KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien Florian Hecker Halluzination, Perspektive, Synthese © Foto: J. Phipps Florian Hecker ist Künstler, der mit synthetischen Sounds akustische Erfahrungsräume schafft und den Hörprozess des Betrachters als Material einsetzt. Seine computergenerierten, räumlichen Kompositionen dramatisieren Fragestellungen der Psychoakustik, objektiv-physikalischer Reize und deren individueller, psychischer wie physischer Wirkung. Mehr-Kanal- Installationen entfalten eine skulpturale Präsenz, die die Vorstellung einer kohärenten, kontinuierlichen Welt aus identifizierbaren Koordinaten und Bezugspunkten ins Wanken geraten lässt. Der Ausstellungsraum der Kunsthalle Wien präsentiert sich im Rahmen von Halluzination, Perspektive, Synthese als pointiert ausgeleuchtete, auf ihre Architektur reduzierte Halle. Sie ist Aufführungsort, Resonanzraum und Bühne für Klangereignisse, die sich einer sprachlichen Beschreibung und Kategorisierung entziehen. Größten Raum nimmt Resynthese FAVN ein, eine umfangreiche Weiterentwicklung von FAVN, das 2016 in der Alten Oper in Frankfurt präsentiert wurde. FAVN, eine Abstraktion zum Komplex der Psychophysik des späten 19. Jahrhunderts sowie Debussys Prélude à l’aprèsmidi d’un faune, das seinerseits eine musikalische Auseinandersetzung mit Stéphane Mallarmés Gedicht L’après-midi d’un faune ist, bilden die Ausgangssituation zu Resynthese FAVN. Resynthese FAVN ist das Resultat einer minutiösen, computergesteuerten Analyse, Umformung und anschließenden Resynthese von Heckers ursprünglicher Arbeit. Bereits Mallarmés Dichtung, aber auch Debussys Komposition spüren der unscharfen Grenze von Realität und Imagination, sensorischer Empfindung und halluziniertem Ereignis nach. Resynthese FAVN schreibt diese Ambivalenz fort und zwingt die Hörer/innen über einen algorithmisch gesteuerten Prozess der Klangerzeugung zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Wahrnehmung akustischer Realität. Während der Ausstellung sind im Laufe eines jeden Tages acht verschiedene Versionen zu hören – graduelle, sich immer mehr kristallisierende Ausführungen der Arbeit. Signifikant ist die konzeptuelle Zuspitzung der von Debussy verdichteten Tendenzen des ausgehenden 19. Jahrhunderts: Quantifizierung der Sinne, pointierter Einsatz von Timbre und Klangfarbe. Inmitten einer reduzierten Bühnensituation präsentiert sich der komplexe Sound als etwas, das sich auf keine bekannte Quelle zurückführen lässt. Letztlich realisiert unsere auditive Wahrnehmung die Klänge als sensorische Objekte mit unterschiedlicher Verortung. Damit problematisiert Resynthese FAVN auch den Begriff einer singulären oder in sich geschlossenen Perzeption. Ähnlich verhält es sich in zwei weiteren Arbeiten, die in kleineren Räumen präsentiert werden. Affordance (2013) widersetzt sich mit seinen ansteigenden Arpeggios, verzerrten Glissandos, gänzlich statischen Tönen und Eruptionen von Noise jeder Erwartung, die aus dem zuvor Gehörten resultiert. Es basiert in seiner vollständig synthetischen Qualität buchstäblich auf „unerhörten“ Sounds und begründet damit eine musikalische Ontologie, die kein Hörprozess vollständig erkunden kann. Auch bei dem zweiten, für Halluzination, Perspektive, Synthese entstandenen und auf einem hoch formalisierten Stimmsystem basierenden Werk steht die Frage, welche Intensitäten bestimmte akustische Verhältnisskalen bei dem sie empfangenden Zuhörer auslösen, im Zentrum. [Kunsthalle Wien. Dauer von 17. November <strong>2017</strong> bis 14. Jänner 2018 - Foto © Kunsthalle Wien]
KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien Florian Hecker, 3 Channel Chronics (Performance), Push & Pull, Mumok, Wien, 12. Oktober 2010, Processed Performance Still, Original Photography © Manuel Gorkiewicz, 2010 Florian Hecker, FAVN Alte Oper Frankfurt, Foto: © Alte Oper Frankfurt, Norbert Miguletz, 2016, Copyright der Künstler, Courtesy Sadie Coles HQ, London