürstengruft wurden die Mitglieder<br />
der evangelischen Linie des Hauses Nassau-Siegen<br />
hier beigesetzt. Eine besondere Rolle in der Geschichte der<br />
Nikolaikirche spielte der Fürst Johann Moritz. Er veranlasste<br />
einen neuen Innenausbau der Kirche, stiftete einige<br />
wertvolle Gegenstände, die heute noch in der Kirche<br />
bewundert werden können, und ließ eine goldene Krone<br />
anfertigen und 1658 auf die Turmspitze setzen. Die Bürger<br />
der Stadt betrachten und pflegen das „Krönchen“<br />
als ein ehrenwürdiges Zeichen der Siegener Vergangenheit.<br />
Es ist ein Symbol unserer Siegerländer Heimat.<br />
Das Rathaus wird urkundlich erstmals 1303 als „Kaufhaus“<br />
erwähnt, da die Verwaltungsgeschäfte und der Handel damals<br />
unter einem Dach stattfanden. Nach 1534 sind keine städtischen<br />
Rechnungen mehr für das Kaufhaus zu finden. Man<br />
spricht nur noch vom Rathaus. Im Laufe der Jahrhunderte erfolgten<br />
Um- und Neubauten am alten Rathaus. Letzter Neubau<br />
mit Erweiterung folgte nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />
Eine Gedenktafel am Rathaus weist auf den großen Barockmaler<br />
Peter Paul Rubens hin, der berühmteste Sohn der<br />
Stadt Siegen. Der Text auf der Tafel lautet:<br />
In dieser Stadt wurde am 29. Juni 1577 geboren Peter<br />
Paul Rubens. Zur Feier des 300-sten Geburtstages<br />
widmeten diese Gedenktafel Bürger der Stadt Siegen.<br />
Seine Gemälde hängen heute in allen großen Museen der<br />
Welt. Das Siegener Museum hat neben zahlreichen <br />
Siegens „Kuhdamm“<br />
Rubensbrunnen<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 47
Historisches<br />
Kopien auch Originalgemälde<br />
des Meisters erworben.<br />
Ein sehr schönes<br />
Denkmal am Marktplatz<br />
neben der Nikolaikirche<br />
ist das „Germania-<br />
Denkmal“ geschaffen von<br />
dem Bildhauer Friedrich<br />
Reusch. Es steht als Erinnerungsmal<br />
an die Siegener<br />
Bürger, die in den<br />
Germania<br />
Kriegen von 1864 (gegen<br />
Dänemark), 1866 (gegen<br />
Österreich), 1870 bis<br />
1871 (gegen Frankreich) gefallen sind. Es wurde<br />
am 6. August 1877 auf dem unteren Marktplatz enthüllt.<br />
Heute steht es auf dem oberen Marktplatz in einer<br />
gepflegten Grünanlage, Fissmerplatz genannt.<br />
Foto: Hartmut Reeh<br />
Unser Spaziergang setzt sich fort durch die Hundgasse<br />
zum Oberen Schloss. Im Schlosspark zwischen Hainpforte<br />
und Jugendherberge steht die von Hermann Kuhmichel aus<br />
Tuffstein geschaffene Statue des Grafen Johann zu Nassau<br />
auch „Johann der Mittlere“ genannt. Der Landesherr<br />
(1561–1623) war der Begründer der Dynastie Nassau-<br />
Siegen, der universitären Tradition in Siegen, der ersten<br />
Militärakademie auf europäischem Boden. Er war ein bedeutender<br />
Staatsmann, Feldherr und Militärreformer.<br />
In der Nähe des Armesündertors steht der Rubensbrunnen<br />
geschaffen von Hermann Kuhmichel. Es ist eine Figurengruppe<br />
drei in sitzender Haltung zu einer Einheit zusammengedrängte<br />
Frauen und ein Kindes, das in den Armen<br />
der mittleren, der Mutter, ruht. Die Brunnengruppe wurde<br />
vom Künstler selbst Mitte November 1934 auf den Sockel<br />
gesetzt. Sie stellt die Geburt des Malerfürsten symbolisch<br />
dar. Bekanntlich erhoben die drei Städte Antwerpen, Köln<br />
und Siegen lange Zeit den Anspruch Geburtsstadt des be-<br />
rühmten Malers zu sein, bis durch endgültige Sicherstellung<br />
des geschichtlichen Beweismaterials zugunsten Siegens<br />
entschieden wurde. Die Gruppe ist eine würdige Ehrung<br />
des großen Meisters und eine schöne Bereicherung des<br />
öffentlichen Bildschmuckes unserer Stadt. Auch weitere<br />
neuzeitliche Plastiken wie „Tanz“ (Josef Salomon), oder<br />
„Sonne“ (Dietrich Mohr), schmücken den Schlosspark.<br />
Das Schloss selbst ist ein steinerner Zeuge der Landesgeschichte<br />
und steht im natürlichen, wirtschaftlichen und kulturellen<br />
Mittelpunkt des Landes und gilt als das „bedeutendste<br />
weltliche Baudenkmal“ und als „Herz des Siegerlandes“.<br />
Seine Entstehung wird in die Zeit um oder nach 1200 gesetzt.<br />
Urkundlich wird es zuerst 1259 als Burg erwähnt. Bis<br />
zum Ausgang des 16. Jahrhunderts war sie Mittelpunkt der<br />
gräflichen Macht im Siegerland und Verwaltungssitz des<br />
Amtes Siegen. Erst 1606, nachdem die Linie Nassau-Siegen<br />
gegründet war, wurde das Gebäude zur Residenz ausersehen.<br />
Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich aus dem Burgkern<br />
ein Schlossgebäude. Ab 1670 wird das Bauwerk als<br />
das „Alte“ oder das „Obere“ Schloss bezeichnet. Von hier<br />
aus regierte die katholische Linie Nassau-Siegen. Von 1743<br />
an, nach dem Aussterben dieser Linie, wurde das Schloss<br />
Sitz und Wohnung der nassau-oranischen Landesbeamten.<br />
1815 ging es in preußischen Besitz über; 1888 wurde es an<br />
die Stadt Siegen verkauft. Die Stadt richtete 1905 hier das<br />
„Museum des Siegerlandes“ ein.<br />
Hier beenden wir unseren Spaziergang durch die Geschichte<br />
der Stadt. Denkmäler sind nicht nur eine Zierde<br />
der Stadt, sie sind Zeugen von dem, was einst gewesen ist,<br />
sie erzählen Geschichte.<br />
Es ist wichtig, dass wir die Naturschönheiten und kulturellen<br />
Schätze unserer Stadt und Region kennen, damit wir uns<br />
für sie einsetzen können, um deren Erhalt zu sichern. Denkmäler<br />
und Kulturgüter bereichern die Schönheit, die Vielfalt<br />
und die Geschichte unserer Region und unseres Landes.<br />
Dorothea Istock<br />
Quellen: Unser Krönchen, Band 3, 1896. Zeitschrift Siegerland, Band 50, 1973.<br />
Unser Heimatland, 1964. Heimatland Nr. 8, 1931<br />
Denkmäler, die dem Zeitwandel zum Opfer gefallen sind:<br />
Das „Bismarck-Denkmal“, im<br />
Oktober 1900 enthüllt. Es beherrschte<br />
die Parkanlage vor<br />
dem Unteren Schloss.<br />
3 Bilder: Stadtarchiv Siegen<br />
Das „Kaiser-Wilhelm-Denkmal“, enthüllt im Oktober<br />
1892. Es stand am unteren Marktplatz. Beide Denkmäler<br />
waren Werke des Siegener Bildhauers Friedrich Reusch<br />
(1843–1906). Sie kamen im Zweiten Weltkrieg in die<br />
Schmelzöfen der Rüstungsindustrie.<br />
Der „Marktbrunnen“,<br />
enthüllt 1938 in der<br />
Alten Poststraße, an<br />
der Stelle an der jetzt<br />
die Brunnenanlage mit<br />
Kühen steht.<br />
48 durchblick 4/<strong>2010</strong>
durchblick 4/<strong>2010</strong> 49
Wie uns ein Schwein das Schlachtfest<br />
versauen wollte<br />
Erzählung über eine ereignisreiche Hausschlachtung<br />
zu Beginn der fünfziger Jahre<br />
wagte ich zu sagen und erntete für mein vorlautes Mund-<br />
anstarrte. „Opa, guck mal, dieses Säuchen sieht gut aus“,<br />
werk einen dermaßen vernichtenden Blick des Großvaters,<br />
dass ich fortan lieber schwieg. „Der Junge hat Ahnung“,<br />
V<br />
on unserem Fenster zum Hof konnte man nicht meinte freilich der schmunzelnde Händler. „Hat er nicht!<br />
nur diesen überblicken, sondern das Gesichtsfeld Deine Hungerleider sind doch alle viel zu kurz geraten.<br />
reichte über die Hauptverkehrsstraße bis hin zum Du solltest dich schämen, mit solch krüppeligem Viehzeug<br />
fast 100 Meter entfernten Bach und sogar noch über diesen hier aufzukreuzen. Was sollen die Missgestalten denn kosten?“<br />
Der Beel nannte einen Preis, der ein lautes Gelächter<br />
hinaus. Unumschränkte Regentin über das Fenster zum<br />
Hof war die Großmutter. Mit ihrem Handarbeitszeug saß meines Großvaters hervorlockte: „Bist du denn narrisch?!<br />
sie hinter den Scheiben und weil sie ihre Häkel- und Strickbewegungen<br />
weitgehend auswendig be-<br />
Meinst du, wir schwimmen im Geld?! Das ist doch nicht zu<br />
herrschte, konnte sie beinahe unentwegt<br />
ihre Blicke nach draußen richten. Und<br />
so darf ich mit Fug und Recht behaupten,<br />
dass ihr nichts entging. Ob Schäfers<br />
anstatt mit den üblichen zwölf Broten<br />
diesmal nur mit elf auf ihrer Schubkarre<br />
zum Backhaus unterwegs gewesen waren,<br />
ob sich Meiers Luise mitten in der<br />
Woche mit einem neuen Kleid auf den<br />
Schulweg begeben hatte oder ob Nachbars<br />
Katze dreimal an einem Tag mit<br />
einer Maus im Maul heimkehrte – die<br />
Großmutter erspähte alle wichtigen Dinge<br />
und an den zumeist unerhörten Neuigkeiten<br />
von mitunter durchaus weltgeschichtlichem<br />
Rang ließ sie abends ihre<br />
Familie teilhaben.<br />
Die Ferkel, ein Gewimel in hellrosa, liefern laut quiekend hin und her.<br />
Es war also kein Wunder, dass sie an<br />
einem kalten Januarmorgen weit und breit<br />
als Erste beobachtete, dass der Ferkelhändler im Ort auftauchte.<br />
„Richard, der Beel ist da!“, rief sie mit schriller Palaver wurden die beiden sich endlich doch noch einig und<br />
bezahlen!“ Nach weiterem Hin und Her und mächtig viel<br />
Stimme und weil ihr Richard nicht gleich reagierte, wiederholte<br />
sie die wenigen Worte – nun aber so kräftig, dass Großvater kaufte zwei Ferkel für etwas mehr als hundert<br />
schlugen sich gegenseitig in die ausgestreckten Hände. Der<br />
ihr Angetrauter mit hastigen Schritten ins Zimmer stürmte Mark und ich durfte eines davon zum Stall tragen.<br />
und sich am Fenster zum Hof von der Richtigkeit der Beobachtung<br />
überzeugte. Danach schritt er eilends ins Schlaftüre<br />
eine geschosshohe Steintreppe, die überaus breit war.<br />
Wegen der Hanglage unseres Hauses führte zur Hauszimmer,<br />
steckte sich einige Geldscheine ein, nahm wortlos Die ungewöhnliche Abmessung hatte einen Grund, denn<br />
die unmissverständliche Weisung entgegen: „Bring bloß unterhalb dieser Treppe befand sich der mit einer Holztüre<br />
abgeriegelte Schweinestall. Unmittelbar hinter diesem<br />
was Vernünftiges mit!“, und zog mit mir im Schlepptau los.<br />
Auf der Ladefläche von Beels Lastauto herrschte ein Eingang befand sich eine zweite Türe, aus eisernen Gitterstäben<br />
gefertigt und ebenfalls mit Scharnieren und Riegeln<br />
ungeheures Gewimmel. Mehrere Dutzend Ferkel liefen<br />
laut quiekend hin und her – ein Gewimmel in Hellrosa. versehen. In der wärmeren Jahreszeit stand die Holztüre<br />
„Nur beste Qualität!“, rief uns der Beel, dessen grauer durchweg offen und jeder, der am Haus vorbeiging, konnte<br />
somit die Fortschritte bei der Mästung der Borstentiere<br />
Kittel trotz der Kälte nicht zugeknöpft war, aufmunternd<br />
zu. Der Großvater verzog keine Miene, ging einmal um beobachten. Diese indes konnten ihrerseits zwischen den<br />
die Ladefläche herum, kam wieder zurück und knurrte: Gitterstäben hindurch den Blick auf den Hof bis zum Bach<br />
„Nichts Vernünftiges dabei.“ Dieser Meinung war ich nicht, und sogar noch darüber hinaus genießen – nur eine Etage<br />
zumal mich eines der Ferkel mit großen Augen neugierig tiefer als die Großmutter.<br />
2 Fotos: www.Fotolia.de<br />
Unterhaltung<br />
50 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Unterhaltung<br />
Wer nun etwa meint, dass sich hierdurch eine Art Seelenverwandtschaft<br />
zwischen diesen Parteien gebildet hätte,<br />
der irrt. Im Gegenteil! Die Großmutter übernahm zwar die<br />
Fütterung der Ferkel, doch sie tat dies keineswegs, damit<br />
diese ein schönes Leben führten. Die Aufzucht der Tiere<br />
gestaltete sich mental in etwa so wie das Aussäen und die<br />
Düngung von Getreide. Irgendwann wurden die hieraus<br />
entstandenen Halme abgemäht und das gewonnene Korn<br />
der Nahrungskette zugeführt. Und weil die Schweine ebenfalls<br />
als eine Art “Lebensmittel auf Abruf “ angesehen und<br />
am Schlachttag quasi „geerntet“ wurden, bekamen sie auch<br />
keine Namen – ganz im Gegensatz zu unseren Kühen und<br />
der Katze.<br />
Die Hauptkost der Allesfresser bestand aus kleinen Kartoffeln,<br />
die in einem Kessel gekocht und anschließend mit<br />
einem Stampfer zermanscht wurden. Schon bei der Ernte<br />
Das Schwein wog nach zehn Monaten gut und gerne 200 Pfund.<br />
wurden die als minderwertig angesehenen Knollen aussortiert<br />
und kamen im Keller in einen separaten Verschlag.<br />
Natürlich landeten neben einiger Hände voll Schrot auch<br />
alle Küchenabfälle im Schweinetrog. Die Tiere wuchsen<br />
schnell, wogen nach zehn Monaten gut und gerne 200 Pfund<br />
und hatten nun in höchstem Grad den Metzger zu fürchten.<br />
In der Regel entwickelten sich die beiden Schweine unterschiedlich.<br />
Das stärkere setzte sich bei der Nahrungsaufnahme<br />
rücksichtslos durch und wurde dementsprechend<br />
schneller fett. Doch was am steinernen Trog ein Vorteil gewesen<br />
war, geriet jetzt zum Nachteil, denn es musste als<br />
Erstes dran glauben. Das andere Schwein indes setzte als<br />
Alleinherrscher im Stall nun die bislang aus Gründen höherer<br />
Gewalt versagt gebliebene Speckschicht rasch an und<br />
war etwa vier bis sechs Wochen später schlachtreif.<br />
„Am Samstag kommt der Erwin“, sagte der Großvater<br />
an einem trüben Novembertag und jeder im Haus wusste,<br />
was dieser Satz bedeutete. Das erste von zwei Schlachtfesten<br />
stand an. Hektik hielt Einzug in der Großfamilie,<br />
denn es galt allerlei Vorbereitungen zu treffen. Der große<br />
Kupferkessel in der Waschküche, der das ganze Jahr über<br />
zum Kochen der Wäsche diente, musste gründlich gesäubert<br />
werden, damit die Wurst später nicht nach Persil schmeckte.<br />
Dazu galt es, die Räucherkammer auf Vordermann<br />
zu bringen. Allerlei Gewürze von der Muskatnuss bis zum<br />
schwarzen und weißen Pfeffer mussten herbei und auch<br />
Kleinigkeiten wie die Kordel zum beidseitigen Abbinden<br />
der Würste durften nicht vergessen werden. Der Schlachttag<br />
war so mit Arbeit ausgefüllt, dass für eine nachträgliche<br />
