KUNSTINVESTOR AUSGABE NOVEMBER 2017
Kunst als Kapitalanlage AUSGABE DEZEMBER 2017 Chefredakteur: Michael Minassian
Kunst als Kapitalanlage
AUSGABE DEZEMBER 2017
Chefredakteur: Michael Minassian
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KUNST.INVESTOR Kommentar – Otto Hans Ressler<br />
Was ist Kunst<br />
‚…es geht gar nicht um Bewertung,<br />
sondern darum, ob und was<br />
das Kunstwerk für mich bedeutet.‘<br />
Foto: © Ressler Kunst Auktionen<br />
Ein Kunstwerk kann ein Bild sein oder eine Skulptur,<br />
aber ebenso ein Autowrack, eine Ansammlung von<br />
Steinen, eine halbverkohlte Geige, eine schmutzige<br />
Badewanne oder eine auf einen Zettel gekritzelte Notiz.<br />
Es gibt keine allgemein gültige Definition für Kunst.<br />
Gäbe es eine, würde wohl schon am nächsten Tag ein<br />
Künstler darangehen und etwas machen, das diese<br />
Definition ad absurdum führt. Das bedeutet freilich<br />
nicht, dass Kunst pure Subjektivität und jeder Deutungsversuch<br />
von Anfang an zum Scheitern verurteilt<br />
wäre. Vor allem kann man für sich selbst durchaus<br />
Qualitätskriterien finden. Und da wir soziale Lebewesen<br />
sind, ließen sich im Meinungsaustausch mit anderen,<br />
an Kunst interessierten Menschen fraglos übereinstimmende<br />
Überzeugungen finden. Das passiert auch<br />
permanent. Im Grunde ist der Kunstmarkt nichts<br />
anderes als ein Ort des ständigen Austauschs von<br />
Argumenten und Einschätzungen. Wenn ich von Kunst<br />
spreche, meine ich bildende Kunst – also die<br />
Ergebnisse einer Tätigkeit, die aus einem kreativen<br />
Prozess entstehen und nicht eindeutig durch<br />
Funktionen festgelegt sind. Ich meine Bilder, Plastiken,<br />
Installationen, Fotos, Filme, Grafiken; also ganz<br />
konkrete Objekte. Ich meine nicht die Kochkunst, nicht<br />
die Baukunst, nicht die Liebeskunst und was es da<br />
sonst noch an Künsten gibt. Und ich meine auch nicht<br />
das Kunstgewerbe. Im 20. Jahrhundert wurde mit der<br />
Entwicklung neuer Medien der Kunstbegriff sehr viel<br />
weiter gefasst als zuvor. Das bis dahin vor allem visuell<br />
und haptisch erfahrbare Kunstwerk konnte nun zur<br />
reinen Idee werden oder existierte überhaupt nur als<br />
Handlungsanweisung. Auch diese Kunst meine ich<br />
nicht. Ich habe mir überlegt, was denn nun die – für<br />
mich – gültigen, essentiellen Eigenschaften eines<br />
Kunstwerks sind. An die Spitze meiner Anforderungsliste<br />
an die Kunst möchte ich einen Begriff stellen,<br />
den viele Kunstinsider meiden, als würde es sich um<br />
etwas Anstößiges, um etwas Peinliches handeln:<br />
Schönheit. Schönheit, meinen sie, stehe für Kitsch,<br />
nicht für Kunst. Adorno hat hier ganze<br />
Überzeugungsarbeit geleistet. Aber für mich ist die<br />
ästhetische Qualität eines Kunstwerks ganz entscheidend.<br />
Schönheit – und damit meine ich nicht das<br />
oberflächlich Schöne (das sehr wohl fragwürdig sein<br />
kann), nicht das Schöne der Farben und Formen allein,<br />
sondern das Schöne, bei dem man spürt, dass es uns<br />
betrifft, unser Leben, unsere Hoffnungen und Ängste,<br />
unsere Leidenschaften und unsere Urteilskraft. Das<br />
Schöne, das neue Erkenntnisse bringt, neue Erfahrungen,<br />
neue Empfindungen. Schönheit ist eine<br />
Grundbedingung der Kunst. Fehlt sie einem Werk,<br />
handelt es sich in meinen Augen gar nicht um Kunst.<br />
Ich finde es nicht zuletzt deshalb so schade, dass die<br />
ästhetische Qualität aus dem Diskurs über Kunst<br />
ausgeklammert wird, weil sich darüber wunderbar<br />
streiten ließe. Denn was schön ist, darüber gab es zu<br />
allen Zeiten und in allen Weltgegenden sehr<br />
unterschiedliche Vorstellungen. Von ganz wesentlicher<br />
Bedeutung ist für mich auch, dass ein Kunstwerk<br />
authentisch ist.