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Al Ard Magazin Ausgabe 6

Das Arabisch/Deutsche Kulturmagazin

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Kultur - Beutekunst ثقافة - سرقة الفن لقاءات لم يعد 34<br />

35<br />

Beutekunst<br />

Das Humboldt Forum: neues Glanzstück Berlins oder „neokoloniales“ Projekt?<br />

Nicht nur um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses<br />

ist in den letzten Jahren eine heftige Debatte entbrannt, sondern<br />

auch um die zukünftige Präsentation der ethnologischen<br />

Sammlungen im Herzen Berlins. Was hat es mit dem Humboldt<br />

Forum auf sich und warum ist es derzeit so starker Kritik ausgesetzt?<br />

TEXT VON NATALIE MAIER<br />

FOTOS © ETHNOLOGISCHES MUSEUM, CC BY-NC-SA<br />

Das Berliner Stadtbild ist geprägt von Orten, die an die deutsche Kolonialvergangenheit<br />

erinnern, zum Beispiel die Mohrenstraße in Mitte<br />

oder das afrikanische Viertel im Wedding. In der Wilhelmstraße, wo<br />

einst das Reichskanzlerpalais stand, erinnert heute eine Gedenktafel<br />

an die „Kongokonferenz“, die dort 1884 zur Aufteilung Afrikas unter<br />

den Kolonialmächten stattfand.<br />

Ergänzt wird diese Reihe nun durch ein kontrovers diskutiertes kulturelles<br />

Großprojekt: das Humboldt Forum, das im wiedererrichteten<br />

Berliner Stadtschloss ab 2019 die außereuropäischen Sammlungen<br />

des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst<br />

der Staatlichen Museen zu Berlin beherbergen soll.<br />

Das 1443 erbaute Berliner Schloss hat eine lange Geschichte hinter<br />

sich, die 1950 mit seinem Abriss durch die SED (Sozialistische Einheitspartei<br />

Deutschlands) vorerst ihr Ende fand. Bereits kurz nach der<br />

Wiedervereinigung 1990 wurde über einen Wiederaufbau diskutiert,<br />

der 2002 schließlich im Deutschen Bundestag beschlossen wurde.<br />

Seit 2013 wird das monumentale Gebäude auf der Spreeinsel errichtet.<br />

Rund 500.000 Artefakte aus Ozeanien, Amerika, Afrika und Asien<br />

finden dort bald ihren Platz. Bei einigen dieser Objekte handelt es sich<br />

um „Beutekunst“ – Kulturgüter, die aus Gründen der Selbstbereicherung<br />

in Kriegs- oder Besatzungszeiten widerrechtlich entwendet wurden.<br />

Vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

war Berlin die Hauptstadt des deutschen Kolonialreiches. Der im<br />

Berliner Schloss regierende deutsche Kaiser war maßgeblich für die<br />

Versklavung, Unterdrückung und Gewalt in den ehemaligen Kolonialgebieten<br />

verantwortlich. Unter welchen Umständen die Kulturgüter<br />

aus den ehemaligen Kolonien in die Berliner Sammlungen kamen, ist<br />

bisher kaum aufgearbeitet. Das ungleiche Machtverhältnis gibt jedoch<br />

Hinweise darauf, dass die Objekte kaum fair erworben worden<br />

sein können.<br />

Während die Befürworter mit der Rekonstruktion des prunkvollen<br />

Berliner Schlosses das ursprünglich imposante Zentrum Berlins<br />

wiederherstellen und Identität stiften wollen, sehen die Gegner, wie<br />

Aktivisten der Initiative „No Humboldt 21“, darin ein „neokoloniales“<br />

Projekt.<br />

Die Kritiker des Humboldt Forums verlangen mehr Transparenz<br />

in der Erforschung der Herkunftsgeschichte von Kulturgütern, der<br />

sogenannten Provenienzforschung. Sollte sich herausstellen, dass es<br />

sich bei den Kulturgütern um Beutekunst handelt, fordern sie eine<br />

Rückführung dieser zu ihren rechtmäßigen Besitzern in den jeweiligen<br />

Herkunftsländern.<br />

Das Humboldt Forum will zumindest in Dialog mit den Herkunftsländern<br />

treten und unter dem Begriff des „Shared Heritage“ mit Kulturwissenschaftlern,<br />

Künstlern und Vertretern indigener Gruppen<br />

zusammenarbeiten. Im Vordergrund steht dabei der Gedanke, dass<br />

das kulturelle Erbe der Menschheit auch der gesamten Menschheit<br />

gehört und von den Museen nur verwahrt wird. Von einer Gleichberechtigung<br />

der Kulturen kann jedoch keine Rede sein. Ausgestellt wird<br />

fast alle „Weltkunst“ in Europa, von wo aus sie auch gedeutet wird.<br />

Die Bevölkerung der Herkunftsländer hat kaum die Möglichkeit, nach<br />

Europa zu reisen und sich anzuschauen, was ihre Kulturen im Lauf der<br />

Geschichte hervorgebracht haben. Erschwerend hinzu kommt, dass<br />

die europäischen Sammlungen neben den außer europäischen keinen<br />

Platz im Humboldt Forum erhalten, sondern weiterhin in Dahlem<br />

bleiben. Diese Unterteilung in „Wir“ und „die anderen“ ist in unserer<br />

Migrationsgesellschaft nicht mehr zeitgemäß.<br />

<strong>Al</strong> <strong>Ard</strong> - 03/2017 - #06 #06 - 03/2017 - <strong>Al</strong> <strong>Ard</strong>

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