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Immerfort getreten<br />

Zugegeben, seit dem Gespräch mit Andreas Filusch geht mein Blick beim Laufen<br />

häufiger nach unten. Was es mit dem Berliner Pflaster auf sich hat und warum ein<br />

Handwerksmeister den Schritt in die Selbstständigkeit wagt, fragten wir den 35-Jährigen,<br />

der seine Firma für Steinsetzer- und Pflasterarbeiten im Februar 2017 gründete.<br />

Was hat Sie inspiriert und motiviert das<br />

warme Nest einer Festanstellung zu ver ­<br />

lassen, um selbst und ständig zu<br />

arbeiten?<br />

Ich habe mehrere Jahre in einer größeren<br />

Straßenbaufirma gearbeitet, die auch Ingenieurbauwerke<br />

wie Tunnel, Eisenbahnund<br />

Wildbrücken errichtete. Darunter war<br />

der Königsweg in Berlin-Wannsee, eines<br />

meiner Lieblingsprojekte. Zum einen,<br />

weil es in meinem Heimatbezirk war,<br />

und zum anderen – und das ist mir sehr<br />

wichtig –, weil mich stets die Geschichte<br />

der Straßen interessiert, an denen ich<br />

baue. So habe ich viel über die zu Beginn<br />

des 18. Jahrhunderts auf Anordnung<br />

von König Friedrich Wilhelm I. angelegte<br />

Verbindung zwischen Nikolassee,<br />

Je ordentlicher eine Baustelle<br />

ist, desto höher ist die Wahrscheinlich<br />

keit, dass ein potenzieller<br />

Kunde auf mich zukommt.<br />

Wannse e und Zehlendorf gelesen und<br />

recherchiert, wer an diesen Orten vor uns<br />

wie gebaut hat. Ich habe in der großen<br />

Firma viel gelernt, das war eine wichtige<br />

Zeit für mich. Allerdings vermisste ich<br />

als hochmotivierter Straßenbauer zunehmend<br />

das Handwerkliche. Dazu habe ich<br />

verschiedene Vorstöße unternommen und<br />

Vorschläge unterbreitet, wie man gerade<br />

in einem großen Unternehmen die Handwerkstechniken<br />

pflegen und den Nachwuchs<br />

ausbilden kann, doch das blieb<br />

ungehört. Und da habe ich mir gesagt,<br />

wenn die Firma das mit mir nicht macht,<br />

dann mache ich das mit der Firma. Mit<br />

meiner.<br />

Wer hat Sie bei der Umsetzung<br />

des Plans unterstützt?<br />

Neben meiner Familie vor allem die<br />

Handwerkskammer und die Berliner<br />

Volksbank. Das war eine herausfordernde<br />

Zeit, denn ich musste im notwendigen<br />

Businessplan mit Zahlen agieren, die<br />

nicht auf meinen eigenen Erfahrungen<br />

basierten. Bei meinem Handwerk werden<br />

die Leistungen nun mal nicht sofort vom<br />

Kunden bezahlt. Hier ist es üblich, in<br />

Vorleistung zu gehen. Es ist zumeist ein<br />

langer Weg zwischen Angebotsabgabe,<br />

Abschlagszahlungen und Schlussrechnungen.<br />

Das war schwierig all diese<br />

Pro zesse für vier Jahre im Voraus zu kalkulieren.<br />

War es unter diesen Bedingungen<br />

für Sie als Neustarter schwierig,<br />

das Gründungskapital zu<br />

bekommen?<br />

Ich habe alles, was ich an privatem<br />

Ver mögen hatte, in meinen<br />

Handwerks betrieb investiert.<br />

Business- und Renta bilitätsplan<br />

haben die Berliner Volksbank<br />

überzeugt. Zudem erhielt ich von<br />

der Handwerkskammer den wichtigen<br />

Hinweis, für diesen Schritt auch den<br />

Meisterkredit zu nutzen. Die Berliner<br />

Volksbank betreut Neugründer drei Jahre.<br />

Das gibt mir Sicherheit, denn die Bank<br />

sieht, wie sich das Unter ehmen entwickelt,<br />

und steht mit Rat und Tat zur Seite.<br />

Als sehr nützlich empfand ich auch die<br />

Beratung rund um die notwendigen Versicherungen.<br />

Kurzum: Das hat ausgezeichnet funktioniert.<br />

Auch noch in dem Augenblick,<br />

als ich im Sommer eine Folge investition<br />

brauchte, die ich schon bei der Abgabe<br />

der Zahlen zum Gründungskredit als<br />

Möglichkeit angesagt hatte.<br />

Dann ging‘s im Februar los.<br />

Wie verlief der Start?<br />

Das war relativ entspannt. Durch meine<br />

bisherige Arbeit hatte ich viele Kontakte<br />

zu potenziellen Auftraggebern, die mich<br />

und meine Arbeit kannten. Mein erster<br />

Gang war zu den Tiefbau ämtern, denn<br />

ich wollte von Beginn an mein Können<br />

für meine Stadt nutzen. Hier besteht die<br />

Möglichkeit, dass ich meinem Auszubildenden<br />

das Wissen und die Fähigkeiten<br />

rund um das Berliner Pflaster<br />

vermittle.<br />

Was ist denn das Besondere am<br />

Berliner Gehwegpflaster, über das<br />

Millionen laufen?<br />

Beim Berliner Pflaster kann man 500<br />

Jahre zurückschauen, aber ich beschränke<br />

das jetzt mal auf 150. Herrscher von<br />

Friedrich I. über Kaiser Wilhelm bis hin<br />

zur Weimarer Republik förderten das<br />

Handwerk der Straßenpflasterer und<br />

Steinsetzer. Schönster Aus<strong>druck</strong> dafür ist<br />

die Berliner Passe mit Bernburger-Mosaik,<br />

bei der ein sehr ästhetisches Fugenbild<br />

entsteht, da die Natursteine im Winkel<br />

von 45 Grad zur Hauswand oder zum<br />

Straßenrand verlegt werden. Das ist eine<br />

Pflasterkunst, die leider nur noch wenige<br />

beherrschen. Deshalb bilde ich von Beginn<br />

an aus. In den alten Quartieren der<br />

Stadt gibt es zudem viele Gestaltungsmuster<br />

und Ornamente. So haben wir<br />

gerade Am Fichtenberg in der Nähe des<br />

Botanischen Gartens das alte Wappen<br />

von Steglitz als Steinmosaik gesetzt.<br />

Wer nutzt außer der öffentlichen Hand<br />

Ihre Handwerkskunst?<br />

Natürlich Privatpersonen. Erstaunlich oft<br />

werden wir auf der Straße angesprochen.<br />

Das ist kein Zufall, denn ich sage immer:

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