Besorgung einfach keine Zeit da war.<br />
Schon am Vorabend des wichtigen Tages traf vom letzten<br />
Benutzer ein blecherner Trog ein, darin lagen neben<br />
zwei eisernen Ketten allerlei Gerätschaften, deren Wichtigkeit<br />
noch zur Sprache kommen wird. Auch der Erwin<br />
war mitgekommen, um ein abschließendes Gespräch mit<br />
dem Großvater zu führen. In seiner Bluse mit den<br />
schma len blauen und weißen Streifen, dazu der<br />
steifen Gummischürze sah er aus wie ein richtiger<br />
Metzger. Doch er war keiner, jedenfalls hatte er keine<br />
Lehre mit abschließender Gesellenprüfung hinter<br />
sich gebracht. Stattdessen war er mit seinem Vorgänger<br />
einige Jahre als Schlachtgehilfe von Haus zu<br />
Haus gezogen. Als dieser dann plötzlich starb, hatte<br />
Erwin sich so viele Kenntnisse angeeignet, dass er<br />
mit stillem Einverständnis der Dorfgemeinschaft<br />
wie selbstverständlich die Aufgabe übernahm.<br />
Ausnahmsweise kochte die Großmutter am nächsten<br />
Morgen nicht den üblichen „Kathreiner's Malzkaffee“,<br />
sondern es kam richtiger Bohnenkaffee auf<br />
den Tisch. Schlachter Erwin erschien nämlich schon<br />
zum Frühstück, das auch ansonsten reichhaltiger als<br />
sonst ausfiel. Als er eintraf, war es draußen noch<br />
dunkel. An seiner Seite baumelte ein Köcher mit etlichen<br />
sehr scharfen Messern und einem Wetzstab.<br />
Schließlich verleibten sich die Erwachsenen noch<br />
einen Klaren ein und dann ging es noch bei Dämmerlicht<br />
hinaus in die kalte Novemberluft. Die Stalltüren wurden<br />
geöffnet und der erste Akt des Schlachtfestes begann. Es<br />
sollte ein besonders aufregender Auftakt werden. <br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 51
Unterhaltung<br />
Mein Onkel band dem auserkorenen Schwein einen<br />
Strick um das linke Hinterbein und versuchte es mit einigen<br />
aufmunternden Worten, leichtem Druck und sanften<br />
Beinstößen aus dem Stall hinauszutreiben. Das war für die<br />
Sau etwas ganz Neues. Schließlich hatte sie ein Leben wie<br />
im Schlaraffenland geführt, musste ihre Behausung so gut<br />
wie nie verlassen, war nicht zuletzt wegen der mangelnden<br />
Bewegung dick und fett<br />
geworden. Nein, freiwillig<br />
wollte sie nicht auf den Hof<br />
und sie begann zu quieken.<br />
Mein Großvater sah, dass es<br />
so nichts wurde und ging nun<br />
auch noch in den Stall. Mit<br />
vielen Schubsern und Schlägen<br />
auf das Hinterteil gelang es schließlich, das zum Tode<br />
verurteilte Tier zur vorgesehenen Schlachtstelle auf den<br />
Hof zu bringen.<br />
Das Gequieke der Sau war inzwischen so jämmerlich<br />
und durchdringend geworden, dass man es im gesamten<br />
Dorf hörte. Etliche Männer aus der Nachbarschaft eilten<br />
sogar auf die Straße, um das Ende eines kurzen Schweinelebens<br />
zu verfolgen. Ich war mir damals sicher, dass das<br />
Tier um seinen nahen Tod wusste, fühlte aber ebenso wie<br />
der Rest der Familie und auch die Maulaffen feilhaltenden<br />
Beobachter auf der Straße keinerlei Mitleid.<br />
Nun nahte die Stunde des Schlachters. In der einen Hand<br />
ein Bolzengerät, in der anderen den schweren Holzhammer<br />
näherte er sich dem Tier von hinten. Mein Onkel zog so<br />
fest am Strick, dass das hieran befestigte Bein sich vom<br />
Boden löste und schräg nach oben zeigte. Durch die ungewohnte<br />
Stellung auf drei Beinen unsicher geworden, blieb<br />
das Tier starr stehen und stellte seine Befreiungsversuche<br />
und plötzlich auch sein Gequieke ein. Erwin setzte sein<br />
Bolzengerät an eine bestimmte Stelle des Kopfes, holte mit<br />
dem Hammer aus und schlug zu. Alle starrten wie gebannt<br />
auf den Vorgang und weil der Onkel nur auf den Rücken<br />
des Schlachters sehen konnte, nicht aber auf dessen Hände<br />
mit den Gerätschaften, wechselte er seine Stellung. Dabei<br />
lockerte sich der Strick und das linke Schweinebein sackte<br />
nach unten. So kam es, dass die hierdurch neugierig gewordene<br />
Sau, just in dem Moment als der Hammer sich<br />
senkte, eine unerwartete Bewegung mit dem Kopf nach<br />
hinten machte. Der Hammer traf daher nicht den Bolzen,<br />
sondern streifte das Tier seitlich in der Nähe des Ohrs. Der<br />
Schmerz muss unbeschreiblich gewesen sein. Es ertönte ein<br />
Quiekschrei, wie man<br />
ihn bisher noch nicht<br />
gehört hatte und mit<br />
So war der Sau<br />
nicht beizukommen<br />
einer gewaltigen<br />
Kraftanstrengung riss<br />
das Schwein sich los<br />
und raste reichlich benommen<br />
in Richtung<br />
der Straße auf die gaffenden Nachbarn zu. Alles war so<br />
schnell geschehen, dass man die einzelnen Bewegungen<br />
kaum voneinander zu unterscheiden wusste.<br />
Als das Schwein durch die auseinanderspritzenden Beobachter<br />
hindurch die andere Straßenseite gewonnen hatte,<br />
wurden seine Schritte immer kürzer. Endlich vollführte<br />
es noch zwei, drei kleine Hopser mit den Hinterfüßen und<br />
dann stand es still. Langsam drehte sich das durch den ungewohnten<br />
Sprint sichtlich erschöpfte Tier um und glotzte<br />
in die Richtung, aus der es gekommen war. Es erblickte<br />
eine Handvoll Männer, die sich vorsichtig näherten und<br />
wich daraufhin ebenso vorsichtig weiter zurück. So war der<br />
Sau nicht beizukommen. Doch der Großvater wusste Rat,<br />
rief die mutigen Schweinefänger zurück und beorderte sie<br />
über einen Nebenweg in den Rücken des Tiers. Dank dieser<br />
List gelang es meinem Onkel schließlich und endlich, das<br />
immer noch am Hinterbein befindliche Seil wieder in die<br />
Hände zu bekommen. Als die Delinquentin nach vielem<br />
Hin und Her und ständigem Gequieke endlich wieder den<br />
Richtplatz auf dem Hof eingenommen hatte, war es hell<br />
geworden. Allgemein herrschte die Meinung vor, dass zur<br />
Beruhigung der Sau eine Pause und zur Entspannung aller<br />
sonstigen Beteiligten die Einnahme eines zweiten Klaren<br />
angebracht sei.<br />
52 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Unterhaltung<br />
Einen weiteren Misserfolg wollte sich der sichtlich verärgerte<br />
Erwin nicht erlauben. Eindringlich gab er jedem<br />
Helfer noch einmal genau seine Aufgabe bekannt und diesmal<br />
klappte es. Nach dem tiefen Eindringen des Bolzens ins<br />
Gehirn fiel das Schwein<br />
wie vom Blitz getroffen<br />
um. Ich war damals der<br />
felsenfesten Meinung, das<br />
Tier sei nun tot. Aber der<br />
Bolzen hatte lediglich die<br />
Aufgabe, es zu betäuben.<br />
Der Schlachter holte nun<br />
fix eines der Messer aus<br />
seinem Köcher und öffnete<br />
mit schnellem Schnitt<br />
die Halsschlagader. Meine<br />
Tante fing das als dicker<br />
Strahl herauspulsierende<br />
Blut in einer angewärmten<br />
Schüssel auf und entleerte<br />
Foto: Archiv Helga Düringer<br />
diese in einen Eimer.<br />
Nun kam meine erste<br />
Aufgabe, denn ich musste<br />
mit einem Holzlöffel das<br />
Blut im Eimer umrühren,<br />
damit es nicht gerann und damit unbrauchbar wurde. Der<br />
Schlachter hatte sich auf den heftig zuckenden Körper gesetzt<br />
und unterstützte mit rhythmischem Pumpen am Vorderbein<br />
erfolgreich das Auslaufen des Blutes. Endlich bewegten<br />
sich nur noch die Hinterbeine. Ich hatte so viel zu<br />
beobachten, dass meine Rührbewegungen dem Zucken des<br />
Tieres entsprachen und immer langsamer wurden. „Junge,<br />
rühr!“, fuhr man mich von allen Seiten an und der Löffel<br />
im Eimer bewegte sich wieder schneller.<br />
Mit vereinten Kräften hoben die Männer das am Blutverlust<br />
verendete Tier in den Trog auf die Eisenketten, deren<br />
Enden beidseitig heraushingen. Meine Mutter hatte inzwischen<br />
im Kupferkessel viele Eimer voll Wasser erhitzt.<br />
Schlachter Erwin goss dieses über den Schweinekörper, der<br />
danach mit den Ketten mehrmals im Trog hin und her gewälzt<br />
wurde – und schon war der größte Teil des leblosen Körpers<br />
dauerhaft enthaart. Mit glockenförmigen Schellen wurden<br />
die verbliebenen<br />
Borsten<br />
abgeschabt.<br />
Am geschlossenen<br />
Ende<br />
besaßen<br />
die Schellen<br />
einen kleinen<br />
Haken,<br />
mit dem der<br />
S c h l a c h ter<br />
die Hornklauen<br />
von<br />
den Füßen<br />
entfernte. Sobald<br />
die Haut<br />
haarlos war,<br />
band man die<br />
freigelegten<br />
Sehnen der<br />
Hinterbeine<br />
weit auseinander an einen kräftigen Holzbügel, Hebholz genannt.<br />
Mit dessen Hilfe wurde das Schwein von kräftigen<br />
Männerhänden an einer an der Hauswand stehenden Leiter<br />
aufgehängt. Erwin teilte nun den kopfüber hängenden Körper<br />
vom Ringelschwänzchen bis zum Rüssel in zwei Hälften,<br />
wobei die Innereien in eine parat stehende Wanne fielen. Nur<br />
noch durch die Haut am Rücken miteinander verbunden hingen<br />
zwei Schweinehälften aufgeklappt an der Leiter und man<br />
konnte nun endlich die Dicke der Speckschicht begutachten.<br />
Das war nicht unwichtig, denn die Qualität der gesamten<br />
Schlachtung wurde von den Beteiligten und den Nachbarn<br />
vor allem hiernach eingeschätzt.<br />
Wegen der geschilderten Verzögerung durch die Hatz<br />
Mit einem Hebholz wurde das Schwein von kräftigen Männerhänden an<br />
einer an der Hauswand stehenden Vorrichtung aufgehängt.<br />
war der für eine bestimmte Uhrzeit bestellte Fleisch-<br />
<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 53
Unterhaltung<br />
beschauer schon eingetroffen und konnte ohne Verzögerung<br />
seine Arbeit aufnehmen. Er entnahm von einigen Körperstellen<br />
Gewebeproben und untersuchte diese unter dem Mikroskop<br />
auf Krankheitserreger. Es galt also zu warten und man<br />
war so klug, die Zeit zu nutzen, um sich noch einen Klaren zu<br />
genehmigen. Dies geschehe nur wegen der Kälte, versicherte<br />
man sich gegenseitig. Und<br />
weil einer vielleicht nicht<br />
Heil, Heil und dreimal<br />
Heil dem Schwein und<br />
seinem Hinterteil!<br />
ausreichte, um einer Erkältung<br />
wirksam zu trotzen,<br />
gab es gleich danach einen<br />
weiteren Klaren.<br />
Endlich kam die erlösende<br />
Meldung des Fleischbeschauers:<br />
„Das Schwein<br />
ist für den menschlichen Verzehr geeignet!“ Er druckte Freigabestempel<br />
unter anderem auf die beiden Hinterschinken, kassierte<br />
seine Gebühr und zog von dannen. Nun erst durfte die<br />
Zerlegung der Schweinehälften beginnen. Diese erfolgte im<br />
Haus. Unter der geübten Hand des Schlachters verwandelten<br />
sich das Schnitzel- und Kotelettfleisch, die Stücke für Leber-,<br />
Blut- und Mettwurst, Kopf, Zunge und die Beine mit den daran<br />
hängenden Schinken in Einzelteile.<br />
Hiervon bekam ich freilich wenig mit, denn mir war eine<br />
weitere bedeutsame Aufgabe zuteil geworden. Mit meiner<br />
Mutter war ich nämlich zum Bach unterwegs. Sie schob<br />
eine Schubkarre, auf der die Wanne mit einem Teil der Innereien<br />
stand. Es handelte sich um den Zinkzuber, in dem<br />
wir ansonsten samstags badeten. Am Bach angekommen<br />
begannen wir, den Inhalt der Därme, der Blase und des<br />
Magens aus diesen herauszudrücken. Das schnell fließende<br />
Wasser nahm die unerträglich stinkenden Klumpen rasch<br />
mit sich. Dann hielten wir ein Ende der Därme ins Wasser<br />
und ließen eine Zeit lang das Nass am anderen Ende wieder<br />
herausfließen. Endlich wurde unter Zuhilfenahme eines<br />
hölzernen Kochlöffels das Innere der Därme nach außen<br />
gewendet und mit den Fingern gründlich gereinigt. Später<br />
im Haus wurden alle Innereien mit einem Metalllöffel noch<br />
sauber ausgeschabt und in Salzwasser gelegt. Unsere Finger<br />
indes wurden steifer und steifer, das Bachwasser war<br />
eisig kalt und wir froren erbärmlich.<br />
„Hoffentlich erkältest du dich nicht“, sagte die Mutter und<br />
mir kam prompt der rettende Gedanke.<br />
„Mutti“, sagte ich „hast du einen Klaren mitgenommen?“<br />
„Ich? Einen Klaren? Wie kommst du denn darauf?“<br />
„Der Erwin hat gesagt, ein Klarer sei gut gegen Erkältungen!“<br />
„Junge, du bist acht Jahre alt. Klare trinken nur die Großen.“<br />
„Aber ich bin doch schon groß und werde im nächsten<br />
Monat schon Neun.“<br />
Das sei kein großer Unterschied, meinte sie und ergänzte,<br />
dass besagter Klarer ein Schnaps sei, der betrunken<br />
mache. Manche Leute würden danach lustig, andere<br />
hingegen auch sehr böse. Kinder dürften niemals Schnaps<br />
trinken. Uns würde gleich im Haus schon wieder warm<br />
werden. So war es auch.<br />
Und wie mir warm wurde. Es war eine Zeit lang später, da<br />
beorderte man mich nämlich in die Waschküche. Die Därme<br />
waren in der Zwischenzeit gefüllt worden und wurden nun als<br />
Leber-, Blut- und Bratwurst wie zuvor schon das deren Hauptinhalt<br />
bildende Fleisch im kupfernen Waschkessel gekocht.<br />
Sobald sich bei den Würsten eine Luftblase bildete, musste<br />
ich, auf einem altersschwachen<br />
Hocker stehend, mit einer spitzen<br />
Nadel in diese stechen. Einige<br />
Würste platzten trotz aller Vorsichtsmaßnahmen<br />
dennoch auf<br />
und ein Teil ihres Inhalts trat aus<br />
und verteilte sich. Man schimpfte<br />
aber nicht mit mir, denn die aus<br />
dem Kochwasser entstehende<br />
Wurstsuppe schmeckte durch die Beilagen noch besser.<br />
Endlich kam der Abend und mit ihm als Höhepunkt des<br />
Schlachtfests das durch ein Gebet des Großvaters eingeleitete<br />
gemeinschaftliche Essen. Nach dem Verzehr der<br />
Wurstsuppe stellten die Frauen Schüsseln mit Kartoffelpüree<br />
und selbst gefertigtem Sauerkraut auf den Tisch. Danach<br />
servierten sie das vor allem bei den Männern beliebte<br />
Wellfleisch und die frischen Würste.<br />
Ehe wir freilich zulangen konnten, gab es eine Unterbrechung.<br />
Jemand klopfte von außen heftig an eine der<br />
Fensterscheiben.<br />
Nach dem Öffnen des Fensters steckten unsichtbaren Gestalten<br />
einige Holzstöcke mit angebundenen Papiertüten ins<br />
Hausinnere. Die Tüten enthielten Zettel mit kurzen Gedichten.<br />
Schreiber waren die Nachbarskinder, die dem Schlachtfest<br />
ein gutes Gelingen wünschten und sich bei dieser Gelegenheit<br />
eine Wurst erbaten. Fast immer lautete der Text:<br />
„Ich hab gehört, ihr hätt' geschlacht' und hätt' so gute Wurst<br />
gemacht. Gebt mir eine von den Langen, die Kurzen lasset<br />
hangen.” Dem Wunsch nach einer Wurst wurde entsprochen<br />
– aber von den Langen gab es nichts. Extra für diesen Zweck<br />
waren nämlich einige kleinere Würste geformt worden. Ich<br />
beschloss spontan, beim nächsten Schlachtfest in der Nachbarschaft<br />
in der geschilderten Art und Weise ebenfalls wegen<br />
einer Wurst vorstellig zu werden.<br />
Nach dem Essen, bei dem alle mit großem Appetit kräftig<br />
und ausdauernd zugelangt hatten, gab es für die Erwachsenen<br />
einen weiteren Klaren. Aber nachdem man tagsüber<br />
erfolgreich einer Erkältung getrotzt hatte, diente das Getränk<br />
nun plötzlich zur besseren Verdauung. Als alle nun<br />
so gemütlich beisammen saßen, ergriff Schlachter Erwin<br />
das Wort. Nach einigen einleitenden Sätzen, in denen er die<br />
Juden und die Muselmanen bedauerte, denen das Schwein<br />
ein Gräuel sei, trug er ein Gedicht vor, das mit den Worten<br />
endete: „Heil, Heil und dreimal Heil dem Schwein und<br />
seinem Hinterteil!“ Man hob die erneut gefüllten Gläser,<br />
stieß ein weiteres Mal an und meine Mutter fand, dass es<br />
nun höchste Zeit sei, dass ich ins Bett ging und mit den<br />
Worten: „Vergiss nicht zu beten!“, wurde ich eine Etage<br />
höher geschickt. <br />
Ulli Weber<br />
54 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Gesellschaft<br />
Rechtssicherheit bei Behandlungsabruch<br />
RA Kringe zum BGH-Urteil zur Sterbehilfe<br />
§<br />
Schon in seiner letzten Ausgabe<br />
hat der durchblick auf das wegweisende<br />
Urteil des Bundesgerichtshofs<br />
(BGH ) vom 25.6.<strong>2010</strong><br />
zur Sterbehilfe hingewiesen. Der<br />
Wilnsdorfer Rechtsanwalt und<br />
Notar, Michael Kringe, Fachanwalt<br />
für Familienrecht, schreibt<br />
für den durchblick dazu:<br />
Erkrankung. Der Behandlungsabbruch muss notwendig<br />
auf die Verhinderung oder Rückgängigmachung einer medizinischen<br />
Maßnahme gerichtet sein. Erfasst werden von<br />
erlaubten Behandlungsabbrüchen daher das Unterlassen<br />
einer lebenserhaltenden medizinischen Maßnahme, der<br />
Abbruch einer begonnenen Behandlung und die Inkaufnahme<br />
eines vorzeitigen Todes, wenn er als Nebenfolge einer<br />
palliativmedizinischen Behandlung, wie etwa der Schmerzlinderung,<br />
eintritt.<br />
Das Gericht musste über die Strafbarkeit eines Anwalts<br />
urteilen, der einer Mandantin empfohlen hatte,<br />
den Schlauch der Magensonde durchzutrennen,<br />
mit welcher deren Mutter, die sich in einem nicht mehr<br />
rückgängig zu machenden Wachkoma befand, ernährt wurde.<br />
Die Vorinstanzen hatten den Rechtsanwalt wegen versuchten<br />
Totschlags verurteilt.<br />
In der Entscheidung, mit der der BGH diese Urteile<br />
aufgehoben und den Anwalt freigesprochen hat, ergriff er<br />
die Gelegenheit, um die Grenzen zwischen erlaubter und<br />
unerlaubter Sterbehilfe neu zu definieren.<br />
Das Gericht diskutiert die Problematik im Spannungsverhältnis<br />
zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des<br />
Patienten und dem Gebot des Schutzes menschlichen Lebens.<br />
Es berücksichtigt außerdem das seit 2009 geltende<br />
sog. Patientenverfügungsgesetz. Dieses Gesetz ordnet<br />
eine am Patientenwillen orientierte Begrenzung der Behandlung<br />
bei zum Tode führenden Erkrankungen an. Der<br />
tatsächliche oder mutmaßliche Wille des Patienten ist unabhängig<br />
von Art und Stadium der Erkrankung Ausgangspunkt<br />
und Maß aller Behandlungsmaßnahmen.<br />
Der BGH stellt fest, dass die bisherige Unterscheidung<br />
zwischen bloßem Unterlassen, also passiver Sterbehilfe,<br />
die straffrei möglich ist, einerseits und aktivem Tun, also<br />
strafbarer aktiver Sterbehilfe, untauglich sei. Diese Unterscheidung<br />
habe in der Vergangenheit zu juristischen Kunstgriffen<br />
geführt, die zu Recht kritisiert worden seien.<br />
So hätten Gerichte beispielsweise das Abschalten<br />
eines Beatmungsgerätes als Unterlassen im juristischen<br />
Sinne interpretiert und seien so zur gewünschten Straffreiheit<br />
gekommen.<br />
Nun ersetzt das Gericht diese Unterscheidung durch<br />
den Begriff des „Behandlungsabbruchs“, der regelmäßig<br />
aus Elementen aktiven Handelns und passiven Unterlassens<br />
bestehe.<br />
Handlungen, die das Leben unabhängig von<br />
einem schweren Krankheitsprozess beenden,<br />
sind weiterhin strafbar.<br />
Ausführlich setzt das Gericht sich mit der Problematik<br />
des mutmaßlichen Patientenwillens auseinander. Es<br />
verweist für den Fall, dass der Patient seinen Willen nicht<br />
mehr äußern kann und ihn auch in der Vergangenheit nicht<br />
schriftlich geäußert hat auf die Regeln des Patientenverfügungsgesetzes,<br />
die Anhaltspunkte zur Ermittlung eines<br />
solchen Willens geben.<br />
Lob haben die Richter erhalten für die Deutlichkeit, mit<br />
der sie die Grenze zwischen strafbarer Tötung und strafloser<br />
Sterbehilfe, neu definiert haben. Sie erlaubt dem juristischen<br />
Laien, also Ärzten, Pflegekräften, Betreuern und<br />
Angehörigen eindeutig zu bestimmen, wie weit Eingriffe,<br />
die das Leben beenden, gehen dürfen bzw. wo die Strafbarkeit<br />
anfängt.<br />
Ein Behandlungsabbruch liegt nur dann vor, wenn er im<br />
Zusammenhang mit Sterbehilfe steht. Er setzt die Einwilligung<br />
des Betroffenen voraus sowie eine lebensbedrohliche<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 55
Gib jedem Tag die Chance, der Schönste deines Lebens zu werden. Mark Twain<br />
Konzentriertes Lesen<br />
Die ungewohnte Schreibweise des Textes fordert<br />
erhöhte Aufmerksamkeit<br />
Wortfindung – Wissen<br />
Wie heißt die Redensart?<br />
Alle Übungen gefunden beim „Schweizerischer Verband für Gedächtnistraining“, zusammengestellt von Barbara Kerkhoff und Anja Freundt<br />
Logisches Denken<br />
Suchen Sie für die drei Bilder in einer Zeile einen<br />
Oberbegriff! Welches Bild gehört nicht dazu?<br />
Wer ---- sagt muss auch ---- sagen<br />
Es --- ist noch --- aller Tage ---.<br />
--- Antwort ist --- --- Antwort.<br />
In den --- Apfel ---.<br />
Wie --- sich --- so liegt man.<br />
Der --- lebt nicht vom --- allein.<br />
Lückentext<br />
Sie trainieren besonders:<br />
Wortfindung.<br />
Es fehlen die Selbstlaute ü = ue.<br />
-s -st b-ss-r --n- K-rz- -nz-z--nd-n,<br />
-ls --b-r d-- D-nk-lh--t z- kl-g-n.<br />
56 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Kreatives Denken – Alternativen<br />
Versuchen Sie bei, „was wäre, wenn ...“ möglichst<br />
viele Alternativen zu finden als Oberbegriff!<br />
Was wäre, wenn ...<br />
Sie für eine Woche dreißig Jahre alt wären:<br />
___________________________________________<br />
Was wäre, wenn ...<br />
Sie plötzlich den Hauptgewinn im Lotto gezogen hätten?<br />
___________________________________________<br />
Was wäre, wenn ...<br />
Sie einen Artikel für den durchblick schreiben<br />
müssten?<br />
___________________________________________<br />
Was wäre, wenn ...<br />
Sie Bürgermeister von Siegen sein dürften?<br />
___________________________________________<br />
Konzentration<br />
Versteckte Wörter:<br />
Im Buchstabenfeld finden Sie zehn Tiere<br />
Ein Paar auf die Ohren?<br />
Viel hören – Wenig verstehen?<br />
Von diesem Problem mit dem Gehör ist annähernd jeder<br />
Siebte betroffen. Der Anfang: Angestrengtes Verstehen und<br />
Verwechselung bei Nebengeräuschen,<br />
wobei es bei<br />
Einzelgesprächen oft noch<br />
geht. Meist sind beide Ohren<br />
gleichermaßen betroffen.<br />
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durchblick 4/<strong>2010</strong> 57
Gesellschaft<br />
Was kostet das Leben?<br />
I<br />
m Monat 364 Euro an Einkommen – die Bundesregierung<br />
hat das Arbeitslosengeld II „Hartz IV“ neu<br />
berechnet. Kann man davon ein menschenwürdiges<br />
Leben führen? Die Diskussion um das Existenzminimum<br />
ist neu entfacht, seit die Regierungskoalition<br />
dem Auftrag<br />
des Bundesverfassungsgericht<br />
nachgekommen ist und die<br />
Grundsicherung neu berechnet<br />
hat. Das Ergebnis der Neuberechnung:<br />
fünf Euro mehr.<br />
Kann man davon leben?<br />
Die se Frage stellt sich dem, der<br />
länger als ein Jahr arbeitslos ist<br />
(Lebensalter über 50 Jahre: länger<br />
als zwei Jahre), seinen Kindern<br />
und Geringverdienenden.<br />
Laut Auskunft der Bundesagentur<br />
für Arbeit lebten im April<br />
fast 6,9 Millionen Menschen in „Hartz IV“-Haushalten.<br />
916 000 Menschen waren im September länger als ein<br />
Jahr ohne Arbeit, fast die Hälfte davon sogar länger als<br />
zwei Jahre. Selbst wenn man einen gewissen Prozentsatz<br />
für die nicht Vermittelbaren abzieht, so ist das eine erschreckende<br />
Zahl. Diese Menschen bekommen nun auf<br />
den Cent vorgerechnet, wie ein menschenwürdiges Leben<br />
zu finanzieren ist. Dabei sind 128,46 für Nahrungsmittel<br />
und Getränke angesetzt – das sind 4,28 Euro am Tag. Für<br />
Kleidung und Schuhe gibt es 30,40 Euro, 1,39 Euro für<br />
Bildung.<br />
Hartz IV ist grundsätzlich<br />
gesehen ein gute Sache,<br />
um zu überleben. Aber aus<br />
der Nothilfe für den Ausnahmefall<br />
ist für immer mehr<br />
Menschen in unserem Land<br />
ein Dauerzustand geworden.<br />
Umso dringender stellt sich<br />
die Frage: Reicht die finanzielle<br />
Grundsicherung für ein<br />
menschenwürdiges Leben?<br />
Deutschlands riesiger Sozialverband, der VdK, verurteilt<br />
mit einer großen Plakataktion den Missstand.<br />
Mehrere Sozialverbände<br />
haben darauf hingewiesen,<br />
dass besonders für Kinder<br />
neu gerechnet werden muss. Es stellt sich die Frage nach<br />
einer solidarischen Gesellschaft; diese muss bereit sein Verantwortung<br />
mit zu tragen. Das kostet Geld. Aber hier dürfen<br />
die Reichen nicht weiterhin geschützt werden und die<br />
Belastungen immer mehr den ohnehin schon Schwachen<br />
aufgebürdet werden.<br />
Horst Mahle<br />
Engagement, Mitwirkung<br />
und Beteiligung Älterer<br />
Foto: Dr.Horst Bach<br />
In Deutschland<br />
leben<br />
mehr<br />
als 20 Millionen<br />
ältere<br />
M e n s c h e n .<br />
Ihr Anteil an<br />
der Gesamtbevölkerung<br />
steigt. „Grufti“,<br />
Die „Alten“ bringen sich vielfach in die Gesellschaft<br />
„Schrapp-<br />
ein. Hier Lesepatin Linda Löser. nelle“ oder<br />
„alter Sack“<br />
„altes Eisen“<br />
oder „UHU“ (= Unter Hundert): Die Bezeichnungen für<br />
diese Bevölkerungsgruppe, für das Alter und Altern sind<br />
vielfältig und teilweise verletzend. So gibt es junge und alte<br />
Alte, fitte Alte, ältere Mitbürger und natürlich Senioren<br />
sowie hochaltrige und betagte Menschen. Im Blick auf den<br />
demografischen Wandel ist oft von einer „Alterslast“ und<br />
„ergrauten Welt“ die Rede.<br />
Aber als Konsumenten sind die Älteren heftig umworben<br />
und eine bei Wahlen entscheidende Zielgruppe. Vor<br />
allem wird ihr Engagement in der Gesellschaft zunehmend<br />
als unverzichtbar erkannt. Es ist zu beobachten, dass sich<br />
die gesellschaftliche Einstellung zur älteren Generation und<br />
auch das Lebensgefühl der älteren Menschen verändert.<br />
Das Selbstbewusstsein – vor allem der sogenannten „jungen<br />
Alten“ – ist erheblich gestiegen. Diese Bevölkerungsgruppe<br />
zeichnet sich aus durch ausgeprägte Lebenserfahrungen<br />
und Biografien sowie durch vielseitige Interessen<br />
und Handlungsmöglichkeiten bei relativ guter Gesundheit.<br />
Aktuellen Umfragen zufolge sind in dieser Bevölkerungsgruppe<br />
37 von 100 Personen ehrenamtlich engagiert.<br />
58 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Gesellschaft<br />
Mit steigender Tendenz. Kann dieses Potenzial intensiver,<br />
vielleicht in organisierter Form genutzt werden? Etwa als<br />
Ersatz oder in Nachfolge der Zivildienstleistenden, zum<br />
Beispiel als „soziales Jahr“ für Senioren? Begriffe wie<br />
„Dienst“ oder „Pflicht“ werden jedenfalls kaum vermittelbar<br />
sein. Auch mit Hinweisen auf Engpässe der Sozialkassen<br />
dürfte die Überzeugungsarbeit erfolglos bleiben.<br />
Aber es stellt sich die Frage, ob die gesellschaftlichen<br />
Altersbilder entsprechenden Erwartungen an ältere Menschen<br />
unterstützen oder einschränken. Denn Altersbilder<br />
haben Einfluss darauf, inwieweit ältere Menschen ihre<br />
Potenziale verwirklichen können und inwieweit es ihnen<br />
gelingt, Grenzsituationen zu bewältigen. Anders ausgedrückt:<br />
Welche sozialen Rollen älteren Menschen in einer<br />
Gesellschaft offen stehen und was von ihnen in diesen<br />
Rollen erwartet wird, hängt nicht zuletzt von den vorherrschenden<br />
Altersbildern ab. Sie haben auch Einfluss darauf,<br />
was ältere Menschen sich zutrauen, was sie erreichen<br />
wollen und erreichen können.<br />
Die vielschichtigen Interessen älterer Menschen werden<br />
in Deutschland von zahlreichen Organisationen, Verbänden<br />
und Initiativen der freien Altenarbeit vertreten.<br />
Dazu gehören zum Beispiel die politischen Parteien, die<br />
Kirchen, Wohlfahrts- und Sportverbände. Alle können<br />
jedoch oft nur in den sie betreffenden Teilgebieten wirken.<br />
Die gemeinsamen Anliegen werden in der Öffentlichkeit<br />
und gegenüber den politisch Verantwortlichen<br />
von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen<br />
(BAGSO) e.V. vertreten. Über ihre zurzeit<br />
102 Mitgliedsorganisationen vertritt die BAGSO etwa<br />
13 Millionen ältere Menschen in Deutschland mit dem<br />
Hauptziel, jedem Menschen ein selbstbestimmtes Leben<br />
im Alter zu ermöglichen und die dafür notwendigen<br />
Rahmenbedingungen zu schaffen. Die BAGSO setzt sich<br />
dafür ein, dass auch alte Menschen die Chance zu einer<br />
aktiven Beteiligung am gesellschaftlichen Leben haben<br />
und sich das im öffentlichen Meinungsbild über „die Alten“<br />
widerspiegelt. Seitens der BAGSO wurde dafür die<br />
Fachkommission „Freiwilliges Engagement und gesellschaftliche<br />
Teilhabe“ eingerichtet.*<br />
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für<br />
Familie, Senioren, Frauen und Jugend gemeinsam mit der<br />
BAGSO am 8. November <strong>2010</strong> in Berlin eine Fachveranstaltung<br />
durchgeführt. Überschrift: „Altersbilder und Engagement<br />
in der Zivilgesellschaft“.<br />
Engagement, Mitwirkung und Beteiligung von Bürgerinnen<br />
und Bürgern könne die Politik nicht verordnen, erklärte<br />
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder in ihrer<br />
Eröffnungsrede. „Aber wir können günstige Bedingungen<br />
und Räume schaffen, wo sich Alt und Jung außerhalb von<br />
Familie, Schule und Arbeitswelt begegnen, wo sie sich gemeinsam<br />
für ihr Umfeld und für eine gute Zukunft verlässlich<br />
bürgerschaftlich engagieren.“<br />
Foto: Archiv BAGSO<br />
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und<br />
Jugend Kristina Schröder auf einer Fachveranstaltung zum<br />
Thema „Altersbilder und Engagement in der Zivilgesellschaft“.<br />
Entsprechende Aktionszentren auf kommunaler Ebene<br />
werden vermutlich in absehbarer Zeit von der Bundesregierung<br />
– wiederum unter Beteiligung der BAGSO – finanziell<br />
gefördert. Das entspricht außerdem den Zielen<br />
des Europäischen Jahres der Freiwilligentätigkeit 2011.<br />
Die Europäische Kommission will ebenfalls dazu beitragen,<br />
dass mehr Menschen sich ehrenamtlich engagieren<br />
und dass das Bewusstsein für den Mehrwert dieses Engagements<br />
gesteigert wird.<br />
Meiner persönlichen Erfahrung zufolge sind Menschen<br />
für ein Engagement am ehesten zu gewinnen, wenn sie ein<br />
realistisches Bild vom eigenen Alter(n) erarbeitet und verinnerlicht<br />
haben. Und wenn es sich tatsächlich um ein freiwillig<br />
gewähltes befristetes Engagement handelt. Nach der<br />
Devise: „Die Chancen nutzen, die Zumutungen annehmen,<br />
die Erfüllungen auskosten“ (Alfons Auer). <br />
Erich Kerkhoff<br />
* Der Autor ist Mitglied der Fachkommission.<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 59
Der Kommentar<br />
Künstliche Ernährung am Ende des Lebens<br />
Immer noch ist dieser Satz: „Sie wollen ihn/sie doch<br />
nicht verhungern und verdursten lassen“ in Krankenhäusern<br />
und Pflegeheimen zu hören, auch in unserer<br />
Region. Diese Aussage soll das Anlegen einer Magensonde<br />
(PEG = perkutane endoskopische Gastrostomie) für eine<br />
künstlicher Ernährung mit Sondernahrung durch die Bauchdecke<br />
rechtfertigen und zur Einwilligung der Angehörigen<br />
führen, wenn der Patient selbst nicht mehr in der Lage ist<br />
dadurch seine Zustimmung zu geben. Und welcher Angehörige<br />
will sich diesem Vorwurf schon ausgesetzt sehen<br />
und sieht sich dadurch genötigt zuzustimmen. Das Anlegen<br />
und die Ernährung über eine PEG-Sonde ist ein ärztlicher<br />
Eingriff in die Körperintegrität des Menschen und bedarf<br />
deshalb immer der Einwilligung des Patienten bzw. dessen<br />
Angehörigen oder Betreuers.<br />
Aber hier ist genau hinzuschauen, insbesondere bei der<br />
Indikation in der terminalen Lebensphase. Von ihr spricht<br />
die Medizin dann, wenn eine zwangsläufig tödlich verlaufende<br />
Krankheit vorliegt und der Tod kurzfristig d. h.<br />
innerhalb von Tagen oder wenige Wochen erwartet wird.<br />
Die künstliche Ernährung über eine PEG-Sonde in dieser<br />
Phase ist eine lebensverlängernde Maßnahme, die im Sinne<br />
des Sterbenden wohl bedacht werden muss. Die gefühlsmäßige<br />
Annahme, dass dadurch das körperliche und geistige<br />
Wohlbefinden erhalten bleibt und die Lebenserwartung erhöht<br />
werden kann, nach dem bekannten Motto: Essen und<br />
Trinken hält Leib und Seele zusammen, ist nach neuesten<br />
Studien widerlegt. Von Verhungern sprechen heute Wissenschaftler<br />
und Mediziner in der Regel nur dann, wenn ein<br />
Mensch durch ein objektiv erhöhtes Kaloriendefizit auch<br />
an einem subjektiven Hungergefühl leidet. Empfindet und<br />
leidet ein Mensch keinen Hunger, verhungert er auch nicht.<br />
Das Gleiche gilt für das „Verdursten“. Ohne ein Durstgefühl<br />
und daran zu leiden, gibt es kein Verdursten.<br />
Die Reduzierung des Bedürfnisses<br />
nach Nahrung und<br />
Flüssigkeit ist Bestandteil eines<br />
natürlichen, oft langen und<br />
langsamen Sterbeprozesses.<br />
Deshalb kann bei einem alten<br />
Menschen, der am Ende seines<br />
Lebens angekommen ist und<br />
kein Ess- und Durstbedürfnis<br />
mehr entwickelt, auch von<br />
keiner bewussten Nahrungsverweigerung<br />
gesprochen wer-<br />
Eberhard Freundt<br />
den, die eine Zwangsernährung<br />
rechtfertigt. Ganz besonders<br />
problematisch und nicht gerechtfertigt ist die Ernährung über<br />
eine PEG-Sonde, z. B. bei Demenzkranken, um die zeitraubende<br />
Essprozedur und damit Personalkosten einzusparen.<br />
Je nach Krankheitsbild kann die künstliche und nicht<br />
selten zwangsweise Zuführung von Nahrung und Flüssigkeit<br />
für den Patienten und sein Wohlbefinden sogar kontraproduktiv<br />
sein. Insbesondere durch die vermehrte Zuführung<br />
von Flüssigkeit kann der Sterbeprozess erschwert und<br />
der Leidensdruck erhöht werden. Eine Lebensverlängerung<br />
um jeden Preis kann für den Betroffenen im wahrsten Sinne<br />
des Wortes eine Folter sein, wenn mit einer künstlichen<br />
Ernährung zwar sein Leben, in erster Linie aber sein unerträgliches<br />
Leiden unnötig verlängert wird. Deshalb, es<br />
stellt sich bei der Entscheidung über eine künstliche Ernährung<br />
mithilfe einer PEG-Sonde in der terminalen Phase des<br />
Lebens nicht die Frage nach Verdursten und Verhungern,<br />
sondern nach der Vermeidung einer oft langen Tortur unnötigen<br />
Leidens. Im Übrigen kann ich mir nicht vorstellen,<br />
dass ich, in der letzten Phase meines Lebens angekommen,<br />
noch ein großes Verlangen nach Essen und Trinken habe,<br />
schon gar nicht nach einer PEG-Mahlzeit, so ohne jegliches<br />
sinnliches Geruchs- und Geschmacksempfinden. <br />
Essay<br />
Depressionen im Alter<br />
Dr. med. Wolfgang Bauch<br />
In jedem Alter erkranken Menschen an Depressionen,<br />
im Kindesalter, in der Jugend, während der Zeit des<br />
Erwerbslebens und auch im höheren Alter. Frauen und<br />
Männer sind in unterschiedlicher Häufigkeit betroffen, die<br />
Ursachen sind nicht bekannt, es gibt interessante Spekulationen<br />
darüber. Etwa jede 5. Frau muss damit rechnen,<br />
irgendwann im Laufe ihres Lebens an einer Phase einer Depression<br />
zu erkranken, bei den Männern ist die Krankheit<br />
nicht so häufig, hier erkrankt etwa jeder 8. Mann.<br />
Bekannt sind Depressionen in der Pubertät, vor dem<br />
Eintritt der Menstruationsblutungen, in der Schwangerschaft,<br />
unmittelbar nach einer Geburt, in den Wechseljahren<br />
und während der Menopause. Auch bei den älteren Männern,<br />
wenn der Testosteronspiegel absinkt, sollen gehäuft<br />
Depressionen vorkommen. Hier wird also induziert, der<br />
Hormonspiegel könnte bei der Entstehung einer Depression<br />
eine Rolle spielen. Direkt sicher nicht, indirekt wahrscheinlich<br />
doch insofern, als die Sexualhormone auf andere<br />
60 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Essay<br />
Hormone im Gehirn bei der Informationsübertragung von<br />
Zelle zu Zelle eine fördernde oder hemmende Auswirkung<br />
haben könnten. Auch für das Testosteron ist es möglich,<br />
dass es auf diese Weise bei der Entstehung einer Depression<br />
alter Männer mitwirken kann, sicher aber in einer untergeordneten<br />
Rolle. Das Frauengehirn reagiert auf hormonelle<br />
Änderungen empfindlicher, ist labiler. Frauen werden dann<br />
gleich depressiv. Männer machen meist einen Umweg über<br />
eine Sucht; sie fliehen in den Alkohol oder werden tablettensüchtig,<br />
und wenn das dann nicht mehr hilft, gleiten sie<br />
in die Depression ab. Hormone spielen also bei der Entwicklung<br />
und Manifestation einer Depression eine gewisse<br />
Rolle. Zur Manifestation einer ausgewachsenen Krankheit<br />
müssen aber noch andere Faktoren hinzukommen. Hier ist<br />
es meist eine innere Veranlagung.<br />
Die Depression, das häufigste Gemütsleiden überhaupt,<br />
hat also ganz unterschiedliche Ursachen und Auslöser. Sie<br />
kann z. B. reaktiv ausgelöst werden, das bedeutet, die Niedergeschlagenheit<br />
wird durch ein äußeres einschneidendes<br />
Ereignis angestoßen. Sie kann eine endogene Ursache haben,<br />
das heißt, sie entsteht aufgrund einer inneren Veranlagung, ist<br />
also erblich bedingt, oder sie hat eine körperliche Ursache,<br />
will heißen, eine akute oder chronische körperliche Krankheit<br />
löst die Depression aus, z. B. ein Krebsleiden, ein Herzinfarkt.<br />
Eine umfassende, gut verständliche Formulierung der<br />
Definition einer Depression ist nicht so einfach. Wir alle<br />
kennen die Depressionskrankheit, kennen Menschen mit<br />
Depressionen, aber was ist nun wirklich eine Depression?<br />
Lexika und anerkannte Lehrbücher der Neurologie und<br />
Psychiatrie geben oft genug nicht ausreichend umfassende<br />
und befriedigende Definitionen. Eine Depression ist also<br />
eine seelische Krankheit, die akut oder chronisch in Schüben<br />
verläuft, die sich aus Symptomen aus unterschiedlichen<br />
Bereichen zusammensetzt, aus psychischen, psychomotorischen,<br />
körperlichen und psychosozialen. Im Vordergrund<br />
stehen aber immer die seelisch-psychischen Symptome. Wir<br />
wissen sicher alle, was eine Depression ist, aber wir können<br />
diese komplizierte seelische Krankheit nicht in Worte fassen.<br />
Psychische Symptome sind: traurige Verstimmung, Unfähigkeit<br />
zur Freude, Denkhemmung, Entschlussunfähigkeit,<br />
Apathie, innere Leere, Angst, Hoffnungslosigkeit. Psychomotorische<br />
Symptome sind: motorische Unruhe, innere Getriebenheit<br />
(= Plus-Symptomatik ), Antriebs-hemmung und<br />
Stupor (= Minus-Symptomatik). Somatische Symptome<br />
sind: Störung des Lebensgefühls mit verschiedenen organbezogenen<br />
Beschwerden, wie Herz, Lunge, Leber, Magen-<br />
Darm-Trakt, Unterleib etc. Psychosoziale Störungen sind<br />
Verhaltensweisen, die sich im Zusammenleben mit anderen<br />
Menschen ergeben, dem Lebenspartner, den Kindern, Freunden,<br />
Nachbarn oder Kollegen am Arbeitsplatz.<br />
Noch etwas zur Häufigkeit: Statistiken sind hier schwierig<br />
erstellbar. Man kann von einer Häufigkeit zwischen<br />
10 % und 30 % ausgehen, in der Allgemeinpraxis kann man<br />
sicher 30 % annehmen. Die WHO geht von 5 % der Weltbevölkerung<br />
aus, entsprechend 200 Mio. Betroffene.<br />
Versuche einer Definition der Depression: Kardinalsymptome<br />
sind gedrückte Stimmung, traurige Stimmungslage.<br />
Weiter findet man Interessenverlust, Freudlosigkeit, Verminderung<br />
des Antriebs mit Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkung.<br />
Daneben treten auf: Verminderte Konzentration<br />
und Aufmerksamkeit, vermindertes Selbstwertgefühl, negative<br />
Zukunftsperspektiven, Suizidgedanken, Schlafstörungen<br />
und ein verminderter Appetit mit Gewichtsabnahme, aber<br />
auch das Gegenteil, deutliche Gewichtszunahme ist möglich.<br />
Weiterhin bestehen Interessenverlust und Verlust der Freude<br />
an angenehmen Aktivitäten, mangelnde Fähigkeit, auf eine<br />
freundliche Umgebung oder ein freudiges Ereignis emotional<br />
zu reagieren, ein frühmorgendliches Erwachen, zwei oder<br />
drei Stunden vor der üblichen Zeit, ein Morgentief in der<br />
Stimmung. Es kann der objektive Befund einer psychischen<br />
Hemmung oder aber auch einer Agitiertheit bestehen. Es lassen<br />
sich noch verschiedene Schweregrade der depressiven<br />
Episoden (leicht, mittelgradig, schwer, mit oder ohne psychotische<br />
Symptome) unterscheiden und noch drei verschiedene<br />
Erscheinungsbilder: überwiegende Antriebsarmut (gehemmt,<br />
ängstlich), agitierte Depressionen und larvierte somatisierte<br />
Depressionen, die sich hinter körperlichen Krankheiten verstecken,<br />
wie eben so oft bei Depressionen im Alter.<br />
Welches sind nun die Kriterien, die die Diagnose Depressionen<br />
im Alter kennzeichnen? Der alte Mensch sagt ja<br />
von sich aus nicht, er sei depressiv. Die Lebensumstände,<br />
die individuelle Biografie und die Gesellschaft haben den<br />
alten Menschen in besonderer Weise geprägt. Innerhalb der<br />
Familie hat er seinen Angehörigen gegenüber dankbar zu<br />
sein, demütig und unterwürfig, „er geht den unteren Weg“,<br />
hat nichts zu fordern, allenfalls etwas zu erbitten, so auch<br />
dem Staat mit seinem sozialen Netzwerk gegenüber zu Dank<br />
verpflichtet zu sein, soll seine eigene Persönlichkeit zurücksetzen<br />
bis zum völligen Verlust dieser Persönlichkeit. Er sagt<br />
also nicht, er sei depressiv, das verbietet ihm seine Vergangenheit.<br />
Depression ist in dieser Denkweise ein Makel, eine<br />
Schwäche, die man nicht zugeben kann. Bei der Diagnosefindung<br />
ergeben sich also gewisse Schwierigkeiten. Die Verhaltensweise<br />
des Kranken muss besonders beobachtet werden,<br />
die Gesamtpersönlichkeit, das Auftreten, die Mimik, die <br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 61
Essay<br />
Gestik, die Art des „Kommunizierens“, die äußere Erscheinung.<br />
Der Kranke wird von äußeren Umständen erzählen, von<br />
seiner Vergangenheit, seiner gegenwärtigen Situation, die ihn<br />
einschränkt, ihn überfällt, bevormundet, ihn niederdrückt und<br />
ihn ausschließt. Er wird vordergründig körperliche Beschwerden<br />
aufzählen, das Herz, das schwach ist und ihm Schmerzen<br />
macht, die allgemeine körperliche Schwäche und die Schmerzen aller<br />
Glieder, er wird sagen, er sei appetitlos, sei immer müde, er würde<br />
am liebsten morgens gar nicht erst aufstehen, warum auch? Er habe<br />
Verdauungsbeschwerden, ekele sich schon vor dem Essen, das ihm<br />
sowieso nicht schmecken würde. Er habe oft Kopfschmerzen, könne<br />
nicht mehr schlafen, sei dennoch immer müde, habe eine innere<br />
Unruhe, könne<br />
keine klaren Gedanken<br />
fassen,<br />
sich nichts vornehmen,<br />
nichts<br />
planen, habe<br />
oft Herzklopfen<br />
oder Atembeschwerden.<br />
Also, er sagt alles Mögliche, nur nicht, er sei depressiv<br />
und leide darunter. Er redet aber auch schon mal über Angst oder<br />
Lustlosigkeit, es sei ihm alles egal, es brauche ihn ja ohnehin niemand<br />
mehr. Das sind immerhin erstmals psychische Symptome!<br />
Er erzählt weiter über seine Appetitlosigkeit, seine Verdauungsbeschwerden<br />
und seinen Problemen mit dem Wasserlassen, von<br />
Kopfschmerzen, von Schwindelgefühl, dass er auch schon mal etwas<br />
grantig sei, ihm gewisse Dinge gegen den Strich gingen, ihm<br />
nicht passten, dass er nicht immer die Dinge machen möchte, die<br />
andere von ihm verlangten und von ihm erwarteten, das sei für ihn<br />
ein Normalfall, das komme vor, sei aber jeden Tag anders, dafür sei<br />
er ja auch schließlich alt geworden, habe sein ganzes Leben lang<br />
gearbeitet, er habe es ja auch zu etwas gebracht!<br />
Wie schon vorher betont, gibt es Depressionen in jedem<br />
Alter. Ob die Krankheit im fortgeschrittenen Alter an Häufigkeit<br />
zunimmt, darüber gibt es widersprüchliche Aussagen,<br />
jedenfalls ist es keine Seltenheit, wenn eine Depression erst<br />
jenseits des 60. Lebensjahres erstmals in Erscheinung tritt. In<br />
den Altersheimen werden Zahlen von etwa 40 % Depressionskranker<br />
beschrieben und in den Krankenhäusern, wo auch das<br />
Durchschnittsalter der Patienten ganz erheblich ansteigt, werden<br />
in den somatischen Stationen sehr viele Depressionskranke<br />
behandelt. Man nimmt manchmal an, dass Depressionen<br />
nach schweren körperlichen Krankheiten beginnen, oder dass<br />
die Depression selbst als bedeutsamer eigenständiger Risikofaktor<br />
für koronare Herzkrankheit oder Herzinfarkt betrachtet<br />
wird. Für viele chronische somatische Krankheiten ist die Depression<br />
ein tatsächlicher Risikofaktor. Sie verzögert z. B. die<br />
Heilungsphase bei einem Herzinfarkt, verlängert den Krankenhausaufenthalt<br />
und erhöht die Sterblichkeit beim Infarkt. Da<br />
aber die Zahl der alten Menschen infolge des demografischen<br />
Wandels ebenso wie die Phase des „Alt-Seins“ zugenommen<br />
hat, ist sicher auch das Vorkommen der Depressionskrankheit<br />
erhöht. Wissenschaftlich wird diese Tatsache erst ernsthafter<br />
erforscht und gewinnt an Bedeutung, hat sich doch erst in den<br />
letzten Jahren das Fachgebiet der „Gerontopsychiatrie“ in der<br />
Medizin etabliert.<br />
Krisen im Alter<br />
Weil Krisenerlebnisse besonders im Alter oft als Auslöser<br />
handfester Depressionen angesehen werden, sollen<br />
im Anschluss solche Krisen kurz charakterisiert werden.<br />
Eigentlich sollte man meinen, man habe im Alter genügend<br />
Strategien, Fähigkeiten, Erfahrungen und Ressourcen, mit<br />
Problemen fertig zu werden, aber dem ist offensichtlich nicht<br />
so. Jede Krise ist ein akuter Schock, eine Erschütterung, die<br />
die als selbstverständlich<br />
Die körperliche Kraft lässt nach,<br />
der Tagesrhythmus ist verändert<br />
empfundene<br />
eigene Identität<br />
ins Wanken<br />
bringt.<br />
Hier sollen<br />
also Krisen<br />
im Alter erwähnt werden, die Depressionen auslösen können.<br />
Es sind folgende:<br />
das Alter selbst als Krise<br />
der Tod des Partners als Krise<br />
körperliche Erkrankungen als Krise<br />
Vereinsamung als Krise<br />
Demenz als Krise<br />
Berentung als Krise<br />
Wohnungswechsel als Krise<br />
Altern als Krise<br />
Erlebt wird das Altern an sich als Krise. „Ich kann nicht<br />
mehr alles, was ich will und wie ich es will, überall gibt es<br />
Grenzen der Belastbarkeit, manches muss ich mir verbieten“.<br />
Die körperliche Kraft lässt nach, der Tagesrhythmus<br />
ist verändert. Das Problem überhaupt ist, einen vernünftigen<br />
Rhythmus für sich selbst zu finden. Der gesamte Lebensablauf<br />
ist verändert, die Dinge haben ein anderes Gewicht,<br />
eine andere Wertigkeit. Man wird von den Menschen nicht<br />
mehr so gefordert, wird verschont, es wird einem nicht mehr<br />
viel zugetraut, man wird schon mal mit Samthandschuhen<br />
angefasst, man wird nicht mehr für „voll“ genommen. Hinzu<br />
kommen der normale körperliche Abbau, das Nachlassen<br />
der physischen Kräfte und der geistigen Fähigkeiten. Man<br />
hat einen Altersbonus, bekommt bei Veranstaltungen verbilligte<br />
Eintrittskarten, hat einen Rentnerausweis. Alles Dinge,<br />
die natürlich nicht unbedingt aufbauend wirken. Das ist also<br />
das bisher allgemein anerkannte negative Bild vom Alter.<br />
Man hat jung, elastisch, zukunftsorientiert, aufgeschlossen<br />
und flexibel zu sein, so jedenfalls sagt es uns die Werbung.<br />
Dennoch gibt es auch ein positives Bild vom Alter, das sind<br />
die „jungen Alten“, aber eben doch die Alten.<br />
Das Ende des Lebens rückt näher, man kann sich darauf<br />
besinnen, welchen Sinn man seinem Leben noch geben kann,<br />
62 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Essay<br />
welche Werte noch verwirklicht werden sollen, für welche<br />
Ziele man sich in freiheitlicher Gesinnung noch einsetzen<br />
soll. Man hat Muße, in sich hineinzuschauen, seine Innenwelt<br />
besser kennenzulernen, ob sich nicht doch eine schöpferische<br />
Phase noch auftut. Positiv ist weiter: Die Abhängigkeit<br />
vom Urteil der Außenwelt ist geringer. Hier wird man wahrscheinlich<br />
nicht depressiv<br />
Der Tod des Partners als Krise<br />
Der Tod des Lebenspartners ist sicher die größte Krise für<br />
einen alten Menschen. In der Bewältigungsphase kommt es<br />
häufig zu Suizidversuchen oder Suiziden. Es treten diffuse<br />
körperliche Symptome auf; Unruhe, Schlafstörungen kommen<br />
hinzu. Folge ist dann manchmal ein Medikamentenmissbrauch<br />
oder eine Alkoholabhängigkeit. Depressionen<br />
nach dem Tode eines Partners sind häufig, vorausgegangen<br />
ist meist eine Trauerreaktion unterschiedlicher Dauer. Sie<br />
kann mehr als ein Jahr andauern, sollte aber auch nicht mit<br />
Medikamenten künstlich beeinflusst und verkürzt werden.<br />
Statistiken weisen nach, dass der überlebende Partner innerhalb<br />
des ersten Vierteljahres über doppelt so häufig als in der<br />
entsprechenden Vergleichsgruppe an einer rasch fortschreitenden<br />
Herzerkrankung verstirbt, weil der Wille zum Leben<br />
nicht mehr da ist.<br />
Wenn allerdings die persönliche Beziehung zum Partner<br />
problematisch war, kann nach einiger Zeit der Unruhe, Verwirrung<br />
und Trauer doch eine Erleichterung eintreten, ein<br />
Wiederaufleben des Überlebenden, der dann eine neue Aufgabe<br />
und andere Anforderungen findet und sich einen neuen<br />
Lebensrhythmus, einen neuen Lebenssinn schaffen kann. Die<br />
„lustige Witwe“, die dann wieder aufblüht, ist wohl sicher ein<br />
Ausnahmefall.<br />
Körperliche Erkrankung als Krise<br />
Regelhaft führt im Alter die eigene körperliche Erkrankung<br />
mit Einschränkung der Beweglichkeit und Lebensqualität<br />
zu Krisen. Die gewohnten sozialen Beziehungen können<br />
nicht mehr selbst gestaltet werden, man ist abhängig, isoliert,<br />
wird bevormundet. Die Folgen des Herzinfarktes z. B. führen<br />
zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Übertretungen<br />
oder Leichtsinnigkeit werden sofort geahndet, Schmerzen<br />
und Atemnot sind die unmittelbare Strafe. Schmerzen bei<br />
Arthrose oder Osteoporose begleiten den gesamten Tagesablauf,<br />
sie nehmen die Nachtruhe. Wer hat nun wen im Griff?<br />
Die Bewältigung einer schweren unheilbaren Krankheit<br />
stößt gerade bei progredienten Krankheitsverläufen immer<br />
wieder an Grenzen menschlicher Bewältigungsfähigkeiten.<br />
Wenn solche Lebenskrisen von gedrückter Stimmung, intensiven<br />
Gefühlen von Schmerz, Niedergeschlagenheit und<br />
Verzweiflung begleitet sind, handelt es sich um eine normale<br />
und unvermeidliche Reaktion, der Schwere der Krise angemessen.<br />
Während es vielen Patienten gelingt, dieses Tief<br />
aus eigener Kraft zu überwinden und ein neues seelisches<br />
Gleichgewicht zu finden, entwickeln andere eine anhaltende<br />
depressive Störung. Die schwere Depression ist eine Zweiterkrankung,<br />
z. B. die Folge der Bewältigungskrise nach Eröffnung<br />
einer Karzinomdiagnose. Was wird aus mir? Wer<br />
kümmert sich um mich? Ist das mein Ende? In diesem Zusammenhang<br />
ist die Depression jetzt verständlich.<br />
Vereinsamung als Krise<br />
Eine bedeutsame Krise im Alter ist die Einsamkeit. Es<br />
gibt, wie vorher schon beschrieben, ein positives und ein<br />
negatives Bild vom Altern. Bei ersterem ist der Mensch leistungsfähig,<br />
selbstständig und integriert. Männer und Frauen<br />
können Potenziale und Kompetenzen erwerben und dürfen<br />
darauf hoffen, dass ihnen neue Lebensoptionen zurVerfügung<br />
stehen. Das Gegenteil, das negative Bild vom Alter<br />
bedeutet, die Menschen sind alt, einsam, allein lebend in unserer<br />
Gesellschaft, abhängig, hilfebedürftig. In diesem Sinne<br />
ist also die Einsamkeit das negative Erleben des Alleinseins,<br />
der Vereinzelung, des Nicht-Kontakt-Finden-Könnens, die<br />
Einsamkeit in der Gemeinschaft. die Unfreiwilligkeit, Hilflosigkeit,<br />
das Erfahren der eigenen Schwäche und Unfähigkeit,<br />
der Selbstunsicherheit, Selbstabwertung, die Sehnsucht nach<br />
sozialer Eingebundenheit und Wertigkeit. Einsamkeit ist immer<br />
ein subjektives Erleben der eigenen sozialen Situation.<br />
Einsam ist, wer sagt, er sei es. Frauen sind mehr einsam als<br />
Männer, je älter, umso mehr, Ledige mehr als Verheiratete,<br />
ohne Kinder mehr als mit Kindern. Aber es kommt immer<br />
auf die innere Bindung zu diesen Kindern an, ob der<br />
Betroffene das Gefühl hat, diese Kinder erfüllen nicht nur<br />
eine Pflicht, sondern es besteht eine innere Bindung, eine<br />
engagierte Beziehung, überzeugte Beobachtung. Anderseits<br />
können Kontakte zu Freunden oder Nachbarn größere Bedeutung<br />
für das psychische Wohlbefinden haben als die Kontakte<br />
zu den erwachsenen Kindern oder Verwandten. Man<br />
braucht das Gefühl, dass es mindestens eine Person gibt, der<br />
man vertrauen, auf die man sich verlassen kann, wenn man<br />
emotionalen Trost braucht.<br />
Wenn ein Mensch in ein Pflegeheim umzieht, begibt er<br />
sich in zunehmende Einsamkeit und Isolation. Das <br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 63
Essay<br />
ist ein starker Satz! Aber der Lebensraum im Pflegeheim<br />
begünstigt eben das Isoliertsein, die Einsamkeit, weil die<br />
Bewohner meist in einem schlechten Gesundheitszustand<br />
sind, weil sie überdurchschnittlich alt sind, weil man in diesem<br />
Alter nicht mehr so schnell Bindungen eingeht, weil<br />
die Menschen schon vorher überwiegend allein lebend waren,<br />
weil sie deutlich weniger informelle Hilfen oder soziale<br />
Beziehungen haben und weil sie hier in ihrer physischen<br />
und geistigen Betätigung mehr eingeschränkt sind als in<br />
ihrer früheren eigenen Wohnung. Sie haben hier weniger<br />
Wahlmöglichkeiten, weniger Entscheidungsmöglichkeiten,<br />
haben das Gefühl des Kontrollverlustes, die Empfindung<br />
ihrer Hilflosigkeit, haben keine Motivation zu sozialer Teilhabe.<br />
Demenz als Krise<br />
„Ich beginne jetzt eine Reise in den Sonnenuntergang meines<br />
Lebens“, sagte R. Reagan 1994 und trat danach nie mehr in der<br />
Öffentlichkeit auf. Wenn Menschen, die bislang ihr Leben souverän<br />
im Griff hatten, jetzt unauffällig und langsam ihre Kontrolle<br />
und Verstandesorientierung<br />
verlieren,<br />
praktisch<br />
ohne Chancen<br />
und ohne Gegensteuerung,<br />
sind die ersten<br />
Folgen Sprach- und Ratlosigkeit. Die Demenz raubt dem<br />
Menschen den Überblick, die Planungsfähigkeit. Der Betroffene<br />
ist anfangs sich voll seiner Veränderungen bewusst,<br />
muss aber auch anfangs, da er es nur jetzt noch<br />
kann, alle seine Kräfte zusammennehmen und mobilisieren,<br />
um sich nicht selbst zu verlieren, sein Leben in den<br />
gewohnten Bahnen zu belassen und sich die komplexen<br />
Veränderungen, die jetzt eine Eigendynamik besitzen,<br />
nicht anmerken zu lassen, was gelingt, wenn er wortgewandt<br />
und humorvoll ist, wenn er gut schauspielern kann.<br />
Dennoch kommen Wutattacken auf, erschütternde Zusammenbrüche,<br />
Gefühlschaos. Lange versucht er, die Fassade<br />
aufrechtzuerhalten, vieles zu vertuschen, herunterzuspielen,<br />
zu verharmlosen, so lange die inneren Kräfte noch da<br />
sind, so lange die inneren Kontrollinstanzen noch funktionieren<br />
und die Fassade stehen bleibt. Wie viel Kraft hat<br />
der Mensch noch, wann bricht er zusammen,wo er doch<br />
genau vor sich den Weg in die Dunkelheit des Geistes<br />
und der Seele sieht? Hier ist die Gefahr eines Suizids sehr<br />
groß, die Möglichkeit, selber sein Leben zu beenden und<br />
nicht in die beschämende Abhängigkeit abzugleiten.<br />
Es entstehen tiefe Depressionen, weil der Kampf<br />
aussichtslos ist und man dieses schon vorher weiß. Hier<br />
hilft kein guter Arzt, helfen keine Medikamente, hilft das<br />
Umsorgen durch die Familie nicht, man steht allein in<br />
dem schmalen, langen Gang ohne Schutz und Ausweichmöglichkeiten.<br />
Wenn man dann aber in die andere Welt<br />
hin übergetreten ist, sind alle Probleme gelöst, es gibt nur<br />
noch eine Welt, und das ist die, die man gerade betreten<br />
hat, für immer.<br />
Berentung als Krise<br />
Eine weitere nicht zu unterschätzende Krise im Alter ist<br />
die Berentung. Der Zeitpunkt dieses Ereignisses ist zwar<br />
bekannt und kommt nicht überraschend, aber wenn dann<br />
der Termin vor der Tür steht, ist es doch ein entscheidendes,<br />
einschneidendes Ereignis. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt<br />
mit vielen Plänen und Vorhaben. Ungewiss ist, wie<br />
viele davon verwirklicht werden können, sicher ist aber,<br />
dass vieles, was bisher das Gefühl der Zusammengehörigkeit<br />
am Arbeitsplatz, das Gefühl, nur gemeinsam bestimmte<br />
Leistungen erbracht zu haben, die Anerkennung durch die<br />
Kollegen, der geregelte Tagesrhythmus, alles ist nicht mehr,<br />
alles war gestern. Die Partnerschaft zu Hause in der gemeinsamen<br />
Wohnung ändert sich durch die dauernde Anwesenheit<br />
beider Partner, das Zusammenleben ändert sich,<br />
es kommt zu einem gewissen Rollentausch, den nicht jeder<br />
immer verträgt<br />
und akzeptiert.Wie<br />
oft genug<br />
können sich<br />
die vielen<br />
Pläne für die<br />
Zukunft nicht verwirklichen lassen, der Lebensrhythmus ist<br />
völlig gestört, der Lebensfluss hat neue Klippen, ungeahnt<br />
und bisher unvorstellbar. Die neuen Aufgaben gelingen<br />
nicht immer wie erwartet, es stellen sich Unzufriedenheit<br />
ein, Launenhaftigkeit, Spannungen in der Partnerschaft<br />
durch Enttäuschungen, nicht erfüllte Erwartungen, es ergeben<br />
sich auch völlig neue Probleme, zum Beispiel Geldschwierigkeiten,<br />
alles Dinge, mit denen man vorher nie<br />
gerechnet hätte.<br />
Was wird aus mir?<br />
Wer kümmert sich um mich?<br />
Wohnungswechsel als Krise<br />
Wenn im Alter ein Wohnungswechsel erforderlich<br />
wird, ist immer schon eine andere Krise vorausgegangen.<br />
Wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind,<br />
möchten alte Menschen so lange wie irgend möglich in<br />
ihrer angestammten Wohnung bleiben, im Quartier mit<br />
der geordneten Nachbarschaft, den Freundschaften, dem<br />
bequemen Ohrensessel am Fenster, mit dem Treffen am<br />
Stammstich oder in den Vereinen. Die auslösende Krise<br />
kann eine eigene schwere Krankheit sein, die zu Hause mit<br />
noch so vielen Hilfen von außen nicht mehr behandelbar<br />
ist, kann der Tod des Lebenspartners sein, wo dann die<br />
eigenen Fähigkeiten für die Versorgung des Haushaltes<br />
nicht ausreichen, kann der Auszug der Kinder aus der gemeinsamen<br />
Wohnung oder dem eigenen Hause sein. Es<br />
muss vieles aufgegeben werden, nicht nur dass die Seele<br />
64 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Essay<br />
im Hause bleiben muss, viele Gegenstände mit individuellem<br />
Erinnerungswert bleiben zurück, an denen Gefühle<br />
und Geschichten hängen, mit Schmerzen wird eine<br />
Trennungslinie gezogen für eine ungewisse Zukunft. Wie<br />
wird die Aufnahme im Heim sein? Werden dort vielleicht<br />
Bekannte von früher wohnen, wäre das ein Glücksfall.<br />
Aufgegeben wird die Freiheit, die Selbstständigkeit, die<br />
ganze Persönlichkeit, das Selbstwertgefühl, die Autonomie.<br />
Anpassungsleistungen werden erforderlich sein, Bewältigungsstrategien.<br />
Wenn das keine Krise ist?<br />
Therapie der Depressionen im Alter<br />
Wenn die Diagnose der Depression im Alter gesichert<br />
und die differenzialdiagnostisch abgeklärt ist, und wenn<br />
dann die Indikation zur Behandlung angenommen wird,<br />
gibt es zwei Behandlungs-möglichkeiten. Die eine ist die<br />
medikamentöse Therapie, die andere die Psychotherapie.<br />
Was die zweite Möglichkeit betrifft, so ist die Psychotherapie<br />
– hier meist als Kurzzeitbehandlung konzipiert – auch<br />
bei betagten Patienten indiziert und erfolgversprechend im<br />
Gegensatz zu der Annahme von Sigmund Freud, weil die<br />
notwendige aktive Mitarbeit und Kooperation in ausreichendem<br />
Maße gegeben ist. Hier werden gerade für ältere<br />
Menschen besondere Erfolg versprechende Therapieverfahren<br />
entwickelt, nur fehlt es oft an den Behandlern mit<br />
der erforderlichen Spezialausbildung und Erfahrung.<br />
Die Einzelheiten der medikamentösen Behandlung sind<br />
in diesem Zusammenhang uninteressant. Prinzipiell werden<br />
alle Psychopharmaka verordnet, die auch jüngere Patienten<br />
einnehmen, das Geheimnis ist immer die einschleichende<br />
Dosierung mit langsamer Steigerung bis zur gewünschten<br />
Individualdosierung. Beachten soll man natürlich bei der<br />
großen Auswahl die Nebenwirkungen, zum Beispiel die<br />
Aktivierung oder die Sedierung oder die Beeinflussung anderer<br />
Organfuntionen wie die des Herzens, der Leber, der<br />
Atmungsorgane oder der Nieren. Neben der Psychopharmakatherapie<br />
und der Psychotherapie als wichtige Glieder<br />
des Gesamtbehandlungsplanes sollen als Unterstützung<br />
z. B. psycho-hygienische wie auch präventive Maßnahmen<br />
erwähnt werden. Hierzu gehören z. B. die Anpassung der<br />
Wohnung, die Gestaltung des Umfeldes, Pflege von Hobbies,<br />
von Kontakten mit Angehörigen oder Freunden.<br />
in unübersichtlicher Weise überlagern sich bei den meist<br />
chronischen Verläufen die Ursachen, die also aufgrund<br />
einer inneren Ursache entstehen, mit reaktiven oder organisch<br />
ausgelösten Krankheitsursachen. Auch unterschätzen<br />
sehr häufig die Angehörigen oder die behandelnden Hausärzte<br />
den Schweregrad der Krankheit, halten sie für nicht<br />
behandlungsbedürftig, als eine nachvollziebare Reaktion<br />
auf die betrüblichen Lebensumstände. Anderseits werden<br />
psychische Krankheiten in unserer Gesellschaft oft genug<br />
tabuisiert, sodass die Hausärzte die Depression nicht fachgerecht<br />
eruieren und behandeln können. Weiter bestehen<br />
oft Defizite in der hausärztlichen Diagnostik und fachgerechten<br />
Behandlung der Depressionen im fortgeschrittenen<br />
Alter. Sicher ist es kompliziert, bei älteren Patienten die<br />
Indikation zur medikamentösen Behandlung mit allen möglichen<br />
Nebenwirkungen zu stellen. Notwendig ist daher eine<br />
konsequente Nutzen-Risiko-Abwägung bei den älteren<br />
Kranken mit den verschiedenen zusätzlichen ebenfalls medikamentös<br />
behandlungspflichtigen Erkrankungen (Multimorbidität<br />
der alten Menschen), aber auch dem Risiko<br />
einer nicht medikamentös behandelten Depression (Suizidgefahr<br />
und negative Beeinflussung anderer Erkrankungen).<br />
Immerhin kann eine Depression als sicherer Risikofaktor<br />
für einen Herzinfarkt angenommen werden. Im Zweifelsfall<br />
muss die medikamentöse Behandlung mit den behandelnden<br />
Kollegen anderer Fachgebiete abgestimmt werden.<br />
Ein weiteres Problem ist Folgendes: Auf dem Markt gibt<br />
es zahlreiche neue Antidepressiva, die gut verträglich, in<br />
ihrer Wirksamkeit gut kontrolliert und in ihrem Nebenwirkungsspektrum<br />
fast zu vernachlässigen sind. Aber gerade<br />
das große Angebot führt bei den Behandlern zu ebenfalls<br />
großer Unsicherheit. So weit, so gut.<br />
Was können wir selber als mitleidende Menschen bei<br />
den Kranken in unserer Familie, den Freunden, den Nachbarn<br />
und Bekannten tun? Da kommt große Ratlosigkeit auf!<br />
Wir sollten dem Kranken Empathie entgegenbringen, Geduld,<br />
ihn in seinem Leiden verstehen und ihn so, wie er ist<br />
annehmen. Ihn motivieren von einem Tag zum anderen, ihn<br />
aber nicht bedrängen, ihm seine kleinen Erfolge aufzeigen<br />
und vor allem, immer für ihn da sein. <br />
Nachrede<br />
Es ist leider ein Missstand, dass bei vielen depressiven<br />
Menschen die reichlich vorhandenen pharmakatherapeutischen<br />
Möglichkeiten in der Grundversorgung nicht ausreichend<br />
genutzt werden. Bezüglich dieses Defizites gibt<br />
es mehrere Gründe. Ein wesentlicher Grund ist, dass die<br />
Depressionen beim alten Menschen häufig nicht erkannt<br />
werden, weil sich hier meist mehrere Faktoren überlagern.<br />
Es handelt sich nicht um klar abgrenzbare Krankheitsbilder<br />
der endogenen oder reaktiven Depressionen, sondern<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 65
66 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Veranstaltungen Veranstaltungshinweise<br />
im Seniorenzentrum der Stadt Siegen<br />
Seniorenhilfe Siegen e.V.<br />
Telefon 02 71/ 6 61 03 35<br />
durchblick e.V.<br />
02 71/6 16 47 + 01 71/6 20 64 13<br />
AlterAktiv e.V. Siegen-Wittgenstein<br />
Senecafé 02 71/ 2 50 32 39<br />
montags<br />
10:00 -12:00 Sprechstunde der<br />
Seniorenhilfe<br />
09:00 -12:00 SeniorenServiceStelle<br />
geöffnet 0271-3846108<br />
10:00 -12:00 Werkstatt geöffnet<br />
14:00 -18:00 ALTERAktiv<br />
Senecafé<br />
dienstags<br />
10:00 -12:00 Sprechstunde der<br />
Seniorenhilfe<br />
10:00 -12:00 Redaktionsbüro des<br />
durchblick geöffnet<br />
10:00 -12:00 Malgruppe<br />
18:00 -20:00 durchblick-Photo-Shop-<br />
Club (für Fortgeschritte)<br />
ALTERAktiv-Computerkurse<br />
und Englischkurse<br />
auf telefonische Anfrage<br />
Haus Herbstzeitlos<br />
57074 Siegen, Marienborner Str. 151<br />
Café „Unter der Linde“ 02 71 / 5 64 10<br />
Englischkurse 02 71 / 8 74 39<br />
oder 02 71/2 50 15 00<br />
Film- und Video-Club 027 32/1 24 60<br />
mittwochs<br />
10:00 -12:00 Redaktionsbüro des<br />
durchblick geöffnet<br />
10:00 -12:00 SeniorenServiceStelle<br />
geöffnet 0271-3846108<br />
09:00 -12:00 ALTERAktiv<br />
Senecafé<br />
15:00 -17:00 Singen mit der<br />
Seniorenhilfe<br />
15:00 -17:00 Handarbeiten mit der<br />
Seniorenhilfe<br />
15:00 -17:00 Werkstatt geöffnet<br />
14:00 -18:00 ALTERAktiv<br />
Senecafé<br />
19:00 -21:00 Regenbogentreff<br />
19:30 -22:30 Film und Videoclub<br />
(außer an jedem ersten<br />
Mittwoch im Monat)<br />
Gedächtnistraining 02 71 / 8 49 99<br />
Malgruppe 02 71 / 3 73 87<br />
Seniorenbeirat 0271/4<strong>04</strong>-2434<br />
SeniorenServiceStelle 0271/4<strong>04</strong>-2434<br />
SeniorenTheaterSiegen 02 71 / 5 65 28<br />
Trauercafé 02 71/ 5 34 46<br />
Werkstatt 02 71 / 6 27 76<br />
donnerstags<br />
10:00 -12:00 Sprechstunde der<br />
Seniorenhilfe<br />
10:00 -12:00 Redaktionsbüro des<br />
durchblick geöffnet<br />
15.30 -16:45 „Easy Conversation“<br />
Englischstunde<br />
freitags<br />
10:00 -12:00 Sprechstunde der<br />
Seniorenhilfe<br />
samstags<br />
09:00 -12:00 Wandergruppe<br />
der Seniorenhilfe<br />
Wegen möglicher Änderungen<br />
einzelner Termine (Ferien,<br />
Krankheit usw.) empfiehlt sich<br />
die telefonische Anfrage.<br />
Das Haus Herbstzeitlos befindet sich auf dem Gelände der alten „Hainer Schule“, Ecke Marienborner Straße / Blumenstraße<br />
Anfahrt: Ab Hauptbahnhof, ZOB Bussteig B 1-2: Linien R 12, R 13, R 17, L 109 (Bushaltest, Blumenstraße). Parkplatz: Kostenlose am Haus<br />
„Wandern und Schauen, Hobby mit Tempo 3“<br />
Kneppe/Gottschalk (79516/79154)<br />
14.00 Uhr ab Weidenau Finanzamt<br />
18.00 Uhr Rückkehr<br />
- 15.02 Anzhausen<br />
- 01.03 Golfplatz, Rundweg<br />
- 15.03 Dörnschlade<br />
- 29.03 Biggesee, Kessenhammer<br />
Fugler (Tel. 870315/870305)<br />
14.00 Uhr ab Geisweid, Klaf. Markt<br />
18.00 Uhr Rückkehr<br />
- 01.03 Wenden<br />
- 15.03 Helgersdorf<br />
- 29.03 Elkhausen<br />
Fritz/Hartzer (Tel. 42616/75801)<br />
13.45 Uhr ab Wdn., Humboldt-Pl.<br />
14.00 Uhr ab Weidenau, A.d. Hütten<br />
18.00 Uhr Rückkehr<br />
- 22.02 Salchendorf-Deuz<br />
- 08.03 Irlenhecken<br />
- 22.03 Fleckenberg<br />
Hövelmann/Flender (75980/82733)<br />
14.00 Uhr Abfahrt Weidenau, Bhf.<br />
14.15 Uhr Abf. Marktpl. Geisweid<br />
18.00 Uhr Rückkehr<br />
- 22.02 Salchendorf-Deuz-<br />
- 08.03 Golfplatz Mittelhees<br />
- 22.03 Dörnschlade<br />
Am 21. Februar 2011<br />
ab 14.30 Uhr<br />
Seniorenball der<br />
Wandergruppen<br />
Leonhard-Gläser-Saal<br />
der Siegerlandhalle<br />
Eine Sonderleistung der Stadt Siegen<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 67
Weihnachtsmärkte<br />
im Siegerland<br />
Dezember <strong>2010</strong><br />
bis 23.12. täglich, in Siegen,<br />
Bahnhofstraße bis Schlossplatz,<br />
Unteres Schloss.<br />
bis 9.1.2011 täglich, „Winterzauber“<br />
im Innenhof der Sparkasse<br />
Siegen, Morleystraße.<br />
bis 23. 12. täglich in Weidenau,<br />
Siegerlandzentrum.<br />
Fr., 3. Laasphe, „Weihnachtsmarkt<br />
auf Schloss Wittgenstein“, auch<br />
Sa., 4. Ahrfeld, „Weihnachtsmakrt“<br />
11-18 Uhr, Ortsmitte.<br />
Sa., 4. Freudenberg, Weihnachtsmarkt<br />
im „Alter Flecken“, auch So., 5.<br />
Sa., 4. Freudenberg, „Sterncafé“<br />
zum Weihnachtsmarkt von 11-18<br />
Uhr, Alte Schmiede, Am Silberstern<br />
auch Sonntag, 5.12.<br />
Sa., 4. Erndtebrück, „30. Adventsmarkt“,<br />
„Im Teich“, auch So., 5.12.<br />
Sa., 4. Burbach,Weihnachtsmarkt,<br />
von 11-18 Uhr, in der Ortsmitte /<br />
Nassauische Straße, auch So., 5.12.<br />
Sa., 4. Netphen Weihnachtsmarkt<br />
in der Ortsmitte, auch So., 5.12.<br />
Do., 9. Hachenburg, „Nostalgischer<br />
Weihnachtsmarkt“ ab 10 Uhr in der<br />
Innenstadt, bis Sonntag, 12.12.<br />
Fr., 10. Littfeld, „Adventsmärktchen“,<br />
17-20 Uhr, Sa., von 8-18 Uhr,<br />
So., 11-16 Uhr, Kappellenschule<br />
Sa., 11. Hilchenbach, „Chresdagsmärktche“<br />
auf dem Marktplatz, ab<br />
15 Uhr, auch So., 12.12.<br />
Sa., 11. Bad Berleburg, „Weihnachtszeitreise“,<br />
11-21 Uhr, an<br />
verschiedenen Plätzen, auch So.,<br />
12.12. 11-19 Uhr.<br />
Die WeihnachtsZeitreise startet auch in<br />
diesem Jahr wieder Freitagabend mit einer<br />
Andacht auf dem Schlosshof und ab 19.30<br />
Uhr mit dem „Weihnachtsoratorium“ von<br />
J. S. Bach in der ev. Stadtkirche. Bürgermeister<br />
Bernd Fuhrmann freut sich, dass<br />
Bewährtes mit einer Vielzahl von neuen<br />
Beiträgen die diesjährige Weihnachts-<br />
Zeitreise zu einer gelungenen Mischung<br />
werden lassen. Der Mittelaltermarkt mit<br />
Marketendern, Rittern und Gauklern<br />
empfangen ihre Gäste im Schlossgarten.<br />
Der historische Goetheplatz lockt in diesem<br />
Jahr mit dem Schwerpunkt internationale<br />
Weihnachten.<br />
Backestage <strong>2010</strong><br />
01.12./ 16 -19 Uhr, Fbg. - Hohenhain<br />
11.12./ 10 -15 Uhr, Fbg. - Oberheusli.<br />
15.12./ 16 -19 Uhr, Fbg. - Hohenhain<br />
18.12./ 09 -15 Uhr, Sgn. - Setzen<br />
18.12./ 11 -13 Uhr, Fbg. - Alchen<br />
Termine für Januar und Februar standen<br />
bei Redaktionsschluss noch nicht fest.<br />
68 durchblick 4/<strong>2010</strong>
1. Mittwoch<br />
14:00 KSG - Offenes-Café, Siegen-<br />
Geisweid, Fichtenweg 5, Im Wenscht<br />
19:30 Gesprächskreis für pflegende<br />
Angehörige, Sitzungszimmer der Stiftung<br />
Diakoniestation Kreuztal, Anm.<br />
vormittags: Frau Sadelkow-Geßner <br />
02732-582470<br />
2. Donnerstag<br />
9:30 Kurs Selbstverteidigung,<br />
Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
20:00 Erzählungen – mit Lilo Wanders<br />
„Sex ist ihr Hobby“, Kulturhaus Lÿz<br />
20:00 Buntes Burbach – Bernd Gieseking-„Ab<br />
dafür“, der satirische Jahresrückblick<br />
<strong>2010</strong>, Heimhof-Theater auf<br />
der Wasserscheide 02736/5096850<br />
19:30 Konzert – „Russische Weihnacht“<br />
mit den Zarewitsch Don Kosaken, Bad<br />
Berleburg – Kath. Kirche St. Marien<br />
4. Samstag<br />
20:00 Konzert – mit „Wise Guys“, Großer<br />
Saal der Siegerlandhalle, Siegen<br />
20:00 Kabarett – Daubs Melanie, „Siegen<br />
heißt gewinnen“! Kulturhaus Lÿz<br />
Siegen (auch am 11.12.)<br />
5. Sonntag<br />
15:00 Trauercafé „Café Regenbogen“<br />
Haus Ernsdorf, Ernsdorfer Str. 3 Kreuztal<br />
17:00 Kreuztal Musikschule: „Heute<br />
tanzt der Nikolaus, Stadthalle Kreuztal<br />
6. Montag<br />
9:30 Gedächtnistreaining, Haus<br />
Herbstzeitlos Siegen<br />
19:00 Geschlossene Gesprächsgruppe<br />
für Trauernde, Haus Ernsdorf, Ernsdorfer<br />
Str. 3-5 Kreuztal<br />
7. Dienstag<br />
10:00 Kreativ-Gruppe Hausfrauenbund,<br />
Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
14:30 Adventfeier der Seniorenwandergruppen,<br />
Bismarckhalle Si.-Weidenau<br />
8. Mittwoch<br />
14:30 KSG „Kochstudio International“,<br />
Geisweid, Fichtenweg 5, Im Wenscht<br />
9. Donnerstag<br />
9:30 Kurs Selbstverteidigung, Haus<br />
Herbstzeitlos Siegen<br />
14:00 KSG-Senioren-Café, Geisweid,<br />
Fichtenweg 5, Im Wenscht<br />
15:00 Literaturcafé der Seniorenhilfe,<br />
Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
20:00 Improvisationstheater „Die<br />
Springmaus“ spielt „Merry Christmaus“<br />
Gebr.-Busch-Theater, Hi.-Dahlbruch<br />
20:00 Markus Hering liest Jan Paul,<br />
Medien- und Kulturhaus Lÿz Siegen<br />
Veranstaltungshinweise<br />
D e z e m b e r 2 0 1 0<br />
Die Kantorei Siegen ist im Weihnachtsmonat am 18. um 17 Uhr in der Evangelischen<br />
Kirche Erndtebrück und am 24. um 23 Uhr in der Nikolaikirche Siegen zu hören.<br />
10. Freitag<br />
20:00 Mike Krüger:„Is' das Kunst oder<br />
kann das weg“? Stadthalle Kreuztal<br />
11. Samstag<br />
20:00 Jürgen Becker: „Der dritte Bildungsweg“,<br />
Stadthalle Kreuztal<br />
12. Sonntag<br />
18:00 Bach-Chor Siegen – Werke von<br />
Bach und Rutter, Martinikirche Siegen<br />
13. Montag<br />
10:00 Trauercafé, Hospizhilfe Siegen<br />
e.V. Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
16:00 KSG-Lesepatin, Geisweid, Fichtenweg<br />
5, Im Wenscht<br />
14. Dienstag<br />
19:30 Treffen Wohnprojekt „Wahlverwandte“,<br />
Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
16. Donnerstag<br />
9:30 Kurs Selbstverteidigung, Haus<br />
Herbstzeitlos Siegen<br />
20:00 Martin-Luther-King-Konzert<br />
„Ich habe einen Traum“, Apollo-Theater<br />
18. Samstag<br />
17:00 Weihnachtskonzert mit der Kantorei<br />
Siegen, Ev. Kirche Erndtebrück<br />
20:00 Theater - Dieter Nuhr „Ich habe<br />
einen Traum“, Siegerlandhalle Siegen<br />
19. Sonntag<br />
14:30 Sonntagscafé, Haus Herbstzeitlos<br />
18:00 Kantorei Siegen „The Messiah“<br />
Leitg: Ute Debus, Nikolaikirche Siegen<br />
19:00 Siegener Christmas Comedy,<br />
Kulturhaus Lÿz Siegen<br />
20. Montag<br />
9:30 Gedächtnistreaining, Haus Herbstzeitlos<br />
Siegen<br />
14:00 KSG-Café Malen/Basteln für Erwachsene,<br />
Siegen-Geisweid, Fichtenweg<br />
5, Im Wenscht<br />
20:00 Milonga „Tango Argentino“ Kulturhaus<br />
Lÿz Siegen (auch am 27.12.)<br />
23. Donnerstag<br />
9:30 Selbstverteidigung, Haus Herbstzeitlos<br />
Siegen<br />
15:00 Trauercafé, Hospizhilfe Siegen<br />
e.V. Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
15:00 Literaturcafé der Seniorenhilfe,<br />
Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
20:00 Sinfoniekonzert-PhilSW, Dirigat:<br />
Russell N. Harris, Apollo Siegen<br />
24. Freitag<br />
23:00 Kantorei Siegen, Christmette,<br />
Leitg: Ute Debus, Nikolaikirche Siegen<br />
26. Sonntag<br />
18:00 Bach-Chor Siegen, Weihnachtskonzert<br />
bei Kerzenschein, Martinikirche<br />
Siegen<br />
27. Montag<br />
10:00 Seniorenfrühstück der Seniorenhilfe<br />
e.V., Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
30. Donnerstag<br />
9:30 Kurs Selbstverteidigung, Haus<br />
Herbstzeitlos Siegen<br />
31. Freitag<br />
20:00 Philharmonie Südwestfalen: Barock-Trompeten-Doppelkonzert,<br />
ev. Kirche Hilchenbach, Kirchplatz<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 69
Veranstaltungshinweise<br />
J a n u a r 2 0 1 1<br />
1. Samstag<br />
16:00 + 20:00 Neujahrskonzert – Philharmonie<br />
Südwestfalen, Dirigat: Russell N.<br />
Harris, Apollo Theater Siegen<br />
2. Sonntag<br />
15:00 Trauercafé – Café Regenbogen,<br />
Haus Ernsdorf, Ernsdorfer Str. 3-5<br />
Kreuztal<br />
3. Montag<br />
19:30 Neujahrskonzert - Philharmonmie<br />
Südwestfalen, Dirigat: Russell N. Harris,<br />
Bürgerhaus am Markt, Bad Berleburg<br />
19:00 Geschlossene Gesprächsgruppe<br />
für Trauernde, Haus Ernsdorf, Ernsdorfer<br />
Str. 3-5 Kreuztal<br />
4. Dienstag<br />
10:00 Kreativ-Gruppe Hausfrauenbund,<br />
Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
19:30 Neujahrskonzert – Philharmonie<br />
Südwestfalen, Dirigat: Russell N. Harris,<br />
Aula des städtischen Gymnasiums<br />
Bad Laasphe<br />
5. Mittwoch<br />
14:00 KSG-Nachbarschafts-Café, Geisweid,<br />
Fichtenweg 5, Im Wenscht<br />
19:30 Gesprächskreis für pflegende Angehörige,<br />
Sitzungszimmer der Stiftung<br />
Diakoniestation Kreuztal, Anmeldung<br />
vormittags: Daniela Sadelkow-Geßner<br />
02732-582470<br />
6. Donnerstag<br />
15:00 Literaturcafé der Seniorenhilfe,<br />
Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
7. Freitag<br />
18:00 Theaterführung-Blick hinter die<br />
Kulissen, Apollo-Theater Siegen<br />
9. Sonntag<br />
17:00 Neujahrskonzert – Philharmonmie<br />
Südwestfalen, Dirigat: Russell N. Harris,<br />
Stadthalle Kreuztal<br />
20:00 WDR 2 – Lachen Live! „Radiosatieren“<br />
Kulturhaus Lÿz Siegen, St.-<br />
Johann-Straße<br />
10. Montag<br />
10:00 Trauercafé, Hospizhilfe Siegen<br />
e.V. Haus Herbstzeitlos, Siegen<br />
16:00 KSG-Lesepatin, Geisweid, Fichtenweg<br />
5, Im Wenscht<br />
20:00 Neujahrskonzert – Philharmonie<br />
Südwestfalen, Dirigat: Russell N. Harris,<br />
Apollo-Theater Siegen (auch Dienstag,<br />
11.01.)<br />
12. Mittwoch<br />
14:30 KSG-Café „Kochstudio International“,<br />
Geisweid, Fichtenweg 5<br />
13. Donnerstag<br />
14:00 KSG- Senioren- Café, Geisweid,<br />
Fichtenweg 5, Im Wenscht<br />
15. Samstag<br />
19:30 Neujahrskonzert - Philharmonie<br />
Südwestfalen, Dirigat: Russell N. Harris,<br />
Festhalle Wilnsdorf<br />
20:00 Daubs-Melanie, „Siegen heißt gewinnen“,<br />
Heimhof-Theater, 02736/5577<br />
16. Sonntag<br />
14:30 Sonntagscafé, Haus Herbstzeitlos<br />
Siegen, Marienborner Str. 151<br />
17:00 Sonntags um Fünf – Neujahrskonzert<br />
mit Musikern der Philharmonie<br />
Südwestfalen, ev. Kirche Erndtebrück<br />
17. Montag<br />
14:00 KSG-Café Malen/Basteln für<br />
Erwachsene, Geisweid, Fichtenweg 5,<br />
Im Wenscht<br />
18. Dienstag<br />
16:00 Öffentliche Redaktionssitzung<br />
durchblick, Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
20. Donnerstag<br />
15:00 Literaturcafé der Seniorenhilfe,<br />
Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
20:00 Schauspiel – „Prinz Friedrich von<br />
Homburg“, Gebrüder-Busch-Theater,<br />
Hilchenbach-Dahlbruch<br />
21. Freitag<br />
20:00 Kreuztal Kultur – Konzert Salut<br />
Salon: „klassisch zu verführen“, Stadthalle<br />
Kreuztal, Am Erbstollen 7<br />
Do.20.Dez. ab 20 Uhr: Schauspiel - „Prinz<br />
Friedrich von Homburg“, im Gebrüder-<br />
Busch-Theater, Hilchenbach-Dahlbruch<br />
WDR 2<br />
Radiosatiren<br />
20:00 Gerd Köster& Frank Hocker,<br />
„Cash zo Äsch“, Heimhof-Theater<br />
Burbach 02736/5096850<br />
Lachen<br />
Live<br />
„Von der<br />
Leyens"<br />
& „Sarko<br />
de Funes“<br />
„Angie“<br />
auf Tour<br />
am 9. Jan.<br />
ab 20 Uhr<br />
im Kulturhaus<br />
Lzÿ<br />
Siegen<br />
22. Samstag<br />
20:00 „Boogie Woogie & Blues – piano<br />
& drums“, Stadthalle Kreuztal<br />
23. Sonntag<br />
17:00 Dia-Panoramavision mit Dieter<br />
Freigang, „Berchtesgaden und Königssee“,<br />
Heimhof-Theater 02736/5577<br />
24. Montag<br />
10:00 Seniorenfrühstück der Seniorenhilfe<br />
e.V., Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
27. Donnerstag<br />
15:00 Trauercafé, Hospizhilfe Siegen e.V.<br />
Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
28. Freitag<br />
20:00 Kantorei Siegen – Konzert mit dem<br />
Arton-Ensemble, Nikolaikirche Siegen<br />
29. Samstag<br />
20:00 Ottfried Fischer– „Wo meine Sonne<br />
scheint“ Kulturhaus Lÿz, Siegen<br />
70 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Veranstaltungshinweise<br />
F e b r u a r 2 0 1 1<br />
1. Dienstag<br />
10:00 Kreativ-Gruppe Hausfrauenbund,<br />
Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
2. Mittwoch<br />
14:00 KSG-Offenes-Café, Siegen<br />
Geisweid, Fichtenweg 5, Im Wenscht<br />
19:30 Gesprächskreis für pflegende<br />
Angehörige, Sitzungszimmer der Stiftung<br />
Diakoniestation Kreuztal, Anmeldung<br />
vormittags: 02732-582470<br />
3. Donnerstag<br />
15:00 Literaturcafé der Seniorenhilfe,<br />
Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
20:00 Theater „Fettes Schwein“, Gebrüder-Busch-Theater,<br />
Hi.-Dahlbruch<br />
20:00 LÿzMixVarieté, Kabarett, Musik,<br />
Akrobatik und Zauberei, Kulturhaus<br />
Lÿz Siegen (auch am 24.2.)<br />
5. Samstag<br />
20:00 Kabarett: „Liebe“ mit Hagen<br />
Rether, Stadthalle Kreuztal,<br />
6. Sonntag<br />
15:00 Trauercafé - Café Regenbogen,<br />
Haus Ernsdorf, Kreuztal<br />
7. Montag<br />
16:00 Dämmerstunde der Seniorenhilfe,<br />
Filmvortrag „Große Donau-Kreuzfahrt“,<br />
Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
19:00 Geschlossene Gesprächsgruppe<br />
für Trauernde, Haus Ernsdorf Kreuztal<br />
8. Dienstag<br />
20:00 Kammermusik mit dem Minguet<br />
Quartett, Gebrüder-Busch-Theater,<br />
Hilchenbach-Dahlbruch<br />
9. Mittwoch<br />
20:00 WDR 3-Kammerkonzert, „Asasello<br />
Quartett“,Apollo-Theater Siegen<br />
14:30 KSG-Café „Kochstudio „International“,<br />
Geisweid, Fichtenweg 5<br />
10. Donnerstag<br />
14:00 KSG-Seniorencafé, „mit Programm“<br />
Geisweid, Fichtenweg 5<br />
11. Freitag<br />
20:00 Carlos Nunez - Das Vierte Konzert,<br />
„Alborada do Brasil“, Ev. Kirche<br />
Hilchenbach, Kirchplatz<br />
13. Sonntag<br />
18:00 Kreuztal Kultur – Django Asül:<br />
„Fragil“, Stadthalle Kreuztal<br />
20:00 „Mehr Liebe“ Heikle Geschichten<br />
mit Frank Schulz & Harry<br />
Rowohlt, Kulturhaus Lÿz Siegen<br />
14. Montag<br />
10:00 Trauercafé -Hospizhilfe Siegen<br />
e.V. Haus Herbstzeitlos, Siegen<br />
16:00 KSG-Café, Lesepatin, Geisweid,<br />
Fichtenweg 5, Im Wenscht<br />
15. Dienstag<br />
16:00 Öffentliche Redaktionssitzung<br />
durchblick, Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
20:00 Konzert – Martin-Luther-King<br />
„Ich habe einen Traum“, Apollo-Theater<br />
17. Donnerstag<br />
15:00 Literaturcafé der Seniorenhilfe,<br />
Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
20:00 Theater-Bülent Ceylan „Ganz<br />
schön turbülent“, Siegerlandhalle Siegen<br />
20. Sonntag<br />
14:30 Sonntagscafé, Haus Herbstzeitlos<br />
Marienborner Str. 151, Siegen<br />
17:00 Sonntags um Fünf – Lieder- und<br />
Balladenabend, ein „Best Of“, Stift<br />
Keppel, Hilchenbach-Allenbach<br />
21. Montag<br />
14:30 Seniorenball der Wandergruppen,<br />
Leonhard-Gläser-<br />
Saal, Siegerlandhalle Siegen<br />
16:00 SeniorenTheater Siegen, „Die<br />
Siegener Stadtmusikanten“ Kultur- und<br />
Medienhaus Lÿz Siegen<br />
14:00 KSG-Café, Malen/Basteln für<br />
Erwachsene, Geisweid, Fichtenweg 5<br />
„Milonga<br />
im Lÿz“,<br />
immer<br />
montags<br />
steht für<br />
Tangofreunde<br />
ab 20<br />
Uhr das<br />
Kulturhaus<br />
Lÿz<br />
in Siegen<br />
offen.<br />
22. Dienstag<br />
19:30 Konzert „Senta“, Popsongs im<br />
Opern-Stil, Siegerlandhalle Siegen<br />
23. Mittwoch<br />
19:00 SeniorenTheater Siegen, „Die<br />
Siegener Stadtmusikanten“ Kultur- und<br />
Medienhaus Lÿz Siegen<br />
24. Donnerstag<br />
15:00 Trauercafé, Hospizhilfe Siegen<br />
e.V. Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
20:00 Konzert - PhilSW, „Serenaden<br />
Sinfonisch“ Gebrüder-Busch-Theater,<br />
Hilchenbach-Dahlbruch<br />
26. Samstag<br />
20:00 „Olé - The Flamenco Comedy<br />
Show“ Stadthalle Kreuztal<br />
20:00 Daubs Melanie – Siegen heißt<br />
gewinnen! Kulturhaus Lÿz Siegen<br />
27. Sonntag<br />
17:00 Dia-Panoramavision mit D. Freigang,<br />
„Provence – zwischen Alpen und<br />
Meer“, Heimhof-Theater, 02736/5577<br />
18:00 Kantorei Siegen – Brass Symphony<br />
– 100 Jahre Jan Koetsier, Nikolaikirche<br />
Siegen<br />
28. Montag<br />
10:00 Seniorenfrühstück der Seniorenhilfe<br />
e.V., Haus Herbstzeitlos Siegen<br />
12. Samstag<br />
20:00 Arnulf Tating „Aufwärts!“, Heimhof-Theater<br />
Burbach-Wasserscheide <br />
02736/5096850<br />
Frank Schulz und Harald Rowohlt am 13. im Lÿz<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 71
Leserbriefe<br />
db 3/<strong>2010</strong> Menschenwürde, was ist das?<br />
Würde ist, die eines Menschen kraft seines inneren Wertes<br />
zukommende Bedeutung. (Lt. Brockhaus).<br />
Etymologisch: mhd: wirde, ahd: wirdi, Ableitung: voller<br />
Würde, der Ehrung wert (ahd: „wirdig“).<br />
Der obige ausgezeichnete Artikel von Herrn Eberhard<br />
Freundt bezieht sich im Schwerpunkt auf das Christentum,<br />
wobei die Kreuzigung Christi als die qualvollste und<br />
schändlichste Hinrichtung bezeichnet wird. – Die Menschenwürde<br />
ist im Internet auf englischen und deutschen<br />
Sprachraum beschränkt. – Dieser Artikel hat auch vorchristliche<br />
Bezüge. Athener Bürger haben sehr wohl ihre<br />
Würde. Aber Bedienstete dieser Bürger wurden wie Ware<br />
gehandelt, auch als Galeerensklaven zum Rudern geeignet.<br />
Die Leibeigenschaft, insbesondere bei Landarbeitern, galt<br />
ja immer noch zur russischen Zarenzeit. Oder wie verfuhr<br />
Stalin in Katyn und mit seinen „Bürgern“ in den Gulags?<br />
Was hat das Christentum noch durchstanden bei aller<br />
Nächstenliebe? >> Die Kreuzzüge, die Inquisition<br />
mit Vernichtung der Templer 1312, Hexenverbrennungen<br />
in Hilchenbach und die letzte in Düsseldorf 1738, Hinrichtung<br />
durch den Strang an den drei Pfosten in Siegen<br />
seit 1516 – 1765, (Dillenburg bis 1778) auch für kleinere<br />
Diebstähle u.a, sowie die Französischen Revolution 1789<br />
für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, oder die Vernichtung<br />
von Juden im Zweiten Weltkrieg. Die Christenheit<br />
mit 33 % ist die größte Religionsgruppe und ist heute<br />
vorwiegend friedlich.<br />
Der Islam mit 21 % der Weltreligionen befehden sich<br />
als Shiiten und Sunniten gegeneinander. Die Ereignisse<br />
im Irak, Pakistan und Afganistan sind mehr als grausam.<br />
Man meint mit dschihad sei es an der Zeit. – Mord ist im<br />
Koran nicht erlaubt. Das gilt auch gegen Christen am 11.<br />
September 2001 in New York. > Wie sieht es im Islam mit<br />
der Würde des Menschen aus?<br />
Die UN-Mitgliedsstaaten haben 1948 die allgemeinen<br />
Menschenrechte formal verankert. In Artikel 1 gilt „Alle<br />
Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“.<br />
– Das Grundgesetz der BRD wurde am 23. 5. 1949<br />
mit Artikel 1.1 Die Würde eingesetzt. Die Grundrechte Artikel<br />
1–19 entsprechen im Wesentlichen den 30 Artikeln der<br />
allgemeinen Menschenrechte. Die Würde ist das erste und<br />
wichtigste „Menschenrecht“.<br />
Was ist aber daraus geworden? In 2007 geschah: 45<br />
Staaten verhängen politische Haft, 24 Staaten vollziehen<br />
1252 Hinrichtungen (auch USA), 54 Staaten führen unfaire<br />
Gerichtsverfahren (Guantanamo, Iran, u. a.), 23 Staaten<br />
diskriminieren Frauen (im alten, bisherigen Wahlrecht der<br />
Schweiz). – Über all diese Sünden wacht (und schwärzt an)<br />
die „Amnesty International“.<br />
72 durchblick 4/<strong>2010</strong>
Leserbriefe<br />
Wie geht es nun weiter? Am Genfer See steht die LHC-<br />
Weltmaschine. Kleinste Teilchen rasen mit Lichtgeschwindigkeit<br />
durch den 27-km-Kreis und suchen den Urknall ><br />
„Wir machen Zukunft > Was die Welt zusammenhält“. –<br />
Oder suchen wir nicht besser erst mal im Kleinen bei uns<br />
Menschen, was uns zusammenhält!<br />
Hartmut Gerkan, Siegen<br />
db 2/<strong>2010</strong><br />
Danke für Ihr tolles Heft 3/<strong>2010</strong>! Wie immer wunderbar<br />
der Essay von E. Freundt! Zum Thema „Würde“ möchte ich<br />
noch betonen, dass diese nur möglich ist, wenn es einen geschützten,<br />
privaten Raum gibt. Nicht alles muss an die Öffentlichkeit<br />
(vgl. z.B. das gegenwärtige Cyber-Mobbing!).<br />
Jedes Lebewesen hat das Recht auf sein „Geheimnis“!<br />
Anne Stötzel-Rinder, Vlissingen, Niederlande<br />
Das Porzellan in der Tischkultur db 3-<strong>2010</strong><br />
Vielen Dank für Ihren erhellenden Artikel über das Porzellan.<br />
Ergänzend darf ich anmerken, dass Herr Böttcher im<br />
Dienst von August dem Starken eigentlich beauftragt war,<br />
aus unedlen Metallen Gold zu machen. Dokumentiert war das<br />
seinerzeit im Eingangsbereich der Meißener Albrechtsburg.<br />
Hier befand sich ein Türbalken mit der Inschrift: „Schaffe er<br />
mir Gold, Böttcher“. Mittlerweile ist dieser Türbalken nicht<br />
mehr aufzufinden. Erst auf dem Weg zur Goldherstellung,<br />
quasi als Nebenprodukt, erfand Böttcher, gemeinsam mit<br />
Walter von Tschiernhaus das Porzellan.<br />
Helmut Kritzler, Siegen<br />
Einen Brief ganz eigener Art erhielten wir von unserem<br />
Leser Heinz Bohlmann aus Kirchen. Auf seine Weise<br />
drückt er die Freude an zumindest zwei Artikeln aus dem<br />
durchblick aus. Das Bild des Beitrags Antilopengesicht<br />
von Gerda Greis und einen Text von Inge Göbel – beide<br />
aus dem Heft 2-<strong>2010</strong> – dienten als Vorlage für eine Collage,<br />
die er gekonnt mit einem Computer hergestellt hat.<br />
Die Redaktion hat sich sehr über diese Arbeit gefreut!<br />
Vielen Dank!<br />
db 3-<strong>2010</strong> db 3-<strong>2010</strong> Wenig Hilfe<br />
Frau Inge Göbel beschreibt in der letzten Ausgabe ihre<br />
Erfahrungen mit den Unzulänglichkeiten des Bahnhofs<br />
Siegen. Leider kenne ich schon etliche Erlebnisse dieser<br />
Art, sei es aus Erzählungen anderer oder aus eigener<br />
Erfahrung.<br />
Für viele Menschen, insbesondere für diejenigen, die zur<br />
Fortbewegung einen Rollstuhl benötigen, ist dieser Bahnhof<br />
wirklich eine Zumutung! Selbstständiges Reisen oder<br />
gar spontane Fahrten werden erschwert bzw. unmöglich gemacht.<br />
Wer kann, vermeidet es, von oder nach Siegen die<br />
Bahn zu nutzen. Wer jedoch auf den ÖPNV angewiesen ist,<br />
hat das Nachsehen ...<br />
Birgit Rabanus, Siegen, Vorsitzende der MS-Selbsthilfegruppe<br />
Siegen e.V.<br />
Ihre Zeitung finde ich durchweg gelungen, sehr gut gefallen<br />
mir die Rezeptseiten und die Dialekt-Beiträge von Gerda<br />
Greis. Die Schrift in einigen Spalten würde ich mir größer<br />
wünschen. Zufällig bekam ich Ihre CD zu hören und möchte<br />
Ihnen auch dafür ein dickes Kompliment aussprechen.<br />
Birgit Bergmann, Freudenberg<br />
durchblick 4/<strong>2010</strong> 73
Unterhaltung / Impressum<br />
Es fiel uns auf …<br />
… dass die Familie für die meisten Deutschen am wichtigsten<br />
ist. Eine neue Umfrage des Instituts für Demoskopie<br />
Allensbach ergab, dass die Familie für 76 der Deutschen am<br />
wichtigsten ist. „Familie verbinden 87 Prozent der Befragten<br />
mit Solidarität. Viele Singles zählen auch enge Freunde<br />
zur „Familie“.<br />
… dass neue Mogelpackungen die Käufer reinlegen.<br />
Dass sich die Menge reduziert hat, ist vielen Packungen nicht<br />
anzusehen. Sie werden meist nicht kleiner, sondern werden<br />
einfach mit weniger Inhalt und mehr Luft befüllt. So enthält<br />
jetzt zum Beispiel der Frischkäse „Philadelphia“ nur noch<br />
265 statt 300 Gramm, der Preis aber ist gleich geblieben.<br />
… dass Eier doch gesund sind. Während man bisher<br />
annahm, dass der Verzehr von Eiern den Cholesterinspiegel<br />
erhöht, haben mittlerweile große Studien gezeigt, dass das<br />
Essen eines Hühnereies pro Tag keinen Einfluss auf den<br />
Cholesterinspiegel hat – ebenso wenig auf die Entstehung<br />
von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.<br />
… dass wer jünger aussieht länger lebt. Es ist kaum zu<br />
glauben, aber eine Forschergruppe in Dänemark hat herausgefunden,<br />
dass jemand, der jünger aussieht, länger lebt.<br />
Umgekehrt soll es so sein, dass Menschen, die nach ihrem<br />
Aussehen älter geschätzt werden, früher sterben. homa<br />
Gedächtnistraining: Lösungen von Seite: Seite 56/57<br />
Wortfindung-Wissen: Wer A sagt, muss auch B sagen. Es ist noch<br />
nicht aller Tage Abend. Keine Antwort ist auch eine Antwort. In den<br />
sauren Apfel beißen. Wie man sich bettet, so liegt man. Der Mensch<br />
lebt nicht vom Brot allein. Konzentration: Huhn, Fisch, Storch, Kalb,<br />
Gnu, Leopard, Geier, Frosch, Pfau, Igel. Konzentriertes Lesen: Der<br />
Optimist sieht bereits die Narbe über der Wunde, der Pessimist immer<br />
noch die Wunde unter der Narbe. (Ernst Schröder). Logisches Denken:<br />
Essgeschirr-Hundenapf, Fussbekleidung-Kappe, Zwiebelgewächse-<br />
Enzian. Lückentext: Es ist besser eine Kerze anzuzuenden, als über<br />
die Dunkelheit zu klagen.<br />
Zu guter Letzt:<br />
Das schlechte Gewissen treibt seine Blüten. Als Kind war<br />
es eine meiner schönsten Untaten, an unbekannten Haustüren<br />
zu schellen und auf die Reaktionen der Hausbewohner zu warten.<br />
In einem Fall verharrte ich nach dem Schellen noch einige<br />
Sekunden, als ein Bär von Mann die Haustür aufriss und direkt<br />
auf mich zulief. Ich bekam mächtig Angst und rannte um mein<br />
Leben, – der Mann hinter mir her. Ich glaube, ich hätte eine<br />
Medaille für den schnellsten „Hundertmeterlauf“ aller Zeiten erhalten,<br />
hätte es sich um einen Wettbewerb gehandelt. Nach den<br />
besagten einhundert Metern war es hinter mir still, der Verfolger<br />
war wie vom Erdboden verschluckt, nicht mehr zu sehen. Mein<br />
Herz raste, wo war der Mensch? Wenige Sekunden später fuhr<br />
die Straßenbahn an mir vorbei und durchs Fenster sah ich ihn,<br />
meinen Verfolger. Ich trottete nachdenklich nach Hause. Von<br />
dieser Art Lausbubenstreichen war ich geheilt. Jürgen Ritter<br />
durchblick<br />
Gemeinnützige Autorenzeitschrift<br />
für Siegen und Umgebung<br />
Herausgeber:<br />
durchblick-siegen Information und Medien e.V.<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
„Haus Herbstzeitlos“, Marienborner Str. 151, 57074 Siegen<br />
Telefon 0271 61647, Mobil: 0171-6206413<br />
E-Mail: redaktion@durchblick-siegen.de<br />
Internet: www.durchblick-siegen.de<br />
Öffnungszeiten:<br />
dienstags bis donnerstags von 10.00 bis 12.30 Uhr<br />
dienstags auch von 15.00 bis 17.00 Uhr<br />
Redaktion:<br />
Maria Anspach; Friedhelm Eickhoff (v.i.S.d.P.); Fritz Fischer;<br />
Eberhard Freundt; Inge Göbel; Gerda Greis; Dorothea Istock;<br />
Erich Kerkhoff; Erika Krumm; Brigitte Lanko; Horst Mahle;<br />
Ulli Weber; Helga Siebel-Achenbach<br />
Bildredaktion:<br />
Thomas Benauer; Friedhelm Eickhoff; Gottfried Klör (verantwortlich.);<br />
Tessie Reeh; Agnes Spar; Peter Spar;<br />
Hörbuch-Redaktion:<br />
Helmut Drabe (verantwortlich); Hans-Peter Gebhardt;<br />
Kruno Schmidt; Ingrid Drabe; (Sprecher auf CD-Beilage)<br />
Veranstaltungskalender: Ingrid Drabe<br />
Internet: Thomas Benauer<br />
An dieser Ausgabe haben ferner mitgewirkt:<br />
Anja Freundt; Barbara Kerkhoff; Dr. Horst Bach; Nicole Fahrenkamp;<br />
Wilma Frohne; Uwe Erwin Engelmann; Helga Düringer;<br />
Edith Maria Bürger; Crauss; Hedwig Jung; Lotte Thiemann;<br />
Jürgen Ritter; Reiner Jakobs; Michael Kringe; Dr. Wolfgang Bauch;<br />
Eva Herrmann; Gisela Rauch, Ernst Göckus; Eugen Werner;<br />
Bettina Großhaus-Lutz; Christine Sahm; Olaf Smolny;<br />
Prof. Dr. Ursula Blanchebarbe<br />
Fotos/Zeichnungen/Grafik:<br />
F.Fischer, A.Spar, Dr.H.Bach; G.Klör; H.Mahle, Julian Felgitsch,<br />
T. Reeh; P.Spar; Florian Adam; Hartmut Reeh; www.Fotolia;<br />
durchblick-Photoshop-Club<br />
Gestaltung, Satz und Layout:<br />
db-Lektorat<br />
Herstellung und Druck:<br />
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Dr. Horst Bach; Helga Sperling; Hermann Wilhelm; Renate Tietze;<br />
Rotraud Ewert; Ursula Gloger; Waltraud Gottschalk; Monika Müller;<br />
Marie Oude-Henger; Christel Mahle; Helga Düringer; Dieter Haas;<br />
alle Redakteure;<br />
Auflage: 15 000 – Der durchblick liegt kostenlos aus: in Sparkassen,<br />
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der Wohlfahrtsverbände und Kirchen, in allen Rathäusern<br />
und Senioren-Servicestellen des Kreises Siegen-Wittgenstein. Für<br />
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durchblick 4/<strong>2010</strong> 